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Terra Madre – die Erde muss uns bleiben XVIII

Tagesmail vom 24.10.2025

Terra Madre – die Erde muss uns bleiben XVIII,

Die Vernunft der Uno – vorüber.

„Die Uno entstand als Reaktion auf das Grauen des Zweiten Weltkriegs. Sie versprach die Sicherung des Friedens und konnte dieses Versprechen nicht halten. Und trotzdem veränderte sie die Geschichte. Was die 51 Gründerstaaten unterzeichneten, war die Utopie einer Welt, in der nie wieder Weltkriege und Völkermorde möglich sein sollten. Die Gründer, schrieb Steinbrück, hätten aus den fürchterlichen Erfahrungen gelernt und planten ein »Weltgerüst«, in dem alle Völker mit gleichen Rechten vertreten seien: »Und jeder, der sich der ›Hausordnung‹ nicht fügt, wird mit vereinten Mitteln zur Ordnung gerufen oder nötigenfalls dazu gezwungen.« (SPIEGEL.de)

Nun kommt die Epoche der Unvernunft. Oder der Quanten-Ulk.

„Gibt es eine objektive Welt, oder hängt alles vom Beobachter ab? Nun wollen Quantenphysiker diese Frage beantworten. Ihre Ergebnisse könnten unser Weltbild drastisch verändern. Das Experiment zeigte, dass diese Annahmen zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Das bedeutet: Mindestens eine der Annahmen muss falsch sein. Da Superdeterminismus und überlichtschnelle Kommunikation als sehr unwahrscheinlich gelten, steht die Objektivität von Messergebnissen in Zweifel.“ (Sueddeutsche.de)

Quantenerkenntnisse sind Konjunktiverkenntnisse: könnten oder könnten nicht. Objektiver, exakter und zuverlässiger geht’s wohl nicht. Just die Erkenntnisse, die zur heutigen Weltlage passen.

Gibt es überhaupt eine objektive Welt – oder fabriziert jeder seine eigene?

Wenn letzteres, wäre das die entscheidende Gelegenheit für die KI-Weltherren, die Subjektivität jedes Einzelnen per künstlicher Intelligenz auf Vordermann zu trimmen.

„Ihre Ergebnisse könnten unser Weltbild drastisch verändern.“ Könnten? Nur verändern? Dann gäb es gar kein gemeinsames Weltbild mehr. Jeder hätte sein eigenes und würde mit seinem künstlichen KI-Gehirn unauffindbar im Weltall herumschwirren.

„Dann hängt alles vom Beobachter ab.“

Das wäre der Sieg der deutschen Romantik. Eine objektive Welt gibt’s nicht, jeder schwirrt in seinem eigenen Ich herum, sein Ich ist seine Welt. Was werden objektive Maschinen dazu sagen?

Langsam. Hat nicht schon unser Oberaufklärer Kant ausgeführt:

„Eine apriorische Erkenntnis der Natur ist also nur möglich, wenn es umgekehrt der Verstand ist, welcher der Natur die Gesetze vorschreibt?“

Nicht von der Natur lernen wir objektive Ergebnisse, die Natur lernt sie von uns. Unsere objektive Erkenntnisart ist die Grundlage der objektiven Natur.

Da staunste, gell, du Würmchen?

Das ist die Fortentwicklung der Glaubenserkenntnis: solange Gott das Geschöpf anblickt, kann das Geschöpf existieren. „Du bist ein Gott, der mich anschaut.“

Unsere Erkenntnis schafft die Objektivität des Seins – und der Zeit meinetwegen. Auf diese Kleinigkeit kommt es nicht mehr an.

Moment, so einfach kommst du mir nicht davon. Einerseits ist die beginnende Romantik subjektiv, andererseits aber natur-objektiv:

„Eins zu sein mit Allem, das ist Leben der Gottheit, das ist der Himmel des Menschen. Eines zu sein mit Allem, was lebt, in seliger Selbstvergessenheit wiederzukehren ins All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und Freuden, das ist die heilige Bergeshöhe, der Ort der ewigen Ruhe, wo der Mittag seine Schwüle und der Donner seine Stimme verliert und das kochende Meer der Woge des Kornfelds gleicht. Mit diesen Worten legt die Tugend den zürnenden Harnisch, der Geist des Menschen den Zepter weg, und alle Gedanken schwinden vor dem Bild der ewig einen Welt — und das eherne Schicksal entsagt der Herrschaft, und aus dem Bunde der Wesen schwindet der Tod, und Unzertrennlichkeit und ewige Jugend beseligt, verschönert die Welt.“ (Hölderlin, Hyperion)

Gewonnen. Damit hätten wir den Wettkampf mit den verfluchten Maschinen gewonnen, die nichts anderes kennen als den endlos verhexten Fortschritt.

Endlich einmal ewige Ruhe, Gedanken und Freuden, Beseligung und Verschönerung. Oder in perfekten Reimen:

Mit gelben Birnen hänget
Und voll mit wilden Rosen
Das Land in den See,
Ihr holden Schwäne,
Und trunken von Küssen
Tunkt ihr das Haupt
Ins heilignüchterne Wasser.
Weh mir, wo nehm’ ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
Und Schatten der Erde?
Die Mauern stehn
Sprachlos und kalt, im Winde
Klirren die Fahnen.“

Das ist Hölderlins Gedicht „Hälfte des Lebens“.

Noch habt ihr eine Weile zu leben, aber nicht mehr lange, die Hälfte eures sinnlosen Daseins ist vorbei.

Ende des Ulks. Wer bislang nichts verstanden hat, sollte sich für immer zurückziehen.

Jetzt kommen wir in die raue Wirklichkeit. Die kennt kein Fünkchen Spaß. Stefan Aust zum Beispiel. Dieser Oberjournalist ist so objektiv, dass neben ihm auf der IST-Seite des Seins kein Plätzchen mehr frei ist.

„Rudolf Augstein würde heute eher die „Welt“ lesen als den „Spiegel“, glaubt Stefan Aust. Der Publizist über linken Terrorismus, rechte Politik und die Zukunft des Journalismus. Ich war weder Mitte links noch Mitte rechts, ich bin politische Mitte. Ich habe im Grunde immer dieselbe Position, nur die Medienlandschaft hat sich verändert. Wenn Sie sich heute die Artikel ansehen, die in der „Welt“ stehen, dann haben die mehr Ähnlichkeit mit den Artikeln und den Titeln, die früher im „Spiegel“ gestanden haben, als die Titel und Geschichten, die Sie heute im „Spiegel“ finden. Ich glaube, Rudolf Augstein würde heute eher die „Welt“ lesen als den „Spiegel“. Es interessiert mich gar nicht, wie das ankommt. Sagen, was ist, hat Rudolf Augstein gesagt. Sagen, was ist, sage auch ich.“ (TAGESSPIEGEL.de)

Das ist nichts weniger als ein Superverrat an Rudolf, dem Einzigen – nebenbei einem Freund Uri Avnerys. Augstein, ein IST-Fan, der die Welt lassen wollte, wie sie ist? Niemals. Das war höchstens ein Alters-Verfall, aber nicht seine ursprüngliche Haltung.

„Sein ‘Spiegel’ sollte Vorbild sein dafür, wie die ‘Wächterrolle der Presse in einem demokratischen Gemeinwesen’ ausgefüllt werden kann, wie er es selbst sagte.

Wie kann man eine Wächterrolle ausüben, wenn man nur stereotyp wiederholt, was ist?

Ist-Philosophen sind keine Demokraten. Nichts werden sie tun, um den demos vor dem Verfall zu retten. Am Kollektivgrab Athens würden sie regungs- und gefühllos, nein, keine Trauergesänge, sondern statistische Todesgesänge der Bestatter veranstalten.

Der SPIEGEL von heute hat seinen Begründer zu 55,5 % verraten. Gottlob schreiben seine Nachfolger immer mehr ihre Meinungen, doch manchmal machen sie in die Hosen.

Warum gab es keinen saftigen Kommentar zu Döpfners theokratischem Schwur?

„Döpfner nahm die Ehrung an der Seite von Friede Springer entgegen. Der Axel-Springer-Chef: „Für mich ist dies die bedeutendste und emotionalste Auszeichnung, die ich je in meinem Leben erhalten habe – und die ich jemals erhalten werde. Ich bin unglaublich dankbar und sehr glücklich.“ Mathias Döpfner sagte, Axel Springer SE werde „die Unterstützung für Israel und den Einsatz gegen Antisemitismus“ niemals aufgeben. „Das ist ein grundlegendes Prinzip – und auch für mich persönlich ein ganz zentraler Wert, der mir zutiefst wichtig ist“, so Döpfner. Es gebe „Prinzipien, über die man nicht verhandeln kann“. (BILD.de)

Prinzipien, über die man nicht verhandeln kann, sind göttlich-allwissende – aber keine menschlichen, über die man auf dem sokratischen Markplatz permanent verhandlungsbereit sein muss.

Döpfner scheint kein einziges Buch eines Netanjahu-Kritikers gelesen zu haben. Sonst wäre er nicht auf die Idee gekommen, seine unterwürfige Loyalität in deutscher Demut abzulegen. Mit Journalismus hat das so viel zu tun, wie ein Papst mit Luther.

Blinde Loyalität ist nie loyal, sondern unterwürfig. Dass Döpfner seine Untertanen schriftlich ein Gelöbnis ablegen lässt, die ihre demokratische Loyalität zerfetzt, ist eine Schande.

Warum ist die deutsche Demokratie so beschädigt? Weil Gestalten wie Döpfner oder Aust die öffentliche Kritiklosigkeit, Begriffsschwäche und den Rückkehrwillen ins Fromme mit aller boulevardesquen Brutalität durchsetzen wollen.

Wie ist die öffentliche Befindlichkeit? Depression, Depression … – Natürlich sind die Kinder am meisten schuld am Qualitätsverfall des VW-Staates. Schon wissen sie nicht mehr, was eins und eins ist.

Wie stellen die Experten diese sich immer mehr verbreitende Krankheit fest?

Man höre und staune: mit objektiven Tests. Das sind keine Ulk-Tests, sondern statistisch überprüfte Quälereien.

Was das wirkliche Elend der Gegenwart ist, zeigt der folgende Bericht.

„Tausenden Kindern droht der Hungertod. Es fehlt an Wasser, Nahrung und Medizin: In der sudanesischen Stadt Faschir schweben massenhaft Menschen in Lebensgefahr. Sie stünden »am Rand des Überlebens«, warnen Unicef und Welternährungsprogramm.“ (SPIEGEL.de)

Bei uns gibt es Hungertod der Kinder kaum noch, aber geistige Unterernährung ist die Krankheit der Stunde: Depression, Depression.

In den Schulen wird über Politik fast nie gesprochen. Die Lehrer wissen nicht mehr, was links und rechts ist. Die Kunst demokratischen Streitens ist unbekannt. Unerträglich das endlose Geschwätz der Talkshows.

Testfrage: welcher Teil der heutigen Tagesmail war ernst gemeint?

a) Der Quanten-Ulk oder
b) die falsche Loyalität gegenüber einem allwissenden Theokraten?
c) Oder keins von beiden?

Fortsetzung folgt.