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Terra Madre – Die Erde muss uns bleiben XVI

Tagesmail vom 17.10.2025

Terra Madre – Die Erde muss uns bleiben XVI,

Trump stellt die Welt auf den Kopf – Döpfner ist sein Prophet:

„Trump verfolge einen Politikstil, der in den beim Deal gefragten Kulturkreisen und besonders in Autokratien und Nicht-Demokratien gut funktioniere, weil er ernst genommen werde. Anders Europa! Döpfner: „Die EU glaubt, dass wenn man mit Autokraten, mit Diktatoren, mit Terroristen nett redet, wenn man ihnen Kompromisse anbietet, wenn man nicht eskaliert, wenn man Zugeständnisse macht, dass sie dann freundlicher, netter und friedlicher werden.“ Doch das Gegenteil sei der Fall. Was die deutsche Regierung, aber auch vor allem Brüssel zuletzt im Nahost-Konflikt und dem Krieg in Gaza geboten hätte, seien „alles Signale, die die Hamas gestärkt haben“.“ (BILD.de)

Der erzwungene Friedensschluss in Nahost ist kein Beweis für Trumps demokratische Politik. Im Gegenteil. Demnächst wird er auf dem Vatikanplatz mit dem Hubschrauber landen und mit dem amerikanischen Papst nicht die Goldene Bulle, sondern den neuen weltbeherrschenden Friedensbullen – eine Symbiose aus Gott und Teufel – feierlich besiegeln.

Gewalt darf nie die wichtigste Methode sein, um despotische Regimes zu bekämpfen. Humane Demokraten müssen miteinander reden. Das scheint den BILD-Chef nicht zu kümmern. Er ist die wichtigste Stimme Trumps in Deutschland.

Ein wahrer und allmächtiger Weltherrscher beherrscht alle Variationen von Krieg und Frieden – die er nach Belieben zeigen und verschwinden lassen kann.

„Die Goldene Bulle ist ein in Urkundenform verfasstes kaiserliches Gesetzbuch, das von 1356 an das wichtigste der „Grundgesetze“ des Heiligen Römischen Reiches war.“

Der Goldene Bulle ist die apokalyptische Endform eines gemarterten und wiederauferstandenen Herrn, der die Heilsgeschichte an ihr doppeltes Ende führt.

Friedrich Schlegel war nicht der einzige, der seine turbulente Zeit so empfand:

„Der revolutionäre Wunsch, das Reich Gottes zu realisieren, ist der elastische Punkt der progressiven Bildung, und der Anfang der modernen Geschichte. Was in gar keiner Beziehung aufs Reich Gottes steht, ist in ihr nur Nebensache.“

Deutschlands Genies, die mit der Französischen Revolution nichts mehr anzufangen wussten und in die politische Realisierung der Religion flüchteten – die von der französischen Aufklärung gerade erst zermalmt worden war –, sind die Urboten der amerikanisch-unendlichen Zukunft, hergestellt durch superintelligente Maschinen.

Silicon Valley ist eine späte, maschinelle Frucht der deutschen Geistesgeschichte – aber mit diversen Unterschieden.

Für diese Zukunftsdenker liegt das „Paradies nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft: der Mensch hat es zu schaffen, mit allen Kräften der Phantasie, der Schöpfermacht seines Geistes und seiner Seele.“

Jetzt kommt der springende Unterschied.

„Mit der Todesweihe, der Stilisierung des eigenen Todes als vorbildlich für die „Jünger“ … beginnt ein Vorsterben, sehr bewusst, von politischen Märtyrern, von Experimentatoren, die ihr Leben ihrem Werk opfern: das neue Sterben eines neuen Menschen, der nicht selten bewusst ins „Nichts“ geht, der die Auslöschung seiner Individualität bewusst auf sich nimmt, ohne Hoffnung auf individuelle Auferstehung, voll Hoffnung auf die vorbildliche Kraft seines Sterbens und auf den Sieg seiner „Bewegung“.

Warum legen die KI-Genies so viel Wert auf unendliches Leben? Weil sie den Tod endgültig überwinden wollen, der ihnen das Ziel der Geschichte vereiteln könnte.

Doch für die Deutschen war der schreckliche Tod die Vorbedingung des ewigen Lebens. Nur wer den Tod überwindet, wird ewig leben.

Jetzt kommt ein Satz von Hegel, den die Deutschen immer im banalen Sinn missverstehen: „Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit.“

Freiheit ist für Hegel kein selbstbestimmtes Losreißen von den objektiven Geschichtsmächten, sondern die Übereinstimmung mit dem objektiven Los der Weltgeschichte. Oder: wer sich identisch versteht mit den Gesetzen der Heilsgeschichte, nur der ist … frei. Freiheit ist die Übereinstimmung des verkümmerten endlichen Willens des Menschen mit dem allmächtigen Willen Gottes.

Die amerikanischen Zukunfts-Sieger stehen in der Gefahr, ziemlich leichtsinnig zu sein. Sie sind restlos erfüllt von ihrer eigenen alles besiegenden, alles wissenden Zukunftsmaschine. Hauptsache, sie haben das alte Europa in den Schatten gestellt.

Dagegen verweist Hegel stets auf den fruchtbaren „Pantragismus“ seines Geschichtsdenkens.

„Die Weltgeschichte ist die Schädelstätte des absoluten Geistes.“

Mit solch schrecklichen Sätzen können die optimistischen Zukunftsgewinner in Silicon Valley nichts anfangen.

Hegel denkt an den „Durchgang der Weltgeschichte durch ihr tausendfaches Golgatha: nur der in ihr sterbende Gott ist der auferstehende Gott. Jeder Untergang in der Geschichte ist sinnvoll, denn er ist ein Prozess der Geburt. Gott ist Widerstreit und Versöhnung, Kampf und Frieden, Prozess und Ruhe.“

„So setzet er ewig die Welt. so hebt er sie wieder auf. So ruht er ewig in sich selbst. Es ist das Spiel der Liebe mit sich selbst und der Ernst des Kampfes, der Schmerz, die Geduld und die Arbeit am Negativen.“ (alle Zitate in Heer)

Trump wird kein Buch von Hegel je in der Hand gehalten haben. Was aber nicht bedeutet, dass er nicht unbewusst hegelianisch denkt. Kallstadt liegt nicht weit entfernt von Stuttgart. Das süddeutsche Denken der Klassiker war zukunftsweisend. Wie die Schwaben auf den Messias in den Weiten Asiens warteten und dorthin zogen, so waren fast alle deutschen Auswanderer berauscht von der amerikanischen Zukunft.

Erst musste um Hegel gekämpft werden.

„Der Historiker George Bancroft hatte es noch für Zeitverschwendung gehalten, dem Schwall „unverständlicher Wörter“ zu folgen, als er 1820 in Berlin bei Hegel in der Vorlesung saß.“ (Gerd Raeithel)

Es dauerte nicht lange, bis man glaubte, bei Hegel wesentliche Wahrheiten entdecken zu können. „Nur Hegel eignet sich für Amerika“, schwärmte Walt Whitman, nur „Hegel sei groß genug und frei genug.“ Damit erwiderte Whitman ein Kompliment, das Hegel den Amerikanern gemacht hatte. Amerika sei zwar noch nicht reif genug, um ins dialektische System aufgenommen zu werden, aber es war das Land der Zukunft, ein Land der Sehnsucht für alle diejenigen, welche von der historischen Rüstkammer des alten Europa gelangweilt waren.“

Auch Dewey hatte Hegel gut genug verstanden, „um zu wissen, dass sich im dialektischen Prozess die endlichen Bestimmungen aufheben und in ihr Gegenteil umschlagen.“

Der Hunger der heutigen Silicon-Valley-Futuristen ist eine hegelianische Frucht nach Allwissenheit und Sieg am Ende der Geschichte.

Döpfner scheint von der Fortführung und Vollendung der Demokratie nichts zu halten. Ihn gelüstet es offensichtlich nach dem Goldenen Bullen. Das wäre der absolute Widerspruch zum bisherigen, zwar nicht immer perfekt eingehaltenen, aber doch glaubwürdigen Ethos der amerikanischen Verfassung.

Wie hat man in Europa gestaunt, als Trumps Wüten gegen die Verfassung so wenig Widerstand bei seinen Untertanen erzeugt hat. Kann es sein, dass die Amerikaner ausgelaugt sind durch den Rausch ihrer Milliarden und ihrer MAGA-Macht über die ganze Erde?

Hier gibt es Ähnlichkeiten mit Deutschland. Auch hier weiß man nicht mehr, wohin die Reise gehen soll. Die SPD weiß nicht mehr, dass sie dem Neoliberalismus zum Opfer fiel. Die CDU weiß nichts mehr vom christlichen Glauben, ja ist der absurden Meinung, dass die Kirchen zu den ernsthaftesten Widerständlern Hitlers gehört haben.

Lügen über Lügen. Die Grünen haben die Ökologie vergessen. Nur die Linke streitet für ein sicheres Leben der „Armen und Unanständigen“. Aber die Linke trauert unbewusst ihrem kommunistischen Regime hinterher, die demokratischen linken Vorgänger im Reich Bismarcks haben sie vergessen.

So wissen sie nicht mehr, wo ihre Wurzeln liegen oder haben dieselben verdrängt. Auch sie sind dem Fieber des Luxus und des Welttourismus erlegen. Was ist ihre dringendste Lebensfrage: wohin im nächsten Urlaub?

Schon vor mehr als 200 Jahren hat Hölderlin die psychische Verfassung seiner Heimat auf den Punkt gebracht:

„So kam ich unter die Deutschen. Ich forderte nicht viel und war gefasst, noch weniger zu finden. Demütig kam ich wie der heimatlose blinde Ödipus zum Tore von Athen, wo ihn der Götterhain empfing; und schöne Seelen ihm begegneten.

Wie anders ging es mir.

Barbaren von alters her, durch Fleiß und Wissenschaft und selbst durch Religion barbarischer geworden, tief unfähig jedes göttlichen Gefühls, verdorben bis ins Mark zum Glück der heiligen Grazien, in jedem Grad der Übertreibung und der Ärmlichkeit beleidigend für jede gutgeartete Seele, dumpf und harmonielos, wie die Scherben eines weggeworfenen Gefäßes – das, mein Bellarmin! waren meine Tröster.

Es ist ein hartes Wort und dennoch sag ich’s, weil es Wahrheit ist: ich kann kein Volk mir denken, das zerrissener wäre wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herren und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen – ist das nicht, wie ein Schlachtfeld, wo Hände und Glieder zerstückelt untereinander liegen, indessen das vergossene Lebensblut im Sande zerrinnt?

Ein jeder treibt das Seine, wirst du sagen, und ich sag es auch. Nur muss er es mit ganzer Seele treiben, muss nicht jede Kraft in sich ersticken, wenn sie nicht gerade zu seinem Titel passt, muss nicht mit dieser kargen Angst, buchstäblich heuchlerisch das, was er heißt, nur sein, mit Ernst, mit Liebe muss er das sein, was er ist, so lebt ein Geist in seinem Tun, und ist er in ein Fach gedrückt, wo gar der Geist nicht leben darf, so stoß er’s mit Verachtung weg und lerne pflügen. Deine Deutschen aber bleiben gerne beim Notwendigsten und darum ist bei ihnen auch so viele Stümperarbeit und so wenig Freies, echt Erfreuliches.

Die Tugenden der Alten sei`n nur glänzende Fehler … doch es sind selbst ihre Fehler Tugenden, denn da lebt noch ein kindlicher, ein schöner Geist und ohne Seele war von allem, was sie taten, nichts getan. Die Tugenden der Deutschen aber sind ein glänzend Übel und nichts weiter, denn Notwerk sind sie nur, aus feiger Angst, mit Sklavenmühe, dem wüsten Herzen abgedrungen …

Ach töten könnt ihr, aber nicht lebendig machen, wenn es die Liebe nicht tut, die nicht von euch ist, die ihr nicht erfunden. Ihr entwürdiget, ihr zerreißt, wo sie euch duldet, die geduldige Natur, doch lebt sie fort, in unendlicher Jugend … Ihren Aether, den verderbt ihr nicht.

Die Guten! Sie leben in der Welt wie Fremdlinge im eigenen Haus. Es ist auf Erden alles unvollkommen, ist das alte Lied der Deutschen.“ (Hyperion).

Das Lied ist noch viel weiträumiger. Aber es berührt niemanden mehr. Noch immer sind die Deutschen unveränderlich, wie Hölderlin sie einst beschrieb.

Beenden wir die deutsche Geschichte mit Fichte.

„Die Heiligkeit des Krieges ist in deutschen Landen ein Dogma, das von idealistischen Philosophen, Linkshegelianern und Großdeutschen, von Professoren und Theologen 1810 bis 1918 einmütig in vielen Stimmen verteidigt wird.“

Da sind wir wieder angekommen. Jetzt beginnt erneut die Verteidigung des Kriegs als Allheilmittel. Döpfners Stimme war nicht vergeblich.

Jetzt warten wir auf Trump, den goldenen Bullen aus Washington, um die beiden unverträglichen Lebensweisen aus allwissender KI und zielloser Kompromisslerei in dialektischem Durchwursteln zu vereinen.

Fortsetzung folgt.