Tagesmail vom 27.10.2025
Terra Madre – die Erde muss uns bleiben XIX,
in Australien strömen die Wälder die CO2-Bestände der Menschheit wieder zurück – und singen trotzig im Chor: behaltet euren Scheiss, ihr verkommene Brut. Wir sind nicht eure KI-Sanatorien.
Als eure Mutter Natur passen wir wohl auf euch auf, denn das gehört zu unserer Grundaufgabe.
Doch wenn ihr euch einbildet, gottgleich alles tun und lassen zu können, was euch gerade in den Sinn kommt, kriegt ihr eure ungeheuren Müllabfälle postwendend zurück. Offenbar wollt ihr die Erde zerstören, um spurlos im Weltall zu verschwinden. Glaubt ihr im Ernst, wir machen bei dieser Selbstzerstörung mit?
„Australiens Regenwälder wenden sich gegen das Klima: Hitze, Dürre und Stürme lassen sie mehr CO2 ausstoßen, als sie aufnehmen.“ (Frankfurter-Rundschau.de)
Die Deutschen fahren in alle Welt, doch von der Welt haben sie keine Ahnung. Es ist noch immer wie am Ende der Romantik:
„Die ganze Gesellschaft, das versteht sich, ist eine absolut ästhetische Gesellschaft; die wirkliche Welt, das handelnde Leben, liegt völlig außerhalb ihrer Gesichtskreise.“ (Rudolf Haym, Die Romantische Schule)
Die Deutschen fühlten und empfanden, kritisches Denken gehöre nicht zu ihrem „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“ – wie der romantische Theologe Schleiermacher ihren Glauben charakterisierte.
Zum autonomen Denken gehört das Tun. Früher sprachen sie von Tugend. Von dieser Tugend aber hielten sie nichts:
„Dann gibt es Zeiten, wo das Beste, was ich mir zu denken vermag, meine Tugend, wenn sie auch auf den Augenblick erreichbar würde, mich anekelt.“ (ebenda)
Die romantische Gesellschaft – das klingt auf den ersten Blick seltsam – war in bestimmter Hinsicht von der Natur abgeschlossen. Denn der Romantiker empfand die vulgäre Natur als etwas Objektives. Mit Objektivem aber konnten die Empfindsamen nichts anfangen. Sie brüteten in sich, in der Subjektivität, ihr eigener Gott zu sein:
„Die höchste Formel für sein Sehnen nach Kraft und Größe ist die, „sein eigner Gott zu sein“.“
Erst nach dem Ende der Romantik begann das Rennen und Hetzen der Bismarckdeutschen nach ökonomischer Aufrüstung, materiellem Fortschritt und an dem Willen, England und Frankreich in ihrem Vorsprung einzuholen.
Vor dieser kapitalistischen Erweckung kannten die Deutschen nur die Nachahmung der griechischen Kunst als Ästhetik – es war keine realistische Nachahmung.
Die Griechen aber hatten die Kunst erfunden, um die Natur zu verehren, nicht, um sie zu ersetzen.
Kant hatte das Erkennen der Natur als apriorische Fähigkeit des Menschen definiert. Ohne vorgängige Erkenntnisleistung des Menschen gab es kein objektives Erkennen.
Die Romantiker sprachen vom objektiven Fühlen und Empfinden der Natur. Gab es niemanden, der ins Unbekannte hinausfühlte, gab es auch niemanden, der für die Existenz der Natur garantierte.
Der fundamentale Fehler der Romantiker und der ökonomischen Nachromantiker war das falsche Verständnis von Subjektivität und Objektivität.
Erkennen, Fühlen, Denken und Empfinden sind keine einseitigen Verhaltensweisen. Sie sind bezogen auf das Subjekt und das Objekt gleichermaßen. Eros wäre das Vorbild des gegenseitig ausgeglichenen Empfindens und Erkennens.
Subjektives Fühlen muss beantwortet werden durch das Fühlen des Anderen – sonst wird das eigene Fühlen schnell zur Selbsttäuschung.
Subjektives Erkennen muss beantwortet werden durch das Erkennen des Anderen, also der Natur. Nur so können Subjekt und Objekt zusammenkommen.
Der Mensch ist kein endloser Gott, der – unabhängig von allem Tun – treiben kann, was er will.
Der Mensch ist endlich. Er muss zusehen, dass er umgeben wird von Mensch und Natur. Also ist auch sein Denken und Fühlen abhängig von seiner Begrenztheit. Wo sein Nachbar lebt, kann er nicht leben. Was er verzehrt, kann der andere nicht verzehren.
Das Erkennen der Natur hat die Aufgabe, seine eigene Begrenztheit zu erkennen.
Die Romantiker zogen sich in ihre eigene Innerlichkeit zurück und träumten von einer Natur, die es nicht gab.
Terra Madre ist ein soziales Wesen, das gibt und empfängt, nicht anders als eine wirkliche Mutter, die ihre Kinder liebt und von ihnen geliebt werden will. Eine ungeliebte Mutter ist nicht lebensfähig.
So geht es mit allen Menschen: sie müssen geben, um zu empfangen. Diese schlichte Wahrheit hat die Menschheit längst vergessen und begraben.
Während die deutschen Dichter und Denker in sich schrumpften, ergoss sich die kapitalistische Moderne hemmungslos über die Welt und anerkannte keine Grenzen mehr.
Beispiel: „Die Entsorgung des westlichen Mülls in Indien auf Kosten der Menschen, die von den Dämpfen des Abfalls krank werden.
Ein Großteil des Mülls landet auf offenen Deponien, die oft überfüllt sind und Umwelt- und Gesundheitsrisiken darstellen.
Diese Deponien führen zu Boden- und Wasserverschmutzung und setzen schädliche Gase frei. Die Verbrennung von Müll kann zu Luftverschmutzung führen, insbesondere wenn keine modernen Filteranlagen vorhanden sind.“ (Suppenwoche.de)
Das Tun des Menschen muss lernen, sich beidseitig zu begrenzen, sich weder subjektiv noch objektiv für allmächtig zu halten.
Es ist kein erotisches Verhältnis, seinen Partner despotisch bestimmen zu wollen – oder ihm keinen Halt zu gewähren, ihn zu dominieren oder sich dominieren zu lassen.
Der sinnvolle Eros erkundet die Grenzen der Liebespartner, jeder Partner kann sich auf die Präsenz des anderen ebenso verlassen, wie der andere auf seine Präsenz.
Das Sein des Menschen zur Natur ist ein erotisches. Beide müssen wissen, wo die Grenzen des Partners liegen. Was ist von jenem zu erwarten, was kann der andere von ihm erwarten?
Diese Ausgeglichenheit von Mensch und Natur ist längst defekt. Fortschritt ist die krankhafte Unendlichkeit des allmächtig sein wollenden Menschen. Er schaut bewegungslos zu, wie die Natur massakriert wird – und flüchtet ins Endlose.
Doch die Natur – als Heimat des Menschen – ist nicht endlos. Sie will in ihrer Begrenztheit ebenso geschützt werden, wie sie die Grenzen des Menschen schützt.
Auf diese intakte Polarität stützt sich der Eros zwischen Mensch und Natur.
Geben und nehmen, erkennen und erkannt werden, fühlen und gefühlt werden, die Grenzen des anderen tolerieren wie selbst toleriert zu werden.
Die Erfindung der Götter muss nicht naturfeindlich sein – wenn diese die Grenzen von Mensch und Natur subjektiv und objektiv tolerieren.
Doch wenn die Götter sich erdreisten, Natur und Mensch erschaffen zu haben und beliebige Befehle an ihre Geschöpfe zu erlassen, dass die Menschen unfähig werden, ihre eigenen Erfahrungen zu sammeln, dann entwickelt sich die Menschheit in eine Theokratie und wird unfähig, sich von diesen allwissenden und allbestimmenden Göttern zu lösen.
Was für Mensch und Natur gilt, muss auch für die Beziehung von Mensch zu Mensch gelten. Erotische Verlässlichkeit und reales Empfinden des Anderen kann nur wirklich werden, wenn alle Menschen sich als vollwertig-polare Wesen empfinden dürfen.
Da Amerika aus vielen neuen Zuwanderern besteht – wie inzwischen auch Deutschland – ergeben sich vielfältige soziale Empfindungsgrenzen.
„Arabische Gäste zum Beispiel fühlen sich in den USA sozial und sensorisch unterversorgt, weil ihnen die gewohnte menschliche Nähe fehlt. … Die Sehnsucht der Amerikaner nach dem, was Freud das „ozeanische Gefühl“ und Michael Balint „die freundlichen Weiten“ nannte, hat mit Mobilität zu tun, ist aber mehr als reiner Bewegungsdrang. – Aber neue Utopien können in der jetzigen amerikanischen Gesellschaft kaum noch verwirklicht werden.“ (Raeithel)
Dieselben Probleme haben die Deutschen inzwischen mit ihren fremden Einwanderern. Ursprünglich wollten sie nur eine gute Tat vollbringen, wussten aber nicht, welche komplexen Probleme mit so vielen Fremden entstehen würden.
Menschen sind nicht nur Arbeitskräfte oder bedrohliche Fremde. Sie haben dasselbe Recht, ihre Nähe- und Distanzverhältnisse im neuen Land zu erproben wie die Einheimischen.
„Wir schaffen das, wir haben schon so vieles geschafft“: das ist keine politische Klugheitsregel, das ist nur ein inhaltsleerer Energiepusch.
Der amerikanische Präsidenten-Vagabund geistert momentan durch die Welt, um sie als zukünftiges Macht- und Profitrevier der Amerikaner zuzurüsten.
Vagabunden turnen willkürlich auf der Bühne herum und zeigen unberechenbare Figuren: vom Besten bis zum Schlimmsten. Das sind nur machthungrige Sensationen, aber keine Vorbilder für ein humanes soziales Leben.
Der gesamte Westen muss umdenken. Die Welt ist nicht dazu da, in giftigen Abfall verwandelt zu werden. Die Menschen sind nicht dazu da, gegeneinander ausgespielt zu werden.
Macht und technische Überlegenheit dürfen die Völker nicht nach Belieben unterordnen. Was für eine gelingende Demokratie gilt, muss erst recht für eine humane Menschheit gelten: brutale Gewalt darf die Gesetze der Menschheit nie bestimmen, Das oberste Ziel des Miteinanderlebens von Natur und Mensch kann nur der lebenssprühende Eros sein.
Eros ist mehr als apolitische Nächstenliebe. Nächstenliebe zielt nur auf den Himmel, die Erde ist ihr gleichgültig. Eros muss die Grundlage des planetarischen Zusammenlebens werden.
Deutschland ist dazu nicht fähig, denn dazu gehört nicht nur soziale Verbundenheit, sondern auch loyale Kritik zwischen Gleichberechtigten.
Als der amerikanische Vizepräsident Vance nach Deutschland kam, um dem Land seine nicht immer richtige Meinung zu sagen, war hierzulande niemand fähig, den nötigen Disput zwischen Deutschland und Amerika zu beginnen. Hierzulande hat man ständig die Hosen voll.
Ebenso unfähig sind die Deutschen, Netanjahus Ultras den Spiegel vorzuhalten. So werden die Superfrommen immer dreister und zerstören durch eine Politik der Erwählten das universelle Grundgesetz der UNO.
„Alle Menschen verfügen von Geburt an über die gleichen, unveräußerlichen Rechte und Grundfreiheiten.
Die Vereinten Nationen bekennen sich zur Gewährleistung und zum Schutz der Menschenrechte jedes einzelnen. Dieses Bekenntnis erwächst aus der Charta der Vereinten Nationen, die den Glauben der Völker an die Grundrechte des Menschen und an die Würde und den Wert der menschlichen Persönlichkeit bekräftigt.“
Wir müssen von vorne beginnen: vom Eros des humanen Zusammenlebens aller Menschen. Andernfalls ist Terra Madre bald nicht mehr unsere liebende Mutter.
Fortsetzung folgt.