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Terra Madre – die Erde muss uns bleiben XIII

Tagesmail vom 06.10.2025

Terra Madre – die Erde muss uns bleiben XIII,

Endlich eine sinnvolle Aufklärung über Netanjahu – im SPIEGEL:

„Die Siedlungen gelten im Land als unumkehrbare Fakten. Und seit dem 7. Oktober registrieren weite Teile der israelischen Gesellschaft palästinensisches Leid nur noch mit Schulterzucken. Der Mann, der einst als Terrorist verhaftet wurde, bestimmt heute die Geschicke seines ganzen Landes. Und Netanyahu, gefangen in seiner eigenen Schwäche, lässt ihn gewähren.“ (SPIEGEL.de)

Vermutlich wissen die wenigsten Deutschen, was im Heiligen Land geschieht. Netanjahu vollzieht das totale Siedlungsprogramm der Frömmsten der Frommen, tut aber, als sei er keinesfalls totalitär – ist in Wirklichkeit aber so theozentrisch wie die Ultrafrommen.

Wie sind die Ultrafrommen, die die Politik Israels bestimmen?

„Als fundamentalistisch-messianischer Jude strebe Smotrich danach, so Persico, die erwartete Erlösung durch sein Handeln zu beschleunigen. Ein entscheidendes Element dafür sei die zunehmende Kontrolle des jüdischen Volks über das biblische Land Israel. Demokratie sei dagegen für Smotrich nur »eine vorübergehende Struktur, die den Gesetzen der Tora weichen wird«. Nicht zuletzt seien die radikalen jüdischen Siedler – ebenso wie fanatische Islamisten – bereit, »Gewalt einzusetzen, um ihre göttlichen Ziele zu erreichen«, sagt Persico.“

Der Widerstand gegen totalitäre Theokratien ist in Deutschland unbedingte Pflicht, gleichgültig, ob es um christliche, mohammedanische oder jüdische Gottesherrschaften geht.

Jetzt wird’s spannend. Juden sind Opfer totalitärer Auschwitztäter. Dürfen die Nachkommen der unschuldigen Opfer als Gläubige einer totalitären Religion genau so radikal bekämpft werden wie andere Theokraten?

Nach internationalem Recht unbedingt. Doch fromme Juden kennen kein universelles Recht. Sie definieren sich als Kinder eines Gottes, der allein bestimmt, was Recht ist – und dieses göttliche Recht über alle UN-Gesetze stellt.

Ein schwieriges Problem für jüdische Demokraten: wem sollen sie folgen, dem Gesetz Gottes oder dem Gesetz sündiger Menschen?

Hitler war kein kosmopolitischer Internationalist. Als Führer nahm er die Stelle eines Gottes ein. Hitlers Gefolgsleute handelten wie arische Auserwählte.

Nun war das Problem der Nachkriegszeit: dürfen deutsche Gewalttäter sich gegen jüdische Gewalttäter wehren – wenn diese sich nach Jahwes Unfehlbarkeit richten?

Für jüdische Theokraten gab es kein Problem. Im Auftrag ihres unfehlbaren Gottes verachten sie die Gesetze des Menschen.

Für demokratische Deutsche aber gibt es sehr wohl Probleme. Dürfen sie als Büßer des Holocaust sich gegenüber den Überlebenden des Holocaust – wenn diese mittlerweilen Internationales Recht verletzen – genau so verhalten wie gegenüber den Verletzern eines theokratischen Rechts?

Smotrich gehört zu einer extrem orthodoxen Gruppe, die den anfänglich säkularen Zionismus Israels in einen theokratischen Staat verwandelt hat.

Amoz Os, der liberale Schriftsteller, hat das Problem präzis beschrieben:

„Unser Leid hat uns eine Art moralischen Ablass erteilt oder eine moralische carte blanche ausgestellt. Nach all dem, was uns diese schmutzigen Gojim angetan haben, darf uns keiner von ihnen Moral predigen. Wir aber dürfen alles, weil wir die Opfer waren, und weil wir so viel gelitten haben. Einmal Opfer, immer Opfer – und ein Opfer hat natürlich Anspruch auf moralische Indulgenz.“ (In Yakov Rabkin, Im Namen der Thora)

Was wollen die Auserwählten? Welche Politik verfolgen sie?

„Der Krieg in Gaza wurde für Smotrich zur »unvergleichlichen Gelegenheit«, seine messianische Vision umzusetzen. Er sieht sich auf einer göttlichen Mission: Er glaubt an die Erlösung des Volkes Israel – und an seinen Beitrag dafür.“

Machen die Ultrafrommen ein Hehl aus ihrem autoritären Heilsglauben? Kann man ihnen vorwerfen, sie betrügen die Welt mit einer Art Doppelmoral? Offiziell eine Demokratie, real aber eine jüdische Theokratie?

Zur Verteidigung Israels wird in Deutschland ständig wiederholt: Israel sei die einzige Demokratie im Nahen Osten. Also müsse sie nach den Normen des universalistischen Westens behandelt werden.

Stimmt das? Äußerlich trifft es zu, die Juden haben die außerordentliche Leistung vollbracht, ihr schreckliches Schicksal in eine westlich blühende Demokratie zu transformieren. Anfänglich waren die Ultrafrommen schwach und konnten nur zuschauen, wie die säkularen Zionisten ein bewundernswertes Land nach westlichem Muster aufbauten.

Doch peu a peu gelang es den immer stärker werdenden Ultras, dem Staat eine immer frömmere Realität zu verpassen. Inzwischen gleicht Israel einem fast perfekten Thorastaat.

„»Diese Leute weisen Humanismus, Liberalismus, LGBT- und Frauenrechte zurück.« In seinem Fundamentalismus ähnele der Finanzminister radikalen Islamisten: »Die einen orientieren sich am Propheten Mohammed, die anderen an König David, beide wollen eine religiöse Vision verwirklichen, die tief in der Vergangenheit liegt. Schon 2017 hatte Smotrich einen »Unterwerfungsplan« veröffentlicht, der den Palästinensern drei Optionen lässt: ohne wesentliche Bürgerrechte in kleinen Teilen ihrer Heimat zu bleiben, mit finanzieller Unterstützung auszuwandern – oder zu kämpfen und vernichtet zu werden. In einem »Haaretz«-Interview zog er den biblischen Propheten Josua als Vorbild heran, der nach der Eroberung Jerichos alle Einwohner habe töten lassen.“

Wie einst in biblischen Vorzeiten gelte allein das Recht Gottes über die Eroberung des neuen Heiligen Landes:

„Es soll dir niemand widerstehen dein Leben lang. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. 6 Sei getrost und unverzagt; denn du sollst diesem Volk das Land austeilen … Wer deinem Mund ungehorsam ist und nicht gehorcht deinen Worten in allem, was du uns gebietest, der soll sterben. Sei nur getrost und unverzagt!“ (Josua)

Das vielversprechende Experiment eines geretteten demokratischen Staates, von vielen Deutschen unterstützt („Aktion Sühnezeichen“ etc.) ist inzwischen in hohem Maße in sein Gegenteil verkehrt worden: Israel wurde ein theokratischer Staat mit einem messianisch-totalitären Politprogramm; Jerusalem soll die Hauptstadt der Welt werden.

Das erklärt die indiskutabel-gewalttätige Vernichtungs- und Vertreibungspolitik gegenüber den „ Feinden“ der Erwählten: den Palästinensern.

Das ist nur zum geringsten Teil richtig. Zwar wehrten sich am Anfang die Palästinenser gegen die Eroberung ihres Landes durch die Juden, dennoch waren sie durchaus bereit, in Friedensverhandlungen Kompromisse zu schließen.

Uri Avnery, dem Gründer von Gush Shalom und Freund Arafats, gelang es, die beiden Staaten an den Verhandlungstisch zu bringen. Doch nicht lange und der zunehmende Einfluss der Radikalen brachte einen ständig intoleranteren jüdischen Gottesstaat hervor.

Inzwischen ist Israel zu einem der autoritärsten Gottesstaaten der Welt geworden, der die Palästinenser total vertreiben oder vernichten will. Hier soll Realität werden, was in heiligen Urkunden prophezeit wurde:

„Die Völker mögen sich aufmachen und heranziehen in das Tal Josaphat; denn dort will ich zu Gerichte sitzen über alle Völker ringsum. Legt die Sichel an, denn die Ernte ist reif. Kommt, tretet! Denn die Kelter ist voll. Die Kufen überfließen, denn ihrer Bosheit ist viel. Scharen an Scharen der im Tal der Entscheidung … Und Jerusalem wird heiliger Boden sein und Fremde werden es nicht mehr durchziehen. An jenem Tag wird es geschehen: da triefen die Berge von Wein und die Hügel fließen von Milch und alle Talrinnen Judas strömen von Wasser … Ägypten wird zur Wüste, Edom zur wüsten Öde wegen des Frevels an den Kindern Judas … Und ich räche ihr Blut, das ich nicht gerächt habe. Und der Herr wird auf Zion wohnen.“ (Joel)

Hier wird der messianische Endsieg des auserwählten Volkes über die ganze Welt prophezeit. Eben die ist das Ziel der Politik Netanjahus und seiner Ultras.

Netanjahu kennt kein Pardon, höchstens aus vorübergehenden taktischen Gründen. Zusammen mit dem ebenfalls theokratisch gewordenen Amerika wollen sie dem heidnischen Planeten zeigen, wer der oberste Herr der Schöpfung ist und wohin die Heilsgeschichte führen soll: in das Endreich Gottes mit der strahlenden Hauptstadt Jerusalem.

Amerika und Israel vollenden die Heilszeit und schaffen eine neue Schöpfung. Für die Frommen gibt es keine bedrohliche Naturverwüstung, denn sie, die Erwählten, werden eine neue Natur mit Gottes Hilfe auferstehen lassen.

Das wäre der Sieg der nichtdemokratischen Frommen über die Ungläubigen, die keinem Gott, sondern ihrer humanen Vernunft gefolgt sind.

„Du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer[2], arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der Eselin. 10 Denn ich will die Wagen vernichten in Ephraim und die Rosse in Jerusalem, und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden. Denn er wird Frieden gebieten den Völkern, und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und vom Strom bis an die Enden der Erde.“

Die Erwählten von Silicon Valley rüsten sich längst, dem verfluchten und verdorbenen Planeten zu entfliehen und einen Stern im Weltall als neue Heimat zu finden, um eine neue Schöpfung zu gründen.

Peter Thiel entwickelte viele Visionen, um „die Eroberung des Weltalls zur Verbesserung der Lebensumstände auf der Erde weiter zu führen. Thiel investiert viel, um die Unsterblichkeit des Menschen zu gewinnen. Schon jetzt hat er das Ziel, menschliche Krankheiten zu besiegen. „Technologischer Fortschritt wird nicht alle Probleme der Menschheit lösen, aber ohne technologischen Fortschritt werden wir gar kein Problem lösen“, so Thiel im Gespräch mit Jens Spahn.“ (Peter Thiel, Wie Peter Thiel die Welt revolutioniert)

Technischer Fortschritt ist die Fortsetzung der Heilsgeschichte mittels übermenschlicher Intelligenz, die den sündigen Menschen der Jetztzeit ablösen wird.

Ein neuer Himmel und eine neue Erde warten auf uns – vorausgesetzt, wir folgen getreulich den genialen Visionen von Silicon Valley.

Fortsetzung folgt.