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Sonntag, 25. März 2012 – Mit Talenten wuchern

Hello, Freunde Mexikos,

„eine Rauschgiftbande, die sich besonders gläubig gibt“, so schreibt die papstnahe Süddeutsche Zeitung über eine Mörderbande in Mexiko, die drei Friedenstage einlegt zur Huldigung an ihr geistliches Oberhaupt, der das Land beehrt, in dem ein wahnsinniger Bürgerkrieg tobt. In den letzten sechs Jahren mehr als 50 000 Tote.

Wenn Helden sanfte Samariter sind, sind sie echte Zeugen des Glaubens. Sind sie Liebesdiener mit der Kalaschnikow, geben sie sich gläubig. Oder instrumentalisieren die Religion.

Die Religionen haben es geschafft, nicht die Menschheit, aber sich selbst selig zu sprechen. Religionen beherrschen die Welt, sind der Inbegriff der Menschenliebe – und dennoch liegt die Welt im Argen.

Alle guten Taten des Abendlandes sind auf dem reinen Humus der Überwelt, alle Schandtaten auf der Kloake der Welt gewachsen. Kann man sich gut merken und kommt nicht ins Straucheln.

Sie nennen sich Tempelritter, das waren jene Herzchen, die das geistliche und weltliche Schwert trugen („Militär Christi“), um das Geburtsland des Herrn dem papa christianorum als Geschenk zu Füßen zu legen.

Ein mexikanischer Erzbischof hatte den Liebesorden aufgerufen, wenigstens zum hohen PR-Besuch des gemeinsamen Chefs auf das weltliche Schwert zu verzichten. Ja doch, sagten die Gentlemen. Wenn’s der gemeinsamen Sache dient, wir sind ja

keine Unmenschen. Solange die humanistisch angekränkelte internationale Presse im Land ist, lassen wir unsere Liebesinstrumente im Schrank. „Wir kämpfen für das Gute“, schreiben sie in einem Manifest für diejenigen, die das immer noch bezweifeln.

Wer es bezweifelt, bewegt sich außerhalb des Glaubens und muss mit jenem geistlichen Hackebeil rechnen, das „wirksam und schärfer ist als jedes zweischneidige Schwert und hindurchdringend bis zur Scheidung von Gelenken und Mark der Seele und ein Richter der Gedanken und der Gesinnung des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, vielmehr ist alles entblößt und aufgedeckt vor seinen Augen“. ( Neues Testament > Hebräer 4,12 f / http://www.way2god.org/de/bibel/hebraeer/4/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/hebraeer/4/“>Hebr. 4,12 f) Mit der Trennung von Mark und Gelenken der Zweifler mit Hilfe der zweischneidigen Machete ist das Geschäft der katholischen Fundamentalisten ziemlich genau beschrieben.

Erinnern wir uns an den 3. Mai 1493, es war ja erst gestern. Kolumbus war seit drei Wochen von seiner ersten Weltmissionsreise zurück, da sprach Papst Alexander der VI. in der Bulle „Inter cetera“ den Spaniern das Herrschaftsrecht über alle neuentdeckten Gebiete zu.

Was sie an Neuem sahen, sollte ihnen gehören. Da in der Neuen Welt nur Heiden leben, sind die Gebiete herrenlos, so einfältig und herzensgut denken Christen.

Heiden können keine Besitzer ihres Besitztums sein. Also haben sie nur auf die Weißen gewartet, die ihnen das Heil bringen. Denn wer das Heil bringt, dem gehört alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Das aber auch.

Wer neuen Boden betritt, dem gehört er – wenn er ihn bearbeitet. Das war auch die Eigentumsdefinition Lockes, der damit die ganze neue unbekannte Welt den Weißen vermachte. Denn die heidnischen Eingeborenen arbeiteten nicht im Schweiße ihres Angesichtes.

Am nächsten Tag, am 4. Mai, ändert der Stellvertreter seinen Spruch. Die zweite „Inter cetera“ wird erlassen. Auch Portugal will seinen Happen von der ungeheuren Beute. Aber ja doch, der römische Vater liebt all seine Kinder gerecht: Portugal erhält die Hälfte der Neuen Welt.

Seitdem gehört die ganze Welt den Weißen. Und wenn sie nicht gestorben sind, herrschen die Weißen noch heute über die Welt. Sie nennen es Globalisierung und freie Wirtschaft.

In seinem Buch „Weiße Herrschaft – Eine Geschichte des Kolonialismus“ schreibt Gert von Paczensky: „Die Weißen entdecken eine für sie neue Welt. Sie ist von Farbigen bewohnt. Die Weißen zweifeln nicht einen Augenblick daran, dass sie diese Welt nehmen und unter sich aufteilen können. Jahrhundertelang gehörte den Weißen fast die ganze Welt, den Farbigen so gut wie nichts. Noch heute wird über Staaten und Völker verfügt, als seien es Sachen.“

 

Wem gehört eigentlich die Welt? Wem wohl? Dem, der sie gemacht hat. „Mein ist die ganze Erde“. ( Altes Testament > 2. Mose 19,5 / http://www.way2god.org/de/bibel/2_mose/19/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/2_mose/19/“>2.Mose. 19,5) Deshalb wurde die Schöpfungsgeschichte ja erfunden. Wer mit einer hübsch ausgedachten Geschichte nachweisen kann, dass er sich das Universum aus dem kleinen Finger gesogen hat, dem gehören das All und die Sterne und alles, was da kreucht und fleucht auf Erden.

Da der Gesamtbesitzer der Erde durch die Machenschaften seiner außer Rand und Band geratenen Kreatur leicht ermüdet und ausgebrannt ist (das Burnout ist eine göttliche Erfindung, siehe 1.Mos. 6,6), hat er sich auf seinen Alterssitz zurückgezogen und den Besitz seinen Hausverwaltern und Stellvertretern leihweise übergeben (leihen kommt von Lehen).

Die müssen am Ende der Tage nachweisen, dass sie profitabel gewirtschaftet haben. Mit Zins und Zinseszins. Es muss sich gelohnt haben.

Wenn da nicht dieser hinterlistige Konkurrent wäre, der das Lehen in seine Hand bringen und die ganze Erde dem Herrn in unfreundlicher Übernahme entwenden wollte. Also muss gegen den arglistigen Rivalen – den J.R. der Heilsgeschichte – gefightet werden, was sie den Kampf des Glaubens nannten.

Dazu wurde sogar die Zeit umgestellt. Nein, nicht ein läppisches Stündchen früher oder später, sondern die ganze Struktur wurde von zyklisch auf linear verändert: die Heilsgeschichte war erfunden.

Man spräche besser von Unheilsgeschichte, denn 99,9% der Menschheit wandern ins Ungemach, die Ausschussquote des Schöpfers ist unverhältnismäßig hoch. Das muss bei der nächsten Schöpfung besser werden, mein Gott und Herr!

So geht’s nicht, im ersten Moment sich übern grünen Klee loben und selbst ein Sehr Gut ins Führungszeugnis schreiben, am nächsten Tag aber den ganzen Klumpatsch in die Tonne treten. Das lässt auf keinen stabilen Charakter schließen, sondern auf Himmel-hoch-Jauchzen und beim ersten Konflikt zu Tode Zerknirschtsein.

Als bei Kerner (Gott habe ihn selig, wo ist der eigentlich verblieben?) der gottlose Biologe Dawkins im Streitgespräch mit Oberprotestant Huber Himmel und Hölle erwähnte, lachte der mit seinem katholischen Amtsbruder: ob sie so was überhaupt noch im Angebot hätten?

Über die Endpunkte der Geschichte, über den Rahmen der Glaubenslehre spricht man heute nicht mehr so gerne von der Kanzel. Das könnte bereits die Kinder in den Kitas scheu und dem Glauben an den lieben Gott abspenstig machen. Lasset die Kindlein zu ihnen kommen, zuvor jedoch sollte man ihnen naseweise und altkluge Fragen abgewöhnen.

Zwar gab es in kapitalismuslosen Zeiten ein Zinsverbot – das von Aristoteles stammte. Kaum aber begannen die Venezianer und Fugger das große Geld zu verdienen, guckten die papistischen Oberaufseher durch die Finger und gaben dem Zins ihren Segen, woran sie selbst nicht wenig verdienten. Von Gojim durften Juden schon seit Urzeiten Zins verlangen, nur nicht von eigenen Glaubensgenossen.

Kapital war Geldanlage in der Zeit und Zeit war Wachstum. Entweder durch Produktion oder durch entgangenen Profit per Geldverleih, der durch Zins ersetzt werden musste.

Zeit wurde zum Synonym für Profit. Das Pauluswort: Kaufet die Zeit aus, wurde Geschäftsmotto des Methodisten Benjamin Franklin, der sein Tagewerk von morgens bis abends methodisch einteilte, um keinem Müßiggang und Schlendrian zu erliegen.

Je mehr die Zeit gegen den Jüngsten Tag voranschritt – dem Ernte- und Bilanztag der Geschichte –, je mehr musste der Gesamtertrag des irdischen Lebens angewachsen sein. Zeit ist fortwährendes Wachsen, Wachsen ist identisch mit Profit. Heilsgeschichte ist die Geschichte einer Ernte.

Mit Hilfe eines Naturgleichnisses wurde das unnatürlich endlose Wachstum des Profits begründet. Es ist das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen. ( Neues Testament > Matthäus 13,24 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/13/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/13/“>Matth. 13,24 ff)

Zuerst sät Gott, sein Widersacher sodann in der Nacht. Der Weizen, das sind die Guten, das Unkraut die Bösen, die aber nicht rausgerissen werden dürfen. Denn das Böse ist notwendig und unvermeidlich. Wer das Unkraut vor der Zeit ausrauft, rauft den Weizen mit aus.

Das Böse ist Stimulans des Guten. Der naive Gutmensch will nur das Gute, doch der Herr weiß es besser. Wer den Weizen will, muss das Unkraut ertragen, ja willkommen heißen, denn die Rivalität zum Unkraut nützt der Qualität des Weizens.

Kant muss diese Stelle vor Augen gehabt haben, als er den Kapitalismus so beschrieb: „So wie Bäume in einem Walde eben dadurch, dass ein jeder dem andern Luft und Sonne zu benehmen sucht, einander nöthigen, beides über sich zu suchen und dadurch einen schönen geraden Wuchs bekommen, statt dass sie, welche in Freiheit und voneinander abgesondert ihre Äste nach Wohlgefallen treiben, krüppelig, schief und krumm wachsen.“ (Immanuel Kant: „Ideen zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht“)

Aus diesem Humus ist Mandeville gewachsen. Aber auch Adam Smith, der den an sich bösen Egoismus zur guten und fruchtbringenden Motivation des Wirtschaftens erklärt. Lasset das böse Unkraut bestehen, denn wenn ihr es zusammensuchen würdet, würdet ihr zugleich den Weizen ausraufen.

Erst am Ende der Tage wird das Unkraut vom Weizen getrennt: „Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte, und zur Zeit der Ernte will ich den Schnittern sagen: Suchet zuerst das Unkraut zusammen und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; den Weizen aber sammelt in meine Scheune.“

Am Ende der Geschichte will der Herr des Himmels Reibach machen. Die Investition „Schöpfung“ muss sich amortisieren. Wenn die Bücher aufgeschlagen werden, müssen nicht nur Bilanzen der Einzelnen, sondern die Gesamtbilanz der Heilszeit offen gelegt werden.

Wer mit seinen Pfunden nicht effizient gewirtschaftet hat, sieht sich im Totalbankrott wieder. Wäre die Bilanz am Jüngsten Gericht identisch mit der der Genesis, wäre das Unternehmen Heilsgeschichte ein blamabler Fehlschlag. Zwar kehrt das Ende der Zeit zurück zum Anfang des Garten Edens, aber auf höherer Ebene.

Woraus Hegel seine dialektische Geschichtsspirale abgeleitet hat. Der letzte Rest übrigens der ewigen Wiederholung des Gleichen, aber nicht auf demselben Niveau, sondern auf höchster Fortschrittsebene.

Das Gleichnis von den anvertrauten Pfunden steht in Neues Testament > Matthäus 25,14 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/25/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/matthaeus/25/“>Matthäus 25,14 ff. Ein Tycoon reist ins Ausland, um sich von den Strapazen des Reichwerdens zu erholen und übergibt sein Kapital seinen Leuten.

Der erste Knecht – so hießen früher die leitenden Manager, der Sache nach hat sich bis heute nichts geändert – erhielt 5, der zweite 2 und der dritte 1 Talent. Talent war ein griechisches Geldmaß, das bei uns völlig zu Recht zum Maß der Begabungen wurde, damit wir lernen, wofür und wozu wir Talente von Gott erhalten haben: to make money. So viel zum Thema Bildung.

Die ersten beiden Manager waren neoliberal, also clever und legten das Geld so an, dass es erklecklichen Gewinn einbrachte. Der letzte war ein Trottel und Gutmensch, der das Geld unter der Matratze versteckte, damit es nicht geklaut werde und er es brav und treu seinem Arbeitgeber zurückgeben könnte.

Jeder weiß, wie die Geschichte endet. Als der profitsüchtige Tycoon zurückkehrt, lobt er die zwei, die mit ihren Talenten gewuchert haben. Zu beiden sagt er, sie seien über weniges treu gewesen, er wolle sie über vieles setzen. Aus wenig mach viel und du machst bei Gott Karriere. Gehet ein zum Freudenfest eures Herrn. Tusch, die Börse freut sich, der fromme Neoliberalismus feiert sich. Doch wehe, wehe, wenn ich an das Ende sehe.

Der dritte Knecht kommt ins Fegefeuer, weil er es gewagt hatte, keinen Profit aus seinem Kapital zu schlagen. „Und den unnützen Knecht stosset hinaus in die Finsternis, die draussen ist. Dort wird sein Heulen und Zähneklappen.“

Ja, warum denn nur? Ist das nicht blanke Ungerechtigkeit? Dieses Gleichnis wird zurzeit so gut wie nicht mehr gepredigt. Und wenn, in tapferer Absegnung der freien, aber verantwortlichen Besitzstands-Vermehrung. Die professionellen Schriftdeuter und -gelehrten schlagen verzweifelte Kapriolen, um den Verdacht zu entkräften, Gott könne ein ungerechter, ausbeutender, brutaler und menschenfeindlicher Tycoon sein.

Natürlich vergeblich. Es sei, man verfällt auf den uralten Trick, von allegorischer Sprache zu reden: dass alles nicht so gemeint war, wie es Schwarz auf Weiß im Text steht. Hier entstand übrigens die moderne Elitenformel, der Pöbel verstünde nichts von Wirtschaft, weil er es sich zu einfach mache und auf den schlichten Buchstaben verwiese.

So einfach ist nichts auf der Welt, schon gar nicht das rechte Verständnis heiliger Schriften. Das hat die katholische Kirche schon zu Zeiten Luthers gewusst und die Bibel den Leuten vorenthalten oder dieselben in analphabetischer Dummheit gehalten, damit sie ihre Pfoten von dem gefährlichen Buche ließen.

Offenbarte Texte sind so komplex, dass nur Leute, die griechisch, lateinisch, aramäisch, hebräisch und sophistisch-rhetorische Kanzelsprache können, sie ungefähr entziffern können. Vor erschütternder Eindeutigkeit muss aber entschieden gewarnt werden.

Archaische Erlösungsbotschaften sind derart mehrschichtig und unübersichtlich-vieldeutig, dass selbst ihre Verfasser und deren geistliche Erben nicht mehr wissen, wie viele beglückende Mehrdeutigkeiten sie erfinden müssen, um alle kausalen Spuren der Texte bis in die Jetztzeit zu verwischen.

Wenn Historiker den Begriff Kausalitäten hören, geht ihnen das Messer im Sack auf, als ob damit gesagt wäre, die Geschichte sei prädeterminiert. Nein, solches sagen nur Calvinisten und Gehirnheinis.

Wir reden von unbewussten Kausalitäten, die solange wirksam sind, bis sie erkannt und durch bewusste Einsichten ersetzt werden. Auf diesem Effekt beruht bekanntlich jede gute Therapie – die es nicht mehr gibt, weil es sie nicht geben darf. Sonst würde sich ja herumsprechen, dass man Kausalitäten durch Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten außer Kraft setzen könnte. Soviel zur „hermeneutischen Methode“.

In der Heiligen Schrift gibt’s fast so gut wie keine Dialoge, Gespräche, mit denen man versuchen könnte, durch Streiten und Verstehen sich näher zu kommen, vielleicht sogar Einigung per Einsicht zu erzielen.

Im Gleichnis haben wir eine kurze Passage, die aufhorchen lässt. Der stupide Knecht – its economy, stupid, hätte Clinton den Versager gestaucht – wehrt sich aufrecht und hartnäckig gegen die Vorwürfe seines Chefs: „Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mensch bist, dass du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast, und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg dein Talent in der Erde. Siehe, da hast du das Deine.“

Das sind Anklagen von erschütternder Eindeutigkeit. So kann man mit einem Herrn des Kapitals nicht umspringen. Ein Linker von echtem Schrot und Korn hätte sich mit dem kurzen Vorwurf begnügt: Gott, du Ausbeuter.

Doch der, gar nicht faul, hat die Macht des Wortes erfunden, damit er sie zur Hand hat, wenn er sie braucht. Das ist selten notwendig, denn die Schäfchen haben sich freche Widerworte schon lange abgewöhnt.

Insofern ist dieser dritte Knecht als tapferer mündiger Mensch und Vorläufer von Kant einzustufen und einhellig zu bewundern. Denn er benutzt seinen Kopf selbständig, auch wenn er die Formel sapere aude vermutlich nie in seinem ungebildeten Leben gehört hat.

Doch was geschieht mit mündigen Leuten vor dem Thron der Mächtigen dieser und jener Welt? Sie wandern in die Hölle, nachdem sie nach allen Regeln machtgeleiteter Rhetorik zusammengefaltet worden sind.

„Der Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht, wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und sammle, wo ich nicht ausgestreut habe? Dann hättest du mein Geld den Geldverleihern bringen sollen, und ich hätte bei meiner Rückkehr das Meinige mit Zinsen zurückerhalten. Darum nehmet ihm das Talent weg und gebet es dem, der die zehn Talente hat. Denn jedem, der hat, wird gegeben werden, und er wird Überfluss haben, dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, was er hat.“

Keine Spur eines Versuchs, dass der Herr irgendetwas dementieren oder mit rednerischen Tricks versuchen würde, die zum Himmel schreienden amoralischen Tatsachen zu verleugnen. Wie es die modernen Hayekianer, Chikago-Boys, Reaganianer oder unsere beiden führenden Mecklenburger so gerne tun.

Ein Kreator ex nihilo hat solche Taschenspielertricks nicht nötig. Die Dinge sind, wie sie sind: ungerecht. Ich bin, der ich bin: ungerecht. Wer die Welt, wie sie ist, nicht anerkennt und sich fügt, muss die Folgen tragen. Punktum und Basta.

Tomáš Sedláček („Die Ökonomie von Gut und Böse“) deutet das als „fruchtbare Ungerechtigkeit“, eine leichte Variante zur „produktiven Zerstörung“ von Joseph Schumpeter („Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“). Gerechtigkeit ist in der Moderne unerwünscht, sie ist unfruchtbar und unproduktiv.

Schon Hiob, der ein bisschen der Vorläufer des dritten Knechts war, wird umstandslos zu Staub gemacht. Doch der beugt sich rechtzeitig und kann sich gerade noch ans rettende Ufer schleppen. Hier aber geht die Geschichte zwar für die devoten Kriecher gut, für den Standhaften aber katastrophal aus.

Die Postmoderne hat daraus die Konsequenzen gezogen und sich eindeutig von allen erschütternden Eindeutigkeiten verabschiedet. Selig sind, deren Rede nicht Jaja und nicht Neinnein ist, denn ihrer ist das Himmelreich.