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Samstag, 13. Oktober 2012 – Potsdamer Garnisonkirche

Hello, Freunde der Schwulen,

nicht weniger als 50 000 schwule Männer wurden in der alten BRD nach § 175 verurteilt. Nun sollen sie rehabilitiert werden. Der Antischwulenparagraf wurde erst 1994 aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch gestrichen. Die etwas älteren Schwulen sind noch unter dem Damoklesschwert der permanenten Strafandrohung aufgewachsen. Dies mitten in einer modernen Gesellschaft, die es für richtig hält, sich christliches Abendland zu nennen.

Wie immer versuchen die Theologen, die Quellen der Schwulenfeindschaft in ihrer heiligen Schrift ungeschehen zu machen, indem sie eine nagelneue Deutung aus der Druckerpresse ziehen. Schwulenfeindlichkeit bei uns? War doch alles nur Missverständnis früherer Exegeten. Im Grunde haben wir die Homosexualität erfunden. Waren die Apostel nicht zwölf Männer? Jesus war der erste Schwule, als er den markanten Satz sagte: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?

Vor Jahren kämpfte CDU-Filbinger noch gegen eine mögliche Rehabilitierung. 1935 hatte er die Schwulen als „Schädlinge am Volksganzen“ bezeichnet, die es „unschädlich zu machen gelte“. Karlsruhe hat viele Jahre lang gegen den Geist und Buchstaben des Grundgesetzes verstoßen, indem es die Schwulen zu Verbrechern stigmatisierte. (Ines Pohl in der TAZ)

 

Der Mensch hat ein rasantes Artensterben ausgelöst. Und niemand fragt nach den Ursachen der Naturfeindschaft. Vermutlich ist alles viel „zu komplex, um simple Antworten zu geben“.

Die von vielen Intellektuellen angebetete Systemtheorie hält das

Ganze des Seins – wie Hayek die Beschlüsse des Marktes – für zu kompliziert, als dass der schwache menschliche Verstand es erfassen könnte. Deshalb wäre „Reduktion von Komplexität“ die einzige Möglichkeit, einen kleinen beengten Blick aufs Geschehen zu werfen.

Die Wirklichkeit als solche ist nicht erkennbar, jeder hat nur verzerrte und interessengeleitete Perspektiven. Seltsam nur, dass die Formel „Reduktion von Komplexität“ auch als Definition von Religion dient. Dann wäre jede Theorie nichts als eine verkappte Religion. Merkwürdig, wenn Vertreter der Großkirchen den Erfolg bestimmter Sekten just auf dieselbe Weise erklären.

Erfolgreiche politische Populisten werden mit derselben Reduktionsformel erklärt. Einmal ist Reduktion das Beste, ein ander Mal ist es Scharlatanerie. Der Plebs brauche simple Erklärungen und wer Primitivismen zu bieten hätte, könnte die Massen seines Weges führen.

Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar, hatte Ingeborg Bachmann geschrieben. Wahrheit? Offensichtlich nur die reduzierte Komplexität einer Dichterin, die die unübersichtliche Wirklichkeit nicht ertragen konnte.

Von Wahrheit reden nur Simpel, die des Glaubens sind, sie könnten die Realität einfangen, wie sie ist. Naturfeindlich soll sie sein? Was waren die Ursachen der Naturzerstörung noch mal? Gute Frage, nächste Frage. Gehen wir gleich zur Rettung der Natur über, obgleich wir keinen Schimmer haben, welche kausalen Gründe vorliegen.

Ist jemand schon aufgefallen, dass das Prinzip Kausalität gerade dabei ist, entsorgt zu werden? Es gibt keine nachweisbaren Kausalitäten mehr. Der jugendliche Verbrecher ist nicht das Produkt seiner Umgebung und schrecklichen Kindheit. Eltern sind per se unschuldig. Der Mensch ist unschuldig am Untergang der Natur. Am Schluss sind‘s die Letzten, die die Hunde beißen: die Gene. Sie sind an allem schuld und können sich nicht wehren, weil sie der Sprache nicht mächtig sind.

Die Menschheit ist gerade dabei, ihre planetarischen Spuren durch Eliminierung der causa ungeschehen zu machen. Vermutlich ist die Natur selbst dran schuld, dass sie die Flatter macht. Warum auch muss sie so grausam zum Menschen sein, dass er ihre labyrinthische Unübersichtlichkeit brachial stutzen muss?

Ein Mediziner käme vor Gericht, wenn er ohne klare Diagnose eine Therapie verschreiben würde. Wie viel Geld bräuchte man heute, um bedrohte Arten zu erhalten? Jährlich 60 Milliarden rechneten Forscher aus. Ungeheure Summen, stimmt‘s? Wo soll das viele Geld herkommen? Dabei wären es weniger als 20% jener Summen, die die Menschheit weltweit für Cola und Erfrischungsgetränke ausgibt. Coca Cola macht „dick, impotent und erzeugt Haarausfall“, wie ein böser Cola-Kritiker schmähte. Kein Grund, das amerikanische Symbolgesöff zu reduzieren, um Natur zu retten. (DER SPIEGEL)

 

Nun wollen sie ihre ehemalige Garnisonkirche in Potsdam wieder ham. Für nur 100 Millionen Euro möchten sie jenes Gebäude wieder herstellen lassen, in dem der Führer von Gott und Hindenburg persönlich das Dritte Reich als Geschenk des Himmels erhielt. Hier bestätigten Bischof Müller, Chef der Deutschen Christen, und Baldur von Schirach, Häuptling der Hitlerjugend, feierlich das Gelöbnis auf die Vermählung von Staat und Vorsehung, von Erde und Himmel.

Wer Deutsche Christen waren, weiß heute niemand mehr. Nämlich die riesige Mehrheit führertreuer Protestanten. Die Nachkriegstheologen haben das Kunststück fertig gebracht, aus der Kirche einen Hort der Widerständler zu machen. Dass ein aufrechter Theologe im KZ hingerichtet wurde, Dietrich von Bonhöffer, soll ein Beweis für die Gegnerschaft der Evangelischen Kirche gegen Hitler sein.

Nach diesem Prinzip wäre jener Einzel-Löwe das flagrante Beispiel für die Antilopenfreundschaft aller Löwen, der ein Antilopenbaby adoptierte – nachdem er dessen Mutter gefressen hatte.

Eine hochelitäre, geistbegabte Lobbygruppe unter Ex-Bischof Huber will verhindern, „dass man die Kirche stellvertretend in Haftung nimmt für das, was mit dem Handschlag zwischen Hitler und Hindenburg versucht wurde.“ Der Auftrag ist klar: der endgültige Persilschein für die Nachfolger Christi muss in Stein gehauen werden. Mit dem Sohn der Vorsehung hatten sie nichts, aber auch gar nichts zu tun.

Ehrenkurator ist natürlich der Adligste unter den Frommen, Richard von Weizsäcker, der sich in keiner Talkshow hinreißen lässt, über seinen Glauben Rechenschaft abzulegen. Der Alt-Präsident war mal, man höre und staune, protestantischer Kirchenpräsident, der offensichtlich dem Wort huldigt, wem das Herz voll ist, dem geht der Mund über.

Ein Fünftel der Förderer sind Militärs. Die Militärseelsorge ist mit 250 000 Euro der größte Stifter. Nach Huber sollen in der zukünftigen Kirche jener Bundeswehrsoldaten gedacht werden, die bei Auslandeinsätzen gefallen sind. Wenn Mädchen fallen, sind sie gefallene Mädchen. Wenn Soldaten fallen, sind sie Helden.

Im Entwurf ist das Nagelkreuz von Coventry als Versöhnungszeichen von der alten Wetterfahne mit preußischem Adler verdrängt worden. Versöhnt sind wir doch längst in Europa, hätten wir sonst den Friedensnobelpreis erhalten?

Der Militärtempel der Hohenzollern und Gott-mit-uns-Schergen wird von Huber umgeweiht zum Widerstandsort des 20. Juli. Mit der Begründung, dort hätten einige Offiziere des „nationalkonservativen militärischen Widerstands in letzter Minute gebetet“. Womit in einem Aufwasch nicht nur die Kirche, sondern die Nationalen, Konservativen und altpreußischen Adligen blütenweiß geworden sind.

Wer bliebe denn da noch übrig, der dem Führer Halleluja zugerufen haben soll? Das kann doch nur der heidnische Plebs gewesen sein, der auf der Suche nach dem toten Gott das christliche Europa zertrümmert hätte.

Es gibt sogar ein Häuflein von Nobodys, die sich der „Protestanten-Mafia“ widersetzen. Friedensaktivisten, Antifaschisten, Mitglieder der bunten Stadtratsfraktion. Die üblichen Verdächtigen unter den Nestbeschmutzern.

(Anselm Weidner in der TAZ: Kirchlicher Glanz für militärisches Gloria)

 

Jetzt machen wir es uns einfach, reduzieren Komplexität nach Strich und Faden und blättern in dem Buch von Michael Ley „Genozid und Heilserwartung“. Dort lesen wir:

„Die nationalsozialistische Weltanschauung zeichnet sich in wesentlichen Punkten durch einen politisch-religiösen Charakter aus, in der die Probleme der bürgerlichen Gesellschaft weitgehend negiert wurden zugunsten eines politischen Chiliasmus“ (= Glaube an die Wiederkunft Christi).

Auch die Nationalsozialisten sehen sich als Retter der Weltgeschichte. Hitler sieht die nationalsozialistische Bewegung in einem Endkampf, der sogar kosmische Bezüge aufweist, wenn er über das „unheilsgeschichtliche“ Wirken der Juden schreibt: „Somit geht der Jude seinen verhängnisvollen Gang weiter, bis ihm eine andere Kraft entgegentritt und in gewaltigem Ringen den Himmelsstürmer wieder zum Luzifer zurückwirft.“

Die Juden spielen in der nationalsozialistischen Theorie und Praxis die gleiche Rolle wie der Antichrist in der christlichen Apokalyptik. Der Sieg über den Antichrist ist die Voraussetzung für das 1000-jährige Reich. Der Nationalsozialismus versteht sich als eine messianisch-völkische Bewegung. Er hat eine Ideologie der Geschichte und die Erkenntnis eines Heilswegs.

Viktor Klemperer wird mit den Worten zitiert: „Aber was sich von all dem als Wert einprägt, wirkt doch in der Richtung christlicher Transzendenz: Mystik der Weihnacht, Martyrium, Auferstehung, Weihe des Ritterordens knüpfen sich (ihrem Heidentum zum Trotz) als katholische oder sozusagen parsifalische Vorstellung an die Taten des Führers und seiner Partei. Die Kulte und die Sakralsprache im Nationalsozialismus machen deutlich, dass es sich hier um eine politische Religion handelt.

Seine Gefallenen sprach der Führer an mit: „Meine Apostel – ihr seid auferstanden im Dritten Reich“. Neben der politischen Religion wurde bewusst eine religiöse Liturgie benützt, die den Aufbruch des 1000-jährigen nationalsozialistischen Zeitalters verdeutlichen sollte. Der politische Nationalismus war von Anfang an apokalyptisch (Apokalypse = Gottesgericht).

Bis auf die Endlösung stehen die nationalsozialistischen Verordnungen in der Tradition des christlichen Antijudaismus. Die Mehrheit protestantischer Geistlicher und Laien bejahten den Nationalsozialismus. In diesem Punkt gab es keine Unterschiede zwischen Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche.

Die nach der Machtübernahme einsetzenden Übergriffe gegen Juden wurden von der protestantischen Kirche weitgehend hingenommen. Hingenommen? Aus vollem Herzen bejaht, auch wenn die Protestanten sich nicht immer trauten, ihrer Genugtuung öffentlichen Ausdruck zu verleihen. Der Antisemitismus galt als notwendige Ergänzung einer „tiefen Besinnung auf deutsche Eigenart und den Willen, deutschen Staat und deutsches Geschick diesem Charakter entsprechend zu gestalten.“

Karl Barth, berühmter Anführer der Bekennenden Kirche – leider auch christliches Vorbild für Popper, mittlerweilen der Guru des Martin Walser – predigte 1933 in einer Adventspredigt über die Juden „als halsstarriges und böses Volk“.

In einem Hirtenbrief katholischer Bischöfe wurde die Unterwerfung des Katholizismus unter den Nationalsozialismus damit begründet, dass jede menschliche Obrigkeit ein „Abglanz der göttlichen Herrschaft“ und eine „Teilnahme an der ewigen Autorität Gottes“ sei.

Friedrich Heer schrieb: „Katholische Theologen entdeckten zu Recht zahlreiche Verwandtschaften zwischen SS-Ideologie und dem Papismus. Zu den dogmatischen Bewunderern Hitlers gehörten die führenden katholischen Theologen Joseph Lortz, Michael Schmaus und Karl Adam. Von ihnen stammen Sätze wie: „Katholisches und liberales Denken sind unversöhnbar. Katholizismus und Nationalsozialismus können und sollen Hand in Hand gehen. Katholischer Zugang zum Nationalsozialismus, heilsgeschichtlich gesehen“.

Der Freiburger Bischof Konrad Gröber verfügte, dass es keinen Grund gebe, nicht „auch die Fahnen und Abzeichen der nationalsozialistischen Arbeiterpartei in der katholischen Kirche zuzulassen und deren Aufstellung im Kirchenschiff zu gestatten“.

Die Bischöfe wandten sich nicht gegen die Existenz von KZs, beklagten sich aber, dass die Gefangenen kein Bußsakrament empfangen könnten.

In der Enzyklika „Mit brennender Sorge“ von 1937 wird die Verfolgung von Juden nicht mal erwähnt. Die Vokabel „brennen“ ist eine Lieblingsvokabel der Gottesgelehrten. Im Stuttgarter Schuldbekenntnis nach dem Krieg bekannten die Kinder Gottes, sie hätten nicht brennend genug geliebt. Wie man sich täuschen kann: genau das haben sie gemacht. Beide christlichen Großkirchen schwiegen offiziell zu den antijüdischen Verbrechen.

Die österreichischen Protestanten begrüßten mit Jubel den Einmarsch der Hitlertruppen. Von allen evangelischen Kanzeln wurde verlesen: „Gott hat an dem deutschen Volk und unserer Heimat ein großes Wunder getan!“ Ein Superintendent begrüße den Führer mit den Worten: „So grüßt Sie mein Führer, die evangelische Kirche Österreichs zu Ihrer Befreiungstat als das Werkzeug in der Hand des Allmächtigen.“

Nicht zu vergessen die mächtige Weizsäckerfamilie, die in allen Regimes stets in die Daunen Gottes fallen: „Ein typischer Vertreter einer national-antidemokratischen Gesinnung ist der Staatssekretär in Hitlers auswärtigem Amt, Ernst von Weizsäcker, der seiner Ideologie einer deutsch-nationalen Verblendung verhaftet blieb. Er war gegen Stresemanns Verständigungspolitik und gegen den Völkerbund. Obwohl er kein Anhänger des Nationalsozialismus war, widersetzte er sich dem neuen Regime nicht, sondern erkannte schon 1932 positive Seiten am Nationalsozialismus.“ Die Aufregung im Ausland wegen des antijüdischen Boykotts bewertete er als „Judenhetzartikel“.

Der Holocaust hatte keine sozialen, ökonomischen, noch massenpsychologischen Gründe. „Er ist ausschließlich heilstheologischer Natur, seine Interpretation kann deshalb nur religionsgeschichtlicher Natur sein.“ Die Ermordung des europäischen Judentums war in den Augen Hitlers und seiner Anhänger die „heilige Tat“, die heilstheologische Voraussetzung für das 1000-jährige Reich. Hitler sah sich als Werkzeug Gottes, der mit dem Holocaust die Heilung Deutschlands und der ganzen Welt bringen wollte.

Der Holocaust gehört zur national verdrängten Seite des christlichen und post-christlichen Abendlandes. „Die nationalsozialistische Apokalypse ist das größte Menschenopfer, das die Weltgeschichte kennt.“

Fassen wir zusammen mit den Worten des damals bedeutendsten evangelischen Theologen, dem völlig in Vergessenheit abgedrängten Emanuel Hirsch, der in glühender Inbrunst davon überzeugt war, dass im jetzigen Augenblick deutscher Geschichte Gott an Hitlers Seite stehe:

„Der neue Wille selbst .. ist nicht künstlich von uns gemacht; er ist als ein heiliger Sturm über uns gekommen und hat uns ergriffen Nur ein Deutscher freilich kann das innerlich verstehen.“

Viele Gründe, um die Garnisonkirche in Potsdam endzeitlich wiederaufzurüsten, um gefallene Helden im Eingedenken an den Messias aus Braunau feierlich zu Grabe zu tragen und den Ruhm des allseits fleckenlosen deutschen Christentums aller Welt zu verkündigen.

Die immer rasanter werdende Geschichtsfälschung der nationalsozialistischen Epoche durch die heutige ecclesia militans schreitet unter der Leitung des Beinahe-Präsidenten Huber und des Expräsidenten Richard von Weizsäcker in rüstigem Gottvertrauen voran.