Kategorien
Tagesmail

Religionsfreiheit

Hello, Freunde der Lust der Augen,

die Lust der Welt ist schwer erträglich. Der Anblick leicht bekleideter Menschen. Die Schönheit und Anziehungskraft kaum verhüllter Körper. Körper sind Natur, Natur ist Fleisch, das uns verderben will.

Google ist dabei, Brillen für Gläubige zu entwickeln, denen der Anblick der Welt unzumutbar ist. Sie sind nicht von dieser Welt, wollen bald möglichst abscheiden und in die wahre Welt zurückkehren. Wie wär‘s, die lasterhafte Erde mit einem planetarischen Kondömli zu verhüllen, um die Keuschheit der Augen zu retten?

Praktischer wäre, man zöge die neue Wunderbrille aus Silicon-Mekka auf und stellte sie auf „sündenlos“. Plötzlich sind alle Menschen bekleidet, das Fleisch ist verhüllt. Die Sünden schreien nicht mehr zum Himmel: man sieht sie nicht mehr. Google erfüllt mit der Sündenlos-Brille nur die Bergpredigt.

(Als der 12-jährige C.F. von Weizsäcker die Bergpredigt las, wusste er sofort: wenn diese Sätze wahr sind, ist die Welt falsch. Er entschied sich, dass die Welt falsch ist – und wurde glühender Anhänger des Führers, der die Welt mit einem Donnerschlag sündenlos machen wollte.)

Wie man überhaupt sagen muss, die moderne Supertechnik von den Atomwaffen bis zum allwissenden Auge Gottes sind

„Implementierungen“ (Joschka Fischers Lieblingswort für „in die Tat umsetzen“) biblischer Allmachtsphantasien. Supermaschinen sind materiegewordene religiöse Sehnsüchte. Was Gott kann – Neues erschaffen, Altes vernichten – das kann sein Ebenbild allemal. Ist der Anblick der bösen Welt dem reinen Auge des Frommen zumutbar?

„Das Licht des Leibes ist dein Auge. Wenn dein Auge lauter ist, so ist auch dein ganzer Leib voll Licht; wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster. Sieh nun zu, ob das Licht, das in dir ist, nicht etwa Finsternis sei. Wenn nun dein ganzer Leib voll Licht ist und gar keinen finstern Teil an sich hat, wird er ganz so voll Licht sein, wie wenn das Licht dich mit seinem Strahl beleuchtet.“

Hier stehen wir vor der Erkenntnistheorie des Neuen Testaments, die sich in Opposition setzt zur Erkenntnistheorie der Griechen. Griechen waren weniger tiefsinnig als scharfsinnig wie die Kinder. Griechen formulierten, was Kinder denken und fühlen.

Frage: Wie erkenne ich das Licht? Kind: indem die Sonne in mein Auge scheint. Der Sonnenstrahl kommt von außen in mein Auge und knipst das Licht an. Allgemein gesprochen: der Mensch erkennt, weil er mit seinen Sinnesorganen der Welt Eintritt in sein Inneres verschafft.

Alles Erkennbare kommt von außen und geht nach innen in den Erkenntnisapparat des Menschen, der im Prinzip aus zwei Teilen besteht: aus sinnlichen „Perzeptionen“ und denkerischer Eigenleistung. Perzipieren ist passiv ergreifen, erfassen dessen, was mir die Welt anbietet. Den Stoff der sinnlichen Wahr-nehmung aber durchdenke und überprüfe ich mit Hilfe meines Gehirns.

Die erste Phase des Erkennens ist passiv, die zweite aktiv. Wahrnehmend nehme ich, was mir die Wirklichkeit anbietet. Hier bin ich rezeptiv, empfangend. In der zweiten bin ich selbst verantwortlich für das Prüfergebnis. Die Sinne liefern, das Gehirn sortiert, prüft, denkt und bewertet das importierte Sinnenmaterial.

Meine Sinne könnten mich täuschen, dann müsste das denkende Prüforgan den Trug entdecken und sagen: einen Menschen, der sich ohne maschinelle Hilfe in die Luft erhebt, hab ich noch nie gesehen. Also vermute ich, dass meine Sinne mich täuschen – oder es gibt Phänomene, die mir und der Menschheit noch nicht bekannt waren. Dann müsste der Erkenntnisakt von vorne beginnen.

Wahrnehmung ist noch nicht Wahrheit. Meine Sinne nehmen, mein Gehirn bestimmt, ob das Vernommene wahr sein kann. Verläuft die Prüfung positiv, ist das Ergebnis Wahrheit. Verläuft sie negativ: Unwahrheit. (Auch das Aufdecken der Unwahrheit ist Wahrheit, in diesem Sinne ist jede Erkenntnis positiv.)

Die Postmodernen unter den Lesern haben bereits ihr überlegenes Lächeln in Stellung gebracht. Sie wissen, dass der Mensch keine passive Folie der Wirklichkeit sein kann. Die Erkenntnistheorie der Neuzeit, der ganzen Moderne ist aktivistisch, konstruktivistisch.

(In dieser Hinsicht ist die Moderne postmodern oder die Postmoderne noch immer modern. Man sieht, welch Schindluder mit inflationären Schwurbelbegriffen getrieben wird. Das wäre das vornehmste Geschäft der Wahrheitsliebenden oder der Philosophen, solches Schwurbeln auszuhebeln. Philo-sophie = Liebe zur Wahrheit, nicht Besitz der Wahrheit wie bei den „Sophisten“.

Vor wenigen Wochen gab‘s ein ungeheures Ereignis, nämlich einen globalen Philosophenkongress in Athen. Schwestern und Brüder! Habt ihr bemerkt, wie Fluten lebendigen Wassers aus Athen über das ausgetrocknete Erdreich flossen? Wie die Denkereliten eine illusionslose Analyse der Weltsituation vorlegten? Wie leidenschaftlich sie rangen und stritten um Therapie und Diagnose der Gegenwart? Wie sie ihre Erkenntnisse Politikern und Demokraten aller Welt anboten, um ihren Anteil am dringlichen Problemlösen zu leisten?

Das ungeheure Ereignis entpuppte sich als Mückenstich. Wie schon im Mittelalter stritten sich die Weisen, wie viel Milliardäre auf einer Nadelspitze Platz haben, ohne sich gegenseitig in den Orkus zu stoßen. Hierzulande las man über diesen Gigantenkongress so gut wie nichts. Doch zeitgleich hörte man von einem „jungen“ Philosophen, der bezweifelte, dass es überhaupt eine Welt gibt. Noch immer muss man jung sein hierzulande, um von Edelschreibern als Modeheiland hochgejubelt zu werden.)

Was Wahrheit ist, bestimmt der Mensch, keine ominöse Realität, von der gar nicht sicher ist, ob sie überhaupt existiert. Das ist die glatte Umkehrung des griechischen Erkennens. 1500 Jahre lang dauerte es, bis die Erkenntnistheorie der Bibel in die Philosophie eindrang, um sie von ihren griechischen Wurzeln abzuschneiden und ihre eigenen frommen Grundlagen der weltlichen Philosophie zu implantieren.

Fast die ganze moderne Philosophie ist nichts als Theologie in weltlicher Verpackung. Das Heilige kommt daher in säkular-griechischer Aufmachung. Dieser Prozess der Vermengung begann schon bei den ersten Kirchenvätern, die in altgriechischer Atmosphäre aufwuchsen und die neue Lehre in ihre geliebte heidnische Begrifflichkeit übertrugen. Das war der Beginn der kompromisslerischen Symbiose aus Welt und Überwelt und wurde zur Grundmelodie des Abendlands.

Der Italiener Thomas von Aquin ist der größte Kompromissler des Mittelalters, der Schwabe Hegel der größte der Neuzeit. Fast ununterscheidbar verfließen bei Hegel Christliches und Griechisches zu einer schwer genießbaren Kraut- und Rübenterrine zusammen. Der Theologe Hegel war in seiner Jugend einer der schärfsten Kritiker des Christentums und einer der größten Bewunderer des Griechentums. Nach einer existentiellen Krise verkehrte sich bei ihm alles ins Gegenteil.

Wenn Deutsche jung sind, lassen sie gern die Sau raus. Der Nationalsozialismus war in hohem Maß eine Jugendbewegung. Wandervögel und brünstige Messianisten warfen ihr Bildungsgut zusammen: da gab es einen schrecklichen Klang. Nähern sich Deutsche aber dem Grab – ab Berufsbeginn etwa – machen sie wieder Frieden mit Gott und Kaiser, Thron und Altar. Dieses Gesetz gilt noch heute. Kurz nach dem Abitur geht’s vogelfrei rund um die Welt, wieder zu Hause angekommen, beginnt der unerbittliche Spießeraufstieg.

Wir sprechen von der subjektiven Wende zu Beginn der Neuzeit. Es geht nicht nur um Ablöse von der mittelalterlichen Theologie – die sich mit griechischen Begriffen aufgebrezelt hatte, um nicht völlig doof dazustehen. Gleichzeitig geht es um eine zweite Ablöse von den Grundprinzipien des griechischen Denkens. Die mittelalterliche Theologie war ein Amalgam aus Vernunft und Offenbarung. Griechisches war von listigen Kirchenvätern in den Teig des Credos eingemengt worden. Das macht die Chose verwirrend.

Mit Hilfe griechischen Denkens, das in der Renaissance nach Italien gekommen war, löste sich Europa von der Herrschaft des christlichen Glaubens – um sich im gleichen Akt von der gefühlten Dominanz der Griechen zu lösen, gegen die sie genau so allergisch waren wie gegen die erlernten Glaubenssätze der Kirche. Descartes will von vorne beginnen und sich von allen traditionellen Voraussetzungen lösen – und sitzt schon im nächsten Moment im Schoße Gottes.

Wegen inniger Verquickung von Aristoteles und Jesus, Platon und Paulus, waren die neuen Rebellen kritisch gegen Kirche wie gegen das Griechentum, zwei völlig unterschiedliche Elemente, die sie ständig miteinander verwechselten. (Bei den Romantikern gab‘s ähnliche Verwechslungen. Die jungen Gefühlssensibilisten verwechselten den Aufklärer Kant mit orthodoxen Predigern ihrer Jugend. Folglich lehnten sie den strengen Moralisten aus Königsberg ab, weil sie ihn für einen unerbittlichen Tugendwächter und Höllenprediger hielten.)

Was ist die subjektive Wende der Neuzeit? Die Umkehrung des griechischen Erkennens ins Gegenteil. Der subjektive Mensch wird nicht durch die objektive Welt geprägt, die objektive Welt wird durch das menschliche Subjekt geprägt. Folglich wird objektiv zu subjektiv und subjektiv zu objektiv.

Wenn Kant das Wörtchen subjektiv benutzt, meint er: subjektive Faktoren des Menschen bestimmen die objektive Wirklichkeit. Das Subjektive ist das Erste und Wichtigste; das Objektive ist sekundär und abgeleitet und wird vom gottgleichen Subjekt in jeder Hinsicht beherrscht, geprägt, determiniert. Am Ende sogar aus Nichts geschaffen. Das menschliche Subjekt ist zu Gott geworden, der seine Schöpfung nach Belieben ordnen, korrigieren, verwüsten, zerstören und gänzlich neu aus dem Nichts seines Kopfes erschaffen kann.

Die Genies der Gegenwart sind gottgleiche Ichs oder allmächtige Subjekte, die nicht mehr passiv Erkenntnisse wahr-nehmen, dulden und erleiden müssen, sondern Erkenntnisse aus sich heraus neu erfinden, konstruieren und produzieren, um sie der unerkennbaren Wirklichkeit aufzunötigen. Erst durch aktives Erkennen des Menschen entsteht so etwas wie eine Realität. Die Welt ist eine gestaltlose Knetmasse, die vom Menschen zur wohlgeordneten Wirklichkeit geformt wird. Nicht anders als bei Jahwe, der „den Menschen aus Ackerboden“ gebildet hatte und demselben „Lebensodem in die Nase hauchte“.

In der Natur können wir nichts erkennen, wenn wir nicht zuvor Erkennbares in sie hineingelegt hätten. So Kant. Das betrifft nicht nur die Gesetze der Natur, sondern sogar Raum und Zeit, die Kant für Mitbringsel des Menschen hält, die er der chaotischen Stoffmasse der äußeren Welt auferlegt.

„Die Ordnung und Regelmäßigkeit an den Erscheinungen, die wir Natur nennen, bringen wir selbst hinein, und würden sie auch nicht darin finden können, hätten wir sie nicht, oder die Natur unseres Gemüts ursprünglich hineingelegt.“ (Kant, Kritik der reinen Vernunft)

Wir erkennen nur, was wir selbst hervorbringen. Wir erkennen nur, was wir selbst produziert oder konstruiert haben (Konstruktivismus). Der Kapitalismus ist hier vorausgedacht. Was wir nicht selbst produzieren (also alles Natürliche, das aus sich selbst lebt) ist minderwertig. Erst durch endlose Produktion erkennen wir die Realität, die wir selbst hervorbringen. Eine unabhängige Natur können wir nicht erkennen, denn sie lebt aus sich selbst und braucht unsere Mitbringsel nicht.

Kant, der seinen schottischen Kollegen Adam Smith studiert hatte, war Erfinder der kapitalistischen Philosophie. Erst die Welt, die wir erfunden und hergestellt haben, ist eine erkennbare Welt. Alles vom Menschen Unabhängige und Unerschaffene bleibt unerkennbar und vernichtenswert. Je mehr das Terrain erfundener und konstruierter Elemente sich ausweitet, umso durchsichtiger wird die Welt für den Menschen. Indem er erkennt, was er selbst beisteuert, erkennt er im Grunde nur sich selbst. Erkennen der Welt ist Selbsterkenntnis des Menschen.

„Sie begriffen, dass die Vernunft nur das einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurf hervorbringt, dass sie mit Prinzipien ihrer Urteile nach beständigen Gesetzen vorangehen und die Natur nötigen müsse, auf ihre Fragen zu antworten, nicht aber sich von ihr allein gleichsam am Leitbande gängeln lassen müsse.“

Bei Griechen ist Erkenntnis die Sache Gleichberechtigter. Der Mensch, alles andere als passiv, erkennt die Natur, weil er selbst Natur ist. Goethe hat die Gleichwerigkeit zwischen Erkennendem und Erkanntem so beschrieben: „Wär nicht das Auge sonnenhaft, die Sonne könnt es nicht erblicken.“

Für den Christen ist die Welt minderwertig, dennoch kann er sie nicht verstehen. Denn zwischen ihr und ihm liegt ein Abgrund. Nur mit Hilfe der Offenbarung erkennt er das Wesentliche der Natur, seine eigene Erkenntnisfähigkeit ist hoffnungslos beschädigt. Und wenn er tatsächlich die Natur erkennt, was erkennt er in ihr? Nur den Gott, nicht die Natur, wie sie leibt und lebt.

„Sein unsichtbares Wesen, das ist seine ewige Kraft und Gottheit, ist ja seit Erschaffung der Welt, wenn man es in den Werken betrachtet, deutlich zu ersehen, damit sie keine Entschuldigung haben“. Wer Natur recht erkennen will, muss Gott in ihr erkennen, sie selbst ist uninteressant. Das gilt heute wieder bei vielen Naturwissenschaftlern, die ihre Forschungen vor allem betreiben, um Gott zu finden. Die Natur ist abgehakt.

Der Mensch lässt sich nicht mehr von der Welt – die in christlicher Sicht sündig und satanisch ist – gängeln, sondern gängelt selbst die Welt. Es ist wie bei Pygmalion. Der geniale Mann erkennt nur jene Frau als gleichwertig, die er zuvor aus Stein selbst gemeißelt und modelliert hat. Aus einem Geschöpf ist der Mensch zum Schöpfer geworden.

Die moderne Philosophie hat die Gottähnlichkeit des Menschen, seine Korrektur des Sündenfalls und seine Rückkehr ins Paradies aus einem Glaubensartikel in Weltweisheit übersetzt. Bei Kant gibt es noch eine minderwertige Natur, die der Mensch benötigt, um aus der Knetmasse etwas Ansehnliches und Gesetzmäßiges zu töpfern. Bei seinem Schüler Fichte klingt das schon wesentlich triumphaler: Fichtes Ich scheint die Welt in allmächtiger Setzung aus Nichts zu erschaffen.

Der gesunde Menschenverstand hält diese Denkkünste deutscher Titanen für schier unglaublich. Ist der Studierende verrückt, weil er dies alles für verrückt hält? Ist es der Dozent oder doch der weltberühmte Denker selbst? Ganz selten kann man den Satz hören: heute würde man die deutschen Idealisten in die Psychiatrie verfrachten.

Was hat das Ganze mit einem Burkini zu tun? Im Falle einer muslimischen Schülerin, die nicht am Schwimmunterricht teilnehmen wollte, ging es um Religionsfreiheit gegen demokratischen Pluralismus. Christian Bommarius urteilt scharf in der BLZ.

Typisch deutsch, dass von Medien zumeist die Frage nach der Religionsfreiheit gestellt wird. Nie nach Meinungsfreiheit der Ungläubigen oder nach demokratischer Toleranz gegen Gottlose. Das religiöse Mädchen wollte den Sportunterricht verweigern, weil es sich von leichtbekleideten männlichen Schwimmern in ihrer religiösen Sicht beschädigt und gekränkt fühlte.

Respekt vor dem Glauben, forderte Graumann in der Beschneidungsangelegenheit. Dass Respekt eine reziproke Sache ist, scheint ihm unbekannt. Niemand fordert Respekt für jene, die uralte Riten nicht als Lizenz zur Rechtsverletzung akzeptieren wollen.

Wäre die Muslimin eine Christin, müsste man sie fragen, warum sie mit ihrem lauteren Auge nicht alle Dinge rein und lauter sehen kann. Denn das Auge verbreitet Licht, so die Bergpredigt, nicht das Licht erleuchtet das Auge.

Hier haben wir die subjektive Wende der Erkenntnis in schlichten Metaphern vorweggenommen. Der gläubige Mensch bestimmt ganz allein, was er sieht. Von der bösen Welt lässt er sich keine Erkenntnis vorschreiben. Alles Erkennen hängt von seinem lichten Auge ab. „Wenn dein Auge lauter ist, so ist auch dein ganzer Leib voll Licht. Wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster.“

Erkenntnis hängt ab von der subjektiven Verfassung des Menschen. Lichte Menschen sehen alles im Licht, böse Menschen alles in Bosheit. Erkenntnis ist keine generelle Fähigkeit aller Menschen, sondern eine selektive Kompetenz. Gläubige erkennen die Wahrheit, denn sie verbreiten die Wahrheit. Ungläubige erkennen nur Bosheit, denn sie verbreiten die Bosheit.

Streng genommen, könnten die Gläubigen mit ihrem reinen Auge die böse Welt – in reinem Licht erkennen. Denn die Macht der göttlichen Wahrheit ist größer als die Macht der Bosheit. Die Gläubigen müssten sich mit der bösen Welt gar nicht anlegen, denn sie könnten das Licht der Reinheit über alle Bosheit legen, sodass sie für ihre erleuchteten Augen unsichtbar wird.

Streng genommen lebten Gläubige und Ungläubige in zwei disparaten Welten. Die Reinen lebten in einer lichten und reinen Welt, die Finsteren in einer rabenschwarz- teuflischen Welt. Doch Logik war noch nie die Stärke der Frommen. Ihren Fähigkeiten, die böse Welt ins verklärende Licht der Wahrheit zu tauchen und zu vergöttlichen, scheinen sie nicht mehr zu trauen.

Mit dem Bösen in der Welt wollen sie nie mehr konfrontiert werden. Hinweg mit dir, Satanas. Also fordern sie Verbieten und Abschaffen der bösen Welt, auf dass sie Frieden hätten. „Denn alles, was in der Welt ist, die Lust des Fleisches und die Lust der Augen, stammt nicht vom Vater, sondern es stammt von der Welt.“

Ärgert dich dein Auge? Dann reiß es raus. Wenn dich dein Auge zur Sünde verführt, wirf es von dir. Ärgert dich dein Glied, so schneide es ab und werde Verschnittener um des Himmelreichs willen. Ärgert dich die Welt? So vernichte sie, auf dass du das Reich der Himmel gewinnst.

Absolute Freiheit einer Erlösungsreligion, die auf Hass gegen die Welt beruht, wäre absolute Vernichtung dieser Welt. Wer besitzt die größte Religionsfreiheit in der Welt? Der Papst im theokratischen Vatikan und die Mullahs im Iran, die ihren Untertanen mit Folter und Zwang ihre reinen Sichtweisen vorschreiben können.

„Habet nicht die lieb die Welt!“ Wie macht man das? Indem man die Welt vernichtet. Was vernichtet ist, kann niemanden mehr in Versuchung und Bedrängnis bringen.

Und die Welt vergeht und ihre Lust; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.“