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Propheten

Hello, Freunde der Propheten,

im Bundestag trat ein Prophet auf, der sich über demokratische Regeln hinwegsetzte und eine gewählte Partei als Drachenbrut an die Wand klatschte.

Lang ist‘s her, da war er ein Held, der sich gegen ein totalitäres System mit Liedern zur Wehr setzte. Es gibt wenig deutsche Helden, die sich gegen Unterdrückung so furchtlos zur Wehr setzten wie der lärmende Barde. Seine Verdienste um die Befreiung der DDR sind unbestreitbar – auch wenn es andre gab, die weitaus wichtiger waren, um die Mauer zum Einsturz zu bringen. Ungarische und tschechische Freiheitskämpfer, polnische Werftarbeiter, russische Dissidenten, und vor allem ein Mann namens Gorbatschow.

Niemand von ihnen hatte man in den Bundestag geladen. Völkisch wollten sie unter sich bleiben, die Lorbeeren des Aufstands mit niemandem teilen, sie, die Deutschen, die bislang nie eine Revolution zustande gebracht hatten.

Dem Barden sollte man ein Denkmal setzen oder einen gut ausgeleuchteten Platz im Museum anweisen – doch der listig grinsende Lammert, der seine Paraderolle des Aufrechten über Nacht abgelegt hatte, sollte sich vor dem ganzen Volk entschuldigen, dass er es dem Propheten gestattete, die heiligen Regeln der Demokratie vom Tisch zu wischen und eine vom Volk gewählte Partei als totalitäres Gebilde zu diffamieren.

Haben weltliche Demokratien heilige Regeln? Heiligkeit ist nicht das Vorrecht von Priestern und Propheten. Heilig ist das Unverbrüchliche des selbstbestimmten Menschen, mühsam erkämpft und zur Realität geworden in Gesetzen und

Regeln einer Volksherrschaft.

Zum Jubeltag das Schmierenstück als Appetitanreger. Alle Mauerballons zusammengenommen können nicht so aufgeblasen sein wie das ozeanische Ich des Propheten, dessen demütigste Frage lautet: Was nur findet ihr so genial an mir? Für Genies – merkt euch das, ihr Normalwaren der Natur – ist das Außerordentliche das Gewöhnliche. Fehlte nur noch die Frage: bin ichs, der da kommen soll oder wartet ihr eines anderen?

Natürlich warten sie auf einen anderen, doch gestern begnügten sie sich mit dem Propheten – den sie zur Marionette machten. Und der Prophet merkte es nicht. Man kannte seine Eitelkeit und lud ihn zum Singen. Wohl wissend, mit Singen wird er sich nicht begnügen, die Regeln brechen und den drachentötenden Siegfried spielen.

Öffentlich sollte jene räudige und nicht salonfähige Partei geprügelt werden, die sich anschickt, zur Macht zu greifen und Merkels Lieblingspartei zum Ehebruch zu verlocken.

Und siehe, der Prophet spielte die Rolle, die man wortlos von ihm erwartet hatte. Mehrere Fliegen waren mit einer Klappe geschlagen. Merkel, keine Bürgerrechtlerin, sondern Karrieristin der DDR, konnte durch Berührungsmagie mit dem singenden Heros von dessen unbestechlicher Aura profitieren.

Merkel war zur Bürgerrechtlerin erst geworden, als sich abzeichnete, dass das alte Regime im Staub der Geschichte versinken würde. Sie sprang auf jenen Zug der Geschichte auf, der sich als erfolgreich zu erweisen schien. Ihre Machtinstinkte funktionierten von Anfang an.

Aus Sympathie mit dem neuen deutschen Sozialistenstaat war Horst Kasner, ihr Vater, bereits 1954 vom Westen nach Berlin-Brandenburg übergewechselt. Er war nicht der einzige Pastor, der den marxistischen Staat für evangelischer hielt als die kapitalistische Amerikafiliale in Bonn.

Ohnehin genossen die Popen, die sich später als Widerständler feiern ließen, mannigfache Privilegien im Reich der klassenlosen Gesellschaft. In der DDR galt Luther als Vorläufer von Marx und Engels. (Thomas Münzer, der kommunistische Zwangsbeglücker von Münster, freilich noch mehr.)

Im Bundestag wurden Merkel & Biermann ein Paar. Der bedeutungslos gewordene Ex-Rebell erlebte seine politische Auferstehung, die Karrieristin erhielt die nachträgliche Taufe der Rebellin.

Noch wichtiger war das Autodafé der Linken, die man stellvertretend für die ganze DDR dreschen wollte, um zu überdecken, dass man einst das – NS-Regime nur mit Mühe und Not abwickeln konnte. Nicht ohne wütende Assistenz der 68er Jugendrevolte.

Was damals nicht gelang, sollte nun vorbildlich durchexerziert werden. Der ganze 25-jährige Klamauk war eine Ersatzbearbeitung des Hitler-Reiches, das man bis heute nur äußerlich aufgearbeitet hat.

Warum die besinnungslose Wiederholungs- und Selbstbeweihräucherung der gestrigen Nostalgiefeier? Um mit gutem Gewissen das Novemberpogrom vergessen zu machen, als zum ersten Mal die offizielle Hatz gegen die Juden erprobt wurde. Und ganz Deutschland wehrte nicht den Anfängen, sondern erschauerte über die verwegene Mörderdreistigkeit der Hitlerianer, die sich diese Dreistigkeit nicht hätten erlauben können, wenn sie nicht gottgesandte apokalyptische Reiter gewesen wären.

Es war die Generalprobe für das beginnende Verhängnis, das nun – ohne Widerstand zu befürchten – hinter den Kulissen organisiert werden konnte. Die Deutschen hatten signalisiert: was auch immer geschehen wird, wir werden nichts sehen und nichts hören. Wenn die Öffentlichkeit hier keinen Widerstand leisten würde, würde sie auch zukünftig keinen leisten.

Das schandbare NS-Pogrom wurde gestern durch maßlose Selbstrühmung der Anti-SED-Revolte emotional überdeckt und begraben. Mit ausdrücklichem Segen aus Schloss Bellevue und dem Kanzleramt.

Darf Demokratie feiern? Sie muss feiern, wenn sie politische Gründe zum Feiern hat. Eine Feier ist das Ritual kollektiver Erinnerung an vergangene Ruhmestaten, die nicht Vergangenheit werden sollen.

Deutschland hat zu viele pastorale Feiertage und fast keine politischen, bei denen das Volk sich seines Freiheitswillens in Ausgelassenheit vergewissern kann. Der gestrige Tag war mehr nationale Selbstbetäubung – als die notwendige Erinnerung an die Ruhmesund Schandtaten des Volkes.

Welch gnädiges Geschenk des Schicksals, dass man den 9. November feiern kann, um den 9. November unauffällig zu beerdigen. Der Sender RBB erbrachte das Kunststück, innerhalb eines Tages 25 Stunden lang die ewig gleichen Bilder der „Wiedervereinigung“ abzuspulen.

Was ist so prickelnd an Wiedervereinigung? Nichts. Zwei freie, weniger mächtige Staaten sind genau so gut, ja besser, als eine wiedervereinigte Nation, die sich als neuer Koloss in Europa präsentiert. Wären Großbritannien ohne Schottland, Spanien ohne Katalanien, Deutschland ohne Bayern, minderwertigere Staaten? Nur wer notorisch in Kategorien der Macht denkt, für den sind wenige große Nationen besser als viele kleine.

Die Menschen sind der anonymen Mega-Organisationen überdrüssig, in denen sie entwurzelte Nullen und Nichtse sind. In überschaubaren Gebilden können demokratische Tugenden besser zur Geltung kommen als in ausufernden Giganto-Organismen. Es gibt Gründe, warum selbstbewusste Föderale übergroßen Staaten den Abschied geben wollen. Athen hatte nicht mehr als 40 000 Bürger, mit denen die Polis ihren Rechten und Pflichten nachkommen konnte.

Wer hat am meisten dazu beigetragen, die Ost-West-Spaltung in mühseliger Kleinarbeit so weit zu überwinden, dass jetzt die erste rot-rot-grüne Regierung möglich geworden ist? Die Partei der Linken.

Über die Partei kann man denken, was man will. Doch die Hauptquerelen zwischen Marxismus und Marktwirtschaft, Totalitarismus und Demokratie, geschlossener und offener Gesellschaft, haben Oskar Lafontaine, Gregor Gysi und GenossInnen in unendlicher Kleinarbeit durchstreiten müssen.

Das nennt man demokratische Auseinandersetzung, die man in anderen Parteien vergeblich sucht. Die etablierten Mächte haben zugeschaut und hochnäsig kommentiert, als ob sie keine Ost-CDUler in ihren Reihen gehabt hätten. In welcher Ostpartei war Pastorin Lieberknecht, die jetzt gegen Ramelow verlor? Vom SED-Erbe in den beiden großen Parteien war nie etwas zu hören. Stellvertretend ließ man Wadlbeißer und Kläffer für sich streiten.

Die Linke ist nicht regierungsfähig, weil sie die NATO ablehnt? Ist der Glaube an die NATO zum Dogma geworden? Wozu brauchen wir ein antirussisches Militärbündnis, wenn wir Gorbis Angebot eines friedlich vernetzten europäischen Hauses von Lissabon bis Wladiwostok ernst genommen hätten? Welch zündelnde Rolle spielte die NATO unter Rasmussen im Ukraine-Konflikt?

Nicht zuletzt: welche Partei attackierte am bedingungslosesten den Neoliberalismus, vor dem SPD und die Grünen in beschämender Weise in die Knie sanken?

(Kretschmann fordert inzwischen die Verwandlung seiner Partei in eine „klassische Wirtschaftspartei“. Das wäre der endgültige Tod der schon lange dahinsiechenden Ökopartei. Entweder ist Ökologie linke, machtkritische Politik oder sie ist nicht.)

Warum übernahmen unisono fast alle deutschen Medien das Motto: links und rechts, das sei Schnee von gestern? Rechts waren die Machteliten allemal. Gab‘s keine linke Partei mehr, hatten die Konservativen plötzlich ein von niemandem bestrittenes Machtmonopol in Händen. Selbst linke Gazetten verteidigten den Spruch, es gebe nur noch Sachpolitik, linke und rechte Ideologien hätten sich überlebt.

Der Prophet im Bundestag sollte die ungeliebten Linken im wortlosen Auftrag von Merkel, Lammert & Co zur augustinischen Teufelshorde degradieren. Er wolle sich den Mund auch hier nicht verbieten lassen, so der Prophet, als Lammert ihn zum Singen aufforderte, zum Reden sei er nicht geladen worden.

Biermann verwechselte die Regeln der Demokratie mit Unterdrückungsmaßnahmen eines totalitären Systems. Das war nicht nur unverschämt, es entlarvte die demokratische Inkompetenz des Propheten, der mit sachkundigen Beiträgen zu Problemen der BRD bislang nicht aufgefallen war.

Dem postmarxistischen Propheten sind demokratische Erleuchtungen bis heute offenbar versagt geblieben. In einem Interview bekannte er sich zu den Ideen eines relativistischen Pluralismus von Isaiah Berlin. Vom Marxismus, so Biermann, habe er die Nase so voll, dass er keine alleinseligmachende Ideologie mehr vertreten könne.

Das nennt man eine Reaktionsbildung oder ein Umkippen ins Gegenteil. Früher glühender Marxist, der Gerechtigkeit für die Menschheit forderte, ist er heute leer und ausgebrannt. Man kann sehr wohl gegen totalitäre Zwangsherrschaft im Namen der Gerechtigkeit sein. Doch Gerechtigkeit muss man nicht aufgeben, wenn man ablehnt, sie mit Zwang einer Gesellschaft überzustülpen.

Eine typisch deutsche Verbohrtheit, die zwischen Zwecken und Mitteln nicht unterscheiden kann. Ich kann versuchen, Gerechtigkeit mit repressionsfreien Mitteln zu verwirklichen und muss kein Stalinist sein, um eine gerechte Welt einzufordern. Das kann man an der Entwicklung Gorbatschows sehen, der sich aus einem Marxisten zu einem ökologischen Vertreter von Glasnost und Perestroika entwickelte.

Ein Faschismus ist immer ein pervertierter Idealismus. Kein Mensch will das Schlechte. Doch das Gute, das er will, ist in der Gefahr, durch schlechte Mittel zum Schlechten zu werden. Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt, das ist die Urlosung des ungeduldig gewordenen Faschisten, der als leidenschaftlicher Idealist begann. Bis heute leisten die Deutschen sich den Luxus abstrus nebliger Begriffe über Faschismus und Totalitarismus.

Nein, eine Diktatur war die DDR auch nicht! Diktatur ist das Gewaltgebilde eines solitären Diktators, zumeist ohne politische Ideologie. Entfernt man den Diktator, zerfällt die Diktatur von selbst.

Ein faschistisches oder totalitäres System aber ist von Einzelpersonen unabhängig und hat eine das ganze Leben bestimmende Ideologie zum staatlichen System gemacht, dem niemand entgehen kann. Erschieße Stalin und du erhältst Breschnew oder andere Apparatschiks – doch das System bleibt.

Was war das Ergebnis der Reaktionsbildung Biermanns, weg vom Sozialismus hin zur Demokratie? Ein Fall in postmoderne Beliebigkeit, die bei seinem Mentor Berlin – trotz eindrucksvoller Bekenntnisse zur Demokratie – überall zu greifen ist.

In einem Interview führt Berlin aus:

„Das Streben nach einer einzigen, endgültigen, universellen Lösung menschlicher Probleme jagt einer Fata Morgana nach. Es gibt viele Ideale, die es wert sind, dass man nach ihnen strebt, aber die Vorstellung einer umfassenden Lösung aller menschlichen Probleme, die, wenn sich zuviel Widerstand erhebt, auch mit Gewalt durchgesetzt werden muss, führt nur zu Blutvergießen.“

Wieso muss die Lösung unserer Probleme zur Gewalt führen? Das muss sie nicht. Just das ist der Unterschied zwischen dem Urfaschisten Platon, der seinen perfekten Staat nur noch mit Gewalt realisieren konnte – und der mäeutischen Methode seines Lehrers Sokrates, der die Menschen auf der Agora mit Argumenten überzeugen wollte und an Machtmittel nicht mal dachte.

Berlin – und alle deutschen platonisch verseuchten Intellektuellen – können zwischen Sokrates und Platon nicht unterscheiden. Biermann schlüpft bei einem liberalen Professor unter, indem er erneut das eigene Denken aufgibt. Marx wird verabschiedet und Berlin wird zum Marx-Ersatz. Der eine Guru geht, der andere kommt und wird kritiklos angebetet.

Wo bleibt Biermanns Aufruf für eine gerechtere Welt? Ist er mit Merkels neoliberaler Wirtschaftspolitik so einverstanden, dass er den geringsten Protest gegen sie unterlässt?

Biermanns Abschied von aller Ideologie ist die Bankrotterklärung eines enttäuschten Gläubigen, der den doktrinären Sozialismus abstreift und die postmoderne Beliebigkeit überzieht: die Idee, dass es keine wirksame Lösung unsrer Probleme geben darf.

Auch die Menschenrechte haben bei Berlin einen schlechten Stand. Sie sind nicht die Frucht der Vernunft: „Der Glaube an die Menschenrechte beruht nicht auf rationalen Erkenntnissen.“ (Alle Zitate aus Isaiah Berlin: “Den Ideen die Stimme zurückgeben“)

Auf bloßen Gefühlen etwa? Gefühle hat jeder, auch der Feind der Menschenrechte. Obgleich Berlin ein Vertreter der Aufklärung sein will, misstraut er der Kraft der Vernunft, weil er sie im Grunde für totalitär hält. Das begründet auch seine Unterscheidung von negativer und positiver Freiheit. Ein echter Liberalismus begnügt sich mit negativer Freiheit, der Negierung von einengenden Gesetzen. Positive Freiheit hingegen, die weiß, was sie will, unterliege der Gefahr, dass sie ihren positiven Willen mit Gewalt erreichen wolle.

Das ist der helle Wahn, zeigt er doch, dass Berlin die demokratische Methode der friedlichen Durchsetzung ihrer politischen Ziele nicht verstanden hat. So wenig wie sein dem Marxismus entflohener Schüler.

Ist die Leugnung einer universellen, „alleinseligmachenden“ Methode zur Lösung der menschlichen Probleme nicht auch eine Verleugnung der Demokratie? Gewiss, selig macht sie zwar nicht, aber sie könnte die Menschen glücklich machen. Welche Methode kann Demokratie in diesem Sinn übertreffen? Es gibt keine und also besitzt Demokratie das alleinige Merkmal des friedlichen Glücklichmachenkönnens.

Wer hier einen frei flottierenden Pluralismus vertritt, muss sich die Kritik gefallen lassen, dass er die Demokratie nicht verteidigen kann, wenn sie von totalitären, postdemokratischen, theokratischen und techno-kratischen Kräften angegriffen wird.

In Deutschland wird Demokratie nicht verteidigt. Entweder kokettiert man mit diktatorischer Scheinstabilität oder phantasiert von totalitärer Zukunftstechnologie. Im selben Fahrwasser pluraler Beliebigkeit bewegt sich auch Merkel, wenn sie in spätpubertierendem Jargon behauptet: „Träume können wahr werden. Nichts muss so bleiben wie es ist.“ (FAZ.NET)

Protest: alles kann sich ändern, nur nicht Demokratie und Menschenrechte. Es ist fahrlässig, mit solchen Zeitgeistkoketterien alles zur Disposition zu stellen, was einem überzeugten Demokraten unveränderlich-heilig sein muss.

Merkel und ihr Prophet preisen vordergründig die Demokratie – indem sie sie hinterrücks aufs Spiel setzen. Träume dürfen auf keinen Fall wahr werden, es sei, sie wurden zuvor der Kontrolle der Vernunft unterworfen.

Merkel weiß offenbar nicht, was der Mensch alles zu träumen fähig ist. Peu à peu übernimmt sie amerikanische Modefloskeln, weil sie glaubt, ihre zeitgeistbedingte Pfiffigkeit unter Beweis stellen zu müssen. Träume können von grauenhaften Apokalypsen erfüllt sein.

Freiheit ist kein irrationaler Traum, sondern der klare Gedanke der Vernunft, der Erfahrung und rational überprüfter Gefühle und Bedürfnisse.

Merkel und Biermann: zwei enttäuschte Sozialisten, die das Streben nach Gerechtigkeit mit totalitärem Zwang gleichsetzen. Während Biermann reaktionär ins Beliebige abtaucht, hat Merkel sich mit Leib und Seele dem Neoliberalismus ergeben.

Mögen die Ergebnisse bei beiden unterschiedlich aussehen, so sind sie doch identisch im bloßen Unterordnen unter neue Heilsmethoden. Bei Biermann heißt das neue Heil: es gibt kein Heil; bei Merkel: was erfolgreich im Westen ist, kann nicht falsch gewesen sein. Beide haben ihre alten Propheten abgesetzt und sich neuen unterworfen, die den Sieg der Weltgeschichte für sich reklamieren.

Popper warnt vor Richter und Propheten, die den Anschein erwecken, die Gesetze der Geschichte zu kennen und das Endergebnis prophezeien: die Mächtigsten, Brillantesten und Unmoralischsten werden am Ende aller Dinge obsiegen. Also sollte man sich den Erfolgreichsten unterwerfen, wenn man zu den Siegern der Geschichte gehören will.

Nicht die Wahrheit zählt bei den Propheten, sondern die Erfolgschancen des rücksichtslosen Durchsetzens. Gegen diese Haltung der religiösen und Darwin‘schen Selektion formuliert Popper: „Es ist die Pflicht, nicht als Prophet zu posieren.“ (Popper: „Auf der Suche nach der besseren Welt“)

Biermann & Merkel agieren als Mitläufer des Siegreichen, nicht des Gerechten und Menschenwürdigen.

Den Teufel erkannte man früher am Schwefelgestank. Biermann erkennt die teuflischen Linken am Gesicht: „Am Gesicht, am Gesicht kann man das erkennen.“

Eine linke Politikerin erkannte der Prophet am Gesicht – nachdem er sie gefragt hatte, ob sie zu den Linken gehöre. Andre Mielke kommentiert satirisch in der BLZ: „Er hat die Gabe. Das zweite Gesicht. Den siebten Sinn. Die Frau war beim Mauerfall neun Jahre alt. Aber er sah in ihr den Unrechtsstaat. Honecker, Harry Tisch, Sigmund Jähn und Pittiplatsch. Und sein Sensorium hätte sogar funktioniert, wäre die Plenarsaalbeleuchtung ausgefallen.“

Biermann ist zum klerikalen Exorzisten geworden, der die Ketzer der Welt untrüglich an Geruch und Gesicht erkennen würdewenn er seinen Sinn und Geschmack fürs Diabolische nicht schon längst eingebüßt hätte.