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nichtsdesto-TROTZ XXXVI

Tagesmail vom 28.06.2021

nichtsdesto-TROTZ XXXVI,

mehr Gelassenheit – s’il vous plaît!

Eine französische Zeitung schrieb vor Jahren, die Deutschen seien unter den Völkern Europas das „psychologisch anfälligste.“ Auf bestimmte Ereignisse würden wir „heftiger, aufgeregter, ja manchmal hysterischer reagieren als unsere Nachbarn. Bestimmte Probleme würden hierzulande debattiert werden, als ginge es um Sein oder Nichtsein. Wir haben es dahin kommen lassen, dass jeder, der in einer ihm wichtig erscheinenden Sache das Wort ergreift, meint, er könne nur durch Dramatisierung seines Anliegens in der Öffentlichkeit Gehör finden.“

Das schrieb 1985 Kurt Sontheimer, Experte für die historischen Dramatisierungen der Deutschen, die zum Ersten und Zweiten Weltkrieg führten. Mit anderen Worten: genug der kriegerischen Gottesurteile und nationalen Wiedergeburten durch Tod und Verderben.

Würde Sontheimer heute noch leben, wäre sein Rat an die Deutschen: nehmt euch ein Beispiel an der unaufgeregt dahinfließenden Altstimme eurer Kanzlerin – was die Deutschen ohnehin tun, um ihre nervösen Gefühlsschwankungen zu beruhigen.

Fast ein halbes Jahrhundert später haben die Deutschen noch immer nicht abgerüstet, im Gegenteil:

„Wenn Kinderbücher vom Klimawandel sprechen, scheint die Apokalypse unausweichlich. Neuerscheinungen zum Thema Klimawandel … wollen nicht nur Angst machen, sondern in Kindern auch die Wut auf Erwachsene wecken. Erwachsene, die ihnen, so der Unterton vieler Texte, aus Bequemlichkeit oder Ahnungslosigkeit die Zukunft rauben. Kinder und Jugendliche sollen aufgerüstet werden, um rückständigen Eltern, Lehrern und Politikern zu erklären, was jetzt unbedingt zu tun ist.“ (WELT.de)

Das wäre Sodom und Gomorrha, wenn Kinder den Erwachsenen beibringen müssten, wie sie die Welt zu retten haben. Schauen wir kurz zurück in die Vorkriegszeiten der erflehten Weltuntergänge.

Da galt die Formel von der „Geburt der Nation im Kriege“: „Wir mussten den Krieg verlieren, um die Nation zu gewinnen.“ Nur der Krieg hatte die läuternde Kraft, die alte marode Welt in Trümmer zu legen, um neu und unbelastet von vorne zu beginnen.

„War nicht im Weltkrieg eine Welt der Lüge, der seichten Frivolität in sich zusammengefallen, eine Jugend zur Mannhaftigkeit geformt worden, die um das Elementare wusste und alle Phrasen durchschauen gelernt hatte?“ „Das einzige verlässliche Beziehungszentrum im Leben ist der Tod. An ihm lassen sich wirkliche Werte messen. An ihm wird die alte Welt gewogen und zu leicht befunden.“ (zit. in Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik)

„Der Krieg ist unser Vater, er hat uns gezeugt im glühenden Schoße der Kampfgräben als ein neues Geschlecht, und wir erkennen mit Stolz unsere Herkunft an. Daher sollen unsere Wertungen auch heroische, auch Wertungen von Kriegern und nicht solche von Krämern sein, die die Welt mit ihrer Elle messen möchten.“ (Ernst Jünger, ebenda)

Krämer – das waren die anderen: die weltbeherrschenden Vettern von der Insel, die nichts anderes kannten als die Macht des Mammons. Auch in der heutigen Klimadebatte gibt es kapitalismuskritische Aspekte, denn ohne Demontage der weltbeherrschenden und naturzerstörenden Monopole wird die Chose nicht gehen.

Und hier wird der deutsche Scharfsinn fündig, der eine Wiederholung der früheren Ereignisse wittert – eine Wiederholung der Geschichte, die in anderen Zusammenhängen verhöhnt wird.

Aha, jetzt haben sie sich entlarvt als antisemitische Heimtücker, diese jugendlichen Wichtigtuer, denn früher wurden reiche Eliten zumeist als Juden identifiziert. Dass diese Probleme auch außerhalb des deutschen Judenhasses existieren, bleibt unerwähnt.

Eliten und Kapitalisten: diese beiden Begriffe als Gegenstand der Anklage, das kommt deutschen Mitte-Apologeten verdächtig vor.

„Vor diesen Leuten sollten wir uns in Acht nehmen. Nichts ist anstrengender, als ein Gespräch mit jemandem zu führen, der partout nicht verstanden werden will. Der einzige Nenner, auf den sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen hier einigen konnten, war, dass es so nicht weitergehen könne – und auf die Eliten kein Verlass sei. Was auch immer das heißen mag. Man findet schnell Gleichgesinnte, wenn alles Bestehende in destruktiver Weise ablehnt wird.“ (Berliner-Zeitung.de)

Eliten, was auch immer das heißen mag? Plötzlich stellen sich die Medien dumm und wollen die Begriffe Eliten und Elitenkritik nie gehört haben. Eliten gibt es ja erst seit etwa 6000 Jahren, als Männer ihre pyramidalen Hochkulturen erfanden. In Deutschland gibt es bekanntlich keine Eliten, hier gibt es nur gottgegebene Obrigkeiten, mit denen die Untertanen in inniger Harmonie verbunden sind.

Alles Warnende und Kritische wird hierzulande verdächtigt als destruktive Hysterie. Kein Wunder, dass Eliten das Motto bevorzugen: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Es genügt, wenn die Maschinen ohrenbetäubend lärmen, da sollten sich Hilfskräfte dezent zurückhalten.

Unsachliche und wichtigtuerische Turbulenzen sind schon lange die psychologischen Eigenheiten der Deutschen. Das muss mit ihrer ewigen Zurückgebliebenheit zusammenhängen, als sie mit Lärm und Getöse sich zurückmeldeten in die Reihe der führenden europäischen Nationen. Doch als sie in der ersten Reihe standen mit Wirtschaft und Wissenschaft, genügte das noch immer nicht. Der Agon mit den führenden Weltmächten musste heraklitisch durchgeführt werden: der Krieg ist der Vater aller Dinge.

Erst nach der absoluten Niederlage verschlug es ihnen die Sprache – die sie bis heute nicht gefunden haben, um ihre Befindlichkeit in treffende Worte zu fassen. Fast alles, was sie heute zu singen und zu sagen haben, importieren sie aus anderen Nationen. Lernen kann man von aller Welt, doch reine Imitationen verharren im Modus des Nachplapperns.

Je mehr sie die Welt touristisch erobern, je mehr schließen sie sich ab von den Völkern der Welt. Ihre Talkrunden sind sektiererische Betgemeinschaften mit den immer gleichen Gesichtern – jene Talkrunden, die es für richtig halten, mitten im Getümmel monatelang in der „Sommerpause“ zu verschwinden. Keine Aufregung, Kameraden, niemand versäumt etwas, es geht ja nur um überflüssige Politik.

Ihre Philosophie ist akademischer Narzissmus, der sich für die Gestaltung der Welt nicht zuständig fühlt. Nicht anders die esoterischen Historiker, die sich brüsk dagegen wehren, Lehren aus der Geschichte für den Alltag zu ziehen. Was nicht ausschließt, dass erwählte Historiker die Kanzlerin intra muros beraten dürfen: Machiavelli und die Bergpredigt? Nein, das sind doch keine Gegensätze, Frau Kanzlerin.

Bühnen und Theater waren in der Coronazeit zumeist geschlossen, was niemanden störte außer jene Künstler, denen man den Brotkorb höher hing. Kultur ist kein Ereignis in Deutschland. Keine belebenden Ideen strömen von dort in die Gesellschaft, um sie anzuregen und voranzubringen.

Wir leben im Umbruch der Zeiten? Nicht made in Germany. Hier wartet man auf das, was auf uns zukommt, auf futurische Tornados, die in fernen Genie-Tälern zusammengebraut werden, um sie auf die Welt loszulassen.

Schiller lockte die Deutschen weg von der bösen Politik auf die Bühne als pädagogische Anstalt. Durch Kunst sollten sie erst zu Menschen werden, bevor sie politisch auf die Mitmenschen losgelassen werden. Was wurde daraus? Weder wurden sie bessere noch politische Wesen. 150 Jahre lang wuchsen ihre Bedürfnisse nach gottgesandten Königen, eisernen Kanzlern oder Führern, die die Widersprüche der Welt zur Harmonie und die deutsche Nation zur Führerin der Welt erheben würden.

Heute haben wir wieder eine echte Führungsperson an der Spitze der Regierung. Im Kontrast zur Vergangenheit eine fromme, ethisch vorbildliche und seelenberuhigende – Frau. Das gab es noch nie. Aber natürlich darf sie, wenn die böse Welt es fordert, lästige Moral vorübergehend im Keller deponieren. Symbolische Alibihandlungen reichen, um vor der Welt den Gesamteindruck des Guten zu erwecken. Die Welt staunt, das genügt.

Was haben andere, was wir nicht im Übermaß hätten?

„Doch so viel uns im Einzelnen fehlen mag, aufs Ganze gesehen finde ich, fehlt uns wenig oder fast gar nichts. Es erscheint mir wichtig, sich bewusst zu machen, dass uns ungeachtet vieler kleiner Dinge, die uns fehlen mögen, in Wahrheit nichts Wesentliches fehlt. Wir neigen in der öffentlichen Auseinandersetzung zur Maßlosigkeit, zu Übertreibung und Dramatisierung. Wir lassen das richtige Maß oft gerade dort vermissen, wo wir uns, wie etwas im Fall der Ökologen, für seine Geltung stark machen. Uns gebricht es an der Tugend der Gelassenheit. Der normale Mensch lässt sich definieren als einer, dem nichts Wesentliches fehlt.“ (Sontheimer, Deutschlands politische Kultur)

Natürlich geht es nicht allen Deutschen gleich gut. Es gibt Arme und Hilfsbedürftige. Doch bevor wir wieder ins Jammern kommen, sollten wir uns klar machen:

„Es geht uns außerordentlich gut, wenn wir uns mit anderen Ländern vergleichen. Kein Grund zum Jammern also. Wir stehen nicht am Rande des Abgrundes. Gewiss ist die Wohlhabenheit der Deutschen ziemlich ungleich und wohl auch nicht gerecht verteilt, aber sie stellt uns insgesamt besser als die meisten Völker dieser Erde.“ (ebenda)

Das entspricht dem, was der Ökonom Marc Beise, SZ, vor kurzem als Paradies bezeichnete. Im Paradies ist jedwede Kritik unangemessen und überflüssig.

Man sollte den Armen und Schwachen staatliche Reisen durch die Elendsviertel anderer Nationen finanzieren, um ihr nervendes Jammern zum Schweigen zu bringen. Deutschland hat eine eiserne Regel: schneiden wir im Vergleich mit Konkurrenten gut ab, sind wir die Größten. Eigene Maßstäbe – überflüssig. Die Deutschen, die alles um der Wahrheit willen, um der Sache willen erkennen und tun wollten, kümmern sich einen Dreck um Sache und Wahrheit – die sie ohnehin abgeschafft haben. Wenn alles relativ ist, genügt es, hohle Quantitäten zu vergleichen, um unsere Überlegenheit in fast allen Dingen zu feiern. Qualitäten – das war gestern.

Stoppt die vergleichenden Hymnen – die allesamt vor Corona gesungen wurden. Was hat uns die weltweite Krise gezeigt, was hat sie offengelegt?

Dass die extrinsischen Lobhudeleien auf Sand gebaut waren, der von heute auf morgen abgebaut wurde und gigantische Abgründe hinterließ. Das Paradies war eine selbstfabrizierte Fata Morgana, deren Illusionen wir selbst verfielen. Wir wollten nicht sehen, dass unsere heile Welt auf Kosten anderer ging. Auf Kosten anderer Völker, vor allem auf Kosten der Natur – die uns inzwischen die Kehrseiten der Gaukeleien gnadenlos vor Augen führt, in die Haut brennt, die Ackerkrume verdorren, Brunnen und Gewässer vertrocknen lässt, die Menschen aus ihren überhitzten Heimatländern vertreibt, ja, selbst das Überleben der gesamten Menschheit gefährdet.

Das ist keine religiöse Apokalypse, an die man glauben oder nicht glauben kann. Das ist Wissenschaft. Freilich, wenn einige Demonstranten die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft bezweifeln, werden sie von denselben Beobachtern in Grund und Boden geschrieben, die die wissenschaftlichen Ergebnisse und Warnungen der Klimaforscher als Hysterie abtun.

Wie kommt es, dass die führende Partei Deutschlands – selbst nach dem Urteil des Gerichts, endlich in die Gänge zu kommen und die bedrohten Menschen zu schützen – erst vollmundig Jaja sagt, um kurze Zeit danach das Gegenteil in ihr Wahlprogramm zu schreiben?

„Die Regierungspartei der vergangenen 16 Jahre, deren Klimapolitik gerade erst für in Teilen verfassungswidrig erklärt wurde, hält es auch nach monatelanger Debatte und stetig wachsendem Handlungsdruck offenkundig nicht für notwendig, den Wählerinnen und Wählern zu erklären, wie die Emissionsziele umgesetzt werden sollen. Und das in der klimapolitisch wichtigsten Dekade.“ (SPIEGEL.de)

Solange Gott sich nicht selbst zu Worte meldet, der Schein der ungetrübten Verhältnisse erhalten bleibt, solange werden die Schafe Christi ungerührt die letzten Hälmchen der Wiese abgrasen. Genau dies will die Mehrheit der Deutschen, die bei den bevorstehenden Wahlen nicht im Traum an Wechsel denken.

Da capo – al fine! Doch noch leben wir, das Ende ist noch lange nicht zu sehen. Die Deutschen sind keine Empiriker, Wahrnehmungen der Sinne vertrauen sie nicht. Sie sind apriorische Befehlshaber der Natur. Solange sie der Natur den Befehl zum Durchhalten geben, solange wird es der Natur nicht einfallen, Widerstand zu leisten.

„Sie begriffen, dass die Vernunft nur einsieht, was sie selbst nach ihrem Entwurfe hervorbringt, dass sie … die Natur nötigen müsse auf ihre Fragen zu antworten, nicht aber sich von ihr allein gleichsam am Leitbande gängeln lassen müsse.“ (Kant, Kritik der reinen Vernunft)

Richtig ist, dass der erkennende Mensch klare Fragen an die Natur stellen muss, um klare Antworten zu erhalten. Doch jetzt wird’s falsch: es gibt keinen dualistischen Zwiespalt zwischen Mensch und Natur. Der Mensch ist Teil der Natur. Will er sie erkennen, muss er seine Vernunft einschalten, die keine Diktatorin über die Natur ist und sie keineswegs nötigen oder ihr etwas vorschreiben kann.

Der Erkenntnisprozess des Menschen ist kein Gehorchen und Diktieren, sondern ein Akt des – Erinnerns. Er erinnert sich jener Grundsätze, die die Natur ihm selbst mitgegeben hat und die er ins Unbewusste verdrängte. Erkennen der Natur ist Heimkehren in die gemeinsamen Urgründe der Natur.

Für Kant ist Natur eine autoritäre Mutter, die dem Kind nach Belieben Befehle erteilen kann. Doch das war vor der Aufklärung. Der mündig gewordene Mensch zerreißt das Gängelband – um es nun der Natur anzulegen, damit er ihr vorschreiben kann, was er erkennen will: was seine eigene Vernunft hervorbrachte. Entweder dominiert die Natur den unerwachsenen Menschen oder der mündige gewordene Mensch dominiert die Natur.

Der kantische Mensch ist nicht Teil eines harmonischen Kosmos wie bei den Griechen, sondern a) er untersteht der Natur, deren Imperativen er folgen muss oder b) er steht über der Natur, der er Befehle erteilen kann, die sie wortlos befolgen muss.

In der Aufklärung wurde der unmündige Mensch sich seiner Fähigkeiten bewusst und emanzipierte sich aus einem Knecht zum Herrn der Natur. Jetzt ist zwar der Mensch das autoritäre Prinzip geworden, doch der Herr-Knecht-Dualismus ist geblieben. Der Mensch erklärt sich zum Richter über die Natur, der er vorschreiben kann, welche Fragen sie beantworten muss.

Das ist noch schwach und theoretisch formuliert. Mit dem Aufschwung der Naturwissenschaften und des Kapitalismus wurde die zögerliche Dominanz zur Folterpeitsche, mit der die Natur gezwungen wird, den Lüsten und Begehrlichkeiten des Menschen nachzukommen.

Die Natur aber lässt sich nicht zwingen. Bis heute schien es, als ob der Mensch sie zu Liebesgaben nötigen könnte, die ihre Möglichkeiten überschreiten. Ein schreckliches Missverständnis, das die Natur dem Menschen seit den alarmierenden Klimakatastrophen vor Augen führen will: Mensch, lass das. Wenn du so weitermachst, wirst du nicht mich ruinieren, sondern dich selbst. Aus Steinen kann ich neues Leben erschaffen, du aber wirst vom Planeten verschwinden.

Mensch, du eingebildeter Tropf, du bist nicht mein Herr und Meister: Ich bin es, die dich bisher in großer Langmut ertragen hat. Doch nun signalisiere ich dir unmissverständlich: mach Schluss mit deinem Lebensstil, der mir die letzten Haare vom Kopf fressen will. Höre: ich will nicht mehr. Kehr um und gib dich zufrieden mit einem einfachen Lebensstil. Mehr ist nicht mehr drin für dich. Du musst lernen, deine Bedürfnisse zu begrenzen. Das wird keine Einbuße deiner Lebenslust sein, im Gegenteil, das wird dir guttun.

Meine Kapazitäten sind zwar unendlich. Doch diese Unendlichkeiten stehen nicht dir zur Verfügung. In aller Deutlichkeit sage ich dir: Schuster, bleib bei deinem Leisten und begnüge dich mit dem, was ich dir freiwillig zu geben bereit bin. Solltest du tatsächlich glauben, du könntest mir vorschreiben, deine Gelüste in grenzenloser Gier auf meine Kosten zu befrieden, wirst du dein blaues Wunder erleben.

Warum ist die christliche Partei unfähig, den Ernst der Lage zu erkennen? Aus zweierlei Gründen:

a) Christen glauben, sie seien Herren der Natur, die sie sich nach Belieben untertan machen können. Untertan machen heißt versklaven.

b) Deutsche glauben, als Kantianer könnten sie der Natur Befehle erteilen, um zu erkennen, was sie erkennen wollen. Und ab Fichte und Marx, was die Natur produzieren und liefern soll.

Warum war die Menschheit nicht auf Corona eingestellt, obgleich sie von solchen Gefahren wusste? Warum sollte die Menschheit dennoch für Corona dankbar sein?

„Wir leben in wohlhabenden Gesellschaften mit einem hoch entwickelten politischen System, mit ausgezeichneten Wissenschaften und Spitzentechnologien, die die Gravitationswellen des Universums messen können. Und trotzdem waren diese Gesellschaften politisch unvorbereitet und nicht in der Lage, einem Virus wirksam entgegenzutreten, das weder besonders unbekannt noch besonders tödlich ist, also im Grunde keine große Herausforderung dargestellt hat. Die Bürgerinnen und Bürger fragen sich, wie in derart hoch entwickelten Staaten die Gesundheitssysteme in eine so dramatische Notlage geraten konnten, obwohl die Politik seit Langem vor einer nahenden Pandemie gewarnt war. Die reichsten Länder der Welt konnten nicht mal den einfachsten Bedarf an Schutzkleidung decken. Es weckt natürlich Unmut und Angst, plötzlich die Fragilität der eigenen Gesellschaft zu erfahren. Man braucht den Menschen nicht Wohlstand zu versprechen, gebt ihnen einfach wirtschaftliche Sicherheit! Wir sollten uns von ein paar Mythen befreien: vom linken Mythos des vermeintlich segensreichen Staatseigentums wie vom rechten Mythos des freien Marktes, weil er seine Grenzen darin findet, dass er zerstörerische externe Effekte auf die Umwelt hat. Wir werden also einen Weg aus dem Kapitalismus finden müssen, ohne den Sozialismus anzustreben. Und ich habe den Eindruck, dass die junge Generation genau auf diesem Weg unterwegs ist.“ (ZEIT.de)

Die Menschheit hätte es wissen müssen, um sich rechtzeitig auf eine weltweite Krise einzustellen. Sie wollte es nicht wissen, denn sie betrachtete sich als unangreifbare Siegerin über die Natur. Womit könnte die Natur sie noch in Verlegenheit bringen?

Oder halt: könnte es sein, dass sie von der wahren Katastrophe – der Klimakatastrophe – ablenken wollte, um sich dennoch zu beweisen, dass sie eine Herausforderung des Schicksals bewältigen kann?

Wollte sie gar den kleinen Corona-Schrecken nutzen, um sich für die wahren Klimaschrecken zu präparieren? Fragen über Fragen und nirgendwo eine gültige Antwort. Doch genau das könnte die Antwort sein: wir müssen Corona benutzen, als wollten wir uns selbst ultimativ aufwecken, als hätten wir die kleine Krise nötig gehabt, um die große der Naturschändung zu beenden.

Das hieße: unseren gesamten Lebensstil, der die Natur „überfordert“, müssen wir subito einstellen. Das geht nur, wenn wir den unendlichen Fortschritts- und Wachstumswahn subito beenden. Was zur Folge hätte, dass wir den Kapitalismus subito ad acta legen müssten.

Kurz: dass wir den menschen- und naturhassenden Kurs der Moderne zertrümmern müssen. Subito.

CO2-Preise ein wenig erhöhen oder erniedrigen: das ist zeitraubender Klamauk. Um Rilke zu variieren:

… denn da ist keine Stelle, die uns nicht sieht,
wir müssen unser Leben ändern.

Das war keine dramatisierende Untergangspredigt, sondern eine Warnung vor der Katastrophe – um sie zu verhindern.

Das könnte die Menschheit nur lernen, wenn sie ihrem Namen gerecht werden wollte: sie müsste menschlich werden.

Fortsetzung folgt.