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nichtsdesto-TROTZ XCIV

Tagesmail vom 10.11.2021

nichtsdesto-TROTZ XCIV,

„Denn geendigt nach langem verderblichen Streit/War die kaiserlose, die schreckliche Zeit.“ (Schiller, Der Graf von Habsburg)

„Deutsche Frauen, deutsche Treue,
Deutscher Wein und deutscher Sang
Sollen in der Welt behalten
Ihren alten schönen Klang,
Uns zu edler Tat begeistern
Unser ganzes Leben lang.“

Die Welt konnte sehen, wie eine Frau ihre Nation zu edlen Taten begeistern konnte. Eine deutsche Frau, allein im Rudel männlicher Rabauken, Aufschneider, Zündler und Despoten, zeigte der Welt, wie ein Volk brüderlich zusammenhält – an das Schwesterliche musste sie sich erst gewöhnen.

Jetzt nimmt sie Abschied, mit sich und ihrer Arbeit zufrieden, der sie mit glücklichem Lächeln die Bewertung gab: wir haben es geschafft:

Blüh im Glanze dieses Glückes,
Blühe, deutsches Vaterland!

Nein, kein Vaterland mehr: Mutterland muss es ab jetzt heißen. Die freundliche Art der romantischen Fürstenmutter war zum Symbol eines blühenden Deutschlands geworden, zum Inbegriff deutscher Wertarbeit, zur Botschafterin einer neuen Nation, die ihre Vergangenheit abgeschüttelt hatte.

Trunken vor Glück taumelten die Neugermanen in eine rosige Zukunft – bis, ja bis das Entsetzliche und gänzlich Unvorhergesehene geschah.

Über Nacht hatte sich der schöne Schein ins Gegenteil verkehrt: plötzlich lag das blühende Deutschland in Trümmern. Wie im Ahrtal nach der Sintflut war alles Idyllische im Nu abhandengekommen:

Und das Land war wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe; und der Geist war auf den Mars geflüchtet, wo gottesfürchtige Raketenmänner ihn zu suchen begannen.

War das Paradiesische nur ein Traum gewesen und Deutschland erblickte jäh die ungeschönte Wirklichkeit? War es die Illusion einer schrecklichen Verbrechernation, die mit siegendem Wohlstand in den Kreis der Völker zurückkehren wollte?

Die Musterschülerin hatte auch ihre politische Doktorarbeit mit summa cum laude absolviert – bis sie durch Corona über Nacht eines Riesenbetrugs überführt wurde. Ein Urchaos hatte sich aufgetan, alles wurde abschüssig, die Fassaden hatten Risse bekommen. Die deutsche Musternation wurde über Nacht entzaubert: sie war nicht vorbildlich, sondern zitterte und wankte in allen Dingen dem Untergang entgegen.

Da überkam die Mutter Zittern und Beben und heimlich musste sie sich gestehen: wehe, wehe, wenn ich an das Ende sehe. Doch da erwachte der verborgene Stolz ihrer Demut und sie schwor sich: das bringst du noch hinter dich. Seitdem lächelt sie vergnügt in jede Kamera: ihr könnt mich mal, die ihr gehofft habt, ich nehme Abschied mit Geheule.

Im Gegenteil: ihre zitternde Demut entsorgte sie an der Biegung der Spree. Von nun an wollte sie von den Granden Europas nur noch dekoriert und geehrt, gelobt und geherzt werden:

„Die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel wartet nur noch auf ihre Abberufung und vertreibt sich die Zeit mit Abschiedsreisen und Abschiedsessen, heute im Schloss Meseberg mit António Costa und Krisjanis Karins, den Ministerpräsidenten von Portugal und Lettland.“ (SPIEGEL.de)

Kein Finger mehr rührt sie für die Nöte ihrer sie bislang liebenden Untertanen. Die erwachten Kritiker sprechen von unterlassener Hilfeleistung. Ihre treuen Paladine sind verwirrt: sollten sie sich die ganze Zeit getäuscht haben?

„Der zweitschlimmste Zustand der Politik ist das Machtvakuum. Wenn niemand das Sagen hat, kommt es zu Chaos und Anarchie.“

Doch sie hat ja immer noch das Sagen, nur: sie sagt nichts. Entpuppt sie sich auf den letzten Metern als Nullnummer – und Corona reißt ihr die Maske vom Gesicht? Plötzlich legt sie ihre Hände in den Schoss und lässt Gott einen guten Mann sein?

Nein, auch bislang tat sie nichts, sie tat nur, als ob sie täte. Weder hatte sie eine humanistische Zielsetzung ihrer Politik, noch den Vorsatz, die drohende Menschheitsgefahr abzuwenden.

Sie wuselte im Maschinenraum umher, als ob sie den falschen Kurs der Titanic korrigieren wollte. Aber sie beherrschte nicht die Maschine, sie ließ sich von ihr beherrschen. Gelegentlich schraubte sie an einem Zahnrädchen herum. Doch an der Führungsrolle der Maschinerie ließ sie keinen Zweifel. Wohl trug sie die Uniform eines alleinbestimmenden Kapitäns, doch das änderte nichts daran, dass sie die Magd einer allesbeherrschenden technischen Omnipotenz war.

Wohin auch hätte sie steuern sollen? Die göttlichen Ziele ihres Glaubens an die Heilgeschichte liegen fest. Nicht was der Mensch will, sondern nur, was Gott will, das ist wohlgetan. Auch wenn das Böse noch so sehr die treibende Kraft zu sein scheint, so muss es doch dem Heilsplan dienen. Christliches Tun darf sich Gottes Endzeitplänen nicht widersetzen.

Der FFF-Jugend gab die Kanzlerin den Rat, nicht locker zu lassen und Druck zu machen – bei anderen, nicht bei ihr. Hatte sie nicht getan, was sie tun konnte? Das musste genügen. Da wurde selbst die BILD hellhörig:

„Selten wurde eine Politikerin von der Realität so schnell widerlegt. Auf die Flüchtlingskrise 2015 zurückblickend erklärte Kanzlerin Angela Merkel, wir hätten es „geschafft“.“ Wir verlassen Hals über Kopf Afghanistan und stellen verwundert fest, dass Hunderttausende Flüchtlinge zu uns wollen. Die deutsche Flüchtlings- und Asylpolitik besteht seit 2015 aus Wegschauen, Ignorieren und Schönreden. Wir haben gar nichts geschafft.“ (BILD.de)

Die Kanzlerin versteckt sich hinter einer Ruhmestat, um Katastrophen mit jenen, die nach Deutschland wollen, kaltblütig zu verdrängen. Wie immer in der christlichen Ethik geht es um egoistische Almosen, um seine Seligkeit zu erringen. Nicht um grundlegende Lösungen riesiger Probleme.

Wie 5 % der deutschen Superreichen so viel verdienen wie der Rest der Gesellschaft, so gilt das auch in einer Politik, die Almosen verteilt, aber alles beim Alten lässt. 5 % guter Taten wiegen mehr als 95% Totalversagen. Wer im Kleinen treu ist, kann im Großen durch die Finger gucken. Merkel ist mit sich im Reinen, das lässt sie sich von niemandem nehmen.

In prästabilierter Harmonie mit ihrer Kanzlerin geben die Medien ihren Geist auf. Erstes Beispiel Döpfner:

„Vorstandschef Mathias Döpfner plant nach der Affäre Reichelt US-konforme Konzernregeln. Der Medienkonzern Axel Springer will seine Angestellten dazu verpflichten, sexuelle Beziehungen von Führungskräften mit Mitarbeitenden offenzulegen. Das sagte Vorstandschef Mathias Döpfner der Financial Times. Springer müsse sich auf dem Weg zu einem globalen Konzern bewusst sein, dass auf dem wichtigen US-Markt striktere Regeln am Arbeitsplatz üblich seien. Außerdem sagte Döpfner der Zeitung: „Wir können keine doppelten Standards akzeptieren.“ Daher solle künftig ein Regelwerk für alle Mitarbeiter gelten, das auf den angelsächsischen Standards beruhe.“ (Sueddeutsche.de)

Da prahlen sie mit amoralischer Anarchie, doch im Falle Reichelt hat Döpfner sich entschieden, sich der neucalvinistischen US-Moral zu unterwerfen. Mit welcher Begründung? Mit Moral als ökonomischem Kotau vor der überstarken Konkurrenz, die man mit eigenen Waffen schlagen will. Nicht bessere Moral soll entscheiden, sondern wirtschaftliche List, die Moral als Mittel zum Zweck einsetzt.

Ein schrecklicher Kotau vor einer fremden Macht, eine Strategie jämmerlicher Anpassung und Unterordnung. Das ist keine liberale Autonomie, sondern ein mittelalterlicher Akt der Subordination.

Ein wichtiger Vertreter der deutschen Presse verwechselt autonome Moral mit berechnender Unterwürfigkeit. Döpfners Galionsfigur in der deutschen Presse ist gescheitert. Er ist kein Vertreter einer autonomen Presse, sondern ein amerikahöriger Grandioso.

Das zweite Waterloo spielt im WDR. Es geht nicht nur um den leichtsinnigen und marktkonformen Umgang mit dem Vorwurf des Antisemitismus. Es geht um mehr:

„Beten Sie und wenn ja, wie oft? Halten Sie die Fastenzeit ein? Ist die Flucht Ihrer Großmutter ein Thema auf Familienfeiern?“ (ZEIT.de)

Fragen aus dem Bewerbungsgespräch mit El Hassan. Religion als Voraussetzung für einen Posten im Öffentlich-Rechtlichen. Nicht nur Religion im Allgemeinen wird gefordert, sondern tägliche Betpraxis, um seine journalistische Kompetenz unter Beweis zu stellen.

Das ist ein kompletter Rückfall in mittelalterliche Religionstyrannei. Offenbar können nur Christen echte Demokraten sein.

Zwei Selbsterniedrigungen in einer Woche sind eine totale Niederlage der deutschen Presse.

Je stärker die Krise, umso mehr drängen sich unterdrückte Grundsatzthemen in den Vordergrund. Kurz nach 20.00 Uhr gab es gestern im ZDF eine Sendung über Gerechtigkeit, den ständig steigenden Graben zwischen Arm und Reich und über das lässige Wegwischen dieses brisanten Themas. Ein solches Thema kurz nach 8 gab es seit Jahrzehnten nicht mehr,

Es wurden Reiche gezeigt, die sich um das Thema Gerechtigkeit keine Gedanken machen. Die in selbstgefälligem Deutsch-Englisch ihre Weltläufigkeit demonstrieren.

Obvesly habe er mit anderen Ischjus zu tun, als sich den Kopf über akademische Fragen zu zerbrechen. In seinem Privatflugzeug genieße er jene Freiheit, die er im täglichen Leben vermisse, so ein lockerer Millionenerbe, der die abendländische These widerlegte, dass Reichtum durch eigene Leistung komme.

Hintergründige Lobbyisten sorgen dafür, dass die Reichen immer weniger Steuern und Superreiche gar keine zahlen müssen. CSU-Seehofer, in seiner Jugend Herz-Jesu-Marxist, sorgte dafür, dass die Reichsten die wenigsten Steuern abführen müssen. Den Begriff Gerechtigkeit konnten sie kaum aussprechen.

Diese Sendung war eine kleine Sensation, die seit Jahrzehnten unmöglich schien.

Im gleichen Sinne sensationell ist der Film Oeconomia der Regisseurin Carmen Losmann, mit der die ZEIT ein gehaltvolles Interview führte.

Losmanns grundsätzliche Erkenntnis:

„Tatsächlich war ich selbst erstaunt, dass dieses Wirtschaftssystem nicht durchdacht ist. Eine Wirtschaft kann nicht unentwegt wachsen, genauso wenig, wie es bei natürlichen Prozessen ständiges Wachstum gibt. Das Riesenproblem besteht meiner Ansicht nach darin, dass der Wachstumszwang nicht aus einem immer größer werdenden Bedürfnis nach noch mehr Gütern und Dienstleistungen getrieben ist. Sondern aus der Notwendigkeit, dass die Geldmenge ständig wachsen muss, damit die Geldversorgung der Wirtschaft nicht zusammenbricht.“ (Sueddeutsche.de)

Ein wesentlicher Punkt. Vom Kapitalismus leben wir – und kein Mensch versteht das System. Auch der Pöbel soll es nicht verstehen. Selbst Experten verfügen nur über pragmatische Ad-hoc-Kenntnisse und ungefähre Erfahrungswerte. Da die Ökonomen Philosophie als Grundlage ihrer Disziplin ablehnen, können sie die wichtigsten Grundsatzfragen nicht beantworten. Und dennoch sind sie davon überzeugt, ihr Tappen im Nebel als Naturwissenschaft zu bezeichnen.

In keiner Schule wird Ökonomie gelehrt, kein Lehrer versteht das Abrakadabra des börsenhaften Roulettespiels.

Kinderfragen wie: wer bestimmt über das Schaffen der Geldmengen, warum werden notwendige Berufe wie Altenpfleger und Krankenbetreuer schlechter bezahlt als Immobilienhaie und sonstige Glücksritter, warum kann kein Experte die regelmäßigen Krisen vorhersagen, um sie zu vermeiden, können von niemandem beantwortet werden. Grundsatzdebatten in Talkshows – aussichtslos.

Kinder, Heranwachsende, Schüler und Studenten werden dumm gehalten. Die Ökonomie spielt dieselbe verhängnisvolle Rolle wie einst die theologische Dogmatik in früheren Zeiten.

Klimaschäden sollen noch immer mit wirtschaftlichem Wachstum kompensiert werden. Obwohl jedermann wissen könnte, dass ein unendliches Wachstum in der Natur ausgeschlossen ist, halten Wachstumsfanatiker eisern dran fest.

Dabei sind es keineswegs ständig anschwellende Bedürfnisse, die das Wachstum der Geldmenge erzwingen, sondern „die Notwendigkeit, dass die Geldmenge ständig wachsen muss, damit die Geldversorgung der Wirtschaft nicht zusammenbricht.“

Mit anderen Worten: das endlose Wachsen der Geldmenge beruht auf der endlosen Gier nach immer mehr Reichtum und politischer Macht. Theologische Unendlichkeit wurde in der abendländischen Entwicklung zur Grenzenlosigkeit menschlicher Macht über die Natur.

Das Herrschaftsbegehren über die Natur bläht sich zur endlosen Macht über dieselbe:

„Der moderne Mensch erfährt sich selbst nicht als Teil der Natur, sondern als eine von außen kommende Kraft, die dazu bestimmt ist, die Natur zu beherrschen und zu überwinden. Er spricht sogar von einem Kampf gegen die Natur und vergisst dabei, dass er auf der Seite der Verlierer wäre, wenn er den Kampf gewönne. Die Täuschung, über unbegrenzte Kräfte zu verfügen, die durch erstaunliche wissenschaftliche und technische Errungenschaften genährt wurde, brachte zugleich die Täuschung mit sich, das Problem der Produktion wäre gelöst. (E. F. Schumacher, Small is beautiful)

Hier sehen wir den verhängnisvollen Grundsatz der Ökonomie, durch falsche Selbsteinschätzung als Macht jenseits der Natur die Natur zu zertrümmern. Die Einsicht ist unausweichlich: eine Wirtschaft mit grenzenlosem Wachstum macht jede Rettung der Menschheit unmöglich.

Die ökologische Notwendigkeit einer begrenzten Wirtschaft ist zugleich das Fundament einer rationalen Wirtschaft. Dasselbe gilt für den endlosen Prozess der Wissenschaft, die nur dem Zweck dient, die Habgier der Reichen zu erfüllen.

„Wir leiden heute unter einer nahezu umfassenden Vergötterung des Gigantischen. Daher müssen wir auf die Vorzüge der Kleinheit dringen.“ (ebenda)

Während die Menschheit mit steigenden Wirtschaftsproblemen ringt, drängt die Fraktion der Nimmersatten immer mehr auf Verlassen der Erde, um im Weltall ein futurisches Paradies zu errichten. Riesige Gelder werden von Musk & Co verbraten, um als Erste Master of Universe zu werden.

Wie entsteht das Geld? Wer bestimmt die Regeln seines ominösen Verhaltens?

„Wir haben also ein Wirtschaftssystem, das beständig neue Kreditnehmende braucht, damit die öffentliche Geldversorgung nicht zusammenbricht. Und somit brauchen wir ständig weitere Investitionen für neue Flughäfen, Autobahnen, Produktionsstätten und Produkte – unabhängig davon, ob wir sie brauchen oder nicht, und die ökologischen Grenzen sind dabei völlig außer Acht geblieben.“

Wirtschaft als Selbstversorgung, um die Menschheit am Leben zu erhalten –ist unabdingbar notwendig. Wirtschaft aber als Sättigungssystem einer endlosen Gier nach Mehr ist der Sündenfall.

Kommen wir zur Creatio ex nihilo des Geldes als Sucht nach Grenzenlosigkeit perverser Gefühle:

„Banken vergeben Kredite, wenn die Kreditnehmenden ihnen glaubhaft versichern, dass sie beispielsweise eine gewinnträchtige Unternehmung starten oder ein Haus bauen wollen und das nötige Erwerbseinkommen vorweisen können, um den Kredit zurückzahlen zu können. Das Geld wird bei einer Bank als sogenannte Bilanzverlängerung erzeugt und besteht aus zwei Seiten: Es ist ein Guthaben und eine Schuld gleichzeitig.“

Wir erkennen die apriorische Herrschaft des Menschen über die Natur – hier durch wirtschaftliche Habsucht, bei Kant als Grundlage des Naturerkennens durch Projektion der eigenen Unfehlbarkeit in das Getümmel sinnlicher Erkenntnisse. Nicht Natur an sich bietet die Gewähr einer sicheren Erkenntnis ihrer Gesetze: wir sind es, die der Natur Gesetze vorschreiben, um sie erst erkennbar zu machen.

Es ist der Pygmalioneffekt des Mannes, die Frau – oder die Natur – auf seine fast unfehlbare und zeitlose Erkenntnis empozuheben, um sie erst in einen erkennbaren Zustand zu bringen.

Banken gewähren Geld oder Kredite im Modus des Vertrauens, dass der Kreditnehmer das erhaltene Geld so sinnvoll anlegen wird, dass er seine Schulden mit Zins und Zinseszins zurückzahlen kann.

Der Kreditnehmer benutzt den Kredit (von credere = glauben), um durch Arbeit oder Erfindungen immer mehr zu verdienen. Das Kreditsystem ist die Grundlage der endlos wachsenden Geldmenge oder der Akkumulation des Reichtums.

Kapitalismus ist ein Glaubenssystem. Ich glaube an das göttliche Heilswirken, also werde ich gerettet. Wie Gott seine Schöpfung ex nihilo schuf, so schafft der Mensch seine Wirtschaft aus dem Glauben an das Geld, das sich in selbsterfüllender Prophezeiung profitabel zeigen wird. Es ist das Vertrauen in das Wundermittel Geld, das endlose Wunder schaffen soll.

Kapitalismus also ist eine Vertrauen schaffende Kooperation? Am Anfang ja, doch im Verlauf der Vertrauensbildungen verändert sich der Glaube in ein methodisches Misstrauen, das sich nur durch Erfolg beschwichtigen lässt. Wer kein Vertrauen bei der Bank schaffen kann, muss sehen, wo er bleibt.

Die soziale Bindung durch persönliches Vertrauen muss verdient werden durch Konkretisierung des Vertrauens in wirtschaftliches Können. Wer sich nicht ausweisen kann durch wirtschaftliche Erfolge, bleibt ein Loser.

Geld wird zum Glauben an das, was es erzeugen will. Nicht das Urvertrauen von Mensch zu Mensch entscheidet über eine Beziehung, sondern das gezielte Misstrauen, das sich erst durch kreativen und produktiven Erfolg in Vertrauen verwandeln kann.

Ist das kein sinnvolles System, durch Misstrauen in bloße Worte Leistungen zu evozieren, die ohne dieses Misstrauen unmöglich wären?

In der Tat führte dieses vertrauenschaffende System zu einem unvergleichlichen Aufschwung des Abendlands.

Was aber wurde aus jenen, die ganz anders leben wollen als Gewinne zu horten und immer reicher zu werden? Was aus Künstlern, Denkern, Bauern und musischen Lebenskünstlern, die kein Interesse an der grenzenlosen Vermehrung ihres Eigentums haben?

Aus diesem Glaubenssystem erwuchs die Herrschaft jener, die, aus Misstrauen in die Menschen, die politische Macht weniger Erwählter über die Massen etablierte. Nicht anders als das Gnadensystem der Heilslehre, deren finaler Erfolg in Trennung der Menschheit in Erwählte und Verworfene mündete. Der Erfolg der Tüchtigen führte zur jahrtausendealten Übermacht der Starken über die Schwachen.

Wenige wurden privilegiert, deren Überlegenheit die Schwachen in Versager verwandelte. Gerechtigkeit als faires Verteilen der Profite wurde ins Gegenteil verkehrt.

Die Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern wuchs ins Unermessliche, die Reichen wurden immer reicher, die Verlierer versanken in „selbstverschuldete“ Unfähigkeit. Die Demokratien wurden immer mehr zu Oligarchien, zur Herrschaft der Wenigen über die Vielen. Das quantitative Erfolgskriterium zerstörte jeden Glauben an denkerische, künstlerische, pädagogische und politische Fähigkeiten, die zur Stabilität einer Demokratie notwendig sind.

Eine Demokratie braucht viele Talente, um überlebensfähig zu sein. Wirtschaftliche Fähigkeiten sind notwendig, um zu überleben. Sie sind nicht notwendig, um einen erbarmungslosen Konkurrenzkampf zu bestehen und einen sinnlosen Fortschritt voranzutreiben. Schon gar nicht, um Natur durch sinnlosen Wettbewerb zu zerlegen.

Der Kapitalismus ist dabei, unsre Welt zu zerstören – weshalb er selbst zerstört werden muss, um der Menschheit eine Zukunft zu ermöglichen. Wirtschaftlich müssen wir von vorne beginnen.

Fortsetzung folgt.