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nichtsdesto-TROTZ VII

Tagesmail vom 21.04.2021

nichtsdesto-TROTZ VII,

„Die Partei von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (40) gewinnt fünf Prozent hinzu und landet bei 28 Prozent. Die CDU/CSU büßt dagegen sechs Prozentpunkte ein und kommt auf nur noch 21 Prozent. Sieben Prozent Vorsprung für die Grünen!“ (BILD.de)

Sollten die Zahlen stimmen, sind die Tage der Ära Merkel gezählt. Die Präsentation einer unbelasteten Nachfolgekandidatin, in Kontrast mit dem jämmerlichen Männergerangel ihrer eigenen Partei, hatte offenbar genügt, um die öffentliche Stimmung ins Kippen zu bringen.

Es liegt was in der Luft.
Zeit, dass wir aufbrechen.
Nicht zu neuen, sondern zu rettenden Ufern. Das Rettende aber ist das Wahre. 

Gottlob, die neuen Kräfte sind unerfahren. Wozu erfahrene Kräfte jahrzehntelang fähig waren, haben sie bis zur Selbstgefährdung bewiesen: erfahren in Gelähmtheit, in lärmendem Geplapper, in trostloser Stummheit.

Modern? Algorithmisch? Sternensüchtig? Erd-überdrüssig? Nach vorne schauend?
Lass fahren dahin.

Nein: auf der Suche nach dem verlorenen Leben. Das Leben, das verlockende, vitale, das schöne Leben, es ist uns verloren gegangen. Und wir, wir haben es unterwegs entsorgt. Irgendwie ist es uns abhanden gekommen.

Wie konnte das Unfassliche geschehen? Geschwister, was hat uns dazu gebracht, auf der hektischen Suche nach einem besseren und immer besseren Leben – das Leben zu riskieren? Sind wir verrückt geworden? Hat uns der Hafer gestochen? Ist uns das Sein – das rätselhafte, geheimnisvolle Sein – abhanden gekommen, haben wir – das Nichts vorgezogen, das grauenhafte absolute Nichts?

Ach dieses Schwelgen in großen Wörtern, die wir nicht verstehen! Jeder Begriff, der nicht ins Leben weist, ist ein Begriff zum Tod. Wüssten wir, was wir reden, dürften wir noch hoffen und zuversichtlich sein. Ständig reden wir aneinander vorbei. Ständig müssten wir fragen: was hast du gesagt? Was meintest du mit dem, was du sagtest? Das weißt du nicht? Warum redest du dann? Warum stellst du mir nicht dieselben Fragen? Erzeugen wir nur Geräusche, als ob wir miteinander sprächen, damit wir uns einbilden können, im Weltall nicht alleine zu sein?

Sind wir noch zu retten? Hilft nur noch der Gott, den es nie gegeben hat?

Verlassen wir die weihevollen Begriffe. Müssten wir nicht beim ABC beginnen?

Rechtzeitig zu Beginn des Wahlkampfes hat Sahra Wagenknecht ein Buch vorgelegt – zu welchem Zweck? Will sie ihre Partei zu Grundsatzgesprächen auffordern, ihren Führungsanspruch erneuern?

Was müsste geklärt werden, um eine desolate Partei zur Vernunft zu bringen?

Müssten wir nicht zuerst grundlegende Begriffe wie Gerechtigkeit klären – die schon längst von dubiosen Ersatz- und Modebegriffen wie links und rechts ersetzt wurden?

Müssten wir nicht die Biographie der Partei erforschen, um die Entstehung ihrer Bewusstseinstrübungen und Verirrungen zu verstehen?

Moment, du willst eine Partei auf die Couch legen und sie behandeln, als ob sie ein lebendiges Wesen wäre?

Was denn sonst? Besteht sie nicht aus Menschen? Ist die Summe vieler Menschen nicht wie ein – gigantischer Mensch, der denkt und fühlt wie ein Einzelner, wenngleich mit den Bestandteilen vieler Menschen? Trifft das nicht auch zu für jeden Einzelmenschen, dessen Innenraum vom Geist vieler Menschen besetzt ist – von denen er viel zu wenig weiß und deshalb auch nicht wissen kann, von welchen Kräften und Ideen er geprägt wurde?

Jedes Individuum ist selbst ein wirres Gemisch aus vielen Individuen, die einst gelebt und ihre Zeit mitgeprägt haben. Wir wüssten, wer wir sind, wenn wir in uns hineinschauen und sagen könnten: schau, da hinten sehe ich Luther, direkt neben ihm Voltaire: was haben die sich zu sagen? Ich glaube, die schweigen sich eisern an. Oh je, wie viele solcher stummen Stellen werde ich noch in mir entdecken, wenn ich weiter schaue? Nein, das ertrage ich nicht. Ich muss abbrechen.

Jetzt mal langsam, du Weichei. Willst du weiter durch deine Gegenwart torkeln wie ein Irrer, der nicht weiß, was er tut? Oder willst du – wie sagt man in vornehmen Kreisen? – Verantwortung übernehmen über dein armseliges, von Anderen gesteuertes Leben? Entscheide dich. Wenn du dich für Ignoranz entscheidest, musst du wissen: von den Ereignissen der Zeit, die von andern geprägt wird, wirst du willenlos fortgeschwemmt werden. Äußerlich bist du mündig, in Wirklichkeit bleibst du ein ferngelenktes Wesen. Wähle!

Du bist neugierig geworden? Das ist die Grundvoraussetzung für jede Selbsterkenntnis. Doch vergiss nicht, es wird kein harmloses Flanieren durch deine Vergangenheit. Da lauern an jeder Ecke unliebsame Gestalten, die nicht erkannt werden wollen. Auf die kann niemand stolz sein. Aber sie müssen genau so durchschaut werden wie die Lichtgestalten, an denen man sich gern festklammert.

Die Parteigründer sind wichtig, die Geschichte der Auseinandersetzungen der verschiedenen Strömungen und Konflikte. Noch wichtiger die Grundgedanken der Partei, die sich durchgesetzt haben. Welche Begriffe hat die Partei fallen lassen? Auf welche beziehen sie sich noch heute, obgleich sie ihnen in der Praxis längst untreu geworden ist? Ist die Partei prinzipienfest geblieben? Hat sie sich zur Heuchelpartei entwickelt?

Ist Wagenknecht diesen Fragen gerecht geworden? Hat sie ihre Partei auf die Couch gelegt? Konnte sie zu ihrer Bewusstseinsbildung Sinnvolles beitragen?

Nur eine Leidenschaft wird erkennbar: ihre Attacken gegen die Lifestyle-Linken, denen sie vorwirft:

„Wagenknecht zeichnet in ihrem Buch ein Feindbild: selbsternannte Linksliberale, die sie aber weder links noch liberal findet. Ihrer Meinung nach haben sie primär die Bessergebildeten und Besserverdienenden im Blick, nicht die wirklich Armen. Ihrer Meinung nach behindern sie den freien Diskurs mit »emotionalisierten Empörungsritualen«. Wagenknecht nennt sie Lifestylelinke. Im Mittelpunkt ihrer politischen Ansichten stünden nicht mehr soziale Probleme und Verteilungsfragen, sondern Fragen des Lebensstils, der Konsumgewohnheiten, der moralischen Haltung.“ (SPIEGEL.de)

Alle Begriffe, die mit selbst beginnen, sind der Autorin ein Ärgernis: selbst-ernannt, selbst-gerecht. Die Vermutung liegt nahe: alles Selbstbestimmte – also alles Autonome – ist ihr widerwärtig.

Ist nicht jeder Demokrat aufgefordert, selbst zu bestimmen, welcher politischen Idee er folgen will? Ist er nicht verpflichtet, zum Kampf gegen Ungerechtigkeit selbst sein Scherflein beizutragen? Das Ich des Menschen ist sein Selbst, das für Denken und Tun des Menschen zuständig ist. Es selbst und niemand sonst. Wäre das kein urlinker Gedanke?

Hängt davon ab, was man unter links verstehen will. Ist links noch immer marxistisch, untergründig marxistisch, dann wäre die Aversion gegen das Selbst verständlich. Alle Linken, die mit ihrem Selbst über ihre Sicht der Dinge und politische Praxis entscheiden wollen, werden von Marx als utopische Sozialisten verachtet:

„In unseren Augen sind diejenigen Utopisten, welche politische Formen von ihren gesellschaftlichen Unterlagen trennen und sie als allgemeine, abstrakte Dogmen hinstellen. Utopisten waren genötigt, sich die Elemente einer neuen Gesellschaft selbst aus dem Kopf zu konstruieren, weil diese Elemente in der alten Gesellschaft selbst noch nicht allgemein sichtbar hervortraten; sie waren beschränkt für die Grundzüge ihres Neubaus auf den Appell an die Vernunft, weil sie eben noch nicht an die gleichzeitige Geschichte appellieren konnten.“ (in Marxistisch-Leninistisches Wörterbuch der Philosophie)

Widerwille gegen das Selbst ist Widerwille gegen die Vernunft. Das Selbst ist Sitz jeder individuellen Vernunft. Wie kann man Marx und seine Bewegung zur Aufklärung zählen (wie Wagenknecht), wenn er sich von einer grundsätzlichen Verachtung der Vernunft bestimmen lässt?

Dasselbe mit den Worten Eduard Bernsteins, der den klassischen Marxismus für eine „objektivistisch-deterministische Gesellschafts- und Geschichtstheorie hält“. Warum hält Marx-Kritiker Bernstein diese Art der Theorie „für völlig ungeeignet, zur politischen Praxis anzuleiten?“

Antwort Bernstein:

„Objektivistisch-deterministisch bedeutet, die gesellschaftliche Entwicklung wird durch objektive Gesetze determiniert, die unabhängig vom subjektiven Willen, Meinungen und Wünschen der Menschen, unabhängig von ihren Zielen und ihrem politischen Verhalten, die Entwicklung naturnotwendig und unvermeidlich zu vorausbestimmten historischen Zielen führen. Mit anderen Worten: Der Gang der Geschichte ist durch politisches Denken und Handeln der Menschen nicht zu beeinflussen. Der Sozialismus kommt also nicht, weil sich die Menschen zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten für die sozialistische Richtung entschieden haben und ihn durch zielstrebige, politische Praxis verwirklichen; er kommt vielmehr garantiert, weil er das immanente Ziel der Geschichte ist.“ (Bernstein)

Mit den Worten des marx-gläubigen Karl Kautsky:

„Die Bildung einer neuen Gesellschaft an Stelle der alten ist nicht mehr bloß etwas Wünschenswertes, sie ist etwas Unvermeidliches geworden. Was sich als unvermeidlich erwiesen hat, ist nicht nur als möglich, es ist auch als das einzig Mögliche erwiesen.“

Wagenknecht ist tiefgläubige Marxistin. Aus opportunistischen Gründen verschweigt sie ihr Credo. Nun ist klar geworden, warum sie die selbst-ernannten Linksliberalen aus ganzem Herzen ablehnt. Jene erkühnen sich, selbst zu bestimmen, was sie für links halten. Sie legen Wert auf selbst-bestimmtes Denken und Handeln und fügen sich nicht den Direktiven einer selbst-ernannten marxistischen Führerin, die alles eigenständige Denken verabscheut und die Gesetze der Geschichte als Seherin allein zu kennen meint.

Was sind die Parallelen von Merkel und Wagenknecht? Die Marxistin kennt die objektiven Gesetze der Geschichte und appelliert an ihre Partei, nicht autonom zu handeln, sondern geschichtsgehorsam.

Die Lutheranerin weiß zwar nicht, wohin der Herr der Geschichte die Menschheit führen wird. Aber sie weiß, dass sie den göttlich bestimmten Lauf der Geschichte nicht verändern kann. Wie sie die Obrigkeit für ihre Untertanen sein will, ist sie selbst die Untertanin ihres Gottes. Eigene Initiativen sind beiden Damen verboten. Sie haben gehorsam zu sein. In der Tat ist der Marxismus nichts anderes als ein ökonomischer Calvinismus: alles ist vom Schöpfer bereits vor der Schöpfung der Erde vollständig prädestiniert.

Luthers Lehre war kein Jota anders, auch wenn er den Begriff Prädestination kaum verwandte. Merkel behandelt den Kapitalismus wie ein marxistisch-determiniertes Geschichtsgesetz. Wagenknecht linke Politik nicht anders. Allerdings haben die beiden Ex-DDR-Damen ein unterschiedliches Geschichtsziel im Auge: Merkel will den Kapitalismus bis zum apokalyptischen Ende wuchern lassen, Wagenknecht will ihn agieren lassen, bis untergründige Geschichtsgesetze – die sie als Naturgesetze betrachtet – aus der Tiefe explodieren, den Kapitalismus aus dem Weg räumen und die Pforte zum Reich der Freiheit (oder dem irdischen Paradies) öffnen.

Marx empfand sich als Nachfolger von Galilei. Wie jener die objektiven Gesetze der Natur erkannte, wollte er die objektiven Geschichtsgesetze als Naturgesetze erkannt haben. Geschichte, das war seine grundlegende These, ist nichts anderes als Natur. Der Mensch mit seinen subjektiven Marotten und Einfällen spielt weder in der Natur noch in der Geschichte eine Rolle.

Dass der Mensch für sein Tun selbst verantwortlich ist, war die große Entdeckung der Aufklärung. Absurd, Marx zum Aufklärer zu stilisieren. Marx war ein Gläubiger der Heilsgeschichte, der seinen Gott „materielle Verhältnisse“ nannte. Da Wagenknecht die Religion nicht zur Kenntnis nimmt – vermutlich, weil sie ihr durch Marxens Religionskritik erledigt schien –, ist sie blind für Marxens Religiosität zweiten Grades.

Marx war nicht der erste, der Naturgesetze als Geschichtsgesetze erkannt haben wollte. Der Kipppunkt verlief bei Adam Smith, dem Begründer des Frühkapitalismus. Nationalökonomie war für den französischen Physiokraten Quesnay noch ein Rechtssystem oder eine Angelegenheit selbstbestimmter Moral. Bei Smith beginnt die Ökonomie eine Naturwissenschaft zu werden, die sich auf die Beobachtung und die Analyse der Wirklichkeit gründet.“ (Gide-Rist)

Smith wurde der stoischen Moral seines ersten Buches „Theorie der ethischen Gefühle“ untreu und wechselte ins Lager der amoralischen Naturgesetzler. Kein Wunder, dass der Begriff Gerechtigkeit in seinem ersten Buch vorkam, aber nicht mehr in seinem „Wohlstand der Nationen“.

Marx verwarf alle autonome Moral und präsentierte sich als stolzer Begründer einer neuen Naturwissenschaft – deren Verlauf er gleichwohl hinterrücks und unbemerkt in Heilsgeschichte verwandelte. Woran wir erkennen: wer übertreibt, regrediert. Wer alles in objektive Naturgesetze verwandeln will, fällt zurück ins Lager der Heilsgeschichtler.

Marx kämpfte gegen die französischen Sozialisten, die er verächtlich Utopisten nannte. Zu ihnen gehörte Sismondi, in dessen Augen „die Nationalökonomie eine moralische Wissenschaft ist. Man müsse die Natur des Menschen kennen, den Zustand und das Schicksal der Gesellschaften zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten.“

Während Marx den von ihm bewunderten Kapitalismus noch so lange gewähren lassen wollte, bis seine wunderbare Fortschrittsfähigkeit nicht mehr überboten werden kann, legt Sismondi Wert auf gerechte Veränderung des Kapitalismus im Hier und Jetzt.

„Die Nationalökonomie wird letzten Grundes zu einer großen Theorie der Wohlfahrt, und alles, was nicht in seinem Endzweck zum Glück der Menschen beiträgt, gehört keineswegs zu dieser Wissenschaft.“

Wagenknecht repetiert die alten Scharmützel von Marx gegen die autonomen Moralisten und wirft ihren Gegnern „Selbstgerechtigkeit“ vor.

Eine klare Definition des Begriffes Gerechtigkeit sucht man bei ihr vergeblich. Das einzige, was sie will, ist die Verbesserung der Lage der Schwächsten. In heutigen Zeiten ist das löblich, aber keine grundsätzliche Analyse des Kapitalismus, die in Zeiten der Klimakrise überfällig wäre.

„Wagenknecht argumentiert gegen Fridays for Future, aber nicht, weil sie eine Klimawandelleugnerin wäre, sondern weil sie Fridays for Future für eine Bewegung bessergestellter junger Menschen hält, die sich um die Zukunft der Welt sorgen können, weil sie sich um die eigene nicht sorgen müssen. Der Fokus liege zu sehr auf Konsum und Konsumverzicht. Wagenknecht hingegen fordert, dass wir anders produzieren müssten, regionaler vor allem und ressourcenschonender.“

Sie leugnet nicht die Klimakrise,, aber gefühls- und erkenntnislos geht sie an ihr vorüber. Das liegt an ihrer von Marx übernommenen Definition des Kapitalismus, der für sie kein naturfeindliches System sein kann. Wie könnten materielle Verhältnisse oder die Natur sich selber zerfleischen? In Marxens religiösem – oder hegelianischem – Weltbild kann es keine apokalyptische Katastrophe geben. Am Ende der Geschichte erwartet uns das vollkommene Heil.

In der Tat: der Kampf gegen das Klimaelend muss zugleich ein Kampf gegen die klaffende Ungerechtigkeit des Planeten sein. Nur eine in Gerechtigkeit lebende Menschheit wird sich mit dem zufrieden geben, was ihr die Natur zu geben bereit ist – und vice versa. Der Kampf gegen die Klimakatastrophe ist noch nicht koordiniert mit dem Kampf gegen Armut und Elend auf der einen Seite und gegen Superreichtum, Völlerei und demokratiezerstörende Macht auf der anderen.

Echte Marxisten kennen keine Naturbedrohung durch den Menschen. Die Natur ist ausschließlich für den Menschen da, der Mensch kann mit ihr schalten und walten nach Belieben.

In seinem Buch „Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx“ schreibt Alfred Schmidt, Schüler von Horkheimer und Adorno:

„Von einer „Resurrektion“ (Auferstehung) der gesamten Natur ist beim späten Marx nicht mehr die Rede. Zugute kommen soll die neue Gesellschaft allein den Menschen, und zwar eindeutig auf Kosten der Natur. Sie soll mit gigantischen technologischen Mitteln bei geringstem Arbeits- und Zeitaufwand beherrscht werden und als materielles Substrat aller nur erdenklichen Gebrauchsgüter allen Menschen dienen.“

Das ist eine der defizientesten Stellen des Marxismus, den sich heutige Gefühlsmarxisten nicht klar machen wollen. Dieses Skandalon verhehlen sie sich, um ihren Propheten nicht in die Wüste schicken zu müssen. Eine der blutenden Wunden der so forsch und objektiv daherkommenden naturfeindlichen Ideologie aus dem Schoß der Religion.

Die FFF-Jugend habe die falsche Identität, also könne ihr Engagement für die Natur nicht wahr sein? Steht das wirklich hier? Entscheidet inzwischen die Herkunft der Menschen über die Wahrheit ihres Denkens und Tuns? Es ist Wagenknecht, die diese „Identitätspolitik“ der Zeitgeistlinken verwirft – und macht es selbst. Wirft den jungen Klimaschützern ihr falsches Elternhaus vor. Wer hier nicht heult, heult nimmermehr.

Dass die Zeit drängt, dass wir schleunigst unsere Pflichtaufgaben machen müssen, um das Schlimmste zu verhindern, ist bei Wagenknecht nicht angekommen. Wie Marx ist sie vom religiösen Eiapopeia Hegels in den Schlaf gesungen.

Unfassbar, dass Deutschlands Intellektuelle den schwäbischen Philosophen Hegel als Aufklärer und Freund der Freiheit rühmen. Zu ihnen zählt Sahra Wagenknecht. Hegel, der Urvater der NS-Ideologie, des autoritären Staates und der Selbstvergöttlichung der deutschen Nation! Bei Selbst-Vergöttlichung wäre eine scharfe Kritik des Selbst angemessen. Hier schweigt die Autorin stille.

In seiner neuen Biographie über Hegel rühmt der deutsche Philosoph Vieweg den großen Verteidiger und Begründer der Freiheit.

Schauen wir mal, dann sehen wir schon:

„Die wahre Freiheit des Einzelwillens besteht dagegen ebenso wie seine Vernünftigkeit in der Unterordnung unter den Staatswillen (d.h. denjenigen der autoritären Regierung), ja sie wird erst durch diese Unterordnung verwirklicht und darauf beruht der Gehorsamsanspruch des Staates. Deshalb also, weil der Wille des Staates die Wahrheit und Freiheit des Willens der Staatsbürger ist, hat der Staatswille Autorität für sie, gilt er für sie schlechthin oder kategorisch.“ (in Topitsch, Die Sozialphilosophie Hegels als Heilslehre und Herrschaftsideologie)

Hegelianer wie Carl Schmitt gehörten zu den entscheidenden philosophischen Fürsprechern des Dritten Reiches.

Die Linken wollen einen gerechten Staat. Gerechtigkeit, ein Begriff, der heute spurlos abhanden gekommen ist: Gerechtigkeit wäre eine der wichtigsten Forderungen jedes Neuanfangs, den wir hier und jetzt voranbringen müssen. Jeder Tag, den wir verlieren, ist ein Verbrechen gegen Mensch und Natur. Ökologische Verbrechen gehören vor ein Welttribunal.

„Eine Kampagne will »Ökozid« als fünftes Verbrechen gegen den Frieden definieren – um Umweltzerstörer in Den Haag anklagen zu können. Die Zustimmung dafür wächst.“ (SPIEGEL.de)

Was aber ist Gerechtigkeit?

„Als höchstes Ziel aller Politik nennt Plato: Friede und wechselweises Wohlwollen. Gemeinschaftsgefühle, die den Staat zusammenhalten und seine innere Einheit verbürgen, müssen vor allem gepflegt werden, auf dass der Staat ein „in sich befreundeter“ sei. (in Pöhlmann, Geschichte der sozialen Frage und des Sozialismus in der Alten Welt)

Platon war Erfinder des Urfaschismus, weil er richtige Erkenntnisse mit falschen Methoden, mit totalitärer Gewalt, realisieren wollte. Erkenntnisse aber und politische Realisierung sind streng voneinander zu trennen. Heute verabscheut man Gerechtigkeit, indem man sie identifiziert mit Faschismus.

Sahra Wagenknecht wollte die linke Partei erneuern und auf eine solide gedankliche Grundlage stellen. Ist es ihr geglückt?

 (Über weitere Aspekte ihrer Kritik an den Lifestyle-Linken an anderer Stelle)

Fortsetzung folgt.