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nichtsdesto-TROTZ LXXXIV

Tagesmail vom 18.10.2021

nichtsdesto-TROTZ LXXXIV,

Welche Bewegung würden Sie ins Leben rufen?

„Ich würde keine Bewegung ins Leben rufen, die ein enges Ziel verfolgt. Es müsste eine Solidaritätsbewegung sein, die bei akuten, dringlichen Problemen mal hier, mal dort aktiv wird und dabei den Grundgedanken der Solidarität, der Gerechtigkeit und Menschenwürde hochhält.“ (Frankfurter-Rundschau.de)

Das war die Antwort eines Bewegungsexperten – die er aber sofort relativiert:

„Allerdings muss ich gleich dazusagen: Ein so breites Programm bleibt zu abstrakt und zu diffus, um eine Bewegung dauerhaft am Leben zu erhalten.“

Hier müssten zwingend einige Fragen folgen:

Sind alle Bewegungen dazu verurteilt, irgendwann zu verenden? Kann man sich keine Bewegung vorstellen, die solange bleibt, bis der Notstand behoben wäre, den sie bearbeiten wollte? Wäre es nicht notwendig, Bewegungen ins Leben zu rufen, auch wenn man weiß, dass ihnen bald die Puste ausgeht? Irgendwas bleibt doch immer hängen?

Warum vor allem gründen Sie nicht selbst eine Bewegung, Herr Professor?

Was könnte der Experte antworten?

Keine Zeit, bin als Hochschullehrer ohnehin überfordert. Meinen Job als Protest- und Bewegungsexperte müsste ich aufgeben, denn notgedrungen wäre ich parteiisch – und könnte die verschiedenen Gruppen nicht mehr in gleicher objektiver Distanz beurteilen. Forschung und Engagement schließen sich aus. Auch Naturwissenschaftler können die Natur nur erforschen, aber nicht verändern.

Das gilt auch für Ökonomen – der kapitalistischen wie sozialistischen Herkunft –, die die wirtschaftlichen Naturgesetze nur anwenden, nicht moralisch verändern können. Aus diesen Gründen hatten Ökoforscher so lange gezögert, sich in eben den Klimafragen praktisch zu betätigen, die sie theoretisch untersucht hatten. Noch immer fühlen Politiker sich nicht gedrängt, die Zunft der Wissenschaft ernst zu nehmen.

Was Wissenschaft kann, können auch die Medien, die sich auf denselben Objektivitätsbegriff berufen wie jene: feststellen, was ist. Aus dem Ist folgt kein Sollen. Wie das Ist müsste auch das Sollen wissenschaftlich begründbar sein – was unmöglich ist. Keine Wissenschaft kann politische Moral aus den herrschenden Verhältnissen ableiten, also muss praktisches Engagement den Redaktionsstuben ferne bleiben. Merke: auch Medien wollen wissenschaftlichen Grundsätzen folgen. Deshalb der Rückzug auf das Beschreiben dessen, was ist.

Jetzt aber sind sie unvermutet kalt erwischt worden. Zwei ihrer tapferen KollegInnen wurde der Friedensnobelpreis verliehen. Die Ehrung wurde zur Entlarvung.

„Die Journalistin Maria Ressa von den Philippinen und der Journalist Dmitri Muratow aus Russland werden dieses Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Das teilte das norwegische Nobelkomitee in Oslo mit. Sie bekommen den Preis für ihre Bemühungen um die Wahrung der Meinungsfreiheit, die eine Voraussetzung für Demokratie und dauerhaften Frieden sei.“

Die Ausgezeichneten taten genau das, was hiesige Journalisten in ihrer Mehrheit ablehnen: sie beschreiben die Notstände und setzen sich für deren Beseitigung vehement sein. Theorie und Praxis, Beobachten und Verändern schließen sich bei ihnen nicht aus. Auf diese vorbildlichen KollegInnen sind die deutschen Journalisten stolz, obgleich jene genau das tun, was sie selbst wegen angeblich mangelnder Objektivität ablehnen.

Die doppelte Moral der Medien ist so krass, dass man sich fragt: ist ihnen der Widerspruch nicht bewusst – oder sind sie abgebrühte Heuchler?

Streng genommen wäre die Bewegung des Protestforschers Rucht keine politische, sondern eine karitative. Sie hätte nicht die Absicht, die politischen Ursachen der Notstände zu beheben, sondern begnügte sich mit der Bekämpfung der Symptome.

Das aber wäre ein christlich-willkürliches (oder merkelsches) Almosenverteilen. Zufällig Erwählten wird geholfen, doch Strukturen bleiben unverändert. Christliche Religion will die erbsündige Situation auf Erden nicht grundsätzlich verändern. Dies sei Menschen ohnehin nicht möglich.

Nur gnädig Ausgesuchten könne sie eine unverdiente, gnädige Wohltat zukommen lassen. Merkel ließ das böse Grundgefüge unangetastet. Es verändern zu wollen, hätte ihr den Vorwurf eingebracht, eine utopische Blasphemie zu begehen. Die Welt erneuern muss das Privileg Gottes bleiben.

Da die Deutschen nichts anderes wollen, als sich in ihren vertrauten Verhältnissen wohlzufühlen, hat sich ein alter Traum von ihnen erfüllt: die Verschmelzung des Volkes mit seiner göttlichen Obrigkeit zu einer nationalen (oder völkischen) Gemeinde, wie Paulus sie in seinem ersten Korintherbrief beschreibt:

„Denn wie der Leib einer ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: So ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt. Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern. Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib. Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib. Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich. Denen, die wir für weniger edel ansehen, erweisen wir umso mehr Ehre und unseren weniger anständigen Gliedern begegnen wir mit umso mehr Anstand, während die anständigen das nicht nötig haben. Gott aber hat den Leib so zusammengefügt, dass er dem benachteiligten Glied umso mehr Ehre zukommen ließ, damit im Leib kein Zwiespalt entstehe, sondern alle Glieder einträchtig füreinander sorgen. Wenn darum ein Glied leidet, leiden alle Glieder mit; wenn ein Glied geehrt wird, freuen sich alle Glieder mit. Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm. So hat Gott in der Kirche die einen erstens als Apostel eingesetzt, zweitens als Propheten, drittens als Lehrer; ferner verlieh er die Kraft, Machttaten zu wirken, sodann die Gaben, Krankheiten zu heilen, zu helfen, zu leiten, endlich die verschiedenen Arten von Zungenrede. Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer? Haben alle die Kraft, Machttaten zu wirken? Besitzen alle die Gabe, Krankheiten zu heilen? Reden alle in Zungen? Können alle übersetzen?“

Die Gemeinde ist das christliche Gegenmodell zur athenischen Polis – in gewisser Hinsicht die Fortentwicklung der faschistisch-platonischen Politeia. Im idealen Staat Platons haben die Weisen die absolute Macht und können jeden unbelehrbaren Abweichler mit dem Tode bestrafen.

In der christlichen Gemeinde ist Christus das allmächtige Oberhaupt. Da er nicht mehr auf Erden weilt, wird er von Priestern vertreten, die die Vollmacht besitzen, stellvertretend für ihn die Menschen mit ewiger Seligkeit zu belohnen oder mit ewigen Feuerqualen zu bestrafen.

„Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“

Die lutherischen Pastoren waren zwar auf den ersten Blick nicht so mächtig wie die Papisten. Doch was ihnen fehlte, machten sie mehrfach wett durch das unfehlbare Wort Gottes, das sie mit trefflichen Bibelkenntnissen wie mit Fallbeilen exekutieren konnten. Luther hatte die Macht des Papstes geschleift, sie aber ersetzt durch die noch größere Gewalt der allgegenwärtigen Bibel.

Die Gemeinde Christi war ursprünglich die Konkurrentin des römischen Staates. Als sie jedoch durch Konstantin zur Staatskirche erhoben wurde, verschmolz die Gemeinde mit dem weltlichen Staat.

Nicht so bei den mittelalterlichen Germanen, deren Kaiser sich der päpstlichen Vorherrschaft widersetzten. Es entwickelte sich der jahrhundertelange Kampf zwischen Kaiser und Papst. Am Ende verloren beide.

Die aufkommenden rivalisierenden Nationen des Westens überflügelten die Deutschen, fanden den Weg in eine unbekannte neue Welt, die sie in rechtlose Kolonien verwandelten und bis aufs Blut ausbeuteten. Deutschland versank in Bedeutungslosigkeit und einen grausamen Religionskrieg, der von der Herrlichkeit des Heiligen römischen Reiches Deutscher Nation nur Tod und Verderben übrig ließ.

Das Gemeindemodell wurde zum Urbild des neuzeitlichen Absolutismus, in dem der Monarch die gottgewollte Obrigkeit darstellte. Christus als Oberhaupt der Gemeinde wurde zum allmächtigen Monarchen, dessen Stellvertreter auf Erden die Kaiser, Könige und die Adligen bildeten. Unter diesen begann keineswegs die Gleichheit der Untertanen, wie es heute überall behauptet wird – mit Berufung auf das folgende Wort:

„Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christo Jesu.“

Mit diesem Pauluswort begründen listige Theologen, dass die Gleichheit (und Demokratie und Menschenrechte) der Moderne ein Gnadengeschenk Gottes sei. Doch diese Gleichheit ist nichts anderes als die Nichtigkeit aller Menschen vor Gott.

Ähnlich der indischen Kastengesellschaft gibt es im christlichen Staat eine Herrschaft der Männer über die Frau und den Rest der Gesellschaft. „Wie Christus das Haupt des Mannes, so ist der Mann das Haupt des Weibes.“ So viel zur Gleichberechtigung der Frau im Christentum. Der Abstand zwischen Christus und Mann ist genauso groß wie der zwischen Mann und Frau.

Ohne strenge Arbeitsteilung geht es in der Gemeinde – oder dem theokratischen Staat – nicht. Eine Gleichwertigkeit der verschiedenen Berufe gibt es nicht, es sei die gleiche Nichtigkeit aller vor Gott. Minderwertige Berufe gibt es auch nicht, denn alle Berufe, auch die gering scheinenden, werden gebraucht. Ja, die minderwertig scheinenden sind besonders wichtig und lobenswert.

Es genügt, dass jeder sein Ding macht, den Zusammenhang des Ganzen stellt Christus her. Dieser Zusammenhang wurde bei Adam Smith zur unsichtbaren Hand, an welche die Ökonomen noch heute glauben. Womit klar ist, dass die Ökonomie eine christliche Disziplin darstellt. Der homo oeconomicus ist in Wirklichkeit ein homo religiosus. Bei Hayek nicht anders, der den Markt in Zeit und Zufall Gottes gründen lässt.

Der Staat ist ein Organismus, ein Leib, der in allen Empfindungen miteinander verbunden ist. Wir nähern uns dem vernetzten digitalen Überwachungsstaat von heute: Christus ist der Allwissende und Allmächtige, der jedem Untertanen ins Herz schauen kann, eine Vision, der sich China mit Riesengeschwindigkeit nähert und an dessen technischer Realisierung Silicon Valley mit all seinen Kräften arbeitet. Der Staat der Zukunft ist die global geblähte Urgemeinde Christi.

Der organische Staat gilt heute als rechte Verirrung. Eine Demokratie sei nichts als ein mechanisches System, eine unpersönliche Maschine. Auch jeder Einzelne sei nichts als eine Maschine, die von geübten Maschinisten zu jeder Tätigkeit programmiert werden könne.

Ab Sturm und Drang protestierten die Deutschen gegen die Maschinenvorstellungen der französischen Aufklärer. Tatsächlich hatten sie einmal Recht. Kein Mensch ist, in Übernahme naturwissenschaftlicher Erkenntnisse, eine tote Maschine, genau so wenig wie viele Menschen eine staatliche Maschine sein können. Doch den richtigen Gedanken deformierten die Deutschen zum totalitären Horror.

Der organische Staat wurde von den Deutschen zur idealen völkischen Gemeinschaft aufgebläht, in der ein Sohn der Vorsehung die Stelle Christi einnahm. Wie dieser die Deutschen fand, so hatten die Deutschen ihn gefunden. In dieser, durch Blut und Boden begründeten völkischen Einheit gab es kein selbstbestimmtes Einzelleben mehr. Jeder hatte sich widerspruchslos den von oben gegebenen Weisungen unterzuordnen.

Die perfekte Einheit war nicht das utopische Ergebnis eines langwierigen Prozesses, in dem jeder seine autonome Persönlichkeit einbringen konnte, sondern das Produkt einer alles bestimmenden göttlichen Obrigkeit.

Dies war auch die Zielvorstellung der Netzwerkgiganten aus Silicon Valley, die sie am Anfang ihres Wirkens noch naiv daherplapperten, inzwischen aber mit technischer List und Tücke vergeheimnissen.

Gegen eine lebendige organische Verbundenheit ist nichts einzuwenden, so wenig wie gegen die vitale Gemeinschaft einer Sippe oder Familie, die durch Auseinandersetzung und Selbstkritik emotional zusammenwächst. Je mehr es einer Gesellschaft gelingt, solidarisch verbundene Zellen zu bilden, je mehr wird es ihr gelingen, über ihre Grenzen hinaus an der Humanisierung der Menschheit zu arbeiten.

Gemeinschaft und Gesellschaft müssen keine Feinde bleiben. So wenig, wie der Mensch dem Menschen ein Wolf sein muss. Die Allergie der Utopiegegner beruht auf dem Missverständnis, als kämen sie selbst ohne Utopie aus.

Falsch: ihre Utopie nennen sie nur eine kapitalistische Gesellschaft, die nicht besser funktionieren könne als mit perfekten wirtschaftlichen Gesetzen. Den Kapitalismus beten sie als beste Wirtschaft an, die es in der Geschichte des Menschen gegeben habe.

Jeder Maschinenverehrer ist unausgewiesener Utopist. Sein Traum ist die perfekte Maschine, an der er unermüdlich arbeitet. Sollte es nicht gelingen, den Menschen zur perfekten Skinner-Maschine zu konditionieren, gibt es seit Erfindung der KI den Plan B: die minderwertige Menschmaschine wird ersetzt durch die perfekte Intelligenzmaschine, der sich alles auf Erden – und demnächst auf dem Mars – zu beugen hat. Gemäß dem Motto auf der Kuppel des Humboldt-Forums, wo es unverblümt heißt, dass „in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind“.

Das ist das geheime Endziel aller westlichen Staaten, die ihre demokratische Verfassung immer mehr abwerfen, um in ihre christliche Vergangenheit zu regredieren. Nichtchristliche Staaten wie China haben sich dieser westlichen Fremdbestimmung längst unterworfen und ihre eigene philosophische Tradition abgeschüttelt.

Auch Utopiehasser haben ihre Utopie. Sie nennen sie nur anders und sprechen von endlosem Fortschritt in eine phänomenale Zukunft. Freilich, wer in diesem rasenden Wettlauf in die Zukunft nicht mitkommt, der muss abtreten, er hat nichts Besseres verdient.

Die utopischen Utopiehasser haben längst ihre charismatischen Führer oder genialen Heiligen. Sie ähneln Raufbolden, die sich ihre Glanzleistungen im Stile pubertierender Potenzprotze gegenseitig um die Ohren hauen. Einer von ihnen heißt Elon Musk, der gerade dabei ist, mit magischen Formeln die Deutschen zu berücken. Er muss nur sagen: Deutschland ist magisch, und schon darf er wider alle Vorschriften seine Fabrik auf Brandenburgs Boden errichten und der Stadt Berlin das Wasser abgraben.

Jede Epoche gebiert ihre eigenen Führer, magischen Zukunftsdeuter oder fehlerlosen Madonnen. Gelingt es diesen, ihre Völker zu becircen oder sich von jenen becircen zu lassen, so steht der globalen Symbiose-Maschine nichts mehr im Weg. Manche sprechen von einer terrestrischen Überwachungsdiktatur.

Wie immer, stehen die Medien an der vordersten Stelle der Bewunderer, über die sie – garniert mit ein wenig Alibikritik – die berauschendsten Schlagzeilen produzieren können:

„Genie oder bloß Verführer, Erlöser oder Scharlatan, bahnbrechender Erfinder oder bloß profitorientierter CEO – für ein Fazit zu Elon Musk ist es ein paar Jahrzehnte zu früh. Sein Werk ist erst im Entstehen begriffen, der Mann ist grade mal 50 und kein bisschen müde.“ (SPIEGEL.de)

Muss man bei Genies tatsächlich abwarten, bis ihre Ideen die Welt verwüstet haben? Dann können wir auch warten, bis Christus im Bible Belt zur Erde zurückgekehrt ist. Doch jetzt die „Kritik“:

„Der Mann ist Ingenieur, nicht Uno-Generalsekretär. Er interessiert sich letztlich weniger für den Planeten und seine Bewohner als für die technische Lösung bestimmter Probleme, die ihm eben reizvoll erscheinen. Aber brauchen wir wirklich den elektrischen Privatwagen für alle? Sollten wir nicht besser mit derselben Begeisterung den öffentlichen Verkehr neu denken? Und was, zum Teufel, sollen wir auf dem Mars? Musks Weltenrettung kommt oft ziemlich machohaft rüber.“

Das ist nur Alibikritik, die nichts an den schlechten Verhältnissen ändern will. Hier wirkt ein „Sprunginnovator“, auf Deutsch: ein Magier oder gottgleiches Genie, das die lineare Zeit sprengen und einen Hüpfer in den digitalen Garten Eden machen kann. Von diesem wollen die Deutschen sich den Pfad durch die Wüste zeigen lassen:

„Andererseits hat er alles das, was den Deutschen oft fehlt, im Übermaß: Risikofreude, Zukunftsglaube, Optimismus – auch den Mut, mal anzuecken. Einfach mal machen, hierzulande meist nur wohlfeile Phrase, ist sein Lebensprogramm.“

Einfach mal machen oder machen ohne rationales Ziel: das ist längst deutsche Wurstelpolitik. Wozu braucht man Zukunftsglauben und Optimismus, wenn morgen die Welt untergeht?

Soweit ist es gekommen, dass ein britischer Prinz die Welt vor diesen zockenden Scharlatanen warnen muss:

„Englands Prinz William (37) hat in einem BBC-Interview die Tech-Milliardäre Jeff Bezos (57, Amazon/Blue Origin) und Elon Musk (50, Tesla/SpaceX) scharf für ihre Investitionen in den Weltraumtourismus kritisiert. „Die schlauesten Köpfe der Welt sollten sich darauf konzentrieren, diesen Planeten zu reparieren, statt zu versuchen, den nächsten Ort zu finden, an den man gehen kann, um dort zu leben“, sagte der Prinz.“ (BILD.de)

Jeder Mensch müsste eine Bewegung anregen. Man stelle sich vor, alle Medien schlössen sich zum Generalstreik zusammen, um auf die Unaufschiebbarkeit der Veränderungen hinzuweisen. Innerhalb einer Woche würden die Koalitionäre ein realitätsveränderndes Ökoprogramm vorlegen.

Kann man sich keine Bewegung vorstellen, die nicht vorschnell zusammenbricht? Man könnte: wenn man den Menschen als ein lebenslang lernendes, selbstbestimmtes Wesen betrachten würde.

Unermüdlich aus seinen Fehlern lernen, um sein humanes Ziel zu erreichen: das wäre ein wahrer homo sapiens, ein kluger und weiser Mensch, der nicht aufgibt, bevor er nicht den Pfad zur friedlichen Menschheit eingeschlagen hat.

Denken, streiten, sich miteinander verständigen: dann Tun. Das wäre der kraftvolle Rhythmus philosophischer Gruppen, die miteinander lernen und das Gelernte in Taten verwandeln, solange sie atmen. Mensch, mach mit!

Fortsetzung folgt.