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nichtsdesto-TROTZ LXXV

Tagesmail vom 27.09.2021

nichtsdesto-TROTZ LXXV,

einen Wahlkampf um das beste Politprogramm gab es nicht – um ein Programm, das die Gegenwart am schärfsten durchleuchtet, um die humanste Zukunft anzusteuern:

– ein geeignetes Konfliktlösungsprogramm, welches die Chance hätte, das Überleben der Menschheit zu garantieren,
– eine Vision, die das beste Zusammenleben aller Völker anstrebte,
– eine Harmonie mit der Natur, die unter den Begriffen Paradies, Garten Eden, vom sündenverseuchten christlichen Westen als Phantastereien abgefertigt wird.

Eine Vision als allgemeine Zielsetzung darf es grundsätzlich nicht geben. Gründe: ein allgemein Gutes für alle gebe es nicht. Jeder habe seine individuelle Vorstellung von Gutem und Bösem. Ein gemeinsamer Nenner dieser individuellen Glücksziele sei deshalb eine Illusion.

Das Leben der Gattung ist ein ewiger Konflikt, der in Demokratien, wenn‘s hoch kommt, nur so weit gebändigt werden kann, dass sie sich nicht gegenseitig massakrieren. Der Grundkonflikt als ewiger Wettbewerb bleibt. Dass ein gnadenloser Konflikt die Sieger und Verlierer so weit auseinandertreiben könnte, dass die Verlierer elend krepieren, also doch vernichtet werden könnten, würde die These vom gebändigten Konflikt ad absurdum führen.

Einwand: wäre ein ewiger Konflikt, den man erträglich für alle Völker gestalten könnte, nicht doch ein allgemeiner Begriff vom bestmöglichen Leben?

Visionen, Utopien kann es grundsätzlich nicht geben, denn der Mensch ist ein prinzipiell missglücktes, vernunftloses, inhumanes oder böses Wesen, dem weder das eigene Glück, noch das Glück aller gelingen kann.

Konflikte der Gegenwart als Früchte einer missglückten, unverstandenen und unbearbeiteten Vergangenheit erforschen zu wollen, ist vergeblich. Die Zeit ist kein Kontinuum, in dem alles mit allem zusammenhängt, sondern eine Reihe von Brüchen und Neuanfängen, die alles stets von vorne beginnen lässt. Jedes Fragment dieser „Heilszeit“ ist individuell und unvergleichlich. Zusammenhänge, Ähnlichkeiten oder kausale Ursachen sind Mumpitz.

Kausale Ursachenketten, eine Erfindung der Griechen, von der Aufklärung der Moderne als letzte Epoche vertreten, vom Christentum längst durch Gottes Wundertaten vom Tisch gefegt, wurden von Hume, einem der ersten Kritiker der Aufklärung, endgültig ad acta gelegt.

Bei Hume verwandelt sich Kausalität „aus einem Weltgesetz zu einem bloß seelischen Vorgang, der die Dinge selbst nicht berührt. Unsere subjektiven Vorstellungen spiegeln nicht die Wirklichkeit.“ (Eucken)

Kant versuchte zwar, die Kausalität durch apriorische (subjektive) Erkenntnisart des Menschen zu garantieren. Doch die objektive Natur als Ding an sich erreichte seine Erkenntnismethode nicht.

Das war ein wesentlicher Grund für die Entstehung der Romantik, die auf alle erkennbaren Kausalitäten verzichtete. Objektives Erkennen wurde bei ihr zum subjektiven, „bauchorientierten“ Ahnen, Fühlen und Vermuten.

Die heutigen Geisteswissenschaften mogeln sich um diese Grundsatzfragen herum. Ihre statistischen Erkenntnisse stellen sie als höchst objektiv dar. Nur bei kritischen Nachfragen gestehen sie, dass die quantitativen Grundlagen ihrer Erkenntnisse nie völlig kausal sein können.

Ihre mangelhafte Erkenntnisart versuchen sie auszugleichen durch „biblische“ Namensgebung. Das Phänomen, das wir gefunden haben, nennen wir… . Es folgt ein englischer Begriff, der, wie früher die lateinischen Begriffe, Anspruch auf unwiderlegbare Erkenntnisse erhebt. Uralte Phänomene werden durch neue Begriffe in neu erfundene verwandelt. Gott sprach, es werde Licht – und es ward Licht.

Politische Utopien kann es nicht geben, denn sie wären etwas Vollkommenes, das auf der unvollkommenen Erde ausgeschlossen ist. Das Vollkommene wäre etwas Himmlisches auf Erden, das nur mit Gewalt errichtet werden könnte. Das aber würde das Himmlische ins Höllische verkehren. (Hayek, Popper)

Hayek war ein katholischer Gegenaufklärer, der die griechische Vernunft hasste. Popper war ein Sokratesfan, der – unter dem verhängnisvollen Einfluss seines Freundes Hayek –, die politische Vernunft seines athenischen Vorbildes verriet. Wieder einmal gelang es der Theologie, die Kompetenz der autonomen Vernunft zu destruieren.

Es gibt eine sinnvolle Konkurrenz – und eine sich gegenseitig vernichtende. Ein Wettbewerb im Suchen der Wahrheit, im Realisieren menschlicher Verhältnisse, ist immer gut, denn alle Wettbewerber profitieren davon. Und es gibt eine inhumane, destruktive Konkurrenz, die aus gut gemeinten Anfängen – wirtschaftlicher Wettbewerb mache Kriege unmöglich – sich zur Katastrophe steigern kann.

Beispiele sind die wachsenden Hungerkatastrophen, Naturverwüstungen und Klimagefahren. Die unermessliche Kluft zwischen Reichen und Armen wird ständig damit verteidigt, dass der Reichtum der Reichen zu den Armen hindurch-trickeln und den Schwachen, wenn auch keine großen, so dennoch verlässliche Vorteile bringen würde.

Nicht nur der globale Augenschein spricht gegen diese Schönfärberei. Auch ihre klassischen Ökonomietheorien sprächen dagegen – die den meisten Ökonomen gar nicht mehr bekannt sind.

Wenn sie auf Adam Smith beziehen, müssten die Wirtschaftler Esoteriker sein, denn die unsichtbare Hand, die das Chaos der Egoismen zur Harmonie führt, wäre ohne Glauben an Gott sinnlos. Folgen sie hingegen der Theorie des homo oeconomicus, wären sie Darwinisten, die den Sieg der Starken und das Absterben der Schwachen für richtig hielten.

Fazit: alle herumschwirrenden Philosopheme der Gegenwart negieren rational-politische Lösungen der gegenwärtigen Krisen. Nur einen scheinbaren Lichtblick gibt es: den Fortschritt, der alle Nachteile, die er mit sich bringt, durch neue Vorteile eliminieren will. Miniprobleme mögen folgenlos lösbar sein, insgesamt aber ändert sich nichts daran, dass die Vorteile gar keine mehr sind. Das Raumfahrtprogramm für Milliardäre etwa ist eine Unverschämtheit an der Menschheit, die ganz andere Probleme lösen müsste. Dabei wachsen die offenbaren Unheilsphänomene irreparabel in den Himmel. Wenn tägliche Millionenprofite Einzelner das Verhungern und Verdursten riesiger Menschenmengen rechtfertigen muss, sollten wir Begriffe wie Würde und Menschenrechte für immer begraben.

Der „gemäßigte“ Darwinismus des Kapitalismus dehnt die finale Apokalypse zwar in die Länge, verhindert sie aber nicht. Im Gegenteil, er arbeitet besonders gründlich und verderblich an der Endkatastrophe – unter Verheißung einer wunderbaren Zukunft.

Der Sinn demokratischer Wahlen wäre die Wahl jener Menschen, die, nach Einschätzung der Bevölkerung, die besten Konfliktlösungsprogramme anzubieten haben.

Was geschah im Wahlkampf? Nicht Programme wurden debattiert, durchstritten und gewählt, sondern Personen, deren private Tugenden oder Untugenden süffisant in politische Faktoren verfälscht wurden. In der Politik aber sind keine Gesinnungen relevant, sondern nur harte Taten.

Gesinnungen sind nur bewertbar als Theorien, die der Kandidat in Praxis verwandeln will. Psychisch-vortheoretische Gesinnungen wären nur entscheidend, wenn zwei dieselben Taten anbieten würden; der eine Kandidat wäre ein unzuverlässiger Charakter, der andere ein gefestigter und berechenbarer.

In den Wahlkampagnen indes spielten vor allem Skurrilitäten und belanglose Fehlleistungen eine Rolle, die hämischen Boulevardblättern als Quotenbringer dienen mussten.

Ein berechenbarer, stets dasselbe sagender Mensch gilt unter genialen Deutschen als Spießer. In der Politik jedoch wollen sie sich seltsamerweise auf ihre Champions verlassen können. Das gehört in die Abteilung: Konfuses und Absurdes deutscher Intellektueller.

Da es keine Theoriedebatten gab, konnten auch keine scharf umrissenen, alternativen Politprogramme miteinander wetteifern. Die standen zwar in Parteiprogrammen, doch wer liest schon langweilige Absichtserklärungen?

Die Abhörmethoden der TV-Kanäle zwangen die Konkurrenten, zu allen wichtigen Themen mit Klischee- Antworten unter dem Diktat der Zeit Stellung zu beziehen. Mit echten Dialogen hatten diese Fließbandmethoden nichts mehr zu tun. Intakte Demokratien sind streitbar und erkenntnishungrig. Unsere Demokratie hingegen ist von Grund auf verdorben durch Skinner‘sche Außenlenkungen, rhetorische Raffinessen und Verdummung der Massen.

In Talkshows müssen Voyeure beweisen, dass sie den Aktivisten im Schwatzen weit überlegen sind. Noch immer will die Mehrheit der Journalisten am Prinzip der Neutralität festhalten. Mit der Begründung, sie wollten ihr Publikum nicht unfair beeinflussen. Überheblicher geht’s nicht. Sie müssen ihre Meinungen für so bestechend halten, dass niemand ihnen widerstehen könne.

Dass Demokraten fähig sind, selbständig und kritisch zu denken, hat sich in der Vierten Gewalt noch nicht herumgesprochen. Und wenn sie es noch nicht können, könnten sie es durch faire Debatten lernen. Überkluge Positivisten halten sich für derart überlegen, dass sie sich aus pädagogischen Gründen unkenntlich machen müssen. Die Wahrheit ist indes, dass das Publikum sehr wohl in der Lage ist, die versteckten Meinungen der Edelschreiber zu entschlüsseln.

Eins ist klar: das unwürdige Versteckspiel der Medien ist ein Riesenhandicap für die Demokratie. Es vermittelt den Eindruck, dass Stellung beziehen, anstatt offen und mutig zu sein, ordinär und pöbelhaft ist. Kein Wunder, dass es keine sachhaltigen Debatten in der deutschen Republik gibt.

Als Rudolf Augstein die Parole ausgab, nur zu schreiben, was ist, war das ein Sündenfall für ihn und sein Blatt. War er doch bis dahin ein Vorbild in scharfem Räsonieren und Argumentieren gewesen.

Der Wahlkampf war kein Fest in Nachdenklichkeit, Überprüfung der Kandidaten und persönlicher Selbstüberprüfung, sondern ein Jahrmarkt künstlicher Spannungen. Was nicht spannend war, war keiner Erwähnung wert.

Die Parolen der Parteien waren keine profilierten Vorschläge, um die Zukunft so menschenfreundlich wie möglich zu gestalten, sondern – in Erwartung unvermeidlicher Koalitionszwänge – vorweggenommene Kompromisse. Jede Partei muss mit jeder kompatibel sein, sonst wird sie zum belanglosen Außenseiter.

Kompromisse sind in Fleisch und Blut übergegangene hegelianisch-dialektische Harmonien. Besser: Scheinharmonien. Den Unterschied will niemand wissen. Wesentlich dabei ist nur das Prinzip, dass es keine „Widersprüche“ geben darf, die unlösbar wären.

Widersprüche dürfen durch stringentes Handeln nicht in widerspruchsfreie Politik verwandelt werden, sie müssen so lange ignoriert, verharmlost und übertüncht werden, dass sie alle zur deutschen Harmonie-Maische werden müssen.

Man nehme einen Kartoffelstampfer, werfe alles in einen Topf und rühre so lange herum, bis keine klaren Begriffe mehr übrig bleiben, die vielmehr – gewürzt mit trostlosem Dauergeschwätz – zu einem genießbar scheinenden Brei eingedickt werden müssen.

Der dialektische Vorgang Hegels will Gott die Ehre geben und seine Schöpfung nicht dem Satan überlassen, der mit Schlaumeierei nachweisen will, dass sie an allen Ecken und Enden Pfusch ist, der nirgendwo zusammenpasst und eines Tages explodieren muss.

Dialektik ist die Kompetenz des göttlichen Weltgeistes, durch eine allmähliche Methode die Widersprüche so lange zu therapieren, bis man von der Entwicklung sagen kann, „dass es überwinde“. Was soll überwunden werden?

„Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln«. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

Das Böse – der entscheidende Motor der Geschichte – soll am Ende überwunden werden. Im Finale wird das Böse nicht mehr gebraucht, denn dann heißt es: Ende gut, alles gut. Der dialektische Geist ist demnach die göttliche Versöhnungskompetenz, die nichts dem Zufall überlässt und im sorgfältigen Dreierrhythmus von These, Antithese und Synthese die Niederlage des Bösen und den Sieg des Heiligen feiert.

Was aber keineswegs eine Allversöhnung à la Origenes bedeutet, der in der Wiederbringung aller Dinge Gott mit seiner Schöpfung aussöhnt. An eine ewige Hölle wollte der griechisch denkende Kirchenvater nicht glauben.

Hegel indessen ist mehr von Luther geprägt, der von der Spaltung der Welt in Himmel und Hölle nicht lassen wollte. Daher der Zwischensatz: wenn du deinen Feind fütterst und ihm Gutes tust, „so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.“

Nächstenliebe ist demnach die grässlichste Form einer perfiden Folter. Die afrikanischen Völker, die lange Zeit mit „Brot für die Welt“ und ähnlichen Liebestaten heimgesucht wurden, wissen inzwischen, was die angebliche Hilfe der reichen Länder für sie bedeutet: ein bisschen Hilfe für wenige Erwählte, doch die Mehrheiten können verrecken. Das war das Modell der Flüchtlingsagape der Kanzlerin.

Deutschland, schwimmend in Sattheit und Überfluss, will sich nicht mehr einreden lassen, dass sein Wohlstand auf Kosten der Natur und anderer Völker erarbeitet worden sei. Also glaubt es an die hegelianische Harmonie oder auf Neudeutsch: an die kompromisshaltige Gesamtmaische der Republik. Oberste Maschinistin der Maische ist die von den Deutschen verehrte Kanzlerin.

Wer dennoch eindeutig und undialektisch wider die Katastrophe agiert wie die FFF-Jugend, wird hemmungslos geschmäht.

„Für Klimaschutz zu demonstrieren, mag angesagt sein. Doch es bringt wenig. Junge Menschen sollten sich besser darum kümmern, dass sie von der Generation ihrer Eltern nicht länger finanziell ausgebeutet werden. Doch dafür mangelt es ihnen an ökonomischer Bildung.“ (WELT.de)

Ist das die Possibility? Die FFF-Jugend streite gegen Klimagefahren, nur weil sie ökonomisch zu dumm sei? Ob ihre Gefahrenanalysen, identisch mit den Analysen vieler Wissenschaftler, richtig oder falsch sind, an solchen Kleinigkeiten ist der WELT-Ökonom nicht die Bohne interessiert.

Es kann nur noch besser werden, die WELT übertrumpft die WELT:

„Glauben die Grünen allen Ernstes, nur eine von ihnen geführte Bundesregierung könne es noch schaffen, das Land – und die ganze Welt – aus der Klima-Misere zu führen? Gerade für junge Leute gibt es noch andere, genauso drängende Probleme. Ich kann Sie also beruhigen, ich bin kein Klimawandelleugner; es ist bloß so, dass dieses Thema einfach gar nichts in mir auslöst. Und das liegt zu großen Teilen daran, wie es mit nahezu religiösen Ambitionen von den meisten Ökoliebhabern vorgetragen wird: im moralinsauren Brustton des Fatalismus. Aber die grünen Reiter der Apokalypse brauchen ihre Show, und die funktioniert nur, wenn man Mutter Erdes Tod regelmäßig an die Wand malt. Es stellt sich bloß die Frage, ob dieses vermeintliche Heilsversprechen die Welt wirklich zu einem besseren Ort machen würde. Nach Freiheit klingt das jedenfalls kein bisschen, sondern nach Identitätspolitik, also nach Kollektivismus, nach Gleichmacherei. Da bin ich, um Jakob endlich zu antworten, nicht nur nicht dabei: Ich bin raus.“ (WELT.de)

Hier fehlt nichts aus der Rüstungskammer leckerer Amoralisten: Moral ist sauer und nichts weniger als Fatalismus. Wer moralisch-politisch anpackt, der ist das Gegenteil von fatalistisch. Es ist die Schreiberin selbst, die schicksalsfromm, voller Ängste vor der Realität, die Hände in den Schoß legt und Gott einen guten Mann sein lässt. Viel Glück beim süßen Weltuntergang.

Nicht die jungen Menschen schüren die Ängste, die Realität selbst müsste jeden klar denkenden Menschen zur Aktion treiben, um die unleugbaren Gefahren zu bekämpfen. Heilsversprechen sind unfähig, die Menschen zur Tat zu treiben. Die Schreiberin muss die Jugendlichen mit biblischen Apokalyptikern verwechseln.

Wenn schon keine Argumente mehr gelten, muss der Hinweis auf Bauchgefühle ausreichen. Hier zeigt sich die vernunftfeindliche Gefühlsideologie der Romantik bei den heutigen Fortschrittsdenkern der Deutschen:

„Die Romantik fand ihre besondere Art im Kampf mit der Aufklärung. Ihrem verstandesmäßigen Räsonnement widersprach sie mit der Wendung zum Gefühl, ihrem Voranstellen allgemeiner Begriffe die Betonung des Individuellen. Das Überwiegen der Subjektivität ist es auch, was die Romantik vom deutschen Humanismus scheidet.“ (Eucken)

Doch WELT-Herausgeber Aust ist die Krönung der Weltweisheit:

„Die beiden Hauptsprecherinnen der Fridays-for-Future-Bewegungen sind Millionärstöchter. Die eine ist eine Reemtsma und die andere ist ihre Cousine. Die Mutter war mal verheiratet mit einem Reemtsma. Das ist so die Nummer ‚Unsere Töchter sollen nicht nur reich sein, sondern auch noch gut sein‘. Am liebsten dazu noch berühmt. Die Bewegung ist natürlich ganz wesentlich eine Bewegung der Kinder der oberen Mittelklasse und darüber hinaus. Ich finde auch Fridays for Future hat Zeichen einer religiösen Dimension. Und all die Untergangsszenarien, die wir haben, ob es um Corona oder um das Klima geht, zeichnen sich durch apokalyptische Prognosen aus, die man sonst vor allem aus Sekten kennt. Anstatt naturwissenschaftliche Vorgänge zu moralisieren und zu politisieren, könnte man sie auch unideologisch betrachten. Wer der Auffassung ist, es hat schon immer einen Klimawandel gegeben, leugnet nicht, dass es einen Klimawandel gibt, sondern ist sich nicht sicher, ob dieser Wandel menschengemacht ist. Die normale Art, Obrigkeitsstaaten oder Diktaturen einzuführen, besteht immer darin, dass man eine ganz große Angst produziert und dazu auch eine Parole hat. Bei uns lautet die Parole im Augenblick ‚Klima schützen“.“ (Berliner-Zeitung.de)

Wie konnte Rudolf Augstein seinen SPIEGEL einem pferdezüchtenden Gegner aller Grundsatzdebatten und gedankenleeren Beobachter der Zeitgeschichte überlassen?

„Ich bin nicht in der Studentenbewegung gewesen und habe Grundsatzdiskussionen geführt, das ist nicht mein Ding. Das habe ich auch in meiner Autobiographie geschrieben, ich habe eher so am Straßenrand gestanden und mir das alles angeguckt und meine Geschichten drüber gemacht.“

Eine treffliche Beschreibung Austs nicht nur seiner Zunft – sondern der Politik einer Kanzlerin, die jede Grundsatzdebatte scheut wie das Weihwasser und nur teilnahmslos von außen zuschauen kann – indem sie ihre Pflicht tut. Ihre Pflicht besteht darin, die Maschine in Ordnung zu halten, die hinfährt, wohin sie nicht will. Oder will sie insgeheim doch?

Tatsächlich ist sie eine Apokalyptikerin, eine Tatsache, die sie während ihrer gesamten Amtszeit hermetisch vor ihren Untertanen verbergen konnte. Die nennen sich zwar Christen; dass die Apokalypse aber das Finale ihrer Heilsgeschichte ist, ignorieren sie mit Hohnlachen.

„Das Konzept passte gut zu Angela Merkel, einer Kanzlerin, die sehr wohl registrierte, um wie viel gefährlicher die Welt während ihrer 16-jährigen Amtszeit geworden war – und dennoch peinlich genau darauf achtete, den ängstlichen Deutschen nicht zu viel zuzumuten. Wenn man so will, war Merkel Deutschlands führende Apokalyptikerin, nur folgte daraus so gut wie nichts. Aber was sie von ihren Vorgängern unterscheidet, ist ein tiefer Pessimismus, die Sorge, dass die Welt dem Abgrund entgegenschlittert. Abseits der Öffentlichkeit aber macht sie seit geraumer Zeit kein Geheimnis mehr daraus, wie tief ihre Sorge ist. Ihre historischen Vergleiche können apokalyptischer nicht sein.“ (SPIEGEL.de)

In einem Parallelartikel schreibt René Pfister:

„… was sie von ihren Vorgängern unterscheidet, ist ein tiefer Pessimismus, die Sorge, dass die Welt dem Abgrund entgegenschlittert. Die Lunte brennt, so sieht es Merkel. Abseits der Öffentlichkeit aber macht sie seit geraumer Zeit kein Geheimnis mehr daraus, wie tief ihre Sorge ist. Ihre historischen Vergleiche können apokalyptischer nicht sein. Merkel hätte die Macht, etwas Großes anzustoßen“, sagt Julianne Smith, die stellvertretende Sicherheitsberaterin des früheren US-Vizepräsidenten Joe Biden. „Aber was wir erleben, ist ein gelähmtes Deutschland, und das ist schlecht für Europa und schlecht für die USA.“ (SPIEGEL.de)

Wen wundert es, dass sie im Vogelpark apokalyptisch das Gesicht verzerrte, als einige Vögel sie – ein bisschen – attackierten? Und warum hat sie vor kurzem bei öffentlichen Auftritten gezittert?

Aust, typisch deutsch, kann gläubige Apokalyptiker nicht von jenen unterschieden, die vor selbsterfüllenden apokalyptischen Gefahren warnen. Aust verwechselt engagierte Jugendliche, die vor Gefahren warnen – die sie nicht selbst erfunden haben – mit totalitären Despoten, die künstlich Ängste schüren, um ihre Zwangsmaßnahmen noch zu verschärfen. Das ist so schändlich wie jugendfeindlich. Nicht die Jugend ist religiös, sondern jene, die alle Gefahren dieser Welt aus religiösen Gründen freudig begrüßen, weil sie ihren Glauben an den Weltuntergang bestätigen.

Kommen Jugendliche aus reichen Elternhäusern, dürften sie nie und nimmer ernst genommen werden, so Aust. Dieses Abkanzeln von Menschen aufgrund ihrer Herkunft ist die momentan grassierende Verleumdungsmethode. Sie ist so schäbig, wie wenn man behaupten würde: Journalisten, die in einem Bauernhof aufwuchsen, wären nicht satisfaktionsfähig.

„Der Sohn des Landwirts Reinhard Aust und dessen Frau Ilse, geb. Hartig, wuchs mit vier Geschwistern auf einem Bauernhof (ca. 15 Hektar) auf, wo seine Familie bis Anfang der 1960er Jahre eine kleine Milchwirtschaft betrieb.“ (Wiki)

Sollte Deutschland die entscheidenden nächsten Jahre überstehen wollen, dürfte es nichts, worauf es bisher stolz war, unverändert lassen. Gläubige sprächen demütig von Wiedergeburt, Vernünftige von kollektiver Selbsterkenntnis. Demut ist das Gegenteil von Mut.

Fortsetzung folgt.