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nichtsdesto-TROTZ LVI

Tagesmail vom 13.08.2021

nichtsdesto-TROTZ LVI,

nobody is perfect, nicht mal Sokrates:

„Die Grobheit, mit der Sokrates seine Frau Xanthippe vor seinem Tod fortschickte, um im Kreise seiner männlichen Gefährten zu sterben, weist … auf den emotionalen Abgrund hin, der zwischen Ehemann und seiner Frau klaffte.“ (Sarah Pomeroy, Frauenleben im klassischen Altertum)

War der weise Mann ein ordinärer Frauenverächter? Doch wie verträgt sich das mit der folgenden Stelle?

„Die einen behaupten, Perikles habe Aspasia nur wegen ihrer Weisheit und politischen Einsicht umworben. Denn auch Sokrates besuchte sie zuweilen mit seinen Schülern, und ihre Freunde brachten oft die eigenen Gattinnen zu ihr, damit sie ihr zuhören könnten. Und dies, obgleich Aspasia keineswegs ein ehrbares Gewerbe trieb: sie hielt Hetären in ihrem Hause.“ (ebenda)

Hetären waren keine gewöhnlichen Prostituierten, sondern hochgebildete Frauen, deren erotische Künste Körper und Geist umfassten. „Aspasia besaß den Ruhm, von vielen Athenern wegen ihrer Beredsamkeit aufgesucht zu werden.“

Aspasia war nicht die einzige Frau, von der Sokrates den philosophischen Eros lernte:

„So will ich denn versuchen, eine Rede über den Eros zu wiederholen, die ich von einer Mantineerin namens Diotima gehört habe, welche hierin auch sehr weise war, auch bei den Athenern einst bei einem Opfer vor der Pest zehnjährigen Aufschub der Krankheit bewirkte, welche mich auch in Liebessachen unterrichtet hat.“ ( Sokrates in: Adriana Cavarero, Platon zum Trotz)

Philosophieren – eine Liebessache?

Leidenschaftliche Triebkraft des Erkennens ist Eros. Denken ist keine Sache des isolierten Kopfes, sondern des ungeteilten Menschen. In der Moderne wüten vernunftlose Gefühle gegen eine kalte Vernunft. Emotionslose PolitikerInnen sind die besten Beruhigungsmittel für instabile Neugermanen. Wer Verantwortung trägt für das Land, muss agieren wie eine unberührbare Maschine.

Sokrates erwählt eine Frau zur Lehrmeisterin der Wahrheit. „Keine Spur von Frauenfeindlichkeit also. Im Gegenteil.“

„Sokrates begründet die Mäeutik oder die Hebammenkunst“. Er führt keine Begriffe von außen in die Seele seiner Schüler, sondern hilft ihnen, ihre eigenen Erkenntnisse zu gebären.

„Sokratisches Denken ist Nachahmung weiblicher Erfahrung. Die schwangere und gebärende Frau ist Urbild der wahren Philosophie“. (ebenda)

Wie vertragen sich diese riesigen Widersprüche?

„Wie lässt sich das Auftreten kraftvoller Heroinen in Tragödie und Komödie erklären, wenn die ehrbaren Frauen Athens wirklich ein so zurückgezogenes und stilles Leben führen mussten und wie kommt es, dass der Geschlechterkampf das klassische Drama wie ein roter Faden durchzieht?“ (Pomeroy)

Das geht hin bis zum Umsturz der Männerherrschaft in der Polis:

„In Aristophanes Stück „Frauen in der Volksversammlung“, das beim Wettbewerb der Theaterstücke teilgenommen hatte, übernehmen die Ehefrauen der athenischen Bürger die politische Macht und stellen einen Plan vor, mit dem sie die herrschenden Missstände im Staat beseitigen wollen. Diesem Zweck dient der Rollentausch der Geschlechter, der einen besseren Zustand der Polis herbeiführen soll.“ (Dettenhofer)

Nur eine Utopie? Die Gegenwart ist nicht mal zu einer solchen Utopie einer Frauenherrschaft mit weiblicher Politik fähig. Heute wirft man Aristophanes vor, mit dem autoritären Sparta sympathisiert zu haben. Doch der Kern seiner Kritik war keine Aversion gegen die Demokratie, sondern gegen ihren wild wuchernden Kapitalismus. Gerechtigkeit für alle war die Losung der revoltierenden Frauen.

Der heutigen Frauenbewegung fehlt die Kraft, eine weibliche Politik als Kontrast zum männlichen Wirtschaftsegoismus zu entwickeln. Das feministische Programm begnügt sich mit der Nachahmung des männlichen Beherrschungssystems. Naomi Klein gehört zu den wenigen Frauen, die eine weibliche Alternative zum desolaten Zustand der männlichen Systeme entwickelt haben.

Klein untersucht den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Klimawandel: „Notwendige Klimaschutzmaßnahmen seien bislang nicht umgesetzt worden, da sie in fundamentalem Konflikt mit dem Ideal freier, nicht-regulierter Marktwirtschaft stünden und die elitäre Minderheit bedrohen würden, die eine Vormachtstellung in Wirtschaft, Politik und Medien haben.“

Wie viele Frauen gibt es bereits in männlichen Vorstandsetagen? Solche Quotenspiele bringen nichts. Nicht nur die Männer, sondern auch ihre naturfeindlichen Leitideen müssen streng unter die Lupe genommen werden.

Das kapitalistische Ursystem des Christentums liegt nicht vor in den Sprüchen zur Seligkeitsgewinnung per Armut, sondern in der eisernen Verteidigung der Männer-Macht:

„Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“

Das ist Macht, die sich nicht mehr rechtfertigen muss. ICH wähle die einen und verfluche die anderen. Warum? Weil ich es kann und die Macht dazu habe. Die „Güte“ zu den Einen gründet auf der Brutalität zu den Anderen. Totalitärer kann ein Machterweis nicht sein.

Gewiss, noch waren die Frauen in Athen benachteiligt. Dennoch gab es Einzelne, die sich Respekt in der Männerwelt erarbeitet hatten. Das Wichtigste aber war: die Hebammenphilosophie begann, die Gleichheit aller Menschen zu verbreiten. Auf diesem Boden wuchsen die humanen Grundsätze der universellen Ethik, die von der Renaissance über die Aufklärung zum ehernen Prinzip der UN-Charta wurden.

In der hellenistischen Epoche hatte sich manches getan in der Gleichstellung der Frau. „Allmählich lässt sich eine Verbesserung ihres rechtlichen Status, insbesondere im Bereich des Zivilrechts ausmachen. Epikureer und Kyniker waren Denkschulen, die sich für die Emanzipation der Frau aussprachen. Mit ihrer „Gleichheit und Brüderlichkeit aller Menschen“ unterstützten die Stoiker die Abschaffung der Klassenunterschiede. Epikur nahm Frauen zu denselben Bedingungen in seinen „Garten“ auf wie die Männer. Auch das Lesen und Schreiben blieb den Frauen nicht länger verschlossen.“ (Pomeroy)

Wenn die christliche Moderne auf die Wurzeln der weiblichen Ungleichheit (und die Ursachen der Sklaverei) zu sprechen kommt, werden immer dieselben Instinkte aktiviert: die bösen Griechen. Auf der einen Seite erfinden sie die Demokratie, auf der anderen verharren sie in ihrer Doppelmoral. Ein Trugschluss. Gerade der demokratische Urgeist führte unbeirrt zum philosophischen Kosmopolitismus, der die Gleichstellung der Frauen – und Sklaven – forderte. Das nichtdemokratische Erbe des überwundenen Feudalismus musste in mühsamen Streitigkeiten besiegt werden. Das brauchte seine Zeit.

Die Verurteilung der Heiden basiert immer auf denselben Gründen: die dogmatische, von Gott abgesegnete Ungleichwertigkeit der Erwählten und Verworfenen ist tabuisiert.

„Das Weib schweige in der Gemeinde, denn es wird ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen. Wollen sie etwas lernen, so sollen sie zu Hause die eignen Männer fragen, denn es ist schimpflich für eine Frau, in der Gemeindeversammlung zu reden. Jede Frau aber, die betet oder prophetisch redet mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt; Der Mann aber soll das Haupt nicht bedecken, denn er ist Gottes Bild und Abglanz; die Frau aber ist des Mannes Abglanz. Denn der Mann ist nicht von der Frau, sondern die Frau von dem Mann. Und der Mann wurde nicht geschaffen um der Frau willen, sondern die Frau um des Mannes willen.“

Diese Verse gelten schon lange nicht mehr – außer in fundamentalistischen „Sekten“. Denn der Heilige Geist arbeitet unermüdlich an neuen Interpretationen, die den Urtext nach Belieben dem ungläubigen Zeitgeist unterordnen. Ein sehr effektives Prinzip. Immer gilt der Urtext der Offenbarung, der sich gleichwohl von Tag zu Tag verändern kann. So kann man eiserne Orthodoxie mit dem biegsamsten Zeitgeist zur Einheit bringen. Gottes Erleuchtungen erfinden sich von Tag zu Tag neu.

Schweigsamkeit ist nicht nur die hervorstechende Charaktereigenschaft einer Mutterfigur der Deutschen, sondern zeichnet jeden unmündigen Menschen aus. Man sollte genauer von Stummheit sprechen, denn Schweigsamkeit ist das Vorrecht des Weisen, der es nicht nötig hat, mit seiner Klugheit zu brillieren. Wir haben eine Kanzlerin, die noch immer geprägt ist von den Unterdrückungsmerkmalen der christlichen Frau – die in der Politgemeinde ihren Mund halten soll.

Das passt überraschend zum Kodex strenger Naturwissenschaftler, die nichts verkünden dürfen – außer bewiesenen Erkenntnissen quantitativen Forschens.

Was aber ist quantitativ in der Politik? Nichts. Politik ist eine Frucht des qualitativen Geistes, der sich auf Messen und Rechnen nicht reduzieren lässt. Wie kann man eine Politikerin dafür rühmen, dass sie eine „strenge“ Physikerin ist? Ist eine physikalische Qualifikation die beste Voraussetzung für einen politischen Job?

Niemals. Das wäre die endgültige Desavouierung des Denkens, das nur mit logischen und philosophischen Argumenten überzeugen kann, die sich auf Zahlen und Figuren nicht begrenzen lassen. Mit Philosophie hat‘s eine lutherische Pastorentochter nicht so, denn:

„Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus.“

Viele Frauen schlossen sich dem Urchristentum an. Die Kampfansage des Allmächtigen im Himmel an die Mächtigen der Welt – die Ersten werden die Letzten, die Letzten die Ersten sein – erschien ihnen wie die lang ersehnte Emanzipation vom Regiment der Männer.

Das war eine der verhängnisvollsten Fallen, in welche die nach Freiheit lechzenden Frauen tappten. Die relative Macht irdischer Männer wechselten sie ein mit der Gewalt eines allmächtigen Gottes, der das äußerliche Regiment der Männer ausdehnte bis zur inneren Kontrolle eines allwissenden Herzens- und Gewissenkenners.

Der heutige Kapitalismus stellt dieselbe Falle: Frauen, kommt zu uns, löst euch von euren Kindern und Männern, macht die Karrieren, die ihr längst verdient habt und ihr werdet eine noch nie erlebte, innerlich befriedigende und äußerlich geachtete Gleichwertigkeit mit den Männern erleben.

Um ihr Patriarchat zu stabilisieren, „mussten die Männer die damalige Macht der Frauen auf drei Ebenen brechen: sie mussten die Bande der wechselseitigen Zuneigung zwischen Frau und Mann zerstören und durch ein Machtverhältnis ersetzen, die Bande des Zusammenhalts unter den Frauen sprengen und schließlich die Liebesbande zwischen Mutter und Kind zertrennen.“ (M. French, Jenseits der Macht)

Wodurch geschah die systematische Degradierung der Frau? A) Durch die Erfindung eines allmächtigen Männergottes, der die Minderwertigkeit der Frau per Sündenfall zelebrierte. Die erkenntnishungrige Frau wird zur Erfinderin des Urbösen, das die ganze Menschheit durchseucht. B) Durch Erfindung der Ehe, die sie zur Magd des Mannes verurteilt, der jedes weibliche Recht auf einen eigenen Willen negiert und C) durch die Erfindung eines Wirtschaftssystems, das die familien-erhaltende Arbeit der Frau zur profitlosen Tändelei entwertete.

Wir befinden uns im letzten Stadium der Zertrennung aller natürlichen Bande: wie im totalitären Sozialismus werden die Kinder den Familien entrissen, um alle Erwachsenen dem Regiment einer naturzerstörenden Ökonomie zu unterwerfen und allen Untertanen den letzten Rest der Selbstbestimmung zu rauben.

Kinder sind nicht Kinder ihrer Eltern, sondern Untertanen einer alles überwachenden wirtschaftlichen Obrigkeit. Schulen und Universitäten haben sich komplett dem Willen der Ökonomen ergeben. Die „Bildung“, die sie den Jugendlichen per Lohn und Strafe durch allpräsente Noten verpassen, hat keinen anderen Zweck, als der Industrie die Auswahl zu erleichtern. Schulnoten sind Bewertungen fürs ganze Leben. Bildung ist lange nicht mehr das, was sie sein sollte: den Kindern zur Kompetenz eines verantwortlichen Lebens zu verhelfen. Nur eine ethisch durchdachte Erziehung macht den Menschen „gut und glücklich.“

Solche schlichten Erkenntnisse sind durch eine Religion, die alles Böse dem Reuigen vergibt und dem Menschen die Pflicht auferlegt, sich die Erde untertan zu machen, längst zur Farce geworden.

Ohne naturgemäße Erziehung aber können die Schulabsolventen keine respektvolle Beziehung zur Natur entwickeln. Denn was ist eine naturgemäße Erziehung?

„Natur und Erziehung sind verwandt, denn auch die Erziehung verwandelt den Menschen. Indem sie ihn verwandelt, schafft sie Natur.“ (Demokrit)

Eine der gelungensten Definitionen der Bildung aller Zeiten. Der irrende Mensch empfindet die Natur als Feindin, die er zähmen und zerlegen muss. Erst der wirklich gebildete Mensch hat die Kluft zwischen Natur und törichtem Menschen überwunden. Höchste Weisheit des Menschen ist die Erkenntnis, dass der wissende Mensch zur Natur zurückgekehrt ist. Wenn wir uns weiterhin diesem Bildungsbegriff verweigern, werden wir die Feindschaft zur Natur nie überwinden.

Inzwischen ist die Gesellschaft zerschlagen und paralysiert. Wirtschaft ist eine eifersüchtige Göttin und duldet keine Nebenbuhlerin. Die am schwersten Getroffenen sind die alleinstehenden Mütter, die keine Väter mehr für ihre Kinder finden und von morgens bis abends beim Erziehen ihrer Kinder völlig einsam und allein sind.

Der Staat kommt ihnen scheinbar entgegen, indem er die Kinder in staatliche Kitas lockt. Und das ist die Crux: Kinder dürfen nicht frei entscheiden, sie sollen genötigt werden, ihre lebensnotwendigen Bindungen aufzugeben. . Das Kind passt nicht zum gesellschaftlichen Modell des homo oeconomicus. Es stört und muss beiseite geräumt werden.

„Der Staat schwingt sich damit zu einer Instanz auf, die für sich beansprucht, besser als das Individuum beurteilen zu können, was vernünftig ist und was nicht. Ein wesentliches Charakteristikum der heutigen Sozialpolitik besteht darin, den Eltern die Kompetenz für die Erziehung des Kindes ganz oder teilweise abzusprechen.“(Rainer Stadler, Vater, Mutter, Staat)

In diesem atomisierten System gibt es immer weniger intakte Familien, in denen die herangewachsenen Kinder ihre alten und hinfälligen Eltern betreuen können. Am Anfang und am Ende des Lebens werden die Menschen zu Opfern eines Staates, der hilfsbedürftige Wesen als Last der Gesellschaft betrachtet. Wen wundert es, dass in der Coronakrise vor allem Kinder und Pflegebedürftige die größten Opfer der Lebenseinschränkungen ertragen mussten.

Susanne Beyer hat sich die Frage gestellt, ob die scheidende Kanzlerin eine vorbildliche Feministin war. Da neutrale SchreiberInnen keine Meinung haben dürfen, suchen sie eine kompetente Autorität, die zufälligerweise die Meinung vertritt, die man selbst für richtig hält. Beyer fand diese Autorität in der englischen Althistorikerin Mary Beard, die von ihr zur Lobrednerin Merkels gekürt wird, obgleich die gelehrte Frau sich in krassen Widersprüchen verfängt.

Einerseits: „Sie hat es großartig gemacht. Aber unterschätzen Sie nicht, was Merkel indirekt für die Frauen getan hat, dadurch, dass sie sich so lange an der Macht hielt und sich doch insgesamt bewährt hat.“

Andererseits: „Ich finde das faszinierend, und es besorgt mich auch. Ich kenne Merkel nicht persönlich, mein Eindruck ist aber, dass sie Macht nicht als etwas sieht, was überhaupt weiblich sein kann. Das ist es, was mich besorgt. Macht scheint für sie entweder männlich oder geschlechtslos zu sein. Und sie ist nicht die einzige politische Führungsfigur, die so denkt. Ich finde, das ist eine Schande.“ (SPIEGEL.de)

Solche Widersprüche heben sich gegenseitig auf. Wir hören kein Wort zum Inhalt der Politik Merkels. Wichtig scheint nur die Größe der Macht zu sein, die sich Merkel in genialem Spürsinn zusammengerafft hat. Merkels Größe ist für Beyer die Größe einer Frau, die es zu einem besonders perfekten Mannesverhalten gebracht hat. Der Mann und seine Macht sind die einzigen Kriterien zur Bewertung einer erfolgreichen Frau. Macht war die Erfindung des Patriarchats, die es zum einzigen Gott seines Systems erklärte. Was es im Einzelnen mit dieser Macht realisierte, war belanglos. Das konnte von der Zwangsmissionierung zur Demokratie bis zur Auslöschung ganzer Völker reichen.

Beyer fragt sich nicht, was die Kanzlerin mit ihrer phänomenalen Macht erreichen wollte – und was sie wirklich erreichte. An anderer Stelle versteckt sich Beyer hinter den Geschichtsbüchern der Ewigkeit, in welche Merkel als bewunderte Machthaberin eingehen wird. Welche Geschichtsbücher? Es wird keine mehr geben.

Auch das ist ein Merkmal männlicher Journalisten, sich hinter Autoritäten zu verstecken, um die eigene Meinung nicht vertreten zu müssen. In religiösen Worten: Gottes Gedanken sind höher als eure Gedanken. Geschöpf, stell dein Denken ein, dein Schöpfer kann es besser.

Hätte Beyer den Überblicksartikel ihrer Kollegin Hoffmann über die Außenpolitik Merkels wahrgenommen, hätte sie erstaunt lesen können:

„Merkel ist nach einer Umfrage die vertrauenswürdigste Politikerin der Welt, man nannte sie die Führerin der freien Welt, aber sie wagt es nie, den Wohlfühldiskurs zu verlassen, den die Deutschen so schätzen. Die wichtigste außenpolitische Ansage ihrer Kanzlerschaft macht sie geradezu beiläufig in einem bayerischen Bierzelt. Als wollte sie dem, was sie da sagt, bewusst die Dramatik nehmen: Europa kann sich auf die USA nicht mehr verlassen. Und was sie sagt, bleibt dann auch weitgehend ohne Folgen. Die Konsequenzen aus ihrer Erkenntnis zieht sie nie.“ (SPIEGEL.de)

Niemand ist perfekt. Wenn aber die eigene Tätigkeit nur noch darin besteht, politische Inkompetenz mit unersättlicher Macht zu überdecken, sind Merkels Imitationen zur lächerlichen Kopie männlichen Größenwahns verkommen.

Der Feminismus wird die männlichen Machtzitadellen nur zu Fall bringen, wenn er eine echte Alternative anzubieten hat: die Alternative einer zur Natur heimgekehrten Menschheit.

Fortsetzung folgt.