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Neue Weltordnung

Hello, Freunde der neuen Weltordnung,

Ordnung ist keine Friedensutopie. Auch in Despotien herrscht Zucht und Ordnung. Utopien sind selbstbestimmte Gebilde freier Menschen, Ordnungen werden vorgeschrieben und auferlegt.

War unsere Welt bislang in Ordnung? War die Nachkriegszeit eine intakte Weltordnung? Wie konnte sie zerbrechen, wenn sie intakt gewesen war? War sie nicht intakt, wie konnte sie eine Ordnung gewesen sein?

Zerbrechende Ordnungen entlarven ihre inwendige Unordnung, wenn diese durch Gewalt ins Leben gerufen und mit Macht gestützt waren. Ordnungen müssen zerbrechen, wenn sie nicht das Werk aller Beteiligten sind.

Werden Ordnungen von Mächtigen auferlegt, müssen sie auseinanderbrechen, wenn Knechte gegen ihre Herren rebellieren. Sind Ordnungen machtgesteuerte Zwangsgebilde, keine Früchte freier Übereinkunft, können sie jederzeit auseinanderfallen.

Die Welt ist dabei, sich von übermächtigen Ordnungen zu verabschieden. Allmählich dämmert es dem Menschen, dass er sein Schicksal selbst bestimmen will. Die Weltepochen fremdgesteuerter Zucht und Ordnung sollen zu Ende gehen.

Doch die alten Mächte setzen sich zur Wehr und wollen allmächtig werden. Der Ausgang der Geschichte hängt ab vom Kampf zwischen Autonomie und Fremdherrschaft.

Henry Kissinger, ein Architekt der alten Weltordnung, hat ein Buch geschrieben über die neue Weltordnung, die die Menschheit jetzt in

Angriff nehmen müsse, denn die alte sei in eine Krise geraten. Der Kalte Krieg sei vorbei, die Welt aus den Fugen geraten und Amerika schaue müde zu. Die Nahostregion versinke in Religionskriegen, China wolle Amerika überholen und die führende Weltmacht werden. Bush sei mit seiner Hybris gescheitert und Obama versinke in Lethargie. Doch eine Weltordnung ohne führendes Amerika funktioniere nicht. Und Russland?

«Russlands Politik folgte im Lauf der Jahrhunderte einem ganz eigenen Rhythmus und prägte eine Landmasse, die fast alle Klimazonen und Zivilisationen umfasste. Wenn es notwendig wurde, zog sich Russland auf sich selbst zurück, doch es kehrte stets wieder zurück wie die Flut an der Küste eines Meeres. Obgleich sich die Verhältnisse von Peter dem Grossen bis zu Wladimir Putin veränderten, blieb dieser Rhythmus ungewöhnlich beständig.»

In gewisser Weise eine Antithese zu Rest-Europa: «Alle Eigenschaften Russlands – sein Absolutismus, seine Grösse, seine weltumspannenden Ambitionen und Unsicherheiten – standen dem traditionellen europäischen Konzept der internationalen Ordnung entgegen, das sich auf Gleichgewicht und Beschränkung gründete.» Urteilt der 91-jährige, unter Nixon mächtig gewordene, deutschstämmige Professor für Politikwissenschaft. (Blick.ch)

Wenn Russland der ständige Feind Europas war, wo war da die stabile Ordnung im alten Kontinent? Das erste Feindbild Kissingers ist geortet.

Es ist Russland mit seinem Absolutismus, seiner schieren Größe, seinen weltumspannenden Ambitionen und Unsicherheiten, die mit dem europäischen Konzept des Gleichgewichts und der Beschränkung nicht harmonierten. Dort asiatische Unersättlichkeit und unendliche Expansionslust, hier nüchterne Politik der Selbstbeschränkung und kühles Austarieren des Gleichgewichts.

Schon bleiben die offensichtlichsten Fakten auf der Strecke. Wie konnte, wenn Europa genügsam war, Habsburg ein Weltreich erobern, in dem die Sonne nie unterging? Wie konnte das stolze Britannien zur absolut führenden Macht der Welt werden und das heute noch existierende Britisch Empire gründen?

Im Kalten Krieg verbreitete der Westen die furchterregende Mär vom unersättlich kommunistischen Weltreich, das alle Staaten der Dritten Welt auf seine Seite ziehen wolle. Im Dominoeffekt würden die Drittweltstaaten den illusorischen Verheißungen des Sozialismus verfallen.

Und siehe, Moskau begnügte sich mit dem Aufbau des Sozialismus in einem Land. Es waren zwei russische Offiziere, die einen Dritten Weltkrieg verhinderten. Es war Gorbatschow, der alle materiellen und ideologischen Mauern niederriss und dem Westen eine friedliche Versöhnung anbot, die bis heute von niemandem im Westen ernst genommen wurde.

Da kam Putin wie gerufen, um alle Vorurteile vom metaphysischen Unterschied zwischen Ost und West zu bestätigen. Doch Putin war eine Reaktion auf das unersättliche und weltumspannende Vorherrschaftsstreben Amerikas. Kissinger projiziert die unrühmlichen Eigenschaften des Westens in die unergründliche russische Seele, um niemanden im Unklaren zu lassen, wer die Guten und wer die Bösen sind.

In allen weltgefährlichen Konflikten des Kalten Kriegs waren die Russen diejenigen, die im Zweifel der Stimme der Vernunft folgten. Selbst das Experiment mit dem unwiderstehlich siegenden Sozialismus legten sie ad acta. Aus blanker Notwendigkeit, aber auch aus tief erarbeiteter Einsicht. Wären sie nur äußerlich gescheitert, hätten sie die Welt noch immer in Schutt und Asche legen können, wenn sie mit allen Mitteln eine Niederlage hätten vermeiden wollen.

Nein, Gorbi war ein lernendes System, das die Irrtümer seines totalitären Systems nicht verleugnete und die einzig wahren Schlüsse aus dem Kollaps des Leninismus-Stalinismus zog – die Wandlung zur sozial gerechten und ökologischen Demokratie.

Die Russen zeigten, wozu der Westen bis heute nicht imstande ist. Instinktiv folgten sie dem Motto des athenischen Menschenfängers, dass ein unüberprüftes Leben nicht lebenswert ist. Sie prüften ihr System und siehe, es war nicht lebenswert.

Ohne Blutvergießen, ohne suizidales Alles-in-Stücke-Schlagen gelang es den Russen, einen Kurswechsel aus Vernunft vorzunehmen. Das ist dem selbstherrlichen und unersättlich agierenden Westen bis heute nicht geglückt. Wen wundert es, dass der verblendete Westen die einmalige Korrekturleistung des Ostens mit keinem Jota anerkennen konnte?

Noch immer und in verstärktem Maße verbreitet der Westen seinen anti-asiatischen Mythos vom russischen Bären, der seinen unendlichen Wanst nicht vollkriegen kann.

Wäre Merkel nicht gut beraten gewesen, in aller Öffentlichkeit mit Gorbatschow die jetzigen Spannungen im Ukraine-Konflikt zu besprechen? Stattdessen wählte sie ein duckmäuserisches Treffen im dunklen Winkel der Geschichte. Hatte sie Angst, sich zu blamieren? Hätte sie vor dem greisen Russen nicht bestehen können? Gorbatschow, so ließ sie ihren Gast von ihrem Pressesprecher verbal beerdigen, sei ein Mann der „Zeitgeschichte“. Also reif fürs Mausoleum.

(Einen Tag später geschah das Unfassbare, dass sie als gewählte Kanzlerin sich von einem amerikanischen Privatmann für den deutschen Einsatz gegen Ebola belobigen ließ. Vom reichsten Mann der Welt und Weltmeister in gnädiger Agape, der mit seinen Milliarden die Gesundheitspolitik der Welt im Alleingang bestimmt. Wer einen anderen lobt, stellt sich über ihn, hatte Nietzsche gewusst. Die gewählte Politikerin unterwarf sich dem Urteil eines ungewählten Almosen-Faschisten.

Am Vortag war es ein aufgeblasener Demokratieverächter namens Biermann, jetzt ein politikverachtender Geld-Totalitarist namens Bill Gates. Von Tag zu Tag wird die Tür zum Kanzleramt von Charismatikern und Propheten ein Stück weiter eingetreten.

Wie sehr wir in einer heimlichen Theokratie leben, beweist die Lobrede der SZ auf den neugewählten EKD-Ratsvorsitzenden, der endlich mit neuer Kraft der Politik zeigen könne, wo der Tugendhammer hängt: „Das ist es ja, was diese Kirche an Besonderem einzubringen hat in die Bundesrepublik: Die Politik ist sich selbst nicht die letzte Instanz.“ (Matthias Drobinski in der SZ)

Das Irdische also muss vom Jenseitigen an die Kette gelegt werden. Kirche muss zum „Korrektiv der Politik werden.“. Das geistliche Schwert dominiert das weltliche. Der vollkommene Gottesstaat hat den verrotteten irdischen Staat an die Leine zu legen. Gott und Matthias Drobinski wollen es.)

Warum ist die alte Weltordnung zerbrochen?

„Heute aber drohe das Chaos, in Form der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, sich auflösender Staaten, ökologischer Verwüstung in manchen Landstrichen. «Steuern wir auf eine Zeit zu, in der Kräfte jenseits der Fesseln jeglicher Ordnung die Zukunft bestimmen?»“, fragt der Entwerfer der neuen Weltordnung, dessen Ideal der Westfälische Friede ist. Nach schrecklichen Religionskriegen hatte Europa sich damals auf ein delikates Gleichgewicht der Kräfte geeinigt. „«Eine praktische Aussöhnung mit der Realität, keine besondere moralische Einsicht», skizziert Kissinger den Kern. Bis jetzt bildeten, so der Autor, die Westfälischen Regeln die einzige allgemein anerkannte Grundlage einer globalen Ordnung.“ (RP Online)

Nein, mit Moral und Menschenrechten hat Kissinger nicht viel am Hut. Das zeigte sich an seiner Unterstützung gewisser Diktatoren, auch wenn das Demokratische dabei in Brüche ging. So im Fall Pinochet, eines chilenischen Putschisten und Generals, der den legal gewählten linken Präsidenten Allende in den Selbstmord trieb und das ganze Land dem Hayek‘schen Neoliberalismus unterwarf.

Kambodscha ließ der geborene Fürther völkerrechtswidrig bombardieren. Und was er, selbst jüdischer Abkunft, über russische Juden zu sagen wagte, ist nicht mehr nachzuvollziehen:

„Im Jahre 2010 zur Veröffentlichung freigegebene Tonbandmitschnitte von Gesprächen des US-Präsidenten Nixon, Außenminister Kissinger und anderen offenbarten unsensible (!) Äußerungen Kissingers, der nach einem Treffen mit der israelischen Premierministerin Golda Meir, in denen sie dringend um amerikanischen Druck bat, um mehr sowjetische Juden freizubekommen, zu Nixon gewandt am 1. März 1973 gesagt hatte: «Die Auswanderung von Juden aus der Sowjetunion ist kein Ziel der amerikanischen Außenpolitik. Und wenn sie die Juden in der Sowjetunion in die Gaskammern schicken, ist das auch kein amerikanisches Problem. Es ist vielleicht (!) ein humanitäres Problem»“. (Wiki)

Macht schlägt Moral, das ist die machiavellistische Formel eines Weltordnungsarchitekten, der nicht müde wird, die demokratische Qualität Amerikas zu rühmen: „Als eine Nation, die sich explizit auf freie Wahlen und eine repräsentative Regierungsform berief, verstand die USA ihren Aufstieg als das Ergebnis der Verbreitung von Freiheit und Demokratie und verband beide mit der Verheißung auf einen gerechten und anhaltenden Frieden.“

Gerechtigkeit, Demokratie, Frieden – sind das keine moralischen Qualitäten? Alles schön und gut mit der Moral, würde Kissinger sagen. Was aber wäre Moral, wenn sie nicht von einer Macht geschützt würde?

Gegenfrage: was wären Demokratie und Menschenrechte, wenn Gewalt sie regelmäßig zur Heuchelei verurteilte? Kann Amerika ein demokratisches Vorbild für die Welt sein, wenn seine Macht alle demokratischen Tugenden nach Willkür ad absurdum führt?

Interessanterweise vergibt Kissinger die machiavellistische Rolle an Europa und reklamiert für Amerika ungetrübte Vernunft, Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit:

„Der traditionell europäische Ansatz geht davon aus, dass Menschen und Staaten sich von Natur aus in einer Konkurrenzsituation befinden. Um die Folgen ihrer widerstreitenden Interessen auszugleichen, setzte Europa deshalb auf ein ausbalanciertes Gleichgewicht der Kräfte und eine Kooperation visionärer Staatsmänner. Die vorherrschende amerikanische Sicht ging dagegen davon aus, dass die Menschen von Natur aus vernünftig handeln und grundsätzlich zu einem friedlichen Kompromiss und Konsensfindung bereit sind; das überragende Ziel einer Weltordnung war deshalb die Verbreitung der Demokratie.“ (WSJ)

Ausgerechnet die Nation mit der schärfsten Darwin‘schen Selektion setzt auf Vernunft und Konsens? Dann muss es wohl Konsens mit den Schwachen sein, dass sie am Rande der Gesellschaft dahinsiechen dürfen.

Europa hingegen setzt mehr auf soziale Marktwirtschaft, denn auf bedingungslose Konkurrenz. Da muss Helmut Schmidt seinem besten Freund Kissinger nicht das Allerbeste über das soziale Konsensbemühen der Bonner Republik erzählt haben.

Man höre und staune: Idealismus soll der Kern der amerikanischen Weltpolitik sein, während Europäer sich mit dem pragmatischen Ausgleich der Kräfte begnügt haben sollen. Dass Europa sich bemüht, mit der EU nationale Grenzen zu überwinden, scheint den Weltstrategen nicht zu beeindrucken:

„Europa ist aufgebrochen, Staatlichkeit zu überwinden und eine Außenpolitik zu machen, die allein auf sanfter Gewalt beruht. Aber es ist zweifelhaft, dass ein Anspruch auf Rechtmäßigkeit, der unabhängig von einem strategischen Konzept auftritt, in der Lage ist, eine Weltordnung zu stützen. Europa hat sich überdies noch nicht die Attribute von Staatlichkeit gegeben, was intern zu einem Machtvakuum führen kann und zu Ungleichgewichten der Macht an seinen Grenzen.“

Hier wirft Kissinger Europa gerade das Fehlen einer kohärenten Machtpolitik vor. Was nützen Ansprüche auf Rechtmäßigkeit, wenn sie nicht von strategischen Konzepten begleitet werden?

Amerika jedenfalls muss an seinen idealen Zielen festhalten: „Eine Weltordnung von Staaten, die die Würde des Menschen ebenso anerkennt wie die partizipatorische Demokratie und auf internationaler Ebene eine Kooperation auf Basis vereinbarter Regeln propagiert, kann unsere Hoffnung und sollte unser Antrieb sein.“

Hat Kissinger sich nie die Frage gestellt, warum Amerika in der Welt immer mehr gehasst wird? Warum sein mächtiges Amerika als Inkorporation der Heuchelei empfunden wird? Macht und Moral scheinen für Kissinger zwei unverträgliche Gesellen zu sein, obgleich er ständig versucht, sie zwanghaft zu verkoppeln.

„Für die USA erfordert all dies ein Denken auf zwei sich scheinbar widersprechenden Niveaus. Die Feier der universalen Prinzipien muss gepaart werden mit der Anerkennung der Realitäten. … Zugleich gibt es keine Garantie für den Erfolg von noch so erhabenen Überzeugungen, wenn sie nicht von einer umfassenden geopolitischen Strategie flankiert werden.“

Niemand verlangt von Amerika, eine pazifistische Nation zu werden. Es ist aber ein kleiner Unterschied, ob ich mein Territorium verteidige – oder die ganze Welt im Namen phrasenhafter Demokratisierung als mein Dominium betrachte.

Dreh- und Angelpunkt der Fehleinschätzung Kissingers ist die Idolisierung des Kapitalismus, der als freier Markt die Welt miteinander versöhnen könne: „Freie Märkte erlauben aus dieser Sicht dem Individuum einen gesellschaftlichen Aufstieg, machen Gesellschaften wohlhabend und ersetzen traditionelle Rivalitäten durch wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten.“ (Alle vorigen Zitate aus WSJ)

Das genaue Gegenteil ist wahr. Für Adam Smith war wirtschaftliche Verflechtung der Nationen auf gleicher Augenhöhe noch ein probates Mittel, den Völkern Frieden zu bringen. Doch gnadenlose Konkurrenz und das riesige Ungleichgewicht miteinander ringender Wirtschaftsmächte haben die beschädigende Rivalität zum Exzess gebracht. Die Globalisierung der Wirtschaft war eine zweite Kolonisation mit ehrbar scheinenden, aber unfairen Mitteln.

Kissingers Amerika und der Westen sind unfähig, die Wirkung ihrer selbstgerecht daherkommenden Doppelmoral auf die Völker auch nur von weitem zu ermessen. Noch immer fühlen sie sich als Wohltäter der Welt – und die Welt antwortet in hämischer Undankbarkeit.

Dass Eigenwahrnehmung und Fremdwahrnehmung völlig auseinanderklaffen können, das ist westlichen Siegern der Heilsgeschichte noch nicht gekommen. Sie sind unfähig, sich die einfache Frage zu stellen: Welt, siehst du uns so, wie wir uns sehen – oder wenn nicht, warum nicht?

Amerika, so Kissinger, habe weiterhin die Führungsrolle zu spielen, „nicht als moralisierender Weltpolizist, wohl aber als hart kalkulierende Großmacht, die in Absprache mit anderen handle, in aller Regel mit Verbündeten, hier und da auch mit Rivalen.“ (RP)

Was ist eine Weltmacht mit idealistischem Anspruch, wenn sie Moral ihren machtpolitischen Interessen nach Belieben opfern darf? Demokratie ist politisch gewordene Moral oder sie ist keine. Demokratie ist Gleichwertigkeit der Menschen und Völker. Wie passt moralische Gleichheit zur amerikanischen Auserwähltheit?

Auch Madeleine Albright sprach von der „unverzichtbaren Nation, nicht stark genug für Alleingänge, wohl aber der wichtigste Garant des internationalen Systems.“

Sind alle anderen Nationen verzichtbar, wenn Amerika als einziger Staat unverzichtbar sein soll? Hier besitzt das amerikanische Selbstbewusstsein einen tiefen schwarzen Fleck. Hier sind die Unverzichtbaren auf ewig von den Verzichtbaren getrennt.

Die Welt ist nicht very amused über einen anmaßenden Koloss, der sie ungefragt zum Glück treiben will, indem er ihr so nebenbei erklärt, es ginge auch ohne sie.

Dabbelju Bush hat die Welt mit brachialer Gewalt überzogen. Obama spielt die Rolle des Zögerlichen. Beide Rollen sind unglaubwürdig. Auch der Zögerliche ist nicht wahrhaft daran interessiert, mit der Welt einen Dialog auf gleicher Augenhöhe zu führen, um zu erforschen, wie verzichtbare und nicht verzichtbare Nationen sich eine sinnvolle Weltordnung vorstellen.

Wie klang das noch völlig anders, als George Bush sen. im Jahre 1990 eine neue Weltordnung verkündigte:

„Wir erleben heute einen einzigartigen und außergewöhnlichen Moment. So ernst die Krise am Persischen Golf ist, so bietet sie zugleich die Gelegenheit, zu einer Periode der Zusammenarbeit zu gelangen. Aus diesen schwierigen Zeiten kann unser fünftes Ziel – eine neue Weltordnung – hervorgehen: eine neue Ära – freier von der Bedrohung durch Terror, stärker im Streben nach Gerechtigkeit und sicherer in der Suche nach Frieden. Eine Ära, in der die Völker der Welt, Ost und West, Nord und Süd, prosperieren und in Harmonie leben können. Hundert Generationen haben nach diesem schwer zu fassenden Weg zum Frieden gesucht, während Tausend Kriege in der Zeitspanne menschlichen Bemühens wüteten. Heute ringt diese neue Welt um ihre Geburt, eine Welt die anders ist, als die, die wir bisher kannten. Eine Welt, in der die Herrschaft des Rechts die Herrschaft des Dschungels ersetzt. Eine Welt, in der die Völker die gemeinsame Verantwortung für Freiheit und Gerechtigkeit erkennen. Eine Welt, in der der Starke die Rechte des Schwachen respektiert. Das ist die Vision, die ich mit Präsident Gorbatschow in Helsinki geteilt habe. Er und andere Führer Europas, am Golf und auf der ganzen Welt verstehen, dass die Art und Weise, wie wir heute diese Krise lösen, der Zukunft kommender Generationen ihre Gestalt geben könnte.“ (Wiki)

Was unterscheidet diese Weltordnung von der des Henry Kissinger? Die Überzeugung, dass die Völker gemeinsame Verantwortung für Freiheit und Gerechtigkeit tragen und der Starke die Rechte des Schwachen zu respektieren habe.

Das wäre das Ende der amerikanischen Privilegiertheit. Zugleich das Ende der amerikanischen Zwangsbeglückung der Welt, die nichts anders will, als der eigenen Nation Macht, Reichtum und Glorie zu sichern.

Man spürt in jeder Zeile: an diesen Visionen war ein Mann namens Gorbatschow beteiligt. Während eines kleinen Zeitfensters war eine verheißungsvolle Weltordnung in Sicht.

Das Weltreich, das sich Gottes eigenes Land nennt, wird sich unter Gleichberechtigten keine egozentrischen Solotouren mehr erlauben. Niemals kann es eine Weltordnung mit gnadenloser Konkurrenz und endlos begierigem Kapitalismus geben.

Die neue Weltordnung, die mehr sein will als äußerliche Ordnung, muss von der gesamten Menschheit durchdacht und erarbeitet werden.