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Neubeginn

Hello, Freunde des Neubeginns,

Krieg ist Frucht eines Friedens, der keiner war. Wir müssen von vorne beginnen. Nicht in der Illusion einer unbeschriebenen jungfräulichen Seele. Von vorne beginnen heißt, das Alte durchdringen, Irrtümer entdecken und die Gleichungen des guten Lebens erneut Punkt für Punkt durchrechnen – das Gegenteil von neu erfinden, das jeden Tag das Alte und Verhängnisvolle neu präsentiert.

S‘ist wieder Krieg und wir wollen endlich wieder schuldig sein. Schuld und Sühne – auf diesen psychischen Zweitakter sind wir abonniert. Schuld und Sühne, das befreit uns, das macht lebendig. Das ist das Bad der Wiedergeburt, die seelische Runderneuerung, die uns das Gefühl des Vitalen, Urlebendigen vermittelt. Vor der Sühne, der Tiefenreinigung unserer Seele: die notwendige, unersetzbare, die köstliche Schuld.

Leben heißt schuldig werden. Kommt Krieg, kommt Metaphysik. Die Metaphysik der cleveren Kerlchen, die sich im Leben auskennen:

„Wer nach dem Mauerfall vom ewigen Frieden in Europa träumte, der wurde schon ein paar Mal eines Besseren belehrt. Der Krieg im Osten der Ukraine ist deswegen nur eine weitere Mahnung, dass Friedfertigkeit nicht unbedingt der Naturzustand der Menschheit ist, auch in Europa nicht. Wer Frieden bewahren oder

schaffen will, der muss sich stets um ihn bemühen. Es muss seine friedfertigen Absichten klarmachen, seine politische Überlegenheit und Geschlossenheit demonstrieren und natürlich auch dies: militärisch vorbeugen, abwehrbereit sein, abschrecken.“ So Stefan Kornelius in der SZ.

So einfach ist es, Kant zu widerlegen. Kornelius sollte Ordinarius für praktische Philosophie an einer deutschen Elite-Universität werden. Wie widerlegt man alle heidnischen Philosophien, die es wagen, der unfehlbaren Offenbarung zu widersprechen, der Mensch sei eine sich selbst verschlingende Bestie?

Bleib mir weg mit Argumenten. Da muss mit dem praktischen Hammer philosophiert werden. Man sorge für einen Feind, zettele einen Krieg an, erwecke den Eindruck, der Feind habe den Krieg begonnen – schon hat man einen gerechten Krieg, alle Priester klatschen in die gesalbten Hände, fallen auf die Knie und beten für die Guten und Erwählten.

Gott mit uns, steht auf dem Koppel ihrer rechtwinkligen Glaubenskrieger – heute in unsichtbaren Lettern, man lernt schließlich aus der Geschichte. It‘s religion, stupid! Interessen bestimmten die Politik, nicht Religion?

Religion, oh mein Freund und Kupferstecher: das ist das Ur-Interesse, das General-Interesse des Menschen, des christlichen, aller heidnischen Welt überlegenen Menschen. Kann es ein dringlicheres Interesse geben als das Heil der Seele in alle Ewigkeit?

Krieg ist der Beweis, dass Gott noch im Regiment ist. Krieg ist Überlegenheit über einen verfaulten Frieden. Krieg, das ist Ansporn, Risiko, Stahlgewitter. Krieg, das ist challenge und response. Krieg, das ist Kultur. Krieg ist männlich.

„Im Felde, da ist der Mann noch was wert,
Da wird das Herz noch gewogen.
Da tritt kein anderer für ihn ein:
Auf sich selber steht er da ganz allein.“

Krieg ist Kultur? Sind das nicht Gegensätze? Nur für Verwöhnte und Verweichlichte.

Die Deutschen verehren einen der Ihren als Nobelpreisträger für Literatur, der seinen Landsleuten die folgenden Worte in die Seele schlug wie Michelangelo seinen Meißel in den weißen Marmor von Carrara:

„Kultur ist offenbar nicht das Gegenteil von Barbarei; sie ist vielmehr oft genug nur eine stilvolle Wildheit. Kultur ist Geschlossenheit, Stil, Form, Haltung, Geschmack und sei das alles auch noch so abenteuerlich, skurril, wild, blutig und furchtbar. Kultur kann Orakel, Magie, Päderastie, Vitzliputzli, Menschenopfer, orgiastische Kultformen, Inquisition, Autodafes, Veitstanz, Hexenprozesse, Blüte des Giftmordes und die buntesten Greuel umfassen.“

Diese Zeilen sind genau 100 Jahre alt. Was sind 100 Jahre? Vor Gott sind 1000 Jahre wie ein Tag, für seine gottähnlichen Anbeter wie ein Wimpernschlag.

Komme mir keiner und sage, das war der frühe Thomas Mann, der hier seine „Gedanken im Kriege“ formuliert habe. Er habe nur seine Gedanken verändert, nicht seinen Sinn, hat er seine spätere Konversion (die ohne den Druck seiner beiden Kinder Klaus und Erika nie stattgefunden hätte) verteidigt.

Das gilt für das gesamte heutige Feuilleton, das bis vor kurzem alles Moralisieren im Namen der Vernunft für totalitär hielt. Jetzt haben sie erreicht, was sie wollten: einen herrlich numinosen, irrationalen, vernunftfreien, amoralischen Krieg. Entweder lamentieren sie mit Matthias Claudius: s‘ist Krieg und ich will nicht schuld daran sein oder sie sind unter die forschen NATOkrieger gegangen wie Stefan Kornelius und rüsten zum heiligen Feldzug gegen lupenreine Kosaken, Lügenmäuler und Haudraufhelden.

Wer waren die absoluten Feinde des kriegsbegeisterten Thomas Mann – der nie ins Feld ziehen musste und seinen Kriegsdienst mit Pantoffeln am Schreibtisch absolvierte?

Die Freunde der „Zivilisation“, sprich der Vernunft und Demokratie. Vernunft ist genielos – heute würde man von unkreativ sprechen. Kultur, das sind dämonische Leidenschaften.

„Zivilisation aber ist Vernunft, Aufklärung, Sänftigung, Sittigung, Skeptisierung, Auflösung“. Wer will schon Auflösung? Was Thomas Mann Sänftigung, Sittigung nannte, wird von heutigen Moral- und Vernunftfeinden Gutmenschentum genannt. Das ist die Metaphysik der wilden Kerle – doch wehe, die Polizei schützt sie nicht vor stinkenden Bettlern, die es wagen, sie um einen Groschen anzusprechen.

Kultur ist – nach echter deutscher Weise – „Ausströmung einer tieferen, dunkleren und heißeren Welt“: nichts für geistig-vernünftige Weicheier. Moral ist für Kinder und Gesindel. Wer auf sich hält, kokettiert mit dem Teufel, den er gutgebildet Mephisto nennt, damit er sich als faustische Urnatur präsentieren kann. Ein deutscher Edelschreiber greift dem Bösen furchtlos in den Rachen.

Diese Einstellung einer cultura militans, nur echter Männer würdig, nannte man einst Deutsche Bewegung. Kein Edelschreiber hat die leiseste Ahnung, was eine Deutsche Bewegung ist und in wie vielen Strömungen sie in die Ausgießung des Heiligen Geistes im Dritten Reich mündete. Beruhigt kann man sich in die Tasche lügen, dass Geschichte sich nicht wiederholt.

Aus einem Fragebogen vor 100 Jahren mit der Überschrift „Erkenne dich selbst“, von Thomas Mann ausgefüllt:

„Lieblingsheld in der Geschichte? Christus.

Lieblingsheldinnen der Geschichte? Habe ich nicht.

Welche Fehler würdest du am ersten entschuldigen? Die positiven!!!

Deine unüberwindliche Abneigung? Kant, der kategorische Imperativ.“

Welch Zufall, dass Stefan Kornelius den ewigen Frieden Kants mit Putins freundlicher Assistenz an der tiefsten Stelle des Flusses versenkt. Welch Zufall, dass Ayn Rand, amerikanische Hohepriesterin des Neoliberalismus und angebetetes Vorbild von Alan Greenspan, Kant am meisten hasst.

Gab es vor kurzem keine Päderastiewelle in deutschen Landen? Im Odenwald-Institut pflegte Becker, der Oberpäderast, die Neuankömmlinge mit dem verheißungsvollen Motto zu begrüßen: Hier im Odenwald-Institut ist alles erlaubt. Das war Thomas Mann-Kultur vom feinsten.

Warum ist die Aufklärung dieses Skandals bis heute nicht geglückt? Weil es ein Zeichen höchster deutscher Kultur ist, mit Eleven, die man zur Kultur der Edlen erziehen will, päderastische Orgiasmen zu feiern. Da war erlesenste deutsche Protestantenkultur am Werk, die noch weiß, dass zu den Privilegien der Erwählten und Altwandervögel die Antinomie gehört, die Freiheit von der Spießermoral.

Das Schimpfwort Gutmenschen, nein, das lassen sich hochkulturierte Stefan George-Jünger in bester lutherischer Tradition von niemandem nachsagen. Da soll es noch immer Naivlinge geben, die die deutsche Kultur für eine moralische halten. Ein echter deutscher Mann tritt im Jüngsten Gericht vor seinen Richter und sagt erhobenen Hauptes: Jawoll, mein Gott und Herr, ich habe gesündigt und gesauigelt – ganz wie du es deinen Jüngern eingeräumt hast – nun vergib, wie du verheißen hast: sündiget tapfer, nur glaubet.

Wozu bräuchten wir dich, oh Erhabener, wenn nicht zur Sühne und Vergebung unserer Schweinereien? Schnöde Moral ist für Heiden, die sich einbilden, sie könnten ihre läppischen Regeln einhalten und bräuchten keine Heilande und Vergeber ihrer bankrotten Vernunft.

Wie oft betonten die deutschen Medien, wir lebten in der längsten Friedenszeit der deutschen Geschichte. Oh nein, nicht im Ton eines selbstbewussten Stolzes. Anfänglich klang das wie: haben wir den Frieden verdient? Und in der letzten Zeit: langsam wird er lästig, dieser vermaledeite Frieden. Hört er denn nimmer auf? Hurra, wir haben‘s geschafft, wir haben uns wieder einen bewährten Feind aus den Rippen geschnitten, der wie eine Eins funktioniert.

Ist Putin ein schlitzohriger Macho? Vor allem ist er ein Vollpfosten, der genau die Rolle spielt, die der Westen ihm zugedacht hat. Das Reich des Bösen, hurra, ist wieder restauriert, die ekelhafte Gorbatschow-Phase vorüber.

Man stelle sich einmal vor, Gorbatschow wäre es gelungen, seinen Vielvölkerstaat in einen Musterstaat von Freiheit, Gleichheit, in eine Synthese aus Sozialismus und Kapitalismus, in eine ökologisch vorbildliche Demokratie zu verwandeln? In eine Republik, die im Einklang mit der Menschheit ihr Schicksal selbst bestimmt – ohne klerikales Winseln zum Himmel und ohne Selbsterniedrigung in den Staub der Erdenversager? Dann wäre Russland heute der Augapfel der Weltgemeinde, der Mittelpunkt der Weltpolitik.

Das musste mit allen Mittel verhindert werden. Da wurden die besten PR-Genies angeheuert, die hinterfotzigsten Undercoveragenten in die gefährdetste Nachbarrepublik eingeschleust. (Jarzeniuk ist unser Mann, wurde ein CIA-Telefongespräch abgehört. Wie viele Blackwater-Agenten treiben sich im Untergrund herum? Wie viele McCains kamen nach Kiew, um den Freiheitskampf eines tapferen Volkes in die rechten Wege zu leiten? Wie viele Milliarden Dollars strömten ins Land, um die gefügigsten Schreihälse und Marodeure an die effektivsten Schaltstellen zu kriegen? Davon spricht im Westen niemand.)

Doch, es spricht jemand: nämlich Ray McGovern, ein ehemaliger Geheimdienstler der CIA, der – zusammen mit gleichgesinnten Kollegen – in einem offenen Brief den Westen davor warnt, dieselben Fehler wie im Irakkrieg zu wiederholen, als die Weltöffentlichkeit mit Hilfe einer völlig angepassten Presse – vor allem der New York Times, der „weltbesten Gazette“ – schamlos angelogen wurde. Der damalige Lügenschreiber der New York Times ist beileibe nicht mit Schimpf und Schande davon gejagt worden. Im Gegenteil, er produziert an alter Stelle die allerneusten Lügenmärchen im Auftrag Obamas und seines gnädigen Gottes. Man höre und staune: McGovern bezweifelt, dass der Westen überhaupt noch eine freie Vierte Gewalt besitzt:

„Das funktioniert deshalb, weil wir in den USA eine kontrollierte Presse haben, auch in Großbritannien verhält es sich so. Im Falle Deutschlands bin ich mir diesbezüglich nicht so sicher, aber auch hier in den Medien stelle ich eine große Unterstützung für eine Politik fest, die Putin verteufelt und die die Konfrontation sucht. Die Medien funktionieren nicht mehr im Sinne einer Vierten Gewalt. Und das ist die größte und auch gefährlichste Veränderung, die ich während meiner 51 Jahre in Washington erlebt habe: Wir haben keine freie Presse mehr.“ (Ray McGovern im „Hintergrund“)

Wir haben keine freie Presse mehr. Die Tagesschreiber gebärden sich wie Eintagsfliegen, die in kollektiver Erblindung keine Vergangenheit und keine Ursachen kennen, die die Gegenwart in langer Vorbereitungszeit ausgebrütet haben. „Wer nicht von 3000 Jahren sich weiß Rechenschaft zu geben, bleib im Dunkel unerfahren, mag von Tag zu Tage leben.“ (Goethe)

Alles dackelt hinter Obama und Merkel her. Die Kanzlerin gibt ständig damit an, im Gespräch mit dem Bösewicht zu sein. Doch was sie am Telefon sagt, was der Bösewicht antwortet – kein Kommentar. Nur die psychiatrische Sottise ist zu hören, Putin lebe in seiner eigenen Welt.

Wer hierzulande in seiner eigenen Welt lebt, ist ein autistischer Psychopath, ein Breivik-Amokläufer und müsste schleunigst hinter Gitter. Es geht ja nicht nur um Putin, es geht um das russische Volk, das zu 80% zu Putin hält. Alles Psychopathen?

Sag Merkel, meinst du das? Dann sag es klar und deutlich. Du sagst dann nämlich nichts anderes als: die Russen sind in einer Kollektivpsychose wie einst deine deutschen Vorfahren. Dann wäre Putin nicht weniger gefährlich als die ISIS-Gotteskrieger, die offenbar vor den schlimmsten Verbrechen nicht zurückscheuen. Meinst du das wirklich, oh engelgleiche Pastorentochter?

„Was die jüngsten Ereignisse in der Ukraine betrifft und die angebliche „Invasion“ durch Russland, dann muss ich sagen, dass die vorgelegten diesbezüglichen Beweise in den Augen eines jeden professionellen Geheimdienstmitarbeiters nur als peinlich zu bewerten sind. Es ist schon als empörend zu bezeichnen, wenn mit den veröffentlichten unscharfen Satellitenbildern belegt werden soll, dass Russland Panzer und Artillerie in die Ukraine sendet. Wenn Russland das getan hätte, dann würden die USA und auch Deutschland über wesentlich bessere Beweise verfügen.“ So McGovern, ein Amerikaner aus ähnlichem Schrot und Korn wie Snowden.

Von solchen Amerikanern können wir noch lernen, wie man Demokratie buchstabiert. (Die Uni Rostock wollte Snowdon einen Ehrendoktortitel verleihen. Von oberer Stelle wurde die „amerikafeindliche“ Aktion verboten.)

Welches Fazit zieht McGovern, welchen Rat gibt er Merkel und allen Deutschen?

„So schonend wie möglich sagen wir in unserem Brief an die Kanzlerin: „Frau Merkel, beenden Sie Ihre unterwürfige Haltung gegenüber den USA, der Zweite Weltkrieg ist schon lange vorbei! Werden Sie erwachsen!“. Würde die Kanzlerin eigenständiger handeln, sie wäre überrascht, auf wieviel Zuspruch sie dabei in der Bevölkerung in Deutschland stoßen würde“.

Der Ratschlag: werdet erwachsen, ihr Deutschen, gilt übrigens nicht nur für das unterwürfige Verhältnis zu Amerika, sondern auch für das prinzipienlose und doppelzüngige Verhalten zu Israel. Die deutschen Lammerts halten gerne Schaufensterreden über Demokratie und universelle Menschenrechte – und verleugnen dieselben in ihrer kriecherischen Haltung gegenüber Netanjahu und der ultrareligiösen Politik in Jerusalem.

Deutschland ist zum Kriecherstaat geworden und gebärdet sich, als habe Frau Käßmann im Gefolge Martin Luthers die Menschen- und Völkerrechte erfunden. War es Nietzsche, der das Wort deutsch von tiuschen, dem germanischen Wort für täuschen ableitete?

Amerika – nicht das Amerika Snowdons, McGoverns und ihrer aufrechten Demokratenfreunde –, sondern das Amerika der neucalvinistischen Weltherrschaft, duldet keinen Staat, der die einstige Demokratie Nummer Eins in den Schatten stellen könnte. Schon gar nicht, wenn er zuvor von neoliberalen Hohepriestern wie Ronald Reagan zum Reich des Bösen erkoren wurde.

Einmal böse, immer böse. Das Böse ist, in den Augen der Rechtgläubigen, nicht wandlungs- und nicht lernfähig. Es ist irreparabel und bleibt irreparabel. In den Augen des Weißen Hauses machte Gorbatschow den nicht zu vergebenden Fehler, dass er das Reich des Bösen in einen Musterstaat des Guten verwandeln wollte. Das musste mit List und Tücke verhindert werden.

(Als Gorbatschow zum ersten Mal in Kanada war, wurde im Radio die Nachricht verbreitet, er sei über Nacht gestorben. In einem Interview musste er die Frage beantworten, ob es stimme, dass er zur CIA gehöre. Antwort: Ja. Frage: Aus welchem Grund? Antwort: Der CIA bezahle gut. Danach drehte sich Gorbatschow um und ging. Schmierenmethoden westlicher Schlapphüte und bezahlter Medien, um unerwünschte Personen madig zu machen.)

Schon in den ersten atomaren Abrüstungsgesprächen leistete Reagan enormen Widerstand. Mit aller Gewalt wollte er verhindern, dass das Image des russischen Bösen sich in der Weltöffentlichkeit ins lichte Gegenteil verändern könnte. Weit davon entfernt, auf Erden abzurüsten, wollte der Hollywood-Mime sogar den Weltraum mit atomaren Waffen bestücken.

Als später Jelzin die Bühne der Weltpolitik betrat, gab es in Washington sofort ein ausgesprochenes Fanlager für den polternden Rivalen Gorbatschows, der als populistischer Radikaldemokrat begann und als alkoholisierter Neoliberaler den Milliardären Tür und Tor öffnete.

„Die CIA war ein klarer Anhänger Jelzins“, schrieb Robert M. Gates. Die Gründe waren: Jelzin plante die Aufteilung und Auflösung der Sowjetunion und die Einführung eines unregulierten freien Marktes in Russland. Das entspräche, so die CIA, den nationalen Interessen der USA eher als die Pläne Gorbatschows, den staatlichen Sozialismus in eine regulierte Marktwirtschaft umzuwandeln.

Von der CIA stamme wohl auch, schreibt Gorbatschow, die Deutung des Endes des Kalten Krieges als Sieg des Westens über den Osten. Ab jenem Moment begannen die Amerikaner sich wie die Sieger der Weltgeschichte zu gebärden. Ganz nach dem Prinzip: „Die Sieger werden nicht vor Gericht gestellt.“ Der Weg war frei für amerikanische Völkerrechtsverletzungen nach der altruistischen Devise, Demokratie in der Welt zu verbreiten.

Der kurze Überschwang einer pax americana musste schnellstens ausgetreten werden zugunsten der alten Devise: Das neue Kanaan regiert die Welt. Jelzin konnte seine kriminelle neoliberale Schocktherapie ungehindert durchführen. Die völlig unerfahrene russische Bevölkerung verfiel in Schockstarre – und machte Gorbatschow, nicht Jelzin, zum Alleinschuldigen des nationalen Verfalls.

Genau dies lag im Interesse des Westens, der seine ökonomische Expansionspolitik durch nichts und niemanden bremsen lassen wollte. Putin ist der Affe Jelzins und des Westens, der das gesamte Erbe der Perestroika auf dem Schnäppchenmarkt verhökert und den westlichen Mammonismus bis aufs I-Tüpfelchen imitiert. Das betrogene russische Volk hat auf allen Ebenen das Nachsehen.

Die mit Händen zu greifende Perspektive einer friedlichen, gerechten und ökologischen Menschheit, die von Gorbatschow tatkräftig unterstützt wurde und in aller Welt Anklang fand, wurde auf Treiben des naturfeindlichen und klerikalisierten Westens begraben.

Der Krieg und die Metaphysik der Menschenfeinde: sie haben uns wieder.