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Mittwoch, 01. August 2012 – Anonymus Iamblichi

Hello, Freunde der Pferde,

Zu Prantl:

„Scheiße, Prantl! Scheiße!

So die TAZ zur SZ-Reportage-Affäre.


Zu Olympia:

„Über uns lachen,

schon die Ka-sachen.“   

BILD vor Gold.

 

„Ihr seid Pferde. Ihr seid anders als die Versager im Schwimmbecken.

Pferde können rundum sehen, weil ihre Augen seitlich am Kopfe sind.

Pferde können ihre Ohren nach jedem Geräusche ausrichten.

Pferde sind Instinkt-Tiere. Pferde hören, sehen die Gefahr.

Pferde sind keine Grübler. Pferde sind Pferde.

Sie springen höher, galoppieren schneller.

Sie machen es besser. Pferde sind Tiere der Freiheit.“     

BILD nach Pferde-Gold in Engeland.

 

„Pferde sind Tiere der Freiheit – in Verantwortung.“    

Bundespräsident Gauck

 

„Gib mir deine weiße Hand, deine weiße Hand,

Leb wohl mein Schatz, leb wohl mein Schatz,

Leb wohl, lebe wohl mein Schatz,

Denn wir fahren, denn wir fahren.

Denn wir fahren gegen Engeland.

Unsere Flagge und die wehet auf dem Maste,

Sie verkündet unsres Reiches Macht,

Denn wir wollen nicht länger leiden,

Dass der Englischmann darüber lacht.  

Hermann Löns 1866 – 1914

Die Hand der Liebsten muss weiß sein, von der man scheidet. Gibt es ein Volk in der Welt, das so fröhlich- herzzerreißend scheiden kann wie die Deutschen? Am liebsten von der Liebsten?

Ach, es kann nichts Schöneres geben, als von der Liebsten betrauert zu werden, wenn man als fahrender Held in der Tiefe des kühlen Ozeans ruht. Sie klumpen oder sie trennen sich. Am besten für immer im Tod. Sind sie nicht in den Tod als Orgasmus des Lebens verliebt?

Nach dem Krieg taten sie, als hätten sie sich vom Liebestod abgewandt und seien glücksfähig geworden, Glück nannten sie fun. Spätestens mit 9/11 war der fun vorbei. Er war ohnehin schon unerträglich und langweilig geworden.

Jetzt beginnt wieder die Hochzeit der beglückenden Schmerzen. Echte Kerle müssen was aushalten können, vom Einsatz am Hindukusch über gottgewollte Verstümmelung bis zum unerbittlichen Ausleseslalom in Karriereetagen. Gelobt sei, was hart macht. Bayreuth, der grüne Tempel der Gralsucher, wird von Eliten überflutet.

„Heute wollen wir ein Liedlein singen,

Trinken wollen wir den kühlen Wein,

Und die Gläser sollen dazu klingen,

Denn es muss, es muss geschieden sein.“    

Löns, erster Vers

„Jetzt bin ich mal weg.“ Schnell sind sie weg, die stolz sind auf ihr Vaterland. Pensionäre gehen nach Mallorca, Jungforscher nach Amerika, Unzufriedene nach Kanada und Australien. Auf Schwarz-Rot-Gold dürfen sie wieder stolz sein.

Aber dürfen sie auch stolz sein auf ihre Demokratie? Schnell sind sie weg, wenn’s um die Verteidigung der Demokratie und des allgemeinen Rechts geht. Wie atmeten sie auf, als Gott-mit-uns-Schergen sie von der Last der Demokratie befreiten. Wie erleichtert atmen sie heute auf, wenn sie in die Tiefen göttlicher Worte abtauchen können, in die unausdenkbare, vom kopfgesteuerten Grübeln nicht erfassbare Tradition des Numinosen.

Novalis, ein Adliger – Friedrich von Hardenberg – wollte weg von der Moderne mit ihren revoltierenden Völkern, der Selbstbestimmung des Pöbels und den Anfeindungen des heiligen Königspaares. Er wollte zurück ins Mittelalter. Da sah er seine Utopie als „poetisiertes Christentum“ realisiert.

Da sah er, was heutige Taucher in den unberührbaren Tiefen der Tradition suchen: die Liebe zur zeitlosen Religion, die Heiligenverehrung (heutige Heilige sind die Großen der Tradition, die nicht mehr kritisiert werden können, von Goethe über Hegel, Nietzsche bis Heidegger: sie waren die besten Demokraten, die klügsten Geister, die hehrsten Vorbilder. Tradition muss auf den Knien der Bildung angebetet werden), der Reliquienkult (heute der heilige Rock in Trier), die Wallfahrten (heute die endemischen Pilgerschaften auf dem Jakobsweg) und die päpstliche Zensur (heute die Macht der Kirchen, der frömmelnden Intellektuellen und die Forderung nach Blasphemiestrafen).

Postmoderne Beliebigkeit und schnell wechselnde Modebesoffenheit der Zeitgeister scheinen sich von hinten her aufzufressen. Sie sehnen sich nach zeitloser, unbestreitbarer und autorisierter Wahrheit. Da gibt es nichts Besseres im Angebot als exquisite Offenbarungen, die mit einem Basta quittiert werden.

Der Gläubige glaubt, sagte Feridun Zaimoglu, und also Basta. Das Recht wird noch immer von denen bestimmt, die ihren Server im Himmel haben. Aufklärer-Wildschweine haben hier nicht mitzureden.

In Novalis‘ katholische Theokratie kam der Wurm, als das Hochmittelalter durch die Frührenaissance angekränkelt wurde, die Geistlichen nicht mehr alleinige Wissende waren und die Gelehrsamkeit zu den Laien wanderte.

Heute werden die Laien wieder entmündigt durch vielfältiges Expertenlatein: die Spezialsprachen der Wissenschaften, des Rechts, der Politik und des manieristischen Feuilleton. Es gibt Millionen funktionaler Analphabeten, die mühsam Buchstaben entziffern, aber nicht lesen können, geschweige einen Text verstehen.

Es gibt noch mehr funktionale Gebildete, die nicht mal verstehen, was sie selber schreiben. Sie können Komplexität, Postmoderne, Merkur und Gehirnforschung flüssig deklamieren, verwechseln aber Standhaftigkeit mit Dogmatismus und Zeitgeistanpassung mit Lernen.

Im Bereich des Glaubens muss nicht mehr gestritten werden, hier kriegt man gesagt, was gut und böse ist. „Mensch, es ist dir gesagt, was gut ist.“ ( Altes Testament > Micha 6,8 / http://www.way2god.org/de/bibel/micha/6/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/micha/6/“>Micha 6, 8) Sie müssen nichts wollen, nichts selber entscheiden. „So kommt es nicht auf den an, der will, noch auf den, der läuft, sondern auf Gott, der sich erbarmt.“ ( Neues Testament > Römer 9,16 / http://www.way2god.org/de/bibel/roemer/9/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/roemer/9/“>Röm. 9,16)

Schnell sind sie mal weg. Auch von der Demokratie.

Übrigens: auch die deutschen Proleten sahen in den ersten Auswanderungswellen keine Menschen fliehen, sondern die „besten Arbeitskräfte“, die sie ihre Brüder nannten. Schwestern, Kinder und Demokraten waren inexistent. Wenn man nichts zu futtern hat, wenn man ausrangiert wird, ist es einem egal, ob es Demokratie ist, die solches Unrecht zulässt.

Die Satten hatten keine Lust auf Demokratie, die Hungernden konnten sich den Luxus der Demokratie nicht leisten, die für sie nur aus Ausbeutern bestand.

„Ein stolzes Schiff streicht einsam durch die Wellen,

Und führt uns unsere deutschen Brüder fort,

Schauet auf, ihr Unterdrücker,

Schauet auf, ihr Volksbetrüger!

Seht, Eure besten Arbeitskräfte fliehen.

Seht, wie sie übers große Weltmeer ziehen.“

 

Heute kann man nirgendwo mehr hin fliehen, wo Milch und Honig fließen würde. Das goldene Amerika ist tot. Etwas Besseres als den Tod findest du überall. Aber nichts Besseres als eine intakte Demokratie.

Überall in der Welt beginnen die Volksherrschaften sich in eine planetarische Plutokratenschicht zu verwandeln. Nietzsches Herrenklasse hat ihre Lektion gelernt. Immer besser weiß sie sich der Demokratie zu bemächtigen und sie ihres Weges zu führen.

Europa besteht nur noch aus Brüsseler Hierarchien und diversen Monopol-Tycoons mit bestochenem Medienbegleitschutz. Nicht durch Zaster bestochen, sondern durch zeitlich verliehene Bedeutsamkeit.

Was Demokratie ist, lernt man in Deutschland nicht. Man lernt Verfahrensweisen, Machttechniken, Institutionen, demoskopische Umfragen. Demokratie ist für die meisten eine schwer funktionierende Riesenmaschine, an der man Knöpfe drücken muss. Mit Menschen hat das nichts zu tun.

Was macht einen Menschen zu einem Demokraten? Nach ihrer großen und übergroßen Schuld wollen die Deutschen an nichts mehr schuldig sein. Auch nicht am Verfall der Demokratie, die verschlissen und abgestumpft ist, deren Gremien nicht mehr funktionieren. Doch was folgt daraus für mich und dich, Herr Schwennicke?

Ein Top-Schreiber schreibt nur über Topleute, schließlich ist er weder Occupy-Aktivist noch magister germaniae. Also das übliche, inzwischen erkenntnislose Abmeiern der ganzen Firma Merkel & Co. Was aber folgt aus alldem?

Es gibt unzählige Ratgeber für Haus und Garten, Sex, Erziehung, Zahnseide, Alzheimerprophylaxe – aber keinen einzigen für demokratische Tugenden. Schon beim Wort Tugend gehen sie auf die Barrikaden, die Fitness und Cleverness für die höchsten Tugenden halten.

Wenn einer sich erkühnt, eine klare Meinung zu äußern und sie in einer Debatte mit Argumenten verteidigt und also „Recht haben“ will, ist er bereits faschismusverdächtig. Wer hingegen alles meinungslos den Eliten überlässt, hat immer Recht. Er kann gar nicht widerlegt werden, widerlegen kann man nur klare und scharfe Positionen.

(Christoph Schwennicke im SPIEGEL: Die abgestumpfte Republik)

 

Wenn selbst Althistoriker abraten, von Athen zu lernen, weil eine moderne Gesellschaft keine übersehbare Polis sei, haben sie nur an Abstimmungstechniken gedacht, nicht an persönliches Verhalten, das jeder Mensch selbst lernen und entfalten könnte.

Eine gute Demokratie besteht aus guten Demokraten. Es war Unsinn von Kant, zu behaupten, eine Republik – für ihn nicht identisch mit Demokratie, Kant hasste die Menge und war Anhänger einer aristokratischen Monarchie – müsse so beschaffen sein, dass sie auch von einer Horde Teufeln nicht zerlegt werden könne.

In Osteuropa, in allen jungen und unerfahrenen Demokratien der Welt, sieht man, dass eine Demokratie nur so gut sein kann wie die Taten aller Demokraten zusammen. Wozu eine Demokratie in der Hand mehrheitlicher Teufel in Menschengestalt fähig ist, kann man in Geschichtsbüchern der jüngeren deutschen Geschichte nachlesen.

Die athenische Demokratie ist von Menschen aufgebaut worden, die über Jahrhunderte peu a peu in schwierigen, aber konsequenten Schritten Demokratie kollektiv erlernt haben. Noch immer sind deutsche Gelehrte der Meinung, Sokrates sei ein Feind der Demokratie gewesen – weil er Demokraten kritisiert habe. Dann müssten alle kritischen Geister in einer Gesellschaft Feinde der Demokratie sein.

Sokrates hat sich einem demokratischen Gericht gestellt, dessen Urteil er für falsch hielt, dem er aber aus Respekt vor dem Gesetz nicht entfliehen wollte. Einen Fluch auf die Demokratie hat man nie von ihm gehört. Alles, was er öffentlich tat, geschah im Dienst einer Verbesserung der demokratischen Kompetenz jedes Einzelnen.

Der unbekannte Verfasser eines Papyrus, den man Anonymus Iamblichi nennt, war ein leidenschaftlicher Anhänger der Demokratie, der sich energisch gegen das Recht des Stärkeren wandte.

Es gab zwei Naturrechte in Hellas, die unvereinbar waren: das Recht des Stärkeren – und das gleiche Recht für alle Menschen. Auf letzterem wuchsen historisch die Menschenrechte, die im späteren Abendland die brutalen Gesetze der Religion so weit zurückdrängten, dass humane Demokratien entstehen konnten.

Beide Naturrechte beherrschen das moderne Leben. Auf das Naturrecht der Starken beziehen sich Hayek und alle Neoliberalen, auf dem Naturrecht allgemeiner Humanität ist jede demokratische Verfassung aufgebaut. Beide bekriegen sich, obgleich das Naturrecht des Starken keine Grundlage im Grundgesetz besitzt.

Für den Anonymus ist die höchste Tüchtigkeit des Demokraten der Einsatz für das allgemeine Wohl, welches er nur befördern kann, wenn er dem „Gesetz und Recht zu Hilfe kommt; denn das ist es, was den Bestand der Staaten und das Zusammenwohnen der Menschen ermöglicht und erhält.“ Den guten Mann zeichnet aus, dass er, soweit es ihm seine Mittel erlauben, seinen Nächsten materiell unterstützt.

Man sieht, die Story der Christen, erst sie hätten die Nächstenliebe entdeckt, ist erfundene Legende. In seinem Standardwerk „Die christliche Liebestätigkeit“ bezeichnet Gerhard Uhlhorn die Antike als „Welt ohne Liebe“. Erst die Christen hätten die Schwächsten geliebt wie sich selbst.

Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht. Der Satz wäre deutlicher und entlarvender, wenn er hieße: Der selbsternannte Arzt braucht Kranke, die Gesunden sind ihm ein Ärgernis. Hat er keine Kranken, so schafft er sie sich.

Die Demokratie war ein politischer Gesamtversuch, das soziale Elend erst gar nicht aufkommen zu lassen und notwendige Hilfe nicht der zufälligen Gnade des Einzelnen zu überantworten. Heute gelten gesetzliche Hilfsmaßnahmen als minderwertiger denn „persönliche“ Taten. Als ob in einer Demokratie Person und Polis, der Einzelne und die Gesellschaft auf immer feindlich gesonnen sein müssten.

Das Wohl der Allgemeinheit sei identisch mit dem Wohl des Einzelnen, so der Anonymus. Adam Smith muss die komplizierte Frage lösen, wie das egoistische Einzelwohl mit dem Allgemeinwohl zusammenhängt. Und prompt hält der Himmel mit Unsichtbarer Hand Einzug ins säkulare Getriebe.

Die Wirtschaft habe der Allgemeinheit zu dienen, der Unterschied von Reich und Arm werde durch sinnvollen Einsatz des Geldes ausgeglichen, schreibt der unbekannte Freund der Demokratie. Der Einzelne solle in Ruhe und Sorgenlosigkeit sein Leben genießen, das nicht in der Politik aufgehen müsse. Jeder Mensch habe das Recht auf privates Glück. Was nicht bedeutet, die Beschäftigung mit der Politik mache unglücklich. Im Gegenteil, der vernünftige Mensch hat einen sozialen und politischen Furor.

Eine Polis ohne innere Angst, Sorge und Kummer sei auch die beste Garantin für äußeren Frieden. Ein friedliches und befriedetes Gemeinwesen sei nicht in der Gefahr, innere Spannungen durch außenpolitische Aggressionen zu lösen.

Weder darf es zur Herrschaft der Reichen kommen noch zur Herrschaft einer anarchischen und gesetzlosen Mehrheit – die von deutschen Fachgelehrten stets als „radikale Demokraten“ bezeichnet wird, um ihre eigene Demokratie-Allergie zu rechtfertigen. Herrenmenschen, stahlhart und gefühllos an Leib und Seele, lehnt Anonymus bedingungslos ab.

Würde der Hellene heute leben, würde er unser Wirtschaftssystem als Naturrecht der Starken brandmarken und aufs schärfste ablehnen.

Viele Gründe für ökonomische Herrenmenschen, von Athen nichts zu lernen.