Kategorien
Tagesmail

Mitleid und Faschismus

Hello, Freunde der Medien,

der deutsche Mediensumpf wälzt sich um. Nicht um sich zu verändern, sondern um die Sumpfemissionen effektiver über das Land zu verbreiten.

Ex-SPIEGEL Chef Aust – zwischenzeitlich cineastischer Verklärer asiatischer Despoten – wird Herausgeber der WELT. Da erwartet ihn bereits Mascolo, ehedem Aust-Nachfolger. Blome-BILD hat sich im SPIEGEL assimiliert. Mascolos ehemaliger Kompagnon Liliencron waltet in der FAZ. Ex-ZDF-Seibert scheint als Kofferträger Merkels den Job seines Lebens gefunden zu haben. Man munkelt, dass ZDF-Slomka – leidenschaftliche Haifisch-Taucherin – Sprecherin Gabriels werden will.

Die medialen Alphatiere werden zu austauschbaren Organisatoren von Nachrichten. Meinungen und profilierte Standpunkte waren gestern.

Den Vogel hat der SPIEGEL abgeschossen, der von seinem neuen Chef Büchner peu à peu in eine Zweigstelle der DPA umgewandelt werden soll. An redaktionellen Inhalten scheint Büchner nicht interessiert zu sein. Wenn seine Untergebenen debattieren, spielt er mit digitalen Maschinen:

„Büchner interessiert sich für die Twitteraktie oder die neuen Smartphones von Apple oder Samsung, nicht für Syrien, den Euro oder NSU. Nimmt er an der Ressortleiterkonferenz, dem täglichen Hochamt beim Spiegel, teil, daddelt er auf seinem Smartphone und tut, was er am besten kann und schon als Chefredakteur der Deutschen Presseagentur getan hat: umstrukturieren und organisieren.“ (Ulrike Simon in der BLZ)

Kennen Sie Markus Lanz? In seinem Jahresrückblick versuchte er, ein vierjähriges türkisches Mädchen

zu verleiten, ihren Vater vor einem Millionenpublikum als Dieb zu denunzieren:

„Die kleine Dilara hat im Netz einige Berühmtheit durch einen Youtube Clip erlangt, den ihr Vater Tayyar während der Fahrt in einem Car to go-Smart drehte. Sie beschimpft darin ihren Vater, er habe das Auto geklaut und sie wolle keineswegs wegen ihm ins Gefängnis gehen. Von Lanz zunächst linkisch – er trennte sie auf dem Sofa von ihrem Vater – nach dem Vorfall befragt, schwieg Dilara eisern. Ihr war das alles offensichtlich unangenehm. Es sagt einiges über den Zustand des Fernsehshowgeschäfts aus, dass eine Vierjährige mit ihrem Schweigen als einzige ein natürliches Gefühl für Würde bewahrt zu haben scheint“, schreibt J. M. Seewald in der FAZ.

Hat das ZDF keinen pädagogischen Beauftragten gegen pornografische Quoten-Pädophilie?

 

Bei Siemens, dem weltbekannten Global Player, wird alter Käse mit ae geschrieben. Das Motto des neuen Mannes an der Spitze, Joe Kaeser, lautet: „Wer stehen bleibt, wird überholt“.  (SPIEGEL-Gespräch)

Im Zuge unserer revolutionären Neuerfindung des Kapitalismus aus dem Geiste naturverträglicher Minimalökonomie und sorgenfreier Verteilungsgerechtigkeit müssen wir das Motto auf den Kopf stellen und erhalten: Wer überholt, bleibt stehen. Präziser: wer überholt, fällt zurück und ruiniert die Menschheit.

Wirtschaftlicher Wettbewerb auf Kosten der Natur ist der sicherste Weg in den gemeinsamen Untergang. Die ruinöse Rivalität der Nationen im Dienst bloßen Größenwahns wird ersetzt durch den Wettbewerb um die humanste Vision einer Menschheit im Einklang mit der Natur. Dem einzigen Wettbewerb, der des Schweißes der Edlen wert ist. Im Schweiße eures Angesichts sollt ihr um Menschlichkeit rivalisieren. Im Wettbewerb um den Lorbeerkranz der Humanität gibt es keine Verlierer.

Rainer Hank ist studierter katholischer Theologe und kapitalismusfreundlicher Wirtschaftsredakteur bei der FAZ. Im Verlauf seiner journalistischen Arbeit muss er mit seinem Kinderglauben in Bedrängnis gekommen sein. Die Attacken des jetzigen Papstes gegen den Neoliberalismus scheint Hank für christlich zu halten. Doch bei dieser armenfreundlichen Frohen Botschaft, so seine Kritik, springe „für die Armen nichts heraus“.  (Rainer Hank in der FAZ)

Hank wetteifert mit Franziskus, wer der bessere Christ ist und welches System mehr für die Armen zu bieten hat: der Kapitalismus, für den Hank, trotz einiger Mängel, eintritt oder der – ja was?? Welches System bevorzugt der Papst? Den Sozialismus? Das war ein gottloses Unternehmen, das zu Recht im Dunkel der Geschichte verschwand. Gibt es einen Franziskanismus?

Der historische Franziskus – das Französchen – soll von Gott den Auftrag erhalten haben, sein Haus wieder aufzubauen. Nicht faul, begann der heilige Franz für Geld zu sorgen, um ein zerstörtes Kloster aufzubauen. Wie tat er das? Er klaute es bei seinem Vater, einem reichen Geschäftsmann.

Das war natürlich kein Vorbild für die Kirche, die nicht davon lebt, dass sie ihren Schäfchen heimlich das Geld aus dem Beutel zieht. Sie macht es nicht heimlich, sondern offen. Die Schäfchen werden nur unter Druck gesetzt, Brosamen um Christi willen zu geben. Das könnte man soteriologische Erpressung oder Nötigung mit höllischen Strafandrohungen nennen (Soter= Erlöser). Das System wirkte perfekt, die katholische Kirche wurde zur reichsten und mächtigsten Institution im Mittelalter.

Paulus hingegen lebte von seiner eigenen Hände Arbeit, obgleich er glaubte, auf Kosten der Gemeinde leben zu dürfen. Als Gegenleistung würde er immerhin der Welt das Evangelium verkünden: „Wenn andre des Rechtes über euch teilhaftig sind, eure Güter in Anspruch zu nehmen, sind wir es nicht viel mehr? Doch wir haben uns dieses Rechtes nicht bedient, sonder alles ertragen wir, damit wir dem Evangelium von Christus kein Hindernis bereiten. Was ist also mein Lohn? Dass ich bei meiner Verkündigung das Evangelium kostenfrei darbiete, um mein Recht am Evangelium nicht auszunützen.“

Kleiner Tipp für die beginnende Reformation der Kirche an Leib und Gliedern. Franziskus beginnt die Erneuerung des Papismus, indem er das Recht der Kirche auf das Evangelium nicht ausnützt und auf alle Brosamen, Kirchensteuern und Spenden seiner Schäfchen verzichtet. Alle Hirten der Kirche leben ab jetzt von eigener Hände Arbeit, wenngleich sie bei der heutigen Knappheit der Arbeitsplätze höchstens in der Altenpflege Chancen hätten. Von der Welt verstehen sie ja nichts.

Es ist ein Wagnis, in heutigen Tagen etwas kostenfrei anzubieten. Die Meinung der Welt ist: was nichts kostet, kann nichts wert sein. Über dieses Vorurteil müsste die Kirche sich souverän hinwegsetzen. „Umsonst habt ihr es empfangen, umsonst gebet es.“

Doch Moment. Arbeitet sie nicht um Lohnes willen? Natürlich, aber um himmlischen Lohnes willen, nicht um läppische Vergütung auf Erden. Kein Gläubiger macht etwas umsonst. Am Ende seiner Tugenden muss immer etwas rausspringen. Nicht irgendetwas, sondern der höchste Lohn, den es auf Erden zu vergeben gibt: der Lohn im Himmel. „Freuet euch an jenem Tage und frohlocket, denn siehe, euer Lohn wird gross sein im Himmel.“ So bescheiden sind die Gläubigen, dass sie sich nur mit dem höchsten Lohn begnügen, den ein Mensch erringen kann, dem Lohn im Himmel.

Ein lohnfixierter Mensch ist lohngesteuert. Er gehört in die Kategorie der Außengesteuerten oder Manipulierbaren. Die Zentrale der Steuerung liegt im Jenseits. Wer diese Grundlage der jahrtausendealten europäischen Pädagogik betrachtet, darf sich nicht wundern, dass der moderne Mensch manipulierbar ist. Denn er weiß nicht, was er will. Bewusstseinslos wird er von fremden Mächten gelenkt.

Wer den Menschen zu einem selbstbestimmten Menschen erziehen will, wird nicht umhinkönnen, der omnipotenten Außersteuerung den Kampf anzusagen. Die Aufklärung mit dem Satz: Habe Mut, selbst zu denken und dich moralisch selbst zu bestimmen, war nicht folgenlos. Dennoch muss über die Moderne gesagt werden, dass sie an unzähligen Fäden aus dem Hintergrund gelenkt wird. Sie handelt nach Lohn. Nach himmlischem Lohn, der sich – wenigstens in Amerika, die Deutschen wollen partout arm bleiben – als irdische Vorabzahlung hypostasiert.

Wahren Christen geht’s nicht um Anerkennung der Menschen oder Akzeptanz der Welt. Auf Beifall aus der falschen Ecke können sie dankend verzichten. Irdische Anerkennung wäre ein Indiz, dass man als Jünger Jesu falsch leben würde. „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und wenn sie euch ausschließen und schmähen. Wehe, wenn alle Menschen gut von euch reden; denn ebenso taten ihre Väter den falschen Propheten.“

Wer mit solchen Sätzen Politik machen würde, dürfte sich nicht wundern, dass die Zahl seiner internationalen Freunde gering wäre. Doch für fanatische Rechtgläubige wäre Ablehnung der sichere Beweis, das man sich auf rechtem Weg befände. Die einen sind liebes- und applaussüchtig, die anderen hass- und ablehnungsbedürftig. Je mehr Feinde in der Welt, desto bessere Chancen beim himmlischen Vater.

Hank behauptet, das Christentum sei allergisch gegen die Reichen. Da hat er einige plakative Zitate nicht ganz verstanden. „Doch wehe euch, ihr Reichen, ihr habt euren Trost dahin.“ Dieser Satz steht in einer Reihe mit den folgenden Sätzen: „Wehe euch, die ihr jetzt satt seid, denn ihr werdet hungern. Wehe euch, die ihr jetzt lacht, denn ihr werdet trauern und weinen.“ Hätte der Herr etwas gegen die Reichen an sich, müsste er auch etwas gegen die Satten und Lachenden an sich haben.

Der Bergprediger in Lukas 6,20 ff hat nichts gegen Reiche, Satte und Lachende an sich, sondern gegen Menschen, die sich ihres Reichtums, ihrer Sattheit, ihres fröhlichen Lebens rühmen – und in ihrer Frechheit glauben, das Heil des Herrn ablehnen zu dürfen, weil sie fremder Verheißungen nicht bedürfen. Vor Gott prahlen sie, sie könnten ihr Leben auf Erden selbst und zufrieden gestalten. Wären sie reich, satt und fröhlich im Herrn – alles wäre paletti.

Es geht um Glauben und Nichtglauben, Rainer Hank, nicht um bedeutungslosen Reichtum. Es geht um die Frage der allgemeinen Lebenskompetenz des Menschen auf Erden. Ist der Mensch in der Lage, seine irdische Zeit auf Erden sinnvoll und befriedigend zu gestalten – oder benötigt er die Hilfe höherer Mächte?

Wie in heutigen Zeiten gab es zur damaligen Zeitenwende wenige Superreiche und wachsende Massen Verelendeter, die schier hoffnungslos dahindarbten. Das Herz der Mitfühlenden muss verzweifelt gewesen sein. Sie wollten helfen, doch sie hatten nicht die geringsten Chancen, gegen die damaligen neoliberalen Verhältnisse anzugehen.

Es gibt Altphilologen und Historiker, die es ablehnen, frühere Verhältnisse mit modernen Begriffen zu belegen. Sie werden wissen, warum: aus der Geschichte soll nichts gelernt werden. Sonst kämen ja fleißige Studenten auf den Irrwitz, zu sagen: verdammt, die heutigen Verhältnisse gab es schon damals. Lernt die Menschheit denn nie aus ihren Dummheiten?

Sie darf nichts lernen, denn sie soll nichts lernen. Wenn jede Epoche der Menschheit unvergleichlich ist, kommen wir unserer kollektiven Biografie nicht auf die Spur. Natürlich gab‘s damals nicht denselben technischen und unendliche Dinge produzierenden Kapitalismus wie heute. Der entscheidende Vergleichspunkt ist das unaufhaltsame Reicherwerden immer weniger Reicher und die nicht mehr zu überbietende Verarmung der Völkermassen.

Die römische Supermacht rund ums Mittelmeer hatte Verhältnisse geschaffen, die den heutigen vergleichbar waren. Die Reichen wurden immer reicher, die Armen immer ärmer. Einen kleinen Unterschied gab es: soziale Abfederungsmaßnahmen wie in der sozialen Marktwirtschaft waren unbekannt. Das Einzige, was Not lindern konnte, waren mitleidige Taten der Nächsten oder ein zufällig vorüberziehender Samariter. Der Mann, der unter die Räuber fiel, hätte keine Polizei oder das Rote Kreuz anrufen können, um Hilfe zu erbeten.

Es gab einen omnipotenten Elitenstaat – und sonst nichts. Genauer müsste man sagen: es gab eine brutale Wirtschaft, die sich den Staat vollständig gefügig gemacht hatte – und sonst nichts. Diese Zustände eines symbiotischen Wirtschaftsstaats oder einer despotischen Staatswirtschaft sind wir gerade dabei, globale Wirklichkeit werden zu lassen. Die Wirtschaft verdrängt immer mehr den Staat, trefflicher wäre es zu sagen: sie frisst ihn mit Haut und Haaren.

Der demokratische Staat liegt an der Kette der internationalen Wirtschaft, besonders der Finanzwirtschaft. Gegen die führenden Banken der Welt in New York und London, sagen alle Fachleute, sind die Einzelstaaten ohne jede Chance. Zumal, wenn sie untereinander zerstritten sind. Wir müssen sagen: wir leben in römischen Verhältnissen.

Gab es keine Hoffnung für die Massen der Elenden? Hoffnung an jeder Straßenecke, an der ein neuer Messias angeboten wurde. Die Heilsreligionen hatten Hochkonjunktur und die klare Aufgabe, die riesigen Scharen der Versklavten und Gedemütigten ruhig zu halten, damit es nicht zu Unruhen oder revolutionären Umsturzversuchen kommen konnte.

Die beiden Brüder Gracchus – bestärkt durch Gerechtigkeitsvorstellungen der Stoiker – wollten den Bauernstand, der durch Militarisierung fast gänzlich ausgerottet war, wieder herstellen. Die Reform scheiterte, die damaligen Machtmonopole waren nicht mehr zu bezwingen. Sklavenaufstände hatten keine Chancen mehr.

Die griechische Philosophie mit radikalen Gerechtigkeitsvorstellungen war schnell von den römischen Eliten absorbiert worden, drang aber so gut wie nicht ins ungebildete Volk. Höchsten die Kyniker hatten als wandernde Armutsprediger in Sandalen eine gewisse Wirkung, doch sie waren viel zu wenige, um eine Massenwirkung zu erzeugen.

Jesus wandelte in den Spuren der griechischen Kyniker. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass seine Verheißungen sich aufs Jenseits bezogen, während Kyniker die Menschen zur Selbsthilfe aufriefen. Doch die Massen waren so gedemütigt und apathisch, dass Hilfe zur Selbsthilfe ausgeschlossen war. Nur noch der Sirenengesang eines Gottes hatte die Chance, die hoffnungslosen Horden aufzurichten.

Einer dieser Sirenengesänge klang so: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken und Ruhe geben. Mein Joch ist sanft und meine Last leicht.“ Diese ungeheure Verheißung bezog sich auf ein Jenseits, wo die jetzigen Reichen und Menschenschinder keinen Zugang haben sollten.

Hier entsteht der Hass auf die Reichen, die aus Rachegründen nicht in den Himmel kommen sollten. Nicht weil sie reich, sondern weil sie Blutsauger und Unterdrücker der Armen waren. Die Reichen waren die Eliten, die mit eiserner Faust alles niederknüppelten, was sich ihnen in den Weg stellte.

Dank der himmlischen Konkordanz zwischen Superreichen und NSA werden wir auch bald die Chance haben, solche erbarmungslosen Zustände wieder herzustellen.

Man muss davon ausgehen, dass die christliche Botschaft dem ernst gemeinten Willen entsprungen war, die Menschen von ihrer Not zu erlösen. Am Anfang einer jeden erfolgreichen Religion steht der außerordentliche Impuls des Mitleids mit der geschundenen Kreatur. Anders hätten Religionen nie entstehen können. Religion ist Antwort auf elementare und unerfüllte Bedürfnisse, die im Hier und Jetzt gestillt werden wollen. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse wird im Christentum zwar ans Ende der Zeit verschoben, doch der Glaube ersetzt vorwegnehmend die Erfüllung.

Doch jetzt kommt die Tragödie. Der ernst gemeinte Erlösungsversuch war so überdimensional, dass er illusionär scheitern musste. Um dennoch nicht zu scheitern, verschoben sich die Inhalte der Verheißung ans Ende der Geschichte oder ins Jenseits. Dort wurden sie unwiderlegbar. Entweder man glaubte an sie oder man verwarf sie. Das Verwerfen aber wurde immer schwerer, denn die Glaubensverweigerer wurden mit ewiger Strafe bedroht. Wer nur zwischen höllischer Folter und ewiger Seligkeit wählen kann, muss nicht lange überlegen.

Von allen messianischen Religionen setzte sich die christliche Botschaft als eindrucksvollste, wortgewaltigste und unwiderlegbarste durch und wurde zur Religion des römischen Reiches, später Europas und der ganzen Welt.

Wie Platons Mitleid mit Athen so groß war, dass er einen perfekten Staat ersann, um seinen Landsleuten ewig eine unzerstörbare Stadt zu präsentieren – unter der absoluten Leitung weniger Weisen –, so waren die Erfinder des Christentums vom selben Impuls bewegt. Doch wie, wenn Menschen so kaputt sind, dass sie ihre Rettung ablehnen? Dann müssen sie zu ihrem Heil gezwungen werden.

Der Faschismus als Zwangsbeglückung war geboren. Bei Platon in einer perfekten Stadt auf Erden, im Christentum in einer zukünftigen Stadt im Jenseits. Christen haben hier keine bleibende Stadt – das war die Kritik an Platons Politeia –, sondern die zukünftige suchen sie. Der irdische Faschismus expandierte zu einem himmlischen. Der Vatikan ist ein christlich gewendeter Platonismus. Die vorweggenommene Politeia Gottes auf Erden.

Wenn die Not der Menschen unerträglich, das Mitleid mit ihnen übermäßig ist, ist eine Religionsgründung unvermeidlich. Wenn aber die Lösung der irdischen Probleme nicht die Angelegenheit selbsttätiger Menschen sein darf, muss jede Lösung von fremder Seite zur Erlösung führen. Erlösung ohne faschistische Zwangsbeglückung ist nicht möglich.

Wenn es der gegenwärtigen Menschheit nicht gelingt, ihre Probleme zu lösen und ihre Schwierigkeiten wachsen ins scheinbar Unlösbare, werden Erlösungsreligionen ihre Chance wittern und ihre lang ersehnte Welt-Theokratie einrichten. Sei es in Mekka, im Goldenen Jerusalem oder im NSA-Quartier.

Zuvor jedoch werden sie die kleine Streitfrage zu lösen haben, welche Erlösung die wahre ist. Der jetzige Krieg gegen den muslimischen Terror ist der Beginn dieser Auseinandersetzung.

Rainer Hank ist in einer verzweifelten Situation. Er will den Armen helfen und hält den Kapitalismus für das beste Instrument für diesen hehren Zweck. Im Gegensatz zu seinem katholischen Oberhaupt (sofern er noch Mitglied der Kirche ist), das den Kapitalismus als mörderisch ablehnt. Hank kann nicht erkennen, dass der Kapitalismus ein selektives System ist. Denen, die haben, denen wird gegeben, denen, die nichts haben, wird genommen, was sie haben.

Nie hat der Kapitalismus ganze Völker der Armut entrissen, er hat ganze Völker mit Gewalt ihrer traditionellen Selbstversorgungswirtschaft entrissen. Seitdem selektiert er, will nur die Besten, die Bedenken- und Erbarmungslosesten. Was geschieht mit dem großen Rest? Wenigen gibt der Kapitalismus, den meisten nimmt er und unterwirft die Vielen der Macht der Wenigen.

Und was ist die franziskanische Alternative? Es gibt keine. Konkretes hat der Papst nicht anzubieten. Seine Alternativlosigkeit versteckt sich hinter einer heiligmäßig klingenden Generalkritik. Nicht nur am Kapitalismus – das wäre noch sinnvoll. Sondern am irdischen Menschen, wie er leibt und lebt.

Lässt die unrettbare Menschheit sich nicht von Franziskus erlösen, wird sie ihrer wohl verdienten Strafe nicht entrinnen. Um dem ewigen Untergang zu entgehen, hat der Mensch nur eine Chance: sich der zukünftigen Weltherrschaft der Erlöser zu unterwerfen.

Extra ecclesiam nulla salus, ohne päpstliche Oberherrschaft über die Welt schaut die erbsündige Menschheit in die Röhre. Nur der gängelbare Mensch kann erlöst werden.