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Hello, Freunde der Massen,

wenn Völker vom Hass ergriffen werden, steht Krieg vor der Tür. Bürgerkrieg im Innern der Gesellschaft oder Krieg einer Nation gegen eine andere, die zum Feind erklärt wird.

Wenn Völker ihre Probleme nicht lösen, steht Krieg vor der Tür. Was ist ein Problem? Alles, was nicht Frieden und Eintracht ist. Moral ist die Fähigkeit, Frieden und Eintracht herzustellen. Entweder wird der Mensch friedensfähig. Oder er wird sich in inneren und äußeren Kriegen zerfleischen.

Die Wirtschaft der Moderne ist zum Krieg ohne Waffen geworden. Planmäßig und zielbewusst erzeugt sie Unfrieden und Zwietracht. Neoliberalismus ist nichts als Planwirtschaft der Feindseligkeit und der Disharmonie. Ohne diese Untugenden glaubt die Wirtschaft, nicht innovativ, kreativ und wachstumsfähig zu sein. Amoral gilt als Motor des Fortschritts und grenzenlosen Wohlstands.

Der moderne Kapitalismus entstand, als private Tugenden zu Lastern und private Laster zu öffentlichen Tugenden erklärt wurden. Moral, Frieden und Eintracht gelten heute als größte Feinde des Wettbewerbs und grenzenloser Herrschaft über Natur und Mensch.

Statt von Frieden und Eintracht können wir auch von Gerechtigkeit reden. Der Begriff Sozialismus stand einst für allgemeine Gerechtigkeit. „Ah, ihr habt den Sozialismus nicht gewollt? Also gut, ihr werdet den Krieg haben – den 30-jährigen, den 50-jährigen Krieg!“ sagte Alexander Herzen nach 1848.

Was für das revolutionäre Jahr 1848 gilt, gilt auch für das vorrevolutionäre Jahr 2015. Die Revolution wird kommen. Gemach, maßloser Herr Maaßen. Durch Einsicht und demokratische Veränderungen. Gewalt ist von gestern. Die Macht der

Ohnmächtigen besteht in ihrer gewaltlosen und vernunftgeleiteten Überlegenheit.

„In Russland wie in England, in Deutschland wie in Frankreich schlägt man sich nicht mehr für die Launen der Herrscher; man schlägt sich für die Erhaltung der Einkommen und der Vergrößerung des Reichtums der allermächtigsten Herrschaften, für das Mästen der großen Finanz- und Industriebarone. An Stelle der Rivalitäten der Könige sind die Rivalitäten der Bourgeoisgesellschaften getreten. Man spricht noch über das „politische Übergewicht“. Wenn wir diesen abstrakten Begriff aber in Tatsachen übersetzen, wenn wir untersuchen, wie sich das politische Übergewicht Deutschlands geltend macht, dann werden wir sehen, dass es sich einfach um das wirtschaftliche Übergewicht auf den internationalen Märkten handelt. Das, was die verschiedenen Großmächte Deutschland, Frankreich, Russland, England in diesem Moment zu erobern suchen, ist nicht die militärische Macht; es ist die wirtschaftliche Macht. Es ist das Recht, ihre ökonomischen Regeln ihren Nachbarn aufzuzwingen; das Recht, die in der Industrie zurückgebliebenen Völker (wie Griechenland) auszubeuten; und unter diesem Vorwand Herren der dortigen Märkte zu werden; schließlich das Recht, von Zeit zu Zeit einem Nachbarn einen Hafen (oder eine schöne Insel) wegzunehmen, um ihren eigenen Handel neu zu beleben, oder eine Provinz, um den Überfluss ihrer Waren loszuwerden. Neue Märkte zu eröffnen, seine Waren – mögen sie gut oder schlecht sein – abzusetzen: dies liegt aller heutigen Politik zugrunde. Dies ist die wahre Ursache aller Kriege im 19. Und 20. Jahrhundert. Der Krieg von 1870 war die Folge von all dem. Frankreich beherrscht nicht mehr die Märkte; es ist Deutschland, das dieselben zu beherrschen trachtet und das, ebenfalls von der Habsucht angetrieben, seine Ausbeutung immer mehr auszudehnen versucht, ohne die Krisen, die Krachs, die Unsicherheit und das Elend zu beachten, welche an seinem wirtschaftlichen Gebäude nagen. Die Küsten des Mittelmeers, die polnischen Ebenen, die russischen Steppen, die ungarischen Pusztas, die rosenbewachsenen Täler Bulgariens, die lieblichen Olivenhaine Griechenlands – all dies erweckt die Begierde des deutschen Bourgeois. Und jedesmal, da der deutsche Geschäftsmann die wirtschaftlich zurückgebliebenen Länder, die Städte ohne Großindustrie, die unbenützten Flüsse sieht, tut ihm das Herz dabei weh. Er malt sich aus, wie er aus diesen brachliegenden Reichtümern Säcke von Gold gewinnen könnte, wie er diese Menschen unter das Joch seines Kapitals beugen würde. Er schwört sich, eines Tages die „Zivilisation“, das heißt, seine überlegene Wirtschaft, in diesen Ländern einzuführen. Wahrhaftig, ihr habt den Sozialismus nicht gewollt, dafür werdet ihr den Krieg haben.“ (Peter Kropotkin, „Worte eines Rebellen“, leicht nachmodernisiert)

Hat sich seit Kropotkins aufmerksamen Augen irgendetwas geändert? Heute rüsten die EU-Staaten wieder auf, um ihren russischen Konkurrenz-Messias einzuschüchtern. Die wirtschaftliche Konkurrenz ist nur die Fassade der Frage: welches Volk ist das wahre auserwählte und bringt der Welt das Heil? Wie viele Kriege mussten seit Kropotkins prophetischen Aussagen stattfinden, weil die Völker ihre über alle Maßen angewachsenen Probleme nicht anders lösen konnten als mit Kanonen?

Die moderne Wirtschaft beginnt mit dem Versprechen, allen Menschen Gutes zu tun – und verendet in regelmäßig auftretenden Giganto-Krisen, die nur noch mit blanken Messern ausgetragen werden. So schliddern wir von ökonomischen Krisen in turnusmäßige Kriege und von Kriegen in unlösbare Wirtschaftsprobleme. 70 Jahre Dauerfrieden nach dem Gemetzel des Zweiten Weltkrieges: da wird’s Zeit für ein reinigendes Gewitter gegen Sattheit und Übermut.

„Schon seid ihr satt geworden, schon seid ihr reich geworden, ohne uns seid ihr zum Herrschen gekommen“, schreibt Paulus. Die Korinther hätten mit ihnen – den Aposteln des Herrn – zum Herrschen kommen müssen. Wer auf Erden satt wird, kann nicht hungrig sein aufs Reich Gottes. Reich werden darf man, soll man – aber nur mit Gottes Hilfe. Reichtum ist den Frommen nicht verboten. Nur autonom zusammen geraffter Reichtum, auf den der Mensch in gottloser Weise stolz ist: das ist Sünde der Überheblichkeit.

Am Ende der Geschichte werden die Erwählten den gesamten Reichtum der Erde kassieren. „Sind wir auch Kinder, so sind wir auch Erben Gottes und Miterben Christi, wenn anders wir mit ihm leiden, damit wir auch mit ihm verherrlicht werden.“ Die leidende Kirche ist nur Mittel, um die siegreiche zu etablieren. Die Erben ziehen ein in goldene Gemächer, die Loser kommen in den ewig brennenden Schuldenturm.

Auch der sonst so gemäßigte Adam Smith lobpreist den erzieherischen Wert des Krieges:

„In dem milden Sonnenschein ungestörter Ruhe, in der stillen Zurückgezogenheit ungeteilter, philosophischer Muße blüht die sanfte Tugend der Menschlichkeit am meisten und da ist sie der höchsten Ausbildung fähig. Aber in solchen Verhältnissen ist wenig Gelegenheit, die höchsten und edelsten Anstrengungen der Selbstbeherrschung zu üben. Unter dem stürmischen und gewitterschweren Himmel des Krieges und des Aufruhrs, der allgemeinen Empörung und Verwirrung, da gedeiht die kraftvolle Strenge der Selbstbeherrschung am besten, da kann sie am erfolgreichsten gepflegt und ausgebildet werden. Aber in solchen Verhältnissen müssen häufig die stärksten Antriebe der Menschlichkeit erstickt oder vernachlässigt werden und jede solche Vernachlässigung wirkt notwendig dahin, den Geist der Menschlichkeit zu schwächen. Daher kommt es, dass wir so häufig im Leben Menschen begegnen, die bei großer Menschenfreundlichkeit wenig Selbstbeherrschung besitzen, vielmehr lässig und unentschlossen sind, und die sich durch Schwierigkeiten und Gefahren von den lobenswertesten Bestrebungen abschrecken lassen. Und umgekehrt, Menschen, die sich durch die vollkommenste Selbstbeherrschung auszeichnen, die keine Schwierigkeit zu entmutigen, keine Gefahr zu schrecken vermag, die jederzeit zu den kühnsten und verwegensten Unternehmungen bereit sind, die aber auch gleichzeitig gegen jedes Gefühl für Gerechtigkeit und Menschlichkeit verhärtet zu sein scheinen.“ (Adam Smith, Theorie der ethischen Gefühle)

An dieser Weggabelung stehen wir: entweder reich werden als Unmenschen – oder als Menschen in Müßiggang verkommen. Humanität – oder Gutmenschentum – ist der wahre Feind der Wirtschaft. Erfolgreiches Wirtschaften ist Feind aller Humanität.

Als „Vision“ ihrer Politik nennt Merkel die Verschärfung der deutschen Wettbewerbswirtschaft. Mit anderen Worten: sie muss ihre deutschen Untertanen moralisch verwüsten, um ihre kriegs-erzeugenden Wirtschaftswaffen zu vermehren.

Die Deutschen spüren das nationale Erwachen ihrer moralischen Verluderung. Da sie bei zunehmender Verrohung ununterbrochen wirtschaftlich-politisch stärker werden und ihre schwächeren EU-Partner ausbeinen, lieben sie ihre Mafia-Mama, die in schlichter Demut Verkommenheit mit Frömmigkeit zu paaren weiß.

Im christlichen Abendland ist das Böse das Heilige, das Gott wohlgefällig ist. Den Erwählten ist alles rein. Schon läuft die Luther-Jubiläums-Maschinerie, die in zwei Jahren das Heilige römische Reich Merkel‘scher Nation als Apotheose des lutherschen Ablasses für alle heiligmäßigen Bosheiten feiern wird: Deutsche, habet Mut, eure Bosheit allen Menschen zuteil werden zu lassen – nur glaubet.

Alle Welt ist überzeugt, Luther habe den papistischen Ablasshandel ausgemerzt. Den mammonistischen Ablass des Papstes gewiss, aber nur, um den bargeldlosen Gesinnungs-Ablass stellvertretend einzuführen: Wenn wahre Demut im Kasten klingt, die Seele sich in den Himmel schwingt. Luther eröffnete den neuen Seligkeits-Markt der gesinnungsmäßigen Schwinger-Party.

Merkel verwandelt die BRD unaufhaltsam in eine scheindemokratische Theokratie. (Oder sollen wir von Thea- oder gar Angela-kratie sprechen?)

Deutschland hat die Schlappe des Zweiten Weltkrieges aus seinem neodominanten Gehirn gemerzt. Jetzt sind wir wieder oben. Jetzt zeigt Wolfgang, wo Schäuble den Most holt und Tspiras in die Röhre guckt. Wieder ist ein lukrativer Happen aus Häfen, Werften, Trauminseln unter den Hammer der Profi-Gierigen gekommen. Wartet noch ein Weilchen – und der Planet ist völlig neu für die Ewigkeit verteilt. Die voll klimatisierten Sahnestückchen dem EINPROZENT, den klimageschädigten Rest der Welt den Nullen und Versagern.

Merkel kennt den Begriff Demokratie nicht. Sie hält sich an das Böckenförde-Gebot, die heidnische Massenherrschaft in eine prädestinierte Herrschaft der Heiligen zu verwandeln. Pardonnez moi, Merkel setzt die Reihe der gottgewollten Regierungen seit der Romantik (mit einer einzigen belanglosen Unterbrechung) fort.

„Ihr habt einst die Stimme einer schlichten Pastorentochter vernommen und sie schlug an eure Herzen, sie hat euch geweckt, und ihr seid dieser Stimme gefolgt. Ihr seid ihr jahrelang nachgegangen, ohne die Trägerin der schlichten Stimme durchschaut zu haben. Intuitiv habt ihr gewusst, dass wir wie Ja und Amen zusammengehören. Das ist das Wunder unserer Zeit, dass ihr mich gefunden habt unter so vielen Millionen Ossis. Und dass ich euch gefunden habe, das ist des vereinigten Deutschlands Glück!“

In demoskopischer Nüchternheit: wenn heute Wahlen wären, gäbe es eine absolute Mehrheit für Frau Merkel. Und Sigmar hüllte sich in eine Burka und verschwände auf Nimmerwiedersehen aus den Annalen seiner Partei. Den Grünen sabbern schon die Lefzen. Kretschmann will Merkels bester Mann im Stall werden.

Die Merkel-Germania-Symbiose wird von Tag zu Tag verhängnisvoller. Eine Alternative zu Merkel ist nicht in Sicht. Mitgefangen, mitgehangen. Die Folie à Deux wird zur nationalen Kumpanei und zum Verhängnis für Europa. Zusammen mit Cameron wollen Merkel & Schäuble die EU entmachten und aus der sicheren nationalen Wagenburg heraus – mit Hilfe gefügiger Institutionen – den wirtschaftlich Schwachbrüstigen den Marsch blasen.

Ein feste Burg ist unser Gott,

ein gute Wehr und Waffen.

Der Demokrat dieser Welt,
wie sau’r er sich stellt,
tut er uns doch nicht;
das macht, er ist gericht’:
ein Börsencrash kann ihn fällen.

Nicht nur am Elend der Flüchtlinge, Griechen, Sinti & Roma, der vielen Arbeitslosen in den Mittelmeer-Staaten, auch an der Verschärfung des Türkei-Konflikts ist Merkel mitschuldig – sagte Sabine Rau gestern im Presseclub. Da mit der Kanzlerin ein Anschluss der Türkei an das christliche Abendland nie zu machen war, begann Erdogan sein Herrscherglück im Vorderen Orient zu suchen und ließ seine Luftwaffe gegen die Kurden fliegen.

Der kurze Friedenprozess ist passe. Es waren keine xenophoben Massen, die an der Ablehnung des unkoscheren Staates beteiligt waren. Der Hass der Vielen wird in vornehmen Gehirnen der Intellektuellen ausgebrütet.

„Die Gründe, die gegen einen Beitritt der Türkei sprechen, wirkten damals noch durchschlagend: Das Land … ist als muslimischer Staat durch eine tiefe Kulturgrenze von Europa getrennt. Der Konsens lautet: Nach geografischer Lage, historischer Vergangenheit, Religion, Kultur, Mentalität ist die Türkei kein Teil Europas.“ So der hochverehrte Historiker für Sozialgeschichte Hans-Ulrich Wehler in der ZEIT.

Merkel denkt nicht daran, den Überwachungsskandal mit den USA aufzuhellen. In ihrem Auftrag werden kritische Beobachter eingeschüchtert und mit Gefängnis bedroht. Ihre Ähnlichkeit mit Honecker – inklusive volksnaher Audienzen – wird täglich plakativer. Wer seine Vergangenheit nicht gründlich bearbeitet, ist zur Wiederholung seiner Biografie verdammt. Freud wird von Hayek nicht widerlegt. (Hayek hasste Freud.) Merkel folgt einem obrigkeitlich-lutherischen Arbeitsethos. Was ein freiheitliches und debattenfreudiges Demokraten-Ethos ist, kennt sie nur vom Hörensagen.

Mitten in ihrem Urlaub ließ sie durchstechen, noch ein viertes Mal zu kandidieren. Die endgültige Entscheidung wird sie erst am Anfang des kommenden Jahres fällen. Nun dürfen die Deutschen monatelang zagen und zittern, ob die Magd Gottes sie alleine lässt oder den Wagen getreulich weiterziehen wird. Deutschland ohne bleiche Mutter? Undenkbar.

Nationaler Hass kommt auf und beginnt die Nation so hässlich zu machen, wie die Welt sie zunehmend empfindet. Woher kommt er und wie umgehen mit ihm?

Anetta Kahane will die deutsche Obrigkeitsmethode anwenden, um der unliebsamen Gefühle des Mobs Herrin zu werden:

„Hass kann und soll niemand verbieten, Verbrechen aus Hass jedoch strenger zu ahnden, wie es das Gesetz vorsieht, finde ich richtig. Der Staat setzt hier eine Norm und nennt das Problem beim Namen. Mit der Zeit werden Polizei und Gerichte Rassismus und andere Formen von Gruppenhass durch das Strafmaß deutlicher ächten. Denn der Hass, wie wir ihn jetzt erleben, darf nicht mehr hingenommen werden! Darauf müssen wir bestehen.“

Man soll ein Gefühl nicht verbieten, das man gar nicht verbieten kann? Das muss ein logisches Artistenstück sein. Kann der Verfassungsschutz nicht doch Gefühle verbieten, wenn er beim geheimen Überwachen aller Untertanen-E-Mails Äußerungen von Hass entdeckt und das Smartphone zur Explosion bringt? Eine gute deutsche Idee, Gefühle per Ukas zu verbieten.

In einer Demokratie setzt kein Staat eine Norm, sondern vom Volk gebilligte und von Volksvertretern beschlossene Gesetze sagen, was richtig und falsch ist.

Was aber geschieht mit Hass, der geächtet wird? Schrumpft er durch Ächtung? Oder wächst er durch Trotz gegen die Ächtung ins Bedrohliche? Sollte man asoziale Gefühle nicht wirksam durch Verstehen ihrer Ursachen bekämpfen, anstatt sie durch polizeiliche Drohmaßnahmen aufzuheizen?

Die juristische Keule ist zum Allheilmittel demokratischer Humanisierung geworden. Keine Keule kann Gefühle prophylaktisch verhindern. Nur das Begreifen ihrer Entstehung in der Tiefe seiner Seele befähigt den Menschen, sein unbewusstes Innenleben aufzuklären. Wenn mir meine Gefühle fremd bleiben, kann ich sie weder kontrollieren noch dämpfen.

Was ist das für ein Misstrauensantrag an alle Eltern, Schulen, pädagogische Autoritäten, Unis, wenn man niemandem zutraut, im sozialen Miteinander die Hasslosigkeit einzuüben?

Hass ist Selbstverachtung für die eigene moralische Minderwertigkeit, die man auf andere überträgt, um sich alle Selbsterkenntnis vom Leibe zu halten. Es ist leichter, andere zu hassen als sich selbst im Spiegel zu betrachten.

Der Fremdenhass als Selbstverneinung war schon immer da, er ist kein überraschendes Phänomen. Er ist das Urgefühl kapitalistischer Untertanen, die sich anklagen, das System der Menschenverachtung nicht von der Tenne zu fegen. Und also ihre verdrängten Ablehnungsgefühle auf Fremde und Schwache übertragen.

Hass und Kapitalismus sind eins. Denn Kapitalismus ist eine amoralische Ausschweifung. Wer nicht das Glück hatte, seine Fehler selbstkritisch wahrzunehmen, ohne sich zum Sündenkrüppel zu verstümmeln, der muss seinen Selbsthass in Fremdenhass verwandeln.

Als Kinder lernen wir eine Moral, die wir als herzenskonform empfinden. Am Ende der Kindheit werden uns diese Gefühle mit dem Vorschlaghammer ausgetrieben. Wir beginnen uns zu hassen, aber den Hass auf Andere umzulenken.

Solange Ausbeutung und Ungerechtigkeit herrschen, so lange werden wir in den Hass getrieben, den wir an Unschuldigen los werden müssen. Den Hass ächten, bedeutet, den Hass – hassen. Die Pest wird mit der Cholera ausgetrieben. Liebet mich, soll ein preußischer König geschrien haben, wenn er durch die Straßen Berlins ritt –und seine Untertanen peitschte.

Es geht nicht um folgenlose Tugend, sondern um politische Effizienz. Untertanen, die andere hassen, werden die Objekte ihrer Feindschaft noch mehr verachten, wenn sie selbst geächtet und gehasst werden. Keine Polis lässt sich durch Büttel zur Selbsterkenntnis treiben.

Bislang waren die Hassgefühle der Deutschen durch politische Bußübungen niedergehalten. Doch inzwischen schmelzen Demut und Buße wie Schnee an der Sonne und weichen der neuen-uralten Hybris der Überlegenen, die andere mit Verachtung bestrafen.

Noch desaströser als Kahanes Ächtung ist Sibylle Bergs moralische Bankrotterklärung im SPIEGEL:

„Vielleicht gilt Kants Feststellung, dass selbst ein Volk von Teufeln trotz gegensätzlicher Bestrebungen ein Gemeinwohl errichten könne, nicht mehr. Möglicherweise ist die Demokratie an einem Endpunkt angelangt. Und wir haben das Pech, in der Übergangszeit zu etwas Neuem zu leben. Und das macht so unendlich wütend.“ (Sibylle Berg in SPIEGEL.de)

Kants koketter Spruch hat nie gegolten, Teufel waren keine realen Figuren eines Aufklärers. Wer in blasiertem Zorn über das Ende der Demokratie spekuliert, ohne sich mit allen Mitteln zur Wehr zu setzen, der macht sich gemein mit den Vernichtern der Demokratie. Er wird zum Mitläufer der Menschenfeinde. Seine unendliche Wut ist Theaterdonner, der den eigenen Untergang als Höhepunkt seiner Eitelkeit feiert.

Eliten haben Massen schon immer benutzt, um ihnen ihre eigenen Defizite zu implantieren. Wie lange schon wird Fremdenhass von ökonomischen Herrenmenschen und ihren willfährigen Medien dem Publikum eingebläut? Zuerst sorge man dafür, dass die unteren Schichten immer weiter abgehängt werden. Dann blase man ihnen ins Ohr, die Ursache der Ungerechtigkeit seien andere, die ihnen den letzten Groschen rauben wollten.

Der erste Meister der Massenpsychologie, Gustave le Bon, hatte die Masse noch als unmündige Herde beschrieben: „Die Masse ist eine Herde, die sich ohne Hirten nicht zu helfen weiß.“ Kein Wunder, im Abendland gab es viele selbsternannte Hirten, die alles unternahmen, um ihre Schäfchen hilflos zu machen.

Heute durchschauen die Massen ihre Führer besser denn je. Doch autonom sind sie nicht. Eliten fühlen sich berechtigt, aus der Unmündigkeit der Vielen ihre eigene Überlegenheit zu folgern. Eine absurde Torheit. Herrenschichten, die ihre Untertanen zu tumben Massen degradieren, sind blinde Blindenleiter. Den Massen suggerieren sie, den Lauf der Dinge könnten sie nicht verstehen, für primitive Gehirne sei er zu komplex. Warum aber scheitern sie selbst an den Geistern, die sie riefen?

Wie Eltern ihre Kinder abrichten, stellvertretend für sie ihre Aggressionen, Größenphantasien und Versagensängste auszuleben, so benutzen Eliten die Massen, um ihre eigene Inkompetenz zu ventilieren. Wie Gott nur Lob und Preis verdient, sein schuldloses Geschöpf, der Mensch, hingegen an allem Elend der Welt schuld sein soll, so präsentieren sich die Oberschichten als gottgleiche Genies, die ihre Untertanen zu Sündenböcken abrichten.

„Der Gebrauch der Vernunft ist für die Menschheit noch zu unvollkommen, um die Gesetze des Unbewussten enthüllen zu können und besonders, um es zu ersetzen. Der Anteil des Unbewussten an unseren Handlungen ist ungeheuer und der Anteil der Vernunft sehr klein.“

Le Bons Beurteilung der demokratischen Vernunft wäre heute zu pessimistisch. Dennoch gilt: erst, wenn die Massen sich das Recht nähmen, sich ihres Verstandes selbst zu bedienen, hätten abenteuernde Eliten keine Chancen mehr, sie ihres Wegs zu führen.

Massen, die ihre Vernunft entdecken, sind keine Massen mehr. Sondern urlebendige Gemeinschaften selbstbewusster Persönlichkeiten.