Kategorien
Tagesmail

Machtfreier Diskurs

Hello, Freunde der Diskursverweigerung,

woran erkennt man, dass die SPD im Aufwind ist? Dass sie – im Honeymoon der Großen Machtvereinigung – normalen Menschen den Diskurs verweigert.

Im Wahlkampf musste sie tun, als ob sie ihn nicht verweigerte. (So ein geheimer Leitfaden der Parteizentrale für die Wahlkämpfer, den sie nach der Wahl vernichten sollten.) Mit anderen Worten: Gespräche finden in der Republik nicht statt. Jedenfalls nicht zwischen normalen Menschen und anderen. Nicht, dass die Anderen gaga wären, dennoch sind sie schwer behindert – durch Macht.

Die weit verbreitete Machtbehinderung oder Machtkrankheit ist vom ärztlichen Dachverband noch nicht als reguläre Krankheit anerkannt, weshalb die Krankenkassen Antimacht-Therapien nicht bezahlen. Kein Wunder, dass die uralte Krankheit immer weitere Kreise unserer hierarchischen Gesellschaft flutet.

Wer Macht hat – so die Diagnose – hat keine Lust auf Gespräche mit Ohnmächtigen. Warum sollten Verantwortungs- und Entscheidungsträger mit Nobodys reden, die außer Schwatzen und Rechthaben nichts zuwege bringen?

Eine SPD-Frau ist aus ihrer Partei ausgetreten, weil ihre beste Freundin an einem Diskurs mit Gabriel teilgenommen hatte. Der hatte es für richtig gehalten, der Freundin den Diskurs zu verweigern. Warum? Kathy Meßmer, so heißt die Freundin, hatte Gabriel das Angebot gemacht, ihn an die Hand zu nehmen und ihm ihre Welt

zu zeigen. Hören wir mal rein:

„«Das Internet ist mein Lebensraum, mein Aktionsfeld, meine politische Bühne», und sie, Kathy Meßmer, würde Sigmar Gabriel gerne einmal «an der Hand nehmen», um es ihm zu zeigen.

Gabriel quittierte das, ganz ruhig übrigens, so: «Ich würd’ Sie gerne mitnehmen in die Welt außerhalb des Internets.»

Daraufhin Kathy Meßmer: «Oh, ich glaube, die kenn’ ich.»

Gabriel: «Ne, ich glaube, das kennen Sie nicht. Ich habe große Zweifel, ob Sie in der Welt, die Sie zu Ihrer erklärt haben, diese Welt, über die ich rede, kennen.»“

So steht‘s geschrieben in einem Kommentar von Edo Reents in der FAZ.

Zur Atmosphäre des Artikels. Der Schreiber lässt keinen Zweifel aufkommen, auf welcher Seite die FAZ steht. Auf der Seite jener, für die „Milieuzuschreibung ein ganz normaler Vorgang ist“, also auf der Seite der Macht, die gegen nervöse Attacken von Unten abgeschirmt werden muss. Gabriel reagiert auf die hanebüchenen Vorwürfe „ganz ruhig übrigens.“ Wer ruhig spricht, zeigt seine Qualifikation zur Ausübung der Macht.

Mächtige sind immer ganz gelassen. In Gelassenheit werden sie alles prüfen. Sterile Aufgeregtheit ist das Kennzeichen jener, die „neu“ im Geschäft sind und denken, die „Dinge ließen sich leicht ändern.“

Da die Freundin der Kathy Meßmer aus Solidarität mit ihrer Freundin und Empörung gegen ihren Vorsitzenden die Partei verließ und darüber einen Abschiedsbrief in der ZEIT schrieb, kommentiert die FAZ, den Brief könne man nur „wehleidig und selbstgerecht nennen“.

Wer selbst für Gerechtigkeit eintritt, muss selbst-gerecht sein. Klerikal korrekt sollte er fremd-gerecht sein, also die Gerechtigkeit den hohen Tieren überlassen, die besser damit umgehen können als hergelaufene Selbst-Gerechte, Selbst-Zufriedene und Selbst-Bewusste. In einer Demokratie das Selbst der Bürger betonen, das ist dreist und frech in den Augen selbst-loser FAZ-Feuilletonisten.

Wenn wir das Selbst der Souveräne vernichtet haben, sagte der Feind der Demokratie, haben wir unser Ziel erreicht.

Warum einen „Entrüstungssturm“ lostreten, wenn man das Ganze eine Nummer kleiner haben kann? Wer sich entrüstet, gibt sich als Hinterwäldler zu erkennen, der beim geringsten Gegenwind in Wehleidigkeit verfällt. Kennt Frau Meßmer die Welt der Macht? Wie kommt sie dazu, ihre Internetwelt zum Mittelpunkt des Geschehens zu machen?

Sollte in einem vernünftigen Gespräch nicht jeder Gesprächsteilnehmer die Welt des anderen kennen? Wäre bestimmt nicht schlecht. Aber ist Nichtkennen der anderen Welt schon ein legitimer Grund, sich dem Diskurs zu verweigern? Muss man mit der Lebenswelt des Anderen vertraut sein, um mit ihm ein Gespräch zu führen? Dann müsste Merkel ein unbezahltes Praktikum im Weißen Haus und Obama eine mehrwöchige Wanderung durch Mecklenburg-Vorpommern absolviert haben, um einen ungefähren Eindruck über die Welt des Anderen zu erhalten.

Demokraten wären gar nicht befugt, eine politische Meinung zu haben, wenn sie die Innenausstattung der Macht nicht kennen. Wer kennt schon den normalen Tagesablauf eines Abgeordneten? Ist Normalsprache untauglich geworden, den Abstand der Welten verbal zu erkunden und vielleicht zu überbrücken?

Sokrates kam nicht auf die Idee, vor jedem Streitgespräch eine Exkursion in die Welt seines Gesprächspartners zu unternehmen. Hätte er das gemacht, wäre er noch heute unterwegs, ohne je einen Dialog geführt zu haben.

Edo Reents von der FAZ würde hier vermutlich einwenden, damals war die Erkundung anderer Welten nicht nötig: es habe nur die eine übersichtliche Welt gegeben. Heute aber sei alles komplex und unübersichtlich. Die Gesellschaft sei in viele Welten gespalten, keiner verstehe den anderen auf Anhieb.

Reents spricht von der „Ein- oder Mehrwelttheorie“, von der er aber an dieser Stelle abstrahieren wolle. Vermutlich, weil er seinen Lesern nicht zutraut, solche Finessen zu durchschauen. Es war schon immer ein Signum geistiger Aristokratie, dem „einfachen Mann auf der Straße“ nicht zu viel zuzumuten und sich aus volkspädagogischen Gründen dem schlichten – „restringierten“ – Sprachgebrauch des Pöbels anzupassen.

Übrigens der Grund, warum edle Gazetten das Volk nie schelten. Das Volk kann den größten Scheiß wählen: bitte Contenance bei der Bewertung des Wahlergebnisses. Lieber die Parteieliten dreschen, die sind solche Liebestaten gewöhnt und fühlen sich durch Züchtigung geliebt und in ihrer herausgehobenen Stellung bestätigt.

Eliten mögen das ungewaschene Volk nicht. Durch mangelnde Kritik soll es verludern und geistig verfaulen. Dann mault es nicht mehr so sinnlos in der Gegend herum. Würde man das Volk an die Brust nehmen, könnte es durch Gegenkritik dazulernen und über sich hinauszuwachsen. Quel malheur!

Offensichtlich meint die Mehrwerttheorie – pardon die Mehrwelttheorie: sind das Zwillinge im Geist? –, dass die Demokratie zerfallen ist. In Klassen, Schichten, gentrifizierte Viertel, Privatschulen, erlesene Urlaubsziele, Geschmack und – jaja, die Bildung nicht zu vergessen. Von Geld und sonstigen Petitessen nicht zu reden. Wenn jeder in seiner eigenen Welt lebt, seine eigene Sprache spricht, seine Privatwahrheiten besitzt: wie kann es da zu einem gemeinsamen Gespräch auf dem Marktplatz kommen? Habermas würde – aber das klingt abgegriffen – von demokratischer Öffentlichkeit sprechen.

(Selbst die NSA ist eine heiße Befürworterin des öffentlichen Marktplatzes. Ihre fürsorgliche Hirten-Arbeit wäre wesentlich leichter, wenn die Schäfchen der theokratischen Gemeinde nicht immer ein solches Geschrei um ihre Idioten-, sprich ihre Privatsphäre erheben würden. Der kategorische Imperativ der NSA, ausgearbeitet von ihrem exklusiven Thinktank, wurde gerade der Presse vorgestellt:

Handle so, als wären deine Handlungen immer und zu jeder Zeit mit den Prinzipien eines allwissenden Auges und seiner unfehlbaren Stellvertreter vereinbar.

Wer glaubt, auf eine undurchsichtige private Höhle nicht verzichten zu können, sollte sich fragen, ob er mit den Prinzipien einer modernen und zeitgemäßen Demokratie noch verträglich ist. Welch Abgrund an unoffener Duckmäuserei, die Frage mit Ja zu beantworten.)

Die Mehrweltentheorie ist ein Früchtchen der Postmoderne. Jeder Mensch lebt in seiner eigenen Welt, hat seine eigene Realität, seine eigenen Perspektiven, Geschmäcker und Wahrheiten. Eine gemeinsame Welt und Wahrheit gibt es nicht. Wer von einer Wahrheit spricht, hat schon den totalitären Knick in der Optik. Schreiben am liebsten Journalisten, die ihre Wahrheit in ihrer Sprache der Welt mitteilen, um sie zu ihrer Sicht der Dinge zu überreden. (Kennzeichen des Faschismus ist nicht die eine Wahrheit, sondern die Zwangsbeglückung mit dieser einen Wahrheit.) Wer hier nicht über den Menschen heult, heult nimmermehr.

Abgrundtiefe Trauer um das einst so denkstarke Alteuropa, das vor die Hunde gegangen ist (Verzeihung, liebe Hunde). Hätte jeder Mensch tatsächlich nur die eigene Wahrheit, könnten diese Zeilen von niemandem verstanden werden. Kein Mensch könnte einen anderen kennen, denn jeder lebte in einem abgekapselten Atombunker.

Alle Signale wären codiert und nicht zu entschlüsseln. Selbst, wenn wir die Wörter entschlüsseln könnten, wären wir außerstande, ihren Sinn zu begreifen. Selbst, wenn wir den Sinn verstünden, wären wir unfähig, ihn als allgemeine Wahrheit zu begreifen, um den Abgrund zum anderen Menschen zu überbrücken.

Ist Europa nach zwei Weltkriegen geistesgestört? Und doch, meine Freunde und Freundinnen, dürfen wir nicht überheblich werden. War‘s doch ein deutsches Genie, das diese postmodernen Verwirrungen ausheckte: Jeder Mensch lebt in einer rundum abgeschotteten Kapsel, hat keinerlei Kontakte, weder mit seinen Nächsten, noch mit seinen Liebsten, und sitzt ein Leben lang in vollständiger Isolierhaft.

Wie können sich Isolierte und Verkapselte miteinander verständigen? Sie können es nicht. Ihr Schöpfer kann es, der alle Gespräche über seine allmächtige und allwissende Zentralinstanz leitet und die Einzelnen über sich miteinander verbindet.

Wir sehen, die NSA ist keine Erfindung der Gegenwart, sie kann auf eine ehrwürdige Tradition zurückschauen. Aber auch Leibniz, der die isolierten Kapseln Monaden nannte (von monas, der Einzelne) hat den Wahnsinn nicht erfunden.

(Die Unsichtbare Hand von Adam Smith – dazu da, die chaotischen Folgen wirtschaftlicher Subjekte, die nicht miteinander reden können, zu koordinieren – ist ein kleiner Abklatsch der Leibniz‘schen Monadenlehre. In der Wirtschaft muss Gott eingreifen, um die Interessen der Individuen zu harmonisieren. Bis heute ist es in der Ökonomie nicht gestattet, sich durch vernünftige Rede zu verständigen. Alles muss Gesetzen folgen, die von Moral und Ratio nicht verändert werden können. Wenn homo öconomicus eine egoistische Furie ist, die sich mit seiner Nachbarfurie nicht verständigen kann, folgt er noch immer Gesetzen isolierter Monaden. Solange die Ökonomie der Isolierten regiert, ist es dem Menschen untersagt, ohne Gottes Eingreifen rationale Gespräche zu führen.)

Auch Leibniz war nicht der Erfinder der Mehrweltentheorie. Es war der Erlöser, der die Menschheit in zwei unterschiedliche Gattungen teilte, die nichts Gemeinsames haben und ewig getrennt bleiben. Die Gattung der Schafe und die der Wölfe:

„Aber ihr glaubt nicht, denn ihr gehört nicht zu meinen Schafen. Meine Schafe hören auf meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir nach. Und ich gebe ihnen ewiges Leben und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“

Von Anfang an ist die Menschheit unterteilt. Die Erwählten und die Verworfenen leben von Geburt an in diametral unterschiedenen Welten. Nie hatten sie etwas Gemeinsames, nicht das kleinste Tüttelchen verbindet sie. „Jeder, der aus der Wahrheit ist, höret meine Stimme.“ Die Stimme des Herrn verstehen nur die, die Ihm vom Himmel zugeteilt wurden. Eine gemeinsame Sprache, ein Mittel zur Verständigung: Fehlanzeige.

Aus solchen Texten hat Calvin seine Prädestinationslehre entwickelt. Von Geburt an – ja schon vor Erschaffung der Welt – hat Gott die Menschen in total verschiedene Kategorien eingekerkert. Aus den zwei Kategorien entwickelten sich im Verlauf des liberalen Individualismus viele Kategorien. So viele, wie es Menschen gibt.

Wenn jeder seinem eigenen Weg folgt, gibt es genau so viele Wege wie Individuen. Jeder hat seine Wahrheit, Verständigung untereinander ausgeschlossen.

Hat Gabriel tatsächlich den Diskurs abgebrochen? Hat er die Netzwerkerin nicht in seine Welt eingeladen? Selbst wenn die Einladung ernst gemeint gewesen wäre, hätte er das Gespräch von einer Bedingung abhängig gemacht, die jedes Gespräch unterminiert. Wer miteinander reden will, hat die Aufgabe, Trennendes und Gemeinsames durch Denken und Reden herauszukriegen und nach Gesetzen der Logik überprüfen zu lassen.

Durch mäeutische Fragen kann ich eine fremde Welt in Erfahrung bringen. Nur auf denkendem Wege kann ich den anderen verstehen. Zum Denken brauche ich Sprache, keine touristischen Erkundungen auf fremdem Gelände.

Der Journalismus hat Erkennen durch Reisen ersetzt. Um ein Thema zu recherchieren, machen sie sich auf: quer durch Deutschland, quer durch Europa, quer durch die USA, quer durch die Berliner Schwulenszenerie. Ohne Sammeln sinnlicher Eindrücke sind sie unfähig, ein Thema zu erkunden.

Nichts gegen Eindrücke, alles gegen das Alleinstellungsmerkmal sinnlicher Perzeptionen. Erkennen beginnt mit Wahrnehmungen, so Platon, doch Wahrnehmungen müssen durchdacht werden.

Wer Amerika ergründen will, muss seine kollektive Biografie verstehen. Die Wahrheit liegt nicht in den verlassenen und heruntergekommenen Vierteln, Häusern und Fabrikhallen Detroits. Sondern in den ökonomischen, politischen und theologischen Schlachten der Vergangenheit – die man aus den Ruinen der Industrie nicht dechiffrieren kann.

Abschöpfen des Schaums genügt nicht. Man muss verstehen, wie etwas geworden ist, um das Resultat zu verstehen. Tagesschreiber begnügen sich mit Endmoränen. Die Geschichte der Gletscher kümmert sie nicht. Doch nur, wenn Archäologie, Historie und Gegenwart zusammenkommen, gibt es einen guten Klang.

Wenn Journalisten ihre Meinung ändern, – was selten vorkommt –, halten sie es nicht für nötig, ihren Sinneswandel zu erwähnen, geschweige zu erklären. Was gestern war, ist abgetan. Keine Reflexion über das Gestrige, keine Erinnerungsarbeit. Man betet den schnell vorüberfliegenden Augenblick an, schon ist er aus den Augen, aus dem Sinn. Hat der SPIEGEL jemals einen Artikel über seinen heutigen Abstand zu Rudolf Augstein geschrieben?

Wer so in den Tag lebt, kann keine übertägigen Erkenntnisse gewinnen. Erkennen heißt Erinnern, Linien ziehen zwischen Einst und Jetzt. Kant war ein Anti-Journalist. Nie aus Königsberg hinausgekommen, erfasste er die Welt mit Lesen, Studieren und Durchdenken.

Tagesschreiber lesen nicht und wenn doch, nicht aus Erkenntnisgründen. Lesen mache abhängig von denen, die die Bücher schrieben – denken sie. Sie aber wollen von Meinungen anderer unabhängig bleiben und halten sich fest an der „Objektivität“ ihrer Sinne. Ein Trugschluss.

Mit Gelesenem muss man sich auseinandersetzen. Man muss es mit konträren Meinungen konfrontieren, in die Mangel nehmen und mit ihm streiten. Sklaven des flüchtigen Augenblicks können das nicht. Ist die Sau der Woche durchs Dorf gejagt, hat man sie bereits vergessen, wenn die nächste um die Ecke biegt. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Wenn alles einmalig, unvergleichlich und stets neu sein muss, können Wahrnehmungen sich nicht zu Erkenntnissen weiterentwickeln. Erkennen reduziert sich auf Erhaschen flüchtiger Beute, die man nicht festhalten kann. Was sich dem Tempo der Druckermaschinen entzieht, hat es nicht gegeben.

Gabriel kann keine Gespräche führen, weil Gespräche in Deutschland abgeschafft sind. Die Talkshows haben ihnen endgültig den Garaus gemacht. Schon der Begriff „Gespräch“ ist lange ausgestorben. Es muss ein Diskurs sein. Was ist ein Diskurs? Eine neue Benennung für eine uralte Sache.

Doch Professoren von Rang wollen alles Sinnvolle selbst erfunden haben. Die Sucht nach Originalität ist am Erkunden der Vergangenheit nicht interessiert. Habermas kennt keinen Sokrates, kein mäeutisches Gespräch. Er erfindet die „Theorie des kommunikativen Handelns“, als ob er zum ersten Mal in der Geschichte ein vernünftiges Gespräch geführt hätte.

Professoren führen keine sokratischen Gespräche. Sie halten Vorträge, wenn sie huldvoll mit anderen kommunizieren. Worum geht’s beim „kommunikativen Handeln“? Bitte nicht erschrecken:

„Grundlegend für die Diskurstheorie von Habermas ist die in der Theorie des kommunikativen Handelns entwickelte Unterscheidung von kommunikativem Handeln, in Form regelmäßig verständigungsorientierter Äußerungen, sogenannten „Sprechakten“, und einem strikt an eigenen Interessen orientierten „strategischen Handeln“. Nach diesem Verständnis verhält sich das strategische Handeln parasitär zum kommunikativen Handeln, das den Originalmodus des Sprechens darstellt.“

Wie meinen? Hier wird’s deutlicher: „Unter dem Stichwort ‚Diskurs‘ führte ich die durch Argumentation gekennzeichnete Form der Kommunikation ein, in der problematisch gewordene Geltungsansprüche zum Thema gemacht und auf ihre Berechtigung hin untersucht werden.“

Sokrates hätte gesagt, im philosophischen Gespräch muss jeder Gesprächspartner den andern unter die Lupe nehmen und seine Argumente sorgsam überprüfen. Ein ungeprüftes Leben ist nicht lebenswert, lautete seine Devise.

Habermas spricht von Diskursregeln einer „idealen Sprechsituation“, in der nichts weiter herrscht als „der zwanglose Zwang des besseren Arguments und das Motiv der kooperativen Wahrheitssuche“. Ein Gespräch ist ein machtfreier Diskurs, in dem keiner berechtigt ist, das Gespräch willkürlich zu lenken und nach seinen Interessen auszurichten.

In Talkshows regieren Despoten, die nach Lust und Laune ihre Gunst verteilen. Kaum beginnt der Befragte zu antworten, wird er schon unterbrochen: das vergnügungssüchtige Quotenpublikum darf nicht gelangweilt werden. Vertiefende Debatten zwischen den Gesprächsteilnehmern sind ein Quotenkiller und also verboten.

Der moderierende Peitschenknaller – meist ansehnliche Damen unter Herren – muss im Zentrum des Geschehens stehen, anstatt neugierig dem strittigen Gang des Gedankens zu folgen.

Kann es in machtverseuchten Gesellschaften machtfreie Diskurse geben? Wer wahrheitssuchende Dialoge für Illusionen hält, dem bleiben nur monologische Reden. Reden sind Abkömmlinge der Predigt.

Und er predigte wie einer, der Gewalt hat.