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Leben

Hello, Freunde des Lebens,

warum gefährdet der Mensch sein Leben auf Erden? Weil er nicht sterben kann.

Wer sein Leben mit allen Fasern gelebt hat, fällt wie ein reifer Apfel vom Baum. Wer nicht lebenssatt geworden ist, kann nicht Abschied nehmen und wenn er auf der Bahre läge. Er muss ein jenseitiges Leben erfinden, das sein misslungenes Erdendasein ausgleichen soll.

Würde jeder Mensch ein erfreuliches Leben führen, wären der Menschheit Himmel und Hölle erspart geblieben. Menschen erfanden Utopien, um ihre miserablen Lebensumstände anzuprangern. Sie erfanden überirdische Welten, um ihrer unerträglichen Realität den Spiegel vorzuhalten.

Die Strategie ging fehl. Statt irdisches Leben durch Kritik zu verbessern, wurde das überirdische zum tröstlichen Dauerersatz für ein misslungenes Leben. Was Lösung sein sollte, wurde Er-Lösung.

Erlösung vernichtet Natur und Mensch, um sie zu erlösen. Um den Kranken zu heilen, muss er getötet werden. Nur tote Menschen sind erlöste Menschen, sie können nicht mehr leiden.

Solange trügerische Hoffnungen auf ein jenseitiges Heil bestehen, fühlt der Mensch sich nicht genötigt, sein irdisches Unheil zu beheben.

In der freiesten Epoche der Menschheit kann der Mensch nicht über sein Leben bestimmen. Warum sollte er über seinen Tod bestimmen? Der Tod ist

Bestandteil des Lebens. Wer nicht selbstbestimmt leben darf, wie sollte der selbstbestimmt sterben?

Niemand fragt die Alten, ob sie ihr Leben noch einmal leben wollten. Was wäre, wenn die meisten zu Protokoll geben würden: nie mehr. Nie mehr das Rennen und Laufen, das Hasten und Gieren, das Demütigen und Töten.

Völlig unverständlich, was jener sagte: „War das das Leben? Wohlan! Noch einmal!“ War Zarathustra krank, als er die Wiederkehr aller Dinge wollte?

Es war eine Sternstunde im Bundestag, als die Gewählten frei sprechen und ihr Gewissen zu Wort kommen lassen durften. Damit sie sich an Freiheit und Gewissen nicht gewöhnen, gibt es nur eine Sternstunde pro Wahlperiode.

Und wie sie vor Betroffenheit überliefen und ihr leidendes Menschsein beklagten: oh, wir haben mitfühlende und mitleidende Politiker. Wie sich übertrumpften mit abstoßenden Krebsarten, wie sie vor unlösbaren existentiellen Situationen standen – das musste jedem Wähler das mitleidende Herz brechen.

Der Tod ist der Sünde Sold – also kein Zuckerlecken. „Gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod und so der Tod auf alle Menschen übergegangen ist, weil sie alle gesündigt haben.“

Hätten die Menschen nicht gesündigt, wären sie unsterblich geblieben. Der Tod ist die Strafe, die niemandem erlassen werden kann. Wer seinen Tod frei bestimmen will, will nur sein Leiden abkürzen. Solch fahrlässige Lust muss verhindert werden.

„Die Politik ist in sich selbst nicht die letzte Instanz.“ Also muss Politik vom Jenseits eingerahmt werden. Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie nicht selbst geschaffen hat. Also muss Demokratie von Gott umschlossen werden. Der irdische Mensch ist ein Schmarotzer des Überirdischen. Also muss der Mensch vom Überirdischen bestimmt werden. Das Leben lebt von Voraussetzungen, die seine Kompetenz überschreiten. Also muss das Leben vom göttlichen Tod in die Zange genommen werden.

Elias Canetti hasste den Tod. „Ich anerkenne nicht den Tod“, lautete sein Sturmlauf gegen den Sensenmann. Er wollte leben, als ob es den Tod nicht gäbe. Der Hass auf den Tod, die Unfähigkeit, ihn als Teil der Natur anzuerkennen, ist der Humus, auf dem Unsterblichkeitsmaschinen erfunden werden. Sterben heißt den Tribut zahlen, dass man immer noch Sünder ist.

Der Sünder aber will vollkommen sein. Ist er nicht Gottes Ebenbild? „Rühret die Früchte nicht an“, hatte der Erfinder des Lebens und des Todes zu den Menschen gesagt: „Dass ihr nicht sterbet.“

Doch sie rührten die Früchte an und – wurden wie Gott. „Der Mensch ist worden wie unsereiner“, sagte Gott fast ungläubig über die unverfrorene Freveltat.

Einen schreienderen Widerspruch kann es nicht geben: der Mensch wurde wie Gott in dem Moment, als er sterblich wurde. Doch Gott kann nicht sterben. Auch sein sterbender Sohn wird auferstehen.

Die Parlamentarier schütteten ihr Herz aus, doch den Wurzeln ihres religiösen Lebens gingen sie schamhaft aus dem Weg. Sie haben gelernt, über ihren Glauben zu reden, ohne ein einziges Mal Gott und Teufel zu erwähnen. Und jeder weiß, was sie meinen, wenn sie verschweigen, was sie eigentlich sagen wollten.

Sie sagen nicht: Gott ist Herr über Leben und Tod, also keine blasphemische Debatte mehr über Verkürzungen des Lebens. Stattdessen sagen sie: wenn wir den Freitod erlauben, bringen sich die meisten Alten und Sterbenskranken auf der Stelle um. Just for fun, nur um ihren Leiden und Schmerzen ein Ende zu setzen.

Halt, sind sie nicht für äh Palliativmedizin? Oh ja, mit Worten sind sie schon lange für schmerzfreies Leiden. Seltsam, dass die Realität noch immer anders aussieht.

Warum gibt es noch immer so wenig Palliativ-Mediziner? Auch wollen sie nicht wahrhaben, dass Schmerzen nicht nur körperlich sind. Kein Mensch, der nicht nach seiner Facon leben kann, empfindet sein Leben als ungetrübte Freude.

Es gibt psychische Schmerzen des sinnlosen Dahinvegetierens. Nicht nur, dass man anderen Menschen nicht zur Last fallen will. Selbst, wenn es genug Menschen gäbe, die diese Last auf sich nehmen würden: wer will die Tatsache leugnen, dass Alte und Kranke, Siechende und Sterbende nichts mehr zum BIP beitragen können? Sie sind Parasiten geworden.

Oh gewiss, es gibt noch Nächstenliebende. Doch wer weiß nicht, dass Malocher sich Nächstenliebe nicht mehr leisten können? Dass sie durch ihre Fürsorge Deutschland daran hindern, die Konkurrenz mit China zu bestehen?

Oh ja, sie machen tapfere Miene zum altruistischen Spiel, doch sie wissen: ihre Wohltaten werden von der Gesellschaft nur in dünnlippiger Verbissenheit geduldet.

Schon lange sind die Alten, Unproduktiven und Schwachen der Gesellschaft eine Last. Erst hören wir den besorgten Satz: unsere Gesellschaft wird immer älter. Wer soll die Lawine der Überflüssigen bezahlen? (Wird nicht ausgesprochen, soll aber jeder denken). Erst im zweiten Satz kommt die aufgesetzte Korrektur: gewiss ist es erfreulich, dass unsere Alten immer älter werden.

Für Realisten ist schon lange klar, dass Menschlichkeit in allen Facetten nie kompatibel sein kann mit ökonomischer Konkurrenz. Nicht nur Mütter, sondern alle, die ihren Beitrag zum Deo Gloria der einheimischen Wirtschaft nicht leisten, sind überflüssige Fresser und Säufer. Auch Jugendliche sind nur geduldet, wenn sie hurtig in den Betrieb der Erwachsenen einsteigen.

Alle Fußkranken, die beim Tanz ums Goldene Kalb abseits stehen, sind Ballast und Bürde. Noch tut die Gesellschaft, als duldete sie solche Nutznießer und Mitesser. Wie lange noch?

Die Würde des Menschen sei auch dann gewahrt, wenn sie endlos vor sich hinsiechen. Gewiss doch. Die Würde des Menschen ist nicht nur die statische Eigenschaft eines Menschen, sondern die Art und Weise, wie er von seinen Mitmenschen behandelt wird. An der Behandlung der Menschen erkennt man, welche Würde man ihnen noch zugesteht.

Kein Mensch ohne Würde. Selbst der größte Verbrecher verliert nie seine Würde. Indem man ihn dem Gesetz überstellt, bewahrt man seine Würde.

Das inflationäre Geschwätz über Würde geht in die Irre. Ob ein Mensch seinen Tod selbst bestimmt oder nicht: nie kann er seine Würde verlieren – jene Art und Weise, wie die Gesellschaft ihn zu behandeln hätte.

Er selbst kann seine Würde verfehlen, seinen Willen verleugnen, seine Verantwortung in den Dreck ziehen, dennoch verliert er nie das Recht, wie ein Mensch behandelt zu werden.

Würde ist Selbstbestimmung, die man nie verliert, auch wenn man sie verleugnet, indem man sich Stärkeren beugt, seine Meinung verkauft, seine aufrechte Haltung verschachert. Selbst der würdelose Mensch ist Ebenbild – nicht des Gottes, sondern des Menschen.

Was für eine Attacke gegen die Würde jener Menschen, die sich nicht mehr bewegen können, dass man ihren Willen negiert und die Hilfe zur Selbsttötung verweigert?

Diejenigen, die noch stark sind, dürfen den Schierlingsbecher trinken. Doch diejenigen, die dazu nicht mehr in der Lage sind, haben Pech gehabt? Auch hier die Privilegierung der Funktionsfähigen und die Diskriminierung der Ohnmächtigen.

Sterbevereine, die ihre Hilfe gegen Geld anbieten, sollen verboten werden? Dann müssten alle Sozialberufe nur noch um Gottes Lohn tätig sein.

Diese großkotzigen Mediziner, wie sie sich aufspielen zu Herren über Leben und Tod. Wie sie ihr Wissen als Machtwissen einsetzen, um ihre Überlegenheit über die Menschheit zu demonstrieren. Entreißt den Medizinern das Wissensmonopol. Jeder Mensch ist selbst fähig, seinen eigenen Kopf zu benutzen. Dazu braucht er weder Priester noch Quacksalber.

Was wäre das für eine Kastengesellschaft, wenn jeder Beruf seine Kenntnisse als Staatsgeheimnis hüten würde? Soll der IT-Spezialist, der dem Mediziner den Computer repariert, ihn vorher zur Kasse bitten: erst meine Todesspritze, dann reparier ich deine Maschine?

Diese großkotzigen Prediger, kraft welcher demokratischen Legitimation maßen sie sich an, über Leben und Tod ihrer Mitmenschen zu entscheiden? Kraft der Segens eines Gottes? Dann sollte der Gott sich mal auf dem demokratischen Marktplatz zeigen, dass man über seine unverschämten Anmaßungen sprechen könnte.

Diese großkotzigen Ethiker und Vordenker der Nation: kraft welcher Legitimation schwingen sie ihre hohen Phrasen? Weil sie zufällig den Job des Kommentators erwischt haben?

Was ist das für ein Misstrauen der Politiker gegen den mündigen Menschen, wenn sie ihm alles zutrauen, nur nicht das Sorgsame und Vernünftige? Ununterbrochen sprechen sie von Würde, doch dem konkreten Menschen trauen sie nur Kindisches und Unverantwortliches zu.

Wir erleben die Umkehrung des pädagogischen Misstrauens der Eltern gegen ihre erbsündigen Bengel, denen man von morgens bis abends die Grenzen zeigen muss. Sind die Eltern alt und die Kinder erwachsen geworden, zahlen sie es den Alten heim. Mit Zins und Zinseszins. Nun müssen die Lustgreise und Demenzgreisinnen an die Kandare gelegt werden. Das wäre noch schöner, wenn die Überflüssigen entscheiden dürften, wann sie das letzte Handtuch werfen.

Der Mensch ist dem Menschen ein misstrauischer Seelenschnüffler. Und was sieht er in der abgründigen Seele seiner Lieben? Eigensucht und schmutzige Begierden.

Warum erkranken immer mehr Alte an Alzheimer und Demenz? Sie wollen ungeschehen machen, wie sie gestern lebten, heute leben und morgen leben werden. Ich will nicht wissen, wie ich mein Leben verbringen musste. Nie wurde ich gefragt, ob ich zustimme.

War das ein Leben in Würde, wenn man Gesetzen folgen musste, die sich käufliche Ökonomen aus den Rippen schwitzten? Dass man Geboten gehorchen musste, die sich gottbesoffene Priester ausdachten, um ihre Macht über die Menschen zu sichern?

Wer eigentlich maßt sich an, mündigen Menschen vorzuschreiben zu wollen, wie sie ihr Leben zu gestalten und zu beenden haben?

Der greise Indianer sagte seinen Leuten: ich habe den Ruf vernommen. Dann legte er sich auf sein Lager, um den Tod in stoischer Ruhe zu erwarten.

Zenon, der Gründer der Stoa, erhängte sich, nachdem er sich den Finger geritzt hatte. Ja, ich komme schon, sagte er der Stimme, die er gehört hatte. Nur er allein gehört hatte. Keinen Mediziner und Popen hatte er um Erlaubnis gebeten, zur Mutter Natur zurückzukehren.

Kann es sein, dass mündige Menschen am besten wissen, wann ihre Stunde geschlagen hat?

Cato der Jüngere stürzte sich in sein Schwert, um nicht Cäsars neu errichtete Diktatur mitzuerleben. Der Philosoph Seneca öffnete sich die Adern, nachdem er von Nero aufgefordert wurde, sich aus dem Staub zu machen:

„Der letzte Lebenstag, vor dem dir so graut, ist der Geburtstag der Ewigkeit. Wirf alle Last von dir! Wozu das Zögern? Hast du nicht einst auch den Leib verlassen, der dich der Welt verbarg, und das Licht des Tages erblickt? Du zögerst und willst nicht? Auch damals hat dich die Mutter unter schweren Leiden ans Licht gebracht. Du seufzest und weinst? Das tun auch die Neugeborenen.“

Sokrates hätte aus Athen fliehen können. Doch aus Respekt vor dem Gesetz – auch wenn es ihn zu Unrecht verurteilte – wählte er den Schierlingsbecher.

Fast ausnahmslos war die Antike der Meinung, der Mensch müsse seinen Tod selbst bestimmen. Wer auch hätte diesem etwas vorschreiben dürfen? Eine Kirche mit anmaßenden Popen, die sich auf angebliche Offenbarungen stützten, gab es nicht. Nicht das Jenseits war das Maß aller Dinge, sondern das Leben auf Erden in der Polis der Selbstbestimmten.

Wer dem Menschen das Recht abspricht, seinen Tod selbst zu bestimmen, der legt der Demokratie die Axt an die Wurzel. Die Selbstbestimmung über das eigene Leben, zu dem der Tod gehört – nicht als der Sünde Sold, sondern als Erfüllung des Lebens – ist die Grundlage aller Selbstbestimmung.

Nun kommen sie und predigen Demut. Demut ist das Gegenteil von Mut. Mut benötigt man, um sein Leben in eigener Regie zu gestalten. Gesellschaftliche Dinge müssen von allen beraten und beschlossen werden. Doch private Angelegenheiten gehen nur den etwas an, den es angeht.

Wer wird beschädigt, wenn einer dem Ruf der Natur folgt, Abschied zu nehmen? Abschied nehmen schmerzt, doch er befreit auch. Denn die Trauernden wissen: zur rechten Zeit zu gehen, war das Beste für den, der Abschied nimmt. Also ist es auch das Beste für die, die zurückbleiben und des Toten in Liebe gedenken. Bis alle im Schoß der Natur wieder vereint sein werden.

Der Tod ist für Christen ein gräßliches Gerippe. Es ist der Sensenmann, der die Sünder vors Gericht zerren muss, wo sie schlottern und zittern.

Bei den Griechen war der Tod ein freundlicher Knabe, der den Sterbenden einen Lorbeerkranz aufs Haupt setzte.

„Damals trat kein gräßliches Gerippe

An das Bett der Sterbenden: ein Kuss

Nahm das letzte Leben von der Lippe,

Seine Fackel senkt ein Genius.“ – Dichtete Schiller in den „Göttern Griechenlands“.

Die europäische Literatur ist übersät mit grauenhaften Schilderungen des letzten Stündleins in Angst und Schrecken. Wie die Sünder beben müssen, in der Ungewissheit, ob sie zu den Erwählten oder den Verdammten gehören:

„Seid gehorsam in Furcht und Zittern“. „So mühet euch um euer Heil in Furcht und Zittern.“ „So wandelt in Furcht in der Zeit eurer Pilgerschaft“. „Die Gemeinde wandelte in der Furcht des Herrn.“ „Und fahret fort mit der Heiligung in der Furcht Gottes.“

Antike Kritiker des Christentums warfen den Gläubigen der neuen Religion vor, die Welt zu verachten, um schnell in den Himmel zu kommen. Warum töten sie sich nicht, wenn sie nicht unter uns leben können?

Antwort des Vaters im Himmel: das irdische Leben in seiner Fron durfte nur in Ausnahmefällen abgekürzt werden. Es war göttliche Pflicht, im irdischen Jammertal auszuharren, so lange es dem Schöpfer gefiel.

Als ob der Hohn der antiken Religionskritiker noch heute im Unbewussten der Christen verankert wäre und sie penibel drauf achten müssten, dass jeder sein vorgeschriebenes Pensum absolviere.

Wie wir mit dem Tod umgehen, so ist es um unsere Demokratie bestellt. Es ist lachhaft, von Würde und Autonomie zu sprechen – und sie dem sterbenden Menschen vorzuenthalten. Hier entlarvt sich das bodenlose Misstrauen der sich minderwertig fühlenden Frommen gegen die stolzen selbstbewussten Heiden.

Warum sollte es den Jüngern besser gehen als ihrem Herrn und Meister, der auch nicht über seinen Tod entscheiden durfte? Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen. Doch dein Wille geschehe. Der Sohn musste den Tod auf sich nehmen, um die Erlöserschwäche des Vaters auszubügeln.

Vergeblich. Die Christenheit müsste erlöster aussehen, damit der vom Glauben abgefallene Pastorensohn an ihre Erlösung glauben könnte. Zarathustra schrieb den Deutschen ins Stammbuch, sie sollten das Sterben erst lernen.

Wer sich hier an Euthanasie erinnert fühlt, muss außer Rand und Band sein. Euthanasie der Nationalsozialisten war die Todeswalze eines Mörderstaates. Heute geht’s um den frei bestimmten Tod, bei dem jeder seine persönliche Entscheidung fällen kann. Nietzsche:

„Seinen Tod stirbt der Vollbringende, siegreich, umringt von Hoffenden und Gelobenden.

Also sollte man sterben lernen; und es sollte kein Fest geben, wo ein solcher Sterbender nicht der Lebenden Schwüre weihte! […]“

„[…] Dass euer Sterben keine Lästerung sei auf Mensch und Erde, meine Freunde: das erbitte ich mir von dem Honig eurer Seele.

In eurem Sterben soll noch euer Geist und eure Tugend glühn, gleich einem Abendroth um die Erde: oder aber das Sterben ist euch schlecht gerathen.(Also sprach Zarathustra)

Todestänze gab es in der Antike und im christlichen Mittelalter. Beide gingen vom unentrinnbaren Schicksal des Todes aus. Aus der gemeinsamen Voraussetzung aber ziehen sie völlig unterschiedliche Schlüsse:

„Die christlichen Künstler warnen: „Hänge dich nicht zu sehr an den Lebensgenuss, tue Buße und bereite sich auf die Ewigkeit vor.“ Die Griechen sagen: Um so mehr musst du das kurze Leben genießen; denn nachher ist es aus.“ (Nestle, Mittelalter und antike Totentänze)

Wir müssen leben lernen, um lebenssatt sterben zu können. Wir müssen sterben lernen, um das Leben der Gattung auf Erden zu sichern.