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Kinder übernehmen

Hello, Freunde der Menschenjagd,

wenn die Meute, der Plebs, das Netz einen öffentlichen Menschen in den Senkel stellt, ist es ein Shitstorm, eine Menschenjagd. Sagt die Vierte Gewalt. Vor Erfindung des Netzes war die Jagd auf Politiker allein ihr Privileg.

Wenn die Vierte Gewalt einen Bundespräsidenten aus dem Amt jagt, ist es eine ehrenwerte Kampagne, der Beweis, dass die demokratische Öffentlichkeit – identisch mit der Presse – intakt ist.

Als Giovanni di Lorenzo bei seinem Freund Günter Jauch bekannte, bei der Europawahl habe er zwei Stimmen abgegeben, war er „über Tage der Häme einer neuen digitalen Ruppigkeit ausgesetzt. In der ominösen Doppelwahl di Lorenzos schossen Politikum und individuelle Fehlleistung zusammen und gaben so ein gefundenes Fressen ab für den kleinen Hunger nach spontaner Emotionalisierung. Frank Schirrmacher war di Lorenzo öffentlich beigesprungen, und in einer seiner letzten Botschaften an den Zeit-Chef und TV-Moderator notierte er, dass es vielleicht Aufgabe des Qualitätsjournalismus sein müsse, den Menschenjagd-Konsens zu durchbrechen,“ schreibt Harry Nutt in einem Kommentar der BLZ.

Vielleicht? Frank Schirrmacher pflegte sich hinter vieldeutigen Wendungen zu verstecken. Sollte doch jeder seine subjektive Meinung auf das Orakel von Frankfurt projizieren können.

Hat di Lorenzo gegen das Wahlrecht verstoßen oder nicht? Wenn ja, hat er

gegen das Gesetz verstoßen. Unkenntnis schützt vor Strafe nicht. Dass ein Medienfürst solche Kleinigkeiten nicht kennt, dafür muss er den Spott der Öffentlichkeit über sich ergehen lassen, die für Lorenzos Kollegen – die sich sofort um ihn scharten – nur Häme oder Menschenjagd-Konsens sein konnte.

Geht’s eine Nummer kleiner? Die Profischreiber können sich an die Konkurrenz der eruptiv kommentierenden Netzgemeinde nicht gewöhnen. Was die BILD treibt, daran haben sie sich gewöhnt. Auch Lichtgestalt Schirrmacher hatte längst seinen Frieden mit dem Shitstormblatt geschlossen.

Nun bietet sich die rüpelhafte Meute im Dunkel des Netzes als idealer Blitzableiter an. Das wird zu einem medialen Entrüstungssturm der Doppelmoral. Was sie selber dürfen, dürfen die anderen noch lange nicht. Hier die approbierten Vermittler, die allzu oft am Tisch der Mächtigen sitzen, dort die aus der Anonymität der Vielzuvielen auftauchenden Rüpel und Menschenjäger. Auf sie mit Gebrüll.

Nein, eben nicht mit Gebrüll, die Edelschreiber gebieten über das wohlabgewogene Wort, dumpfe Emotionen sind ihnen unbekannt. Die wurden im Bad des Geistes längst zu geschliffenen Florettbegriffen, die sie trefflich und elegant einzusetzen wissen. Da muss die Meute ihr diszipliniertes Gefühls-ABC erst noch lernen.

Bekanntlich hat Gott die Sprache erfunden, dass die Menschen sich besser hinters Licht führen können. Rüpel sind ehrlicher. Da sie keine mediale Karriere planen, müssen sie keinen Dauerfilter einschalten, um das Wohlwollen der Chefredakteure zu gewinnen.

Bei Harry Nutt wird Recht und Gesetz zur Konvention, die zu brechen das Recht des kühnen Außenseiters und antiautoritären Rebellen ist. Schon wird aus dem Gesetzesbrecher di Lorenzo der furchtlose Dissident.

„Das Rasende und eine rasch überschießende Meinungsfreude, die in den jeweiligen Debatten zur Artikulation drängen, verdecken meist nur eine allgemeine Orientierungs- und Ratlosigkeit.“

Vor Entdeckung des Netzes war die Bevölkerung von jeder aktuellen Mitsprachekompetenz ausgeschlossen. Jetzt muss sie lernen, ihre Sache nicht nur am Stammtisch zu äußern, sondern per Maschine in den Äther zu senden. Ohne Übertreibungen wird’s da nicht gehen. Damit wird aber keine „Orientierungslosigkeit verdeckt“, sondern erst ans Licht gebracht, auf dass der Autor beim allmählichen Verfertigen der Gedanken seinen Standpunkt erst kennen lernen kann.

Schreiben heißt bewusst werden – solange man kein Profi ist, der sein Schreiben bewusst benutzt, um seine Gedanken im Ungefähren zu vernebeln.

Nutt kann keinen Gedanken festhalten. Er schliddert übers Eis, dass man dauernd suchen muss, wo es ihn niedergestreckt hat. Aus Konvention wird plötzlich Anstand. Anstand ist weder Gesetz noch Moral. Wir sind in der Kinderstube der Bourgeoisie gelandet: Wasch dir die Hände, wenn du zu Tisch kommst.

Die Bürgerschreiber wollen den Straßenrüpeln das Einmaleins des Benehmens beibringen, eine Art Retourkutsche für die Demütigung, dass sie von den Rabauken oft genug verprügelt wurden. Anstand ist, wenn man den andern nicht verletzt. Da Kritik inzwischen zum Synonym von Verletzen und Verletztwerden geworden ist, haben wir schon das Ende der kritischen Demokratie erreicht.

Ein stabiler Demokrat hat nicht verletzt zu sein, wenn er kritisiert wird. Ohne Vertrauen in die Robustheit des Kritisierten kann niemand die Unbefangenheit des offenen Kritisierens bewahren.

Das Forum ist kein Ableger der emotionsfeindlichen Bürgerstube. Mit unseren gezügelten und ungezügelten Emotionen haben wir uns auseinander zu setzen. Wir sollten verstehen, dass sie nicht dämonischen oder erbsündigen Ursprungs sind, sondern ungelenke Versuche, die eigene Meinung mit allen Gefühlsbeilagen aus dem Es ins Ich zu transportieren.

Das Netz ist eine ausgezeichnete Gelegenheit für jeden Teilnehmer der Debatte, sich selbst auf die Schliche zu kommen. Das geht nicht von heut auf morgen. Vergessen wir nicht, dass die Gesellschaft ihren Heranwachsenden nicht gestattet, ihre Meinung in unverstellter Geradlinigkeit ins Gespräch einzubringen. Nach Möglichkeit so, dass andere nicht die Flucht ergreifen.

Am Shitstorm erkennen wir das Maß der emotionalen Unterdrückung der Nation. Wer bei Papa und Mama, in Kita und Schule, nicht frei debattieren lernte, der wird im Netz erst mal seine Kloaken entleeren. Das ist unangenehm, aber unvermeidlich in einer repressiven Gesellschaft, die daran geht, sich zu befreien.

Am Ende fällt Nutt auf den Kopf und verwechselt alles mit allem. „Zivil ist es gewiss, sich in Gesellschaft nicht wie ein Wolf aufs Essen zu stürzen, aber noch ziviler sei es, sich nicht darüber aufzuregen.“

Wovon ist die Rede? Von di Lorenzo, der die Regeln verletzte, den man aber nicht gleich stäupen sollte? Oder von der Netzgemeinde, die das Schickliche an Gefühläußerungen roh überschritt?

„Es sei zivil, so fasst es der Sittenforscher Karl-Heinz Göttert zusammen, sich an Regeln zu halten, „aber noch ziviler ist es, Verstöße dagegen zu erdulden.“ Letzteres scheint derzeit nicht sonderlich ausgeprägt.“

Nutt verteidigt seinen Kollegen di Lorenzo, indem er den Shitstormern vorwirft, sie seien bei „Regel- und Konventionsverletzung“ zu wenig tolerant. Gleichzeitig ist er intolerant gegen die Affektäußerungen der Volksmeute, die sich erdreistet, ihre Meinung den erlauchten Schreibern in authentischem O-Ton mitzuteilen. Die Edelschreiber wehren sich gegen Menschenjagd, indem sie die Menschen als Straßenrüpel vor sich herjagen.

Überall Allergie gegen Moral. In den Kinderstuben wird den Kleinen Moral eingebläut, als Erwachsene haben sie sich Moral schnellstmöglich wieder auszuschwitzen. Moral ist unanständig, ja unmoralisch.

Zwar kennt niemand den Namen Mandeville, doch seine Formel: private Laster, öffentliche Tugenden oder umgekehrt: private Tugenden, öffentliche Laster, praktiziert jeder. Was das A und O der Kinderwelt ist, muss in der Welt der Erwachsenen zur roten Karte werden.

Ursula März ist allergisch gegen Frauke Ludowig, die in ihrer RTL-Sendung das Unmoralische in der Gesellschaft aufspüren will:

„Das Repräsentative an Frauke Ludowigs Starmagazin ist nichts anderes als die Vernarrtheit in die Verfehlung, der etwas Krankhaftes, fast möchte man sagen: etwas Perverses anhaftet. Aber diese Vernarrtheit wurde nicht von einer RTL-Redaktion erfunden. Sie ist das Echo einer Gesellschaft, die ihre Energie daran verschwendet, sämtliche Promotionsarbeiten hochrangiger Politiker nach unausgewiesenen Zitaten zu durchstöbern, die irre genug ist, die linkische Bemerkung eines Altliberalen über Dirndldekolletés zum Sexismusskandal hochzujubeln.“ (Ursula März in ZEIT Online)

Ist es nicht sinnvoll, die wissenschaftliche Reputation unserer „Vorbilder“ unter die Lupe zu nehmen, den versteckten Sexismus und die Degradierung der Frau zur leicht verfügbaren Beute anzuprangern? Für Ursula März wäre das Grundprinzip des Sokrates: ein unüberprüftes Leben ist nicht lebenswert, ein totalitärer Terror.

In Staaten, in denen solche Überprüfungen mit Gewalt exekutiert werden, wäre der Vorwurf berechtigt. (Noch) aber leben wir nicht im platonischen Faschismus. Was wäre das für eine Gesellschaft, in der das Laisser faire, laisser passer auf allen Ebenen der Gesellschaft gelten würde, nicht nur in der Wirtschaft?

Lebt eine Demokratie nicht von der Übereinstimmung zwischen Reden und Tun? War die Kluft zwischen Denken und Handeln nicht das Zeichen von Unreife? Kann eine Gesellschaft mit unbeschränkter Heuchelmoral verlässlich und stabil sein? Kann sie eine Demokratie sein, die von demokratischen Tugenden lebt, als da sind Zivilcourage, unbeugsamer Freiheitswille, aufrechte Meinungskompetenz und Achtung vor den Menschenrechten?

Was wäre, wenn in Sonntagsreden die Gaucks und Lammerts predigen würden, was sie in ihrem privaten Leben verhöhnten? Sind das nicht moralische Trivialitäten, die wir unsren Kindern beibringen, doch wir Erwachsene glauben, wir könnten sie nach Belieben verhunzen?

Das ist der absolute Sieg des Neoliberalismus. Hayek bezog sich auf Mandevilles Grundsatz, dass private Laster öffentliche Tugenden seien. Autistische Raffgier und egoistisches Für-sich-allein-haben-wollen ist im Privaten eine schwere Untugend. In der Wirtschaft aber werden solche Laster zu notwendigen Tugenden und Motivatoren, denn ohne egoistische Raffgier gäbe es keinen Neoliberalismus.

Die Moderne ist ein System moralisch geforderter Amoral, in dem Schizophrenie, doppelte Moral und Heuchelei zum Dogma erklärt wurden. Nie in ihrem Leben werden die Menschen den Bruch zwischen ihrer Kindheitsmoral – die sie in ihrem tiefsten Gefühlsgrund nie aufgeben werden – und der konträren Moral ihres Erwachsenwerdens verkraften. Der Bruch bleibt.

Der härteste Zocker wird seinem Kind nicht die Moral seines „Jobs“ beibringen. Die Pubertät, der Übergang zur Erwachsenenwelt, ist nicht aus biologischen Gründen schwierig, sondern aus philosophischen. Mit Entsetzen merkt das Kind, dass seine Vorbilder draußen in der Welt das Gegenteil von dem vertreten, was sie ihnen bislang vermittelten.

Warum ziehen sich pubertierende Kinder von den Autoritäten zurück? Weil sie das Vertrauen in sie verloren haben. Erst, wenn sie mit einer gewissen Portion an Selbstekel sich an die Schizophrenie der beiden Welten gewöhnt haben, kommen sie aus ihrer inneren Enklave zurück und beweisen mit der erforderlichen Dosis an enttäuschtem Zynismus, dass sie ihre Lektion gelernt haben. Den Erwachsenen werden sie beweisen, dass sie virtuos in zwei konträren Welten leben können.

In amerikanischen Filmen erlebt man oft das altkluge Kind, das der depressiven Mutter, dem ausgebrannten Vater, die Gründe ihrer Krise in erstaunlicher Klarheit offen legen kann. Es ist, als ob das weise Kind den Erwachsenen die Erlaubnis zum moralischen Doppelleben geben müsste.

Das ist ein Wunschbild und entspringt dem schlechten Gewissen der Erwachsenen, ausgerechnet von jenen die Lizenz zur Unglaubwürdigkeit zu erlangen, denen sie schlichte und ungekünstelte Aufrechtheit gepredigt haben. Was das weise Kind – eine Erinnerung an den 12-jährigen Jesus im Tempel – erlaubt, hat der Himmel erlaubt.

In der Pubertät bricht das Weltbild des kindlichen Vertrauens zusammen. Dieser Bruch kann gemildert, aber nie grundsätzlich geheilt werden. Ihr ganzes Leben lang werden die Erwachsenen der moralischen Integrität ihrer Kindheit nachtrauern. Ihr ganzes Leben lang werden sie nie das Gefühl einer unheilbaren moralischen Krankheit verlieren.

Warum ist Marcel Proust auf der Suche nach der verlorenen Zeit? Warum sollen Patienten auf der Couch ihre Kindheit erinnern? Weil erst die Erinnerung an den Verlust des kindlichen Urvertrauens die Erwachsenen zur Einsicht bringen kann, mit welchen Kosten sie ihr erwachsenes Leben zu bezahlen haben.

Warum wird der Blick zurück geächtet? Warum ist die Vergangenheit eine bloße Belastung, warum muss alles zwanghaft in die Zukunft schauen? Weil die Erkenntnis der Kindheit durch Erinnerung den Erwachsenen jene Konflikte zurückbringt, die sie glaubten, überwunden zu haben. Erinnern ist Erkennen.

Der Neoliberalismus hasst die Erinnerung, Erkennen könnte ihn zu Fall bringen. Die Menschen sollen keine Zeit haben, zur Erkenntnis zu kommen, das Erinnern sollen sie als Energieverschwendung desavouieren. Der jetzige Moment soll als tabula rasa, als weiße Leinwand betrachtet werden, von der aus der stets frisch aus dem Ei des Augenblicks Geschlüpfte unbelastet die Zukunft erobern kann.

Welche Vergangenheit meidet der Mensch wie der Teufel das Weihwasser? Die Zeit der Kindheit, die als Idylle geächtet wird. Idyllen sollen irreale Wunschträume von Erwachsenen sein, die das intellektuelle Opfer der Pubertät nicht verkraften können. Illegitim schleichen sich die Träumer aus der Welt ewiger Konkurrenz, Neid und Fremdschädigung in das Reich der Eintracht.

„Der Mensch will Eintracht“, formulierte Kant, „doch die Natur (nein, eben nicht die Natur, sondern die Kultur) weiß es besser, was für seine Gattung gut ist; sie will Zwietracht“.

Warum hatte Kant mulmige Gefühle, als er diesen flagranten Verstoß gegen seine kategorische Moral der Natur in die Schuhe schob? Er musste fürchten, seine Leser könnten den Schluss ziehen, das Leben der Erwachsenen könnte als Veranstaltung eines „bösartigen Geistes“ missverstanden werden. Eines Geistes, „der in seine herrliche Anstalt gepfuscht oder sie neidischerweise verderbt habe“. (Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, Vierter Satz)

Wie zerstreut Kant die möglichen Bedenken des Menschen gegen eine verdächtige Natur, die keine Eintracht zulässt?

Indem er aus der Not eine Tugend, aus der Zwietracht eine pädagogische Führungskraft macht. Zwietracht – wie heute die egoistische Motivation – bringt gute Früchte. Ist jeder egoistisch, bringt er mehr auf die Waage des Wohlstanderwerbs, als wenn er, harmonisch mit Gott und Welt, auf dem Faulbett der Eintracht liegen bliebe. Betrachte man alles in allem, so Kant, würde man sehr wohl „die Anordnung eines weisen Schöpfers erkennen und nicht etwa die Hand eines bösartigen Geistes.“

Wohl gebrüllt, Philosoph. Doch welchen Erwachsenen überzeugt diese schlitzohrige Erklärung wirklich? Ein Kind würde nur die Frage stellen:

Onkel Immanuel, mit unmoralischen Mitteln willst du moralische Wirkungen erzielen? Dann müssten wir Kinder ja nicht mehr dein kategorisches Gutes lernen, sondern könnten gleich zu Goethes Teufel überlaufen, der mit bösen Mitteln immer nur das Gute schafft? Wolltest du uns nicht beibringen, das kategorische Gute sei in allen Situationen immer gleich und unveränderlich und dürfte nicht nach Lohn und Erfolg schielen? Es sei gut, weil es gut ist?

Und jetzt kommst du hier mit der ganz neuen Erkenntnis, dass dieses Gute doch nicht das Beste für uns ist? Jetzt gibst du unserer kindlichen Einfaltsmoral unrecht und der zwiegespaltenen Moral der Erwachsenen recht? Damit, lieber Kant, hast du unsere kindliche Welt als nicht lebensfähige Idylle vom Tisch gewischt.

Seitdem habt ihr Erwachsenen jede Utopie, jede menschliche Welt, in eine gefährliche Illusion verwandelt. Seitdem wisst ihr nicht mehr, wohin ihr wollt und müsst euch immer im Kreise drehen. Dabei ist es genau umgekehrt. Eure Zwietracht verwandelt euren Fortschritt in Stillstand. Ihr dreht euch im Kreis und glaubt, ihr würdet dynamisch voranschreiten.

Weil ihr eure Kindheit geopfert habt, müsst ihr euch ständig beweisen, dass je kränker ihr seid, je eindrucksvoller wird eure schöne neue Welt. Das glaubt ihr doch selber nicht, das sehen wir euch an den Nasenspitzen an. Immer, wenn ihr prophetisch in die Zukunft blinzelt, schwindelt ihr am meisten.

Was für eine Lachplatte, die ihr uns serviert: je böser der Mensch, umso besser wird er. Kant, hättest du noch deinen Nachfolger Nietzsche kennen gelernt, dann hättest du dich gewundert. Der hat Deine Botschaft richtig verstanden. Deutsche, sagte er, werdet böser, dann werdet ihr besser.

Wenn das so wäre, warum predigt ihr das Gute? Ursula März hätte recht mit ihrer Forderung: Schluss mit dem Tugendterror. Jeder schlägt jedem die Rübe ein, dann geht’s der Menschheit besser. Was für eine gewaltige Denkleistung von euch Erwachsenen.

Diesen Unsinn kann man im Kinderreich keinem Nesthäkchen verraten. Das finge an zu heulen, so blöd wären seine Eltern nicht.

Aber ganz ehrlich, Onkel Kant, ihr seid noch viel blöder als eure Märchen über euch verraten. Siehst du das endlich ein – oder müssen wir dich ins Altersheim entsorgen? Geh ein wenig zur Seite. Ihr Erwachsenen habt eure Chancen gehabt. Ihr habt‘s versiebt.

Wenn wir Kinder nicht das Ruder übernehmen, fahrt ihr die ganze Gattung an die Wand. Das können wir nicht verantworten. Husch husch ins Körbchen: wir Kinder übernehmen.