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Tagesmail

José Pepe Mujica

In Memoriam

In Amerika gibt es zwei hervorragende Vorbilder, das eine heißt Pepe Mujica und war ein wichtiger Politiker in Uruguay, der andere lebt in Nordamerika und gilt als bedeutendster Intellektueller der Welt: Noam Chomsky.

Saúl Alvídrez erzählt das Treffen dieser beiden in brillanter Form.
„Chomsky & Mujica. Überleben im 21. Jahrhundert“

Der ehemalige Präsident Uruguays ist am 14. Mai 2025 im Alter von 89 Jahren verstorben. Vor einem Monat erschien das Buch von Saúl Alvídrez, in dem „Pepe“ Mujica und Noam Chomsky Gespräche führen über die zentralen Fragen der Menschheit.

Der Sokratische Marktplatz hat schon vor Jahren über Pepe Mujica geschrieben – in der Tagesmail vom 03.07.2016:

Hello, Freunde der europäischen Idee LXXVI,

die Alternative zum alternativlosen Desaster Europas liegt in – Uruguay. Und hört auf den Namen José Mujica, genannt El Pepe.

„Von den 12.500 US-$ Präsidentengehalt behielt er lediglich 10 %, weshalb er als „weltweit ärmster Präsident“ beschrieben wurde. Den Rest spendet er an kleine Unternehmen und NGOs. Das sei genug Gehalt, so sagt er, schließlich lebten viele Bürger mit noch weniger. Auch seine Frau spendet einen großen Teil ihrer Einkünfte.“

El Pepe ist etwas, was es in Europa seit 2000 Jahren nicht geben darf: er ist ein Weiser. Weise der Welt waren im frommen Abendland von Toren der Überwelt verboten. Gab es sie dennoch, mussten sie sich in undurchdringliche Wälder zurückziehen – oder wurden von Heiligen der Überwelt mit glühenden Eisen vom Leben zu Tode gebracht.

Der uruguayische Blumenzüchter, im Nebenberuf 5 Jahre lang Präsident seines Landes, ist eine Zumutung für den fortschrittlichen Westen. Würde seine Weisheit die Zentralen des Westens erobern, wäre es um die Macht derselben geschehen. El Pepe ist die allergrößte Gefahr für die Weltmacht der Grenzenlosen, pflichtgemäß Unzufriedenen und vorbildlich Unersättlichen. Dass er noch lebt, hängt nur mit dem Umstand zusammen, dass ihn außerhalb seines Landes niemand kennt.

Dringt dennoch hin und wieder etwas von seiner Person in die hektischen Reiche des Fortschritts, schüttelt jeder Einheimische den Kopf: El Pepe, dieser Spinner will Politiker sein – und zugleich schlicht und einfach leben? Ist er zu dumm, um zu erkennen, was im Reich der Moderne angesagt ist? Ist er ein Träumer aus dem südamerikanischen Nirgendwo? Gibt es Uruguay überhaupt? Was erlaubt …

… sich dieser Hinterwäldler, die Deutschen derart abzukanzeln?

„Viele Deutsche scheinen irgendwie nicht im Reinen mit sich zu sein. Sie wirken, als hätten sie Angst, etwas zu verlieren. Schauen Sie, Deutschland geht es wirtschaftlich gut. Aber es gibt trotzdem viele prekäre Arbeitsplätze. Viele wissen nicht, wie es in Zukunft weitergeht. Ich glaube, dass viele Menschen deswegen verstärkt konservative Parteien wählen. Das ist ein Zeichen, dass die Leute nicht glücklich sind. Glück ist eben nicht das Gegenteil von Armut. Das Wachstum allein, das Bruttosozialprodukt und die Außenhandelsbilanz, das macht niemanden glücklich.“

Unerhört sind seine Vorstellungen vom glücklichen Leben. Jedes Land des brummenden Wachstums wäre über Nacht ruiniert, das seinen Spinnereien folgen würde. Was bitte, soll den reichen und erfolgreichen Deutschen fehlen?

„Dass sich die Leute mehr Zeit nehmen für die einfachen und schönen Dinge im Leben. Einem Vogel beim Fliegen zusehen und Freude daran haben. Einem Hobby nachgehen, das einem Spaß macht, auch wenn man damit kein Geld verdienen kann. Das Wichtigste ist Zeit. Die Leute sollten Zeit mit ihren Kindern verbringen, mit ihren Partnern, und nicht nur arbeiten.“

Folgt er denn selbst seinen Träumereien?

„Ich fahre Traktor und züchte Blumen, immer dann wenn ich Zeit habe. Ich brauche diese Arbeit mit den Händen, den Kampf mit den Ameisen, die einen zwicken. Aber ich mache keinen Hehl daraus – ich komme selten dazu. Ich bin ein alter Mann, der der Politik verfallen ist, das ist meine Leidenschaft. Das ist das Wichtigste. Die Leute brauchen eine Leidenschaft.“ (Süddeutsche.de)

Ein Treffen mit der mächtigsten Politikerin der Welt? „Es entspricht nicht meinem Arbeitsstil“, ließ Merkel verlautbaren, „meine kostbare Zeit an Tagträumer zu verschwenden.“

Ein Gespräch im deutschen Fernsehen? „Wir haben Besseres zu tun, als unsere kostbare Sendezeit an Utopisten zu verschwenden“, ließen die TV-Gewaltigen verlautbaren. „Mit Fußball, Radrennen und Ratespielen sind wir restlos ausgelastet.“

Da grenzt es an ein Wunder, dass Benedikt Peters einen Artikel über den Gottlosen in der ultramontanen SZ unterbringen konnte.

Glaubt der Südamerikaner tatsächlich an eine „perfekte Welt“? Kennt er nicht die Debatten unter europäischen Politologen und Gazettenschreibern, dass das Perfekte immer der Himmel auf Erden ist, der diese in eine Hölle verwandeln wird?

„Wir wollten eine perfekte Welt. Wir wollten, dass Menschen mehr zu essen, ein Dach über dem Kopf, bessere Gesundheit und Bildung haben. Nichts ist schöner als das Leben, und gleich danach kommt die Gesellschaft. Der Mensch braucht die Gemeinschaft. Er ist, anthropologisch gesehen, Sozialist.“ (Wiki)

Was will er denn nun ganz konkret – außer den ganzen Tag Maulaffen feilzuhalten und mit Ameisen in den Clinch zu gehen?

„Die Ungleichheit zwischen Arm und Reich wächst weiter und weiter, die Politik tut zu wenig dagegen. Die demokratischen Systeme kranken daran, dass die Lobbyisten zu viel Einfluss haben. Viel zu oft profitieren sie von den Entscheidungen der Politik. Die Idee der Umverteilung wird aktuell bleiben, aber vieles andere wird sich verändern. Meine Generation hat sich sehr auf die Fabrikarbeiter konzentriert. Jetzt aber arbeiten immer mehr Menschen im Dienstleistungssektor. Das ist nur ein Beispiel. Außerdem braucht es neue Ideen für die digitale Welt und wie man in ihr Demokratie leben kann.“

Das soll die Alternative zu Merkel sein? Nicht mal Sahra Wagenknecht würde sich mit El Pepe in der Öffentlichkeit zeigen. Wo bleibt das lutherisch-marxistische Arbeitsethos, der Bildungs-Aufstieg zu jenen, die so gebildet sind, dass sie die Welt ruinieren? Experten der Futurologie sprechen bereits von ruinen-produzierender Bildung oder Nihil-Kreativität.

El Pepe, gottlob, gibt es gar nicht. Er ist die Erfindung eines Poeten, der eine Zeitreise ins Reich der Mütter unternahm und seine Fiktionen in eine Geschichte verwandelte, als habe Momo sie erfunden.

Harter Schnitt, wieder aufwachen! Eine humane Zukunft? …

Tagesmail „Europäische Idee LXXVIvom 03.07.2016