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Heimchen am Herd

Hello, Freunde der Heimchen,

hohe Zeit, dass Frauen ihrer Beschimpfung gerecht werden. Heimchen warnten vor dem unkontrollierten Feuer, das Haus und Gesellschaft in Brand setzen und vernichten konnte.

„Als die Herde in der Küche noch mit offenem Feuer waren, hatte man Angst, dass das Feuer zu groß werden könnte. Also wurden Heimchen (Grillen) in Käfigen neben das Feuer gestellt. Wurde es den Heimchen zu heiß, würden sie anfangen zu zirpen. Also waren die Grillen die ersten Feuermelder. Für die Frau, die sich ausschließlich der häuslichen Tätigkeit widmet, hat sich die (abwertende) Bezeichnung Heimchen am Herd herausgebildet“.

Das Weib, Erzeugerin des Lebens, entfloh der Despotie des Hausmannes – um sich der Despotie der Geld- und Machtmänner zu unterwerfen. Vom Käfig am Herd direkt in den kapitalistischen Käfig unter der unmittelbaren Aufsicht der lebensverachtenden Weltenherrscher.

Es gäbe nur eine Emanzipation, die ihren Namen verdiente, wenn Frauen den Männern bewiesen: wir brauchen euch nicht. Noch ist die Frau männer-läufig. Jedem Mann läuft sie hinterher, um sich von Ihm bescheinigen zu lassen, dass sie Ihn nicht mehr benötigt. Was Er nicht mit gottgleichem Siegel bestätigt hat, gibt es nicht und wird es nie geben.

Werch ein Illtum, meine Schwestern im Herrn. Erst wenn ihr eine herrenlose Welt erbaut und die Herren zur Kenntlichkeit entlarvt habt, werdet ihr euch eurer Fesseln entledigt und das Reich der Mütter zurück erobert haben, das euch die Gewalt- und Muskelmänner mit

Feuer und Schwert entrissen haben.

Wer ist euer Herr? Der allmächtig sein wollende Wicht auf Erden – und sein Vorbild, der omnipotente WICHT im Himmel, der alles Gute selbst erschaffen haben will und alles Böse seinem Widersacher unter die Weste jubelt.

Liebwerte Frauen, nicht nur den Kapitalismus, auch die allerheiligste Männerreligion habt ihr von Anfang an übersehen. Naturreligionen sind weibliche, Erlöserreligionen männliche Erfindungen. Männerreligionen begehren, das Universum erschaffen zu haben, in Frauenreligionen ist Natur von Ewigkeit zu Ewigkeit, jene Auszeichnung, die eifersüchtige Macho-Götter der weiblichen Natur bei Nacht und Nebel entwendet haben.

Das Leben der Menschen auf dem Planeten ist gefährdet. Das naturfeindliche Feuer der Männerreligion droht die Erde abzufackeln. Heimchen waren Grillen, die vor dem ausbrechenden und allesverwüstenden Feuer warnten und Alarmsignale von sich gaben. „Schrillkanten“ führten sie über „Schrillflächen“ – oder sie zirpten.

Der heutige Feminismus schrillt und zirpt nicht mehr. Er ist verstummt. Das Einfordern von besonders geschmeidigen Erfolgsfrauen in Vorstandsetagen ist kein Schrillen mehr, sondern unterwürfiges Betteln und einschleimendes Schnurren – mit den Waffen der Frau, die sich als ewig lockende sexuelle Beute anbietet, um unter der Knute des Mannes dienen zu dürfen, anstatt als Mater dentata die Männer das Gruseln zu lehren.

Simone de Beauvoir, die bedauerte, eine Frau zu sein, schrillte zugunsten des genialen Mannes. Der Begriff Kapitalismus kommt in ihrem voluminösen, vor allem Männern imponieren wollenden Frauenbuch gar nicht vor. Sie fühlte sich emanzipiert, wenn die Auflagen ihrer Bücher so hoch waren wie die ihres bewunderten Jean Paul Sartre. Alice Schwarzer vergaß, beim Schrillen den Kopf einzuschalten, den die gütige Natur auch Frauen als Aussteuer mitgegeben hat.

Heimchen am Herd waren nicht demütige Kopfnickerinnen beim Kochen des Kinderbreis, sie waren Hüterinnen des Hauses, Feuermelderinnen, aufmerksame Warnerinnen vor Gefahr. Das Gegenteil jener „Heimchen am Herd“, vor denen heute dämlich gewarnt wird. Von wem?

Am meisten von „Heimchen am Schreibtisch“ im Vorzimmer der Mächtigen, die zumeist keine andere Rolle haben, als in Vorstandsetagen die männererfreuende Dekoration zu spielen. Im Machtpoker der männlichen Alphatiere spielen sie keine Rolle. Frau Merkel ist kein Gegenbeispiel. Sie spielt die unterwürfige Magd des obersten Herrn.

Ach, wenn Frauen doch nur die Heimchen spielen würden und sich nicht länger im Käfig der phallokratischen Monogamie einsperren ließen!

Männer sind eifersüchtig auf die weit überlegene Sinnlichkeit der Frauen. Die Heimchen, alias Grillen, „streben eine möglichst große Anzahl von Sexualpartnern an. Forscher haben herausgefunden, dass Weibchen der Südlichen Hausgrille, auch Kurzflügelgrille genannt, (Gryllodes supplicans) ihre zahlreichen Sexualpartner mit ihrem eigenen Duft markieren. Damit vermeiden sie eine erneute Paarung mit demselben Männchen und vergrößern so die genetische Vielfalt ihres Nachwuchses und damit dessen Überlebenschancen“, weiß die nie irrende Wiki.

Das gäbe eine Revolution, wenn Frauen zu fröhlich praktizierenden Heimchen würden, was auf keinen Fall auf den Umkreis des eigenen Herdes beschränkt bleiben könnte. Warum haben die Erlöser Hölle und Schariapeitsche erfunden, wenn nicht zum Zwecke der Einschüchterung der Frau, deren erotischer Überlegenheit sie anders nicht „Herr werden“ können?

Frauen, geht fremd. Massenweise und in heiterer Anarchie. Um die Bastionen der Männer zu brechen. Am besten, ihr treibt‘s wie die Lysistrata des Aristophanes – und errichtet lesbische Weiberrepubliken.

Der Koitus ist zum Symbol der Unterwerfung geworden. Und nicht nur in der Missionarsstellung. Was nur bedeuten kann (Vorsicht für jungfräuliche Gemüter, es wird blasphemisch-ordinär): der Missionar fickt die Welt. Warum sind Männer zwangsfixiert auf Vergewaltigung und Knabenschändungen? Weil sie sich der Attraktivität der Frau nicht gewachsen fühlen und sich an ohnmächtigen Objekten ihrer Begierde schadlos halten.

Eros ist für sie keine Sache gleichberechtigter Körper- und Seelenharmonie, sondern der leichte und höhnische Triumph der Mächtigen. Die Schlussfolgerung ist unausweichlich: auch der Kapitalismus bevorzugt die Missionarsstellung. Die Kleinen und Schwachen der Gesellschaft werden gnadenlos geschändet. Man müsste von Pauperophilie sprechen. Wen kann es verwundern, dass Penis – erektiles Symbol aller Siegessäulen – von lat. penis kommt, verwandt mit penes: „im Besitze der Gewalt“?

Mandeville, Gewährmann Hayeks, hat es unsentimental auf den Begriff gebracht, weshalb Marx ihn einen „ehrlichen Mann und hellen Kopf“ nannte: „In einem freien Volke, wo die Sklaverei verboten ist, besteht der sicherste Reichtum in einer großen Menge schwer arbeitender Armer.“ Welch selige Zeiten, als Intellektuelle die Wahrheit zu sagen pflegten – und es noch keine Diktatur der Medien gab.

Hayek lässt sich da nicht lumpen: „Gegen die Überbevölkerung gibt es nur die eine Bremse, nämlich daß sich nur die Völker erhalten und vermehren, die sich auch selbst ernähren können.“

„Wenn wir garantieren, daß jedermann am Leben gehalten wird, der erst einmal geboren ist, werden wir sehr bald nicht mehr in der Lage sein, dieses Versprechen zu erfüllen“.

„Allgemeiner Altruismus ist … sinnlos. Niemand kann sich wirklich um alle anderen kümmern; die Verantwortungen, die wir übernehmen können, müssen immer partikulär sein, sie können nur jene betreffen, von denen wir konkrete Tatsachen wissen und mit denen wir uns entweder durch Wahl oder durch besondere Umstände verbunden fühlen. Es gehört zu den fundamentalen Rechten und Pflichten eines freien Menschen, zu entscheiden, welche und wessen Bedürfnisse ihm am wichtigsten erscheinen.“

Nicht das Wohl der Menschheit – die zu einem Dorf zusammengewachsen ist –, sondern die Wahrung der Privilegien der Privilegierten ist das Ziel der Hayek‘schen Selektionswirtschaft. Spreu und Weizen kommen nie gemeinsam in den Himmel.

Männerrollen werden von Eliten gespielt, die Unterschichten von Weibern und Kindern. Nicht nur in Kriegen sind Frauen mit Kindern die erste Beute.

Koitus kommt von coire, zusammengehen. Das Zusammengehen der Nation wird von den Oberen nur dann betont, wenn Opfer gefordert sind, die überproportional immer von den Unteren erpresst werden. Mit den Oberen sitzen die Eintreiber am selben Eichentisch, der von Köstlichkeiten der Welt übersät ist. Man wird doch nicht seine Freunde und Bekannten abkassieren. Warum heißt die heilige Formel der Christen: Gebot der Nächstenliebe?

Die sippenhaft-egoistische Bevorteilung der Nächsten zulasten der Fernen und Unbekannten hat bereits Zarathustra durchschaut:

„Ihr drängt euch um den Nächsten und habt schöne Worte dafür. Aber ich sage euch: eure Nächstenliebe ist eure schlechte Liebe zu euch selber. Ihr flüchtet zum Nächsten vor euch selber und möchtet euch daraus eine Tugend machen: aber ich durchschaue euer »Selbstloses«. Rate ich euch zur Nächstenliebe? Lieber noch rate ich euch zur Nächsten-Flucht und zur Fernsten-Liebe! Höher als die Liebe zum Nächsten ist die Liebe zum Fernsten und Künftigen.“

Wenn schon ein Übermensch – der inkorporierte Wille zur Macht – das selektierende Geheimnis der Nächstenliebe kennt, der seinen blonden Ariern die zukünftige Weltregierung ans kalte Herz legte, was folgt daraus für die neoliberale Nächstenliebe? Dass sie verstanden hat, die Entweder-Oder-Moral des christlichen Dogmas nahtlos in schnöde Wirtschaft zu übersetzen.

Das christliche Abendland ist eine Kultur des Entweder-Oder. Eine allgemeine Moral, in gleichem Maße gültig für alle Menschen und Schichten (die als antagonistische Klassen gar nicht möglich wären) gibt es nicht im Bereich des Vatikans, Wittenbergs und Genfs. Von Manchester und Washington gar nicht zu reden.

Die Erfindung der männlichen Hochkultur ist keine geschlechterneutrale Kreation. Männer haben das „Frauenrecht“ der bis dahin geltenden Matriarchate geschleift. Seitdem gilt das Wort des sich selbst zu Gott erhebenden Mannes.

Die frei flottierende Sinnlichkeit der Frauen wurde zu Reproduktions- und Erbfolgezwecken männlicher Besitzer in ein schmähliches Gehäuse gesperrt. Seitdem wurde die freie Frau mit unerschrockenem Gesicht kaum noch auf der Straße, geschweige auf der Agora, gesichtet. Die Kinder der Frau wurden von Gott höchstselbst bedroht: wen Gott liebt, den züchtigt er und prügelt ihn auf den blanken Hintern. (Dass laizistische Franzosen ihre Kinder noch immer papistisch prügeln, ist kein Ruhmesblatt für die freiheitsliebende Nation.)

Wie kann in Hochkulturen ein gleichberechtigter Eros entstehen, wenn die Starken die Schwachen politisch dauer-vergewaltigen? Seit seinen Anfängen ist der Kapitalismus frauen- und kinderfeindlich. Es kann nur eine Alternative zum Kapitalismus geben: eine Wirtschaft, in der Kinder Kinder und Frauen Heimchen am Herd – und überall in der Gesellschaft sein können. Hüterinnen des von Gefühlen der Sympathie getragenen Zusammenlebens aller Mitglieder der Gesellschaft.

TINA, TINA, aha, there is no alternative, das war die Formel der Maggie Thatcher, die von Hayek wirtschaftlich wach geküsst wurde. Hayek, intimer Freund und Kenner der Evolution, kannte nur ein Gesetz der Höherentwicklung: das Gesetz der Starken, die sich auf Kosten der Schwachen durchsetzen. Die Schwachen waren in der Regel Frauen und Kinder, die von den Männern abhängig waren. Bei Starken und Reichen mussten sie aufs Wort gehorchen, bei den Armen mussten sie gehorchen – und hungern.

Warum hat der Kapitalismus die Einehe erfunden? A) Um die Sinnlichkeit der Frau zu zähmen und B) um den biologisch gesicherten Nachwuchs des Mannes als Garanten der Besitzkonzentration und eines akkumulierenden Reichtums einzusetzen.

Pater semper incertus, der Vater ist immer unsicher: das gilt in Kulturen mit lockerer Ehemoral. Also müssen die ehelichen Gemächer vergittert werden, damit frau nicht begehrlich werden kann.

Frei flottierende Sexualität ist das Gegenteil von Triebhemmung und verträgt sich nicht mit asketischer Arbeitsmoral der Frommen, die ihren Orgasmus im Himmel und nicht auf Erden „ausleben“ sollen. (Ausleben war einst eine Kritik an libidinösem Überschwang, heute darf sich jeder BILD-Leser ausleben. Doch wehe, er tut‘s. Helmut Schmidts Ehebrecherbeichte wurde von F.J. Wagner entsetzt abgewehrt: will nichts hören. Will nur hochmoralische Elternfiguren.)

Doch selbst bei strengster Monogamie ist die Rede vom unsicheren Vater nicht vom Tisch. Der angetraute Ehemann weiß zwar – oder glaubt zu wissen –, dass er der Vater des schreienden, blutverschmierten, kleinen Bündels sein muss – doch eine emotionale Zeugungsbindung zu dem Neugeborenen ist ihm unbekannt. Seinen mickrigen Beitrag zur Zeugung kann er vielleicht abstrakt, aber nicht empathisch nachvollziehen.

Männer verstehen nichts vom werdenden Leben. Wie könnten sie die Natur – die Mutter aller Lebewesen – bis zur Unkenntlichkeit ramponieren? Ihr unaufhaltsamer Kriegszug gegen die primäre Natur, um eine zweite Labornatur an ihre Stelle zu setzen, ist die Kompensation ihrer Hilflosigkeit gegenüber allem Leben durch Technik, Fortschritt – und Religion. („Denn siehe, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde.“)

Die absurde Knechtschaft der Frau zeigte sich in ihrer total überwachten häuslichen Situation, der Vorläuferin des totalitären Überwachungsstaates, der eine Erfindung eifersüchtiger Männer ist, die im Grunde nichts anderes wissen wollen, als was ihre züchtigen Gattinnen den ganzen Tag treiben. Vom allwissenden Auge Gottes, das auf allen Lebewesen ruht, zum allwissenden Auge der Männer, das Weib und Kind beäugt, ist nur ein Katzensprung.

Ohne Kontrolle über alles kann der großkotzige, aber innerlich unsichere und zerfressene Mann nicht leben. Obwohl im Hause angebunden, hatte die Frau kein Zimmerchen oder Stübchen, wo sie ihre eigene, unbeobachtete Herrin sein konnte. Im feministischen Grundlagentext der Virginia Woolf: „Ein Zimmer für sich allein“, beklagt die privilegierte Schriftstellerin die „Ortlosigkeit“ ihres dauerüberwachten Daseins. Es ist keine bloße Metapher, wenn sie das Urrecht auf ein eigenes Zimmer einklagt, worunter sie versteht:

„Ein eigener Raum innerhalb des Hauses im Sinne von Privatbesitz; materielle Unabhängigkeit; Persönliche Privatsphäre; geistige Unabhängigkeit.“

Früher mussten Frauen und Kinder unter der Beobachtung des Mannes leben, wie heute die ganze Menschheit unter der Beobachtung allwissender Maschinen. Der vollendete Triumph der Männer wird sein, wenn Maschinen den Menschen abgeschafft – und sich gegenseitig unter Kontrolle haben: „Erforsche mich, Gott-Maschine und erkenne mein Herz, prüfe mich und erkenne meine Gedanken. Doch das tust du ohnehin, auch wenn ich dich nicht darum bitte.“

Der Kapitalismus hat die kasernierte Ehe und die ausgespähte Kleinfamilie kreiert. Inzwischen wurde er so mächtig, dass er seine eigenen Erfindungen zu zerstören beginnt:

Zunehmende Flexibilität und Mobilität unterminieren alle gewachsenen Freundschaften. Heute hier, morgen dort. Abhängige Arbeitskräfte müssen an alle Punkte der Erde, wo neue Industrien entstehen und ihre Arbeitskraft benötigt wird. Ständig werden die Menschen aus ihrem sozialen Mycel herausgerissen und in atomisierte Einzelkämpfer verwandelt.

Solange sie Erfolg haben, können sie auf die Kumpanei der Erfolgreichen rechnen. Stürzen sie ab, wird es niemanden geben, der sie in selbstverständlicher Loyalität auffängt.

Die Verteidiger der Atomisierung sprechen gern von den neu erworbenen kosmopolitischen Qualitäten der malochenden Vaganten. Ubi bene, ibi patria, wo es mir gut geht, bin ich zu Hause. Wenn‘s nur so wäre. Herausgerissene jedoch können kein Vertrauen zu fremden Menschen fassen, nur jene Menschen, die den Prozess des Vertrauens selbst erlebt und erlernt haben.

Der Unsichere und Unbehauste ist überall unbehaust. Der sich selbst Entfremdete ist überall auf der Welt ein Fremder. Mit Erfolg und Geld kann er vieles überspielen. Doch zu elementaren Bindungen ist er nicht mehr fähig.

Nicht nur heimatliche und soziale Vernetzungen werden vom Kapitalismus bedroht, um Marionetten seines Willens zu produzieren, die keinen andern Rückhalt mehr kennen als die Lohntüte und den Aufstieg auf der Erfolgsleiter. Die Profitmacher haben sich längst an die Destruktion der Kleinfamilien ran gemacht. Das Mutter-Kind-Duo muss zerstört werden durch Herauslösen und Abwerben der Mutter für den Arbeitsmarkt. (Dasselbe gälte für Väter, wenn sie im Rollentausch die Stelle der Mutter übernähmen.)

Gewiss, Kinder benötigen viele Menschen, sie brauchen ein ganzes Dorf. Stabile Kinder, des Rückhalts ihrer Eltern gewiss, wollen die Welt in der Nähe und in der Ferne erkunden. Das kann nicht in ängstlicher Anklammerung an die Eltern geschehen.

Viel mehr, als Kinder ihre Eltern brauchen, brauchen Eltern ihre Kinder. Nicht in nabelschnurverbundener Überidentifikation, doch in ausreichend gemeinsamer Zeit, um das eigene Leben aus der Perspektive des Kindes neu zu erfahren, zu überdenken, ja zu korrigieren. Im Kinde erlebt der Erwachsene, was es heißt, von vorne zu beginnen. Der eindimensionale Mensch ist jener, der sein Leben nicht im Spiegel eines Kindes neu entdecken darf.

Glücklich jene Kinder, die auch außerhalb der Familie stabile und bereichernde Beziehungen erleben. Doch ob dies der Fall ist oder nicht, müssen die Eltern sorgsam überprüfen. Sie haben die letzte Verantwortung. Was, wenn die einzige Kita am Ort keine zuverlässigen ErzieherInnen hat? Was, wenn das Kind die autoritäre Atmosphäre der nächsten Kindergruppe ablehnt? Was, wenn die Eltern das Kind zum Besuch der Gruppe zwingen müssen, weil sie beide berufstätig sind?

Versteht sich von selbst, dass Frauen vom Manne finanziell unabhängig sein müssen. Entweder gehört die Hälfte des männlichen Lohns automatisch der Frau – welch ein Wahnsinn, den Mann im Dienste kapitalistischer Interessen zu entlohnen, die Frau aber muss für die wichtigste Arbeit der Welt, die Erziehung der Kinder, in die Röhre gucken – oder es gibt ein allgemeines BGE für alle, sodass kein Mensch gezwungen werden kann, sich für Geld zu verkaufen.

Die Industrie tut gern, als läge ihr die Autonomie der berufstätigen Frau am Herzen. Doch das emotionale Schicksal der Familie ist ihr gleichgültig. Sie will nur funktionierende Arbeitskräfte. Dass sie sich selbst ins Fleisch schneidet, wenn sie durch Destruktion der Familie psychisch unzuverlässige Arbeitskräfte erhält, will sie nicht erkennen. Die Reichen können sich dienstbare Kräfte leisten, die all jene Lücken füllen, die vom kapitalistischen Moloch aufgerissen werden.

Es gibt keine Verträglichkeit zwischen Familie und Beruf, Kindererziehung und Karriere. Alles geht zu Lasten ausgebrannter Eltern und vernachlässigter Kinder. Ferdinand Knauß schreibt über die „Lüge der Vereinbarkeit“ von Beruf und Familie:

„Auch wenn stets das Gegenteil behauptet wird: Die totale Mobilisierung beider Geschlechter für das Arbeitsleben lässt nicht genug Zeit für Kinder. Die Vollzeit arbeitende Gesellschaft zehrt von der Substanz. Dieser Gegensatz zwischen einem allgegenwärtigem gesellschaftlichem Anspruch und dem Erleben des Scheiterns in der eigenen Realität ist der ideale Nährboden für Stress. Das Ergebnis ist eine erschöpfte Gesellschaft aus Männern und Frauen, die verzweifelt versuchen, zwei oder drei Leben in einem einzigen zu führen.“ (Ferdinand Knauß in der Wirtschaftswoche)

Die gravierendste Attacke des Kapitalismus gegen die Familie kommt jedoch von der absoluten Unverträglichkeit zwischen der Moral der Familie und der Amoral der Profitwirtschaft.

In der Familie lernt das Kind emotionale Verbundenheit und fürsorgliche Nähe zu allen Mitgliedern der Familie, zu Freunden in der Schule, ja, für die ganze Menschheit. Kinder fühlen mit allen Lebewesen mit, von deren Schicksal sie hören oder im Fernsehen miterleben. Sie kennen keinen Unterschied zwischen Nächsten- und Fernstenliebe.

Doch je mehr sie sich dem Berufsleben nähern, je mehr werden sie zur Schizophrenie oder Heuchelei gezwungen. Die Schwierigkeiten der Pubertät sind weniger körperliche, als philosophische Qualen des Gespaltenseins. Plötzlich sollen die Heranwachsenden das Gesetz des Ellenbogens lernen, egoistische Konkurrenz einüben und solidarische Mitgefühle unterdrücken. Hier beginnt die Persönlichkeitsgespaltenheit der ganzen kapitalistischen Welt.

Für Hayek ist die Gespaltenheit kein Fluch, sondern die unbedingte Voraussetzung für das Funktionieren einer rivalisierenden Wirtschaft. Die instinktive Verbundenheitsmoral der Familie muss zerstört werden, damit der Einzelne im Kampf gegen alle Mitbewerber eine optimale Leistung bringen kann. Wenn in der Familie galt: der Mensch ist dem Menschen ein Mensch, so gilt für den darwinistischen Überlebenskampf: der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.

„Die Verdrängung des auf den Nächsten ausgerichteten Altruismus durch Gewinnstreben, durch das der einzelne unbeabsichtigt positive Wirkungen auslöst, wird zum Kennzeichen einer Evolution, die gemeinsame Zwecke durch gemeinsame Regeln ersetzt. «Das bedeutet nicht nur eine fortschreitende Veränderung des Charakters der moralischen Verpflichtungen, sondern vielfach sogar eine Unterdrückung der eingefleischten moralischen Impulse durch neue, die dem Individuum nun nicht mehr angeboren waren, sondern die es erst lernen musste.» Den Sozialismus hat der Mensch sozusagen im Blut, wie Hayek einräumt: «In einem bestimmten Sinne sind wir alle Sozialisten. Wir werden noch immer von Gefühlen beherrscht, die auf dem begründet sind, was in der kleinen Gruppe von bekannten Menschen nötig war, unter denen jeder auf die Erfüllung der Bedürfnisse von Menschen zielen musste, die er kannte.» Es sind geradezu animalische Triebe, die den Menschen immer wieder in die Versuchung führen, seinen sozialistischen Instinkten nachzugeben: «Die allmähliche Verdrängung der angeborenen Reaktionen durch erlernte Verhaltensregeln war der Prozess, der den Menschen immer mehr von anderen Tieren unterschied.» Doch die Überwindung sozialistischer Instinkte macht für Hayek gerade das Menschsein aus: «Was uns zum Menschen gemacht hat, war, dass wir jene angeborenen animalischen Gefühle, die die kleine Gruppe zusammenhielten und die wir immer, im Gegensatz zu anderen, noch gerne die „menschlichen“ nennen, durch abstrakte Verhaltensregeln ersetzten, die uns von der Verpflichtung befreiten, zunächst für den Nachbarn zu sorgen, bevor wir der Welt Leistungen anboten.»“ (Hans Jörg Hennecke: „Friedrich August von Hayek“)

Hayek ist ein treuer Schüler Mandevilles, der für seine zynisch klingende, aber ernst gemeinte Devise bekannt wurde: Private Laster sind öffentliche Tugenden. Die Moral der Familie ist das Gegenteil öffentlicher Wirtschaftsmoral. Geiz und Habgier, auf der Ebene des Privaten schlimme Laster, sind notwendige Voraussetzungen in der Ökonomie, um Rivalen zu überflügeln und benachbarte Nationen in den Schatten zu stellen.

Auf sentimentaler oder privater Ebene können die Deutschen die größten Griechenfreunde sein, auf der wirtschaftlichen müssen sie die mediterranen Loser unbarmherzig den Gesetzen des Marktes unterwerfen.

Die darwinistische Amoral der Wirtschaft wird solange die lächerliche Gefühlsmoral der familiären Solidarität unterminieren, bis die letzte heile Familie übereinander hergefallen sein und sich egoistisch zerfleischt haben wird.

(Gestern gab es kleines Wunder in der ARD, als der Sieger eines Musikwettbewerbs auf den ersten Platz verzichtete. Wenn solche Ereignisse zur Regel würden, wäre der Terror fremdschädigender Siegermentalität untergraben und Deutschland könnte sich zur humanen Gesellschaft entwickeln.

Dabei sein ist alles, der Sieg ist nichts: dieser olympische und demokratische Slogan scheint dem Ex-Kanzlerkandidaten der SPD, Peer Steinbrück, unbekannt zu sein. Seine verlorene Kandidatur bedauert er heute als Fehler. Nur der Sieg zählt für die Proleten, kein Mitleid für die Loser. À la Schröder scheint Steinbrück demokratisches Engagement für nichts zu achten, doch gegen hochbezahltes Lakaientum im Dienste unausgewiesener Milliadäre hat er keinerlei Bedenken.)

Kapitalismus und Kind, Kapitalismus und intakte Familie, Kapitalismus und solidarische Moral: sie alle sind unverträglich.

Frauen, werdet Heimchen am Herd, in der Kita, auf der Agora. Warnt vor dem kapitalistischen Flächenbrand, der dabei ist, das ganze Völkergetriebe in Schutt und Asche zu legen.

Völlig gleich, ob Vater oder Mutter oder, am besten, beide zu Hause bleiben, um sich ihren Kindern zu widmen: jede Erziehung ist ein geschützter Gang der Kinder an der Hand der Eltern in die Welt, um Menschen und Natur kennen zu lernen. Vielleicht sogar, um die Welt ein wenig menschlicher zu gestalten.

Ein solches Leben mit Kindern wäre allemal freier und selbstbestimmter als ein lohnabhängiges Unterwerfen unter die Knute von Profitmachern und Naturzerstörern.