Kategorien
Tagesmail

Griechen

Hello, Freunde der Griechen,

Deutsche in Deckung! Links-Populisten kommen auf im südlichen Europa: Syriza („Koalition der Radikalen Linken“) in Griechenland und Podemos („Wir können“) in Spanien. Für PHÖNIX-Moderatoren sind alle Parteien, die Königin Angela in Berlin nicht die Füße küssen, linke Populisten. Pastor Peter Hahne spricht lieber von Krisengewinnlern.

Wenn schon Merkel & Co nichts anderes als „überkomplexe, unlösbare und alternativlose“ Krisen produzieren und fleißig am Köcheln halten, wird es doch keine Rattenfänger in Dolce far niente-Völkern geben, die die Not ihrer Landsleute schamlos ausnutzen, um dieselbe zu beheben?

BILD ist griechenfeindlicher als alle Pegadisten zusammen fremdenfeindlich. BILD, Kai Diekmanns „krude und dumpfe“ Bazooka, wollte gestern noch die APO des Volkes sein. Heute ist sie eine xenophobe Dauersirene aus der mittigen Kloake der Gesellschaft.

BILD ist das Volk: da erscheinen keine Schreiberkollegen auf der Bühne mit der Forderung, jeden Kontakt mit den Ausländerfeinden aus dem Hause SPRINGER sofort einzustellen. Warum gibt es im SPIEGEL nicht den Schlachtruf: Boykottiert BILD, bis sie röchelt? Weil die coolen Hamburger selbst den neuen Star Tsipras zum Geisterfahrer gekürt haben. Pegida, das sind BILD-Ausdünstungen mit dem Segen der Magd Gottes.

Waren das noch Zeiten, als deutsche Intellektuelle die Griechen verehrten. Wie im Mutterland der Dialektik üblich, gibt es in Dingen des Seins nur extreme Einschätzungen, die kopfüber ins Gegenteil zu kippen pflegen. Gestern noch leidenschaftliche Verehrer von Achill und Iphigenie (nicht aber der athenischen Demokratie und der „kalten, gefühlsfeindlichen, seichten“ Vernunft), heute jedoch würden deutsche Geldeliten das Land der Hellenen am liebsten über

die Klippe stürzen. Und so lauern sie begierig, das Land der Griechen mit der Troika suchend.

Die Zusammenstellung der Troika ist – mit Billigung der Kanzlerin – verfassungswidrig; einem Vertreter der EZB ist es verboten, sich in politische Angelegenheiten einzumischen.

Mit freundlicher Genehmigung der Pastorentochter wird das demokratische Gerüst der EU an allen Ecken und Enden demontiert und der Wirtschaft zum Fraß vorgeworfen. Europa atomisiert sich in wirtschaftlichen Bürgerkriegen und rüstet zum heißen Krieg mit russischen Horden aus den Tiefen Asiens – unter den kalten Augen und frommen Sprüchen welcher Berliner Kanzlerin?

Die Magd Gottes spricht sanft, doch hinter dem Rücken hat sie immer einen Knüppel bei sich. Zurzeit heißt der Knüppel Schulz und ist eigentlich Präsident des europäischen Parlaments. Wenn aber freche Rabauken in Athen das zum Himmel schreiende System der EU angreifen, steht Schulz bereit, den muskelbepackten Junggriechen im deutschem Feldwebelton eins vor den Latz zu knallen. Er habe keinen Bock, mit Grünschnäbeln über Ideologien zu debattieren. Und wenn sie nicht bald ihren Kratzfuß machten, könnten sie die Akropolis bald schließen. Das nennt sich deutsche demokratische Kultur: Maul halten und weiter röcheln.

Was, bitte, ist überhaupt ein deutscher Schulze oder Schultheiß? „Er hatte im Auftrag seines Herren (Landesherrn, Stadtherrn, Grundherrn) die Mitglieder einer Gemeinde zur Leistung ihrer Schuldigkeit anzuhalten, also Abgaben einzuziehen oder für das Beachten anderer Verpflichtungen Sorge zu tragen.“

Europa-Schulz, bester Freund von EU-Chef Junker, weiß, was sich für einen deutschen Kommiss-Kopp geziemt. Die begnadete Machiavellistin Angie versteht es, alle relevanten Männer vor ihren Karren zu spannen oder sie über die Klippe springen zu lassen. Wenn Tsipras nach Berlin kommt, wird ihn das bezauberndste Madonnenlächeln erwarten. Dann wollen wir mal sehen, wer sich im deutsch-griechischen Charme-Wettbewerb durchsetzen wird.

In Griechenland herrschen Verhältnisse wie in einem verelendeten, unterentwickelten Land. Viele Eltern, selbst aus der Mittelschicht, wissen nicht, wie sie ihre Kinder ernähren sollen, ein Drittel der Bevölkerung ist unterhalb der Armutsgrenze, die Zahl der Selbstmorde schreit zum Himmel, das Gesundheitssystem ist derart desolat, dass viele kranke Kinder sterben.

(Was sie selbst betrifft, sind Deutsche mimosenhaft und hypersensibel, was andere betrifft, können sie roh bis gefühllos sein. Die WELT kritisiert Katja Kipping, weil sie es wagte, dem krebskranken CDU-Bosbach von krebskranken griechischen Kindern zu erzählen, die erst im Endstadium behandelt werden würden. (Ralf Dargent in der WELT))

Jeder tote Mensch, der ohne das Merkel‘sche Strangulieren eine Überlebenschance gehabt hätte, ist ein EU-Thanasieopfer der Magd Gottes, ein Toter um einer ökonomischen Zahl willen. Hier um der Sanierung des griechischen Haushalts willen.

Sanieren heißt Heilen. Das europäische Sanierungsprogramm ist eine Heilung mit mortalem Ausgang. Nicht, dass die EU den Griechen noch nicht beigesprungen wäre. Den griechischen Banken hat sie erfolgreich aus der Patsche geholfen. Brüssel machte einen Deal mit den griechischen Milliardären, die – so steht‘s sogar in ihrer Verfassung – keine Steuern zahlen müssen. Vorneweg die steinreiche griechisch-orthodoxe Kirche, zu deren Glaubensfreiheit das Recht zur unbegrenzten Kapitalakkumulation gehört. Die Schätze, die sie sammeln – das garantiert ihr der gehorsame Staat – können bereits im Irdischen nicht verrotten.

Die EU legte viel Wert darauf, dem Volk die Kehle zuzuschnüren. Doch die Erwählten des Herrn mit obszönen weißen Yachten im Hafen von Piräus stehen unter dem besonderen Schutz der Brüsseler Kumpane.

Wie erregt sich BILD, wenn entlassene Putzfrauen von der Regierung wieder eingestellt werden? Woher das Geld nehmen und nicht stehlen? Indem man überflüssige Berater an die Luft setzt.

Die deutschen Kommentare schäumen, wenn rausgeworfene Beamte zurückgeholt und rehabilitiert werden – weil das oberste Gericht in Athen entschieden hatte, die Entlassung sei verfassungswidrig gewesen. Wer kann sich mit leerem Geldbeutel Gesetzestreue leisten?

Merkel weiß, wo sie nach unten treten darf – und wo sie nach oben buckeln muss. Wenn die reichste Almosenfaschistin der Welt mit Namen Melinda Gates – ebenfalls eine fromme Christin – mit dem Finger schnippt, ist Angela zur Stelle. Das heilige Paar Gates ist nicht nur mit schnödem Reichtum, sondern mit Agape gesegnet, mit deren Hilfe sie ganze Völker vor dem Verderben rettet – oder nicht.

Ein gewähltes Mandat haben die beiden Lieblinge des Himmels nicht, auf solche weltlichen Fisimatenten können sie verzichten. In selbstherrlicher Welterlösungspose entscheiden sie – beim Vorspiel im trauten Ehebett – über das Schicksal von Millionen. Ihre Helfershelfer ignorieren alle demokratischen Entscheidungsstrukturen vor Ort, ihre Gelder suchen und finden ihren Weg allein durch die reißende Gewalt ihrer Quantität. Bill Gates versteht es hervorragend, seine Milliarden mit Hilfe gespendeter Almosen regelmäßig zu vermehren. Wer hat, dem wird gegeben.

Margarita Tsomou hat der katastrophalen deutschen Berichterstattung über die griechischen Verhältnisse ihre genuin hellenische Sicht in der TAZ entgegengesetzt:

„Geschlossen hinter Merkel stehen – das heißt für viele in Griechenland, dass Deutschland auf dem nationalistischen Auge blind ist. Die deutschen Angriffe nimmt man als abfällig, entwürdigend und rassistisch gegenüber der Gesamtheit der „Griechen“ an sich, ihrer Mentalität und ihrem Habitus wahr. Warum betreibt die restliche internationale Presse keine vergleichbare Hetze? Die antigriechischen Ressentiments sind in ihrem Ausmaß ein besonders deutsches Phänomen. Das sollte zu denken geben.“ (Margarita Tsomou in der TAZ)

Europa, einer der reichsten Kontinente der Welt, ist unfähig, ein kleines notleidendes Land so zu unterstützen, dass die Schwachen gestärkt und die Starken belastet werden. Wäre das nicht die Definition von Gerechtigkeit?

Gerechtigkeit? Dieser Begriff ist aus der deutschen Diskussion verschwunden. Die Oberschichten haben es geschafft, den zentralen Begriff der Demokratie aus dem Verkehr zu ziehen. Gerechtigkeit ist in Europa verschollen.

Dabei begann die Geschichte der Demokratie im Zeichen der Gerechtigkeit. Demokratie war nicht nur Isonomie – Gleichheit vor dem Gesetz –, sondern Isoktesie, die Gleichheit vor dem Zaster. So formuliert der mit Abstand beste Ökonom deutscher Sprache, Alexander von Rüstow – ein universal gebildeter Mann und Gegner des NS-Regimes, der vor Hitler in die Türkei geflohen war, ich wiederhole, in die Türkei – die Ethik der griechischen Oikonomia.

Nach dem Krieg war er, als der weitaus Profilierteste der Eucken-Gruppe, Vertreter der Deutschen bei den regelmäßigen Debatten führender Weltökonomen in der Mont-Pelerin-Society, die sich jährlich in einem Hotel am Fuße des Mont Pelerin in der Schweiz versammelte.

Es war Rüstow, der den Begriff Neoliberalismus erfand – doch er bedeutete das genaue Gegenteil zur weltbeherrschenden Wirtschaft der Gegenwart. Den heutigen Wildwuchs hätte Rüstow Paläoliberalismus genannt: Steinzeitwirtschaft, die die Reichen bevorzugt und die Armen dem Darwin‘schen Gesetz des erbarmungslosen Konkurrenzkampfes opfert.

Rüstow wollte einen starken Staat und eine soziale Wirtschaft – ohne gigantische Konzerne, die ihren Reichtum als illegitime Macht benutzen. Too big to fail: diese himmelschreiende Anbetung bloßer mammonistischer Macht wäre mit dem scharfsinnigen Rüstow nicht möglich gewesen.

Seine drei, im Exil verfassten, Bände „Ortsbestimmung der Gegenwart“, gehören neben Poppers „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ (im neuseeländischen Exil verfasst) zu den wichtigsten Büchern des letzten Jahrhunderts.

Jetzt kommt‘s: niemand in Deutschland kennt Rüstows Namen, nicht mal Professoren der Ökonomie. Weder ist ihnen sein Name vertraut, noch der Inhalt dessen, was er erforscht und gelehrt hat. Als scharfer Kritiker des Christentums wurde er bereits von der neo-heuchlerischen Adenauer-Republik untergepflügt. Die 68er Bewegung interessierte sich nur für ein marxistisches Geschichtsbesäufnis.

Marx hatte einen theoretischen Wasserkopf und einen praktischen Schrumpfkopf. Wer seine Bücher liest, kommt sich vor wie ein Verhungernder in einem Supermarkt mit überbordenden Köstlichkeiten, die jedoch für ihn unerschwinglich sind. Er darf nur zugreifen, wenn die Geschichte ihm die Erlaubnis dazu gibt. Und diese kapriziöse Dame will und will das Zeichen nicht geben.

Alleswissend und nichtstuend, aber in dauerrevolutionärer Heldenpose, so präsentieren die Linken sich bis heute. Wenn Slavoi Zizek behauptet, nur eine radikale Linke könne den Kampf gegen die schreiende Ungerechtigkeit gewinnen, so hätte er Recht – wenn er nur sagen würde, woher die radikale Linke kommen soll. Es gibt sie nicht.

Das griechische Debakel zeigt, dass die „sozialistische Internationale“ in Europa tot ist. Nur wenn Griechen und Spanier es wagen würden, Brüssel nicht nur die Faust, sondern ein schlüssiges Konzept zu zeigen, könnten die Linken aus der Falle des Marxismus herausfinden.

Vor lauter Verlegenheit ob der Dreistigkeiten ihrer GenossInnen brachten die deutschen Linken kein Wörtchen über die Lippen. Erst allmählich kapieren sie die geniale Provokation der Griechen, die das verkrustete Brüsseler Regime zum Nachdenken zwingen wollen.

Die alte Linke, einer automatisch ablaufenden Heilsgeschichte unterworfen, “haben fertig“. Marxens Botschaft war fremdbestimmt. Seine Hoffnung auf ein Reich der Freiheit war identisch mit der Hoffnung auf das Wiederkommen des christlichen Messias.

Es muss Schluss sein mit aller Fremdbestimmung des mündigen Menschen durch Götter, Evolution, Geschichte und unveränderliche wirtschaftliche „Naturgesetze“. Der Mensch macht seine Geschichte allein, er allein kann sie auch verändern.

Eine gerechte Wirtschaft ist ein moralisches System. Moralische Gesetze sind „Ideale“, die man nur nach und nach realisieren kann. Einen einzigen revolutionären Gesamtentwurf kann es nicht geben, er wäre ein totalitäres Martyrium. Der Mensch lernt sukzessiv, durch experimentierenden Versuch und Irrtum. Ganzheitsentwürfe sind messianische Trugbilder.

Rüstows moralische Autonomie, gewachsen auf dem Boden griechischer und neuzeitlicher Aufklärung, könnte einer gewendeten Linken den Weg weisen. Genossinnen und Genossen, Marx ist tot, lest Alexander von Rüstow. Warum haben ihn die Deutschen begraben? Weil sie von ihrem Kirchenvater Marx nicht lassen wollen, obgleich er sie entmündigt.

Der verständige linke Mensch ist ein selbstbestimmtes, Gerechtigkeit suchendes Wesen, das sich von apokalyptischen Drohungen der Oberschichten nicht mehr ins Bockshorn jagen lässt. Für ihn ist Gerechtigkeit jene Form rechtlicher und wirtschaftlicher Gleichheit, die den Menschen als Alter Ego des Menschen auszeichnet.

Es geht nicht um Uniformität, es geht um gleichwertige Lebensentwürfe, die durch gewaltige Machtunterschiede des Geldes nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Wir brauchen eine humane Utopie. Nicht, wie Popper meinte, als himmlischen Entwurf, der zur Hölle führt, sondern als Lernziel, das im inständigen Gespräch der Völker seine allmähliche konkrete Kontur findet. Von Porto Alegre über Wladiwostok bis Lissabon müssen die Menschen in geschwisterlicher Liebe und Solidarität miteinander ringen, welche Zukunft sie für sich und die kommenden Generationen haben wollen. Es geht um den Erhalt der Gattung. Die Menschheit wird nur überleben, wenn sie leben kann, wie sie leben will.

Was hingegen waren die Leitlinien der wirtschaftlich vereinigten EU?

„Der Euro sollte so werden wie die D-Mark: hart, stark, wenig Staatsschulden, kein Geld für die Staatskasse drucken, keine Umverteilung an die schwächeren europäischen Länder.“ (Roland Tichy in BILD)

Welch ein Hohn: keine Hilfe für schwächere Länder! Und dennoch faseln deutsche Christdemokraten ständig von Solidarität. Im Dritten Reich wollten die Deutschen mit Waffengewalt Europa in die Knie zwingen. Ein dreiviertel Jahrhundert später haben sie es geschafft – mit Maschinen, Geld und Macht.

Roland Tichy voller Stolz: „Helmut Kohl hat sich durchgesetzt und die europäische Zentralbank nach Frankfurt geholt, damit allen klar ist: Hier spielt die Musik, und zwar nach den Noten der Deutschen Bundesbank. Daher hat der verrückte Xydakis schon recht: Wir wollen die Griechen ein bisschen zu Deutschen machen.

Nur ein bisschen zu Deutschen machen? Nein, ganz Europa soll nach deutschem Muster geprägt werden. Natürlich nicht ganz so erfolgreich, damit wir die Vorherrschaft und das Sagen nicht verlieren. Schließlich ginge es nicht nur ums schnöde Geld. “Denn Geld ist nicht nur Geld, es ist eine Vorstellung darüber, wie man leben, arbeiten, wirtschaften soll.

Hier lässt Tichy die Katze aus dem Sack. Berlin will ganz Europa nach deutschem Vorbild modellieren. Der germanische Mensch mit lutherischem Arbeitsethos – also ohne Freude am Leben – soll das gesamte Leben in Europa prägen? Eine grauenhafte Vorstellung.

Was wäre ein germanisierter Kontinent ohne die ansteckende Lebensfreude der Südländer, die französische Deklassierung anmaßender Popenherrschaft, die Solidität der nordischen Staaten, die Lässigkeit der Engländer, das Temperament des Balkans, die Ursprünglichkeit der baltischen Staaten und die Ernsthaftigkeit Polens, das anregende Stimmengewirr und die bereichernden Traditionen aller europäischen Völker, auf die wir nicht mehr verzichten wollen? Deutschland ist jetzt schon ausgebrannt und in provinzieller Selbstgefälligkeit versunken.

Nur im Geiste griechischer Freiheit kann sich Europa weiter entwickeln. Nur mit aristotelischer Gerechtigkeit können wir den menschenmörderischen Neoliberalismus zähmen. Nur mit sokratischem Dialog können wir Brücken zueinander bauen. Nur mit den Menschenrechten der Stoiker können wir uns als gleichwertige Menschen begegnen.

Die Griechen sind das Volk, das im Bereich der abendländischen Kultur den Durchbruch zur Geistesfreiheit prototypisch, exemplarisch und klassisch, d.h. mit Wirkung und Gültigkeit für alle Folgezeit bis heute vollzogen hat. Das ist es, was die Griechen und ihre Geschichte aus der Geschichte aller übrigen Völker unserer Welt heraushebt, was ihre Geschichte im höchsten Sinne zu unserer eigenen Sache macht, was ihre Geschichte für uns mindestens ebenso wichtig erscheinen lässt für unsere eigene Geschichte, die ihren höchsten Auftrag und ihre weltgeschichtliche Würde und Bedeutung erst durch den Antritt und die Verwaltung dieses Erbes erhält. Der Zielpunkt der griechischen Demokratie ist die Isonomie, in der das Gesetz herrscht – „das Gesetz ist der König“ – und in der vor diesem Gesetz alle gleich sind, durch Eintracht und Freundschaft zu unauflöslicher Lebensgemeinschaft verbunden. In der isonomen Demokratie der griechischen Polis gibt es, zum ersten Mal seit der Schaffung von Hochkulturen wieder Freiheit, und zwar in einem Maße, wie es seitdem nie wieder verwirklicht wurde. Auch die Gleichheit vor dem Gesetz, die verfassungsrechtliche Gleichberechtigung aller Bürger, die in der Neuzeit erst wieder durch die Französische Revolution blutig erkämpft werden musste, wurde damals zum ersten Mal in der Geschichte der Hochkulturen erreicht. Darüberhinaus war die Freiheit des Denkens durch keinen theologischen Dogmatismus, die Freiheit des Handelns nicht durch einen subtheologischen sozialen Zwang eingeschränkt, und das nicht etwa infolge anarchischer Auflösung, sondern ganz im Gegenteil im Rahmen einer denkbar starken und lebendigen Gemeinschaftsverbundenheit.“ (Rüstow)