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Freunde des Bösen

Hello, Freunde des Bösen,

hui a): müsste es keinen Aufstand geben, wenn die teuren LeserInnen dieser Zeilen – als Sympathisanten des Bösen angesprochen werden?

Hui b): wetten, dass es keinen Aufstand gibt?

Hui c): warum gibt es keinen?

Hui d): weil moderne Menschen pfiffig sind. Sie wissen, dass Gut und Böse relativ sind.

Relativ ist – das wissen sie – das Gegenteil von absolut. Sie wissen auch: wer Moral für absolut hält, muss totalitär sein. Wer will schon totalitärer Gesinnungsterrorist sein – à la papistische Kreuzzüge und Inquisition, klerikale Ketzer- und Hexenverbrennungen, Hitler, Stalin, die roten Khmer, ISIS, puritanische Indianerauslöschung, christliche Völkermorde in Afrika und Südamerika, osmanischer Genozid an Armeniern, neoliberale Kindermorde in der ganzen Welt, europäische Flüchtlingsmorde im Mittelmeer und last, not least Ausrottung unendlicher Tiergattungen in planetarischem Ausmaß?

Wetten, dass Wilhelm Busch weiß, woher das Böse kommt? Das Böse, dieser Satz steht fest, ist stets das Gute, das man lässt. Der Satz ist umkehrbar: das Gute, dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, das man lässt. Womit klar wäre, woher das deutsche Böse stammte: niemand hörte auf Wilhelm Busch. Hätten die Deutschen ihren beliebten „Humoristen“ ernst genommen, hätten sie – den Nationalsozialismus verhindern können.

In Lüneburg steht der 93-jährige Oskar Gröning wegen Völkerverbrechen gegen die Juden vor Gericht. Der ehemalige SS-Mann war Buchhalter in Auschwitz. Hat er

mittlerweilen verstanden, warum er sich verantworten muss? Hat er in seinem langen Leben als unauffälliger Steuerzahler seine Vergangenheit selbstkritisch erforscht? Weiß er nun, warum er das Böse exekutierte?

Oder ist auch hier das Böse relativ? Lassen die Relativisten – aus bekannten historischen Gründen – für Edelgermanen eine winzige Ausnahme zu? Historiker Nolte kam vor Jahren in Verschiss, weil er das Böse relativierte. Im Hauptstrom der Edelschreiber gibt es heute niemanden, der es wagte, die absolute Geltung des Relativen zu dementieren. Gleichzeitig gebärden sich dieselben Schizos als pflichteifrige Judenfreunde. Eine ästhetische Vorlage für C.D. Friedrich: deutsche Logik, zertrümmert in Ruinenlandschaft – mit Kreuz auf dem Gipfel.

„Was hat er sich gemerkt? Die Szene, als eine jüdische Mutter ihr Baby im Koffer versteckte, „weil sie sich ausrechnete, dass es dann nicht zur Sortierung kommt“. Und wie ein „Kamerad“ das weinende Kind gegen einen Müllwagen schleuderte, bis es still war. „Da blieb mir das Herz stehen“, sagt Gröning. „Ich ging zu dem Mann und sagte: Das geht doch nicht!“ Dann fügt er hinzu, offenbar um sich zu exkulpieren: „Dazu war ich gar nicht berechtigt. Am nächsten Morgen bat ich um meine Versetzung. Denn ich dachte, wenn das hier immer so zugeht…“ Der Rottenführer habe dann gesagt, er finde den Vorgang auch nicht „besonders glücklich“. Schreibt Prozessbeobachterin Gisela Friedrichsen im SPIEGEL.

Ist dies kein Beweis, dass der böse Nazi auch humane Momente hatte? Müssen demnach Gut und Böse nicht relativ sein?

Nein, der Böse ist nicht das Böse, der Gute nicht das Gute. Das Böse und das Gute sind abstrakte Gedanken. Abstrakt heißt losgelöst. Losgelöst vom Konkreten. Das Konkrete ist hier der Mensch. Kein Mensch verkörpert das Gute und Böse in kristalliner Reinform. „Der Mensch ist kein ausgeklügelt Buch, sondern ein Wesen in seinem Widerspruch.“ (C F Meyer). Menschen sind wandelnde Widersprüche oder – geprägt von Gut und Böse.

Was muss der Mensch tun, um ein guter, ein besserer zu werden? Er muss der Devise des Apollotempels in Delphi folgen: erkenne dich selbst. Erkenne dein Böses, um es nach und nach zu besiegen. Freilich, der Selbsterforschende muss zuvor für sich erkannt haben, was Gut und Böse ist. Er hätte sonst keine Maßstäbe, um beides voneinander zu unterscheiden. Aha, für sich erkannt haben: kein Beweis für das subjektive oder relative Gute und Böse?

Relativ heißt bezogen auf, in Verbindung stehend mit. In dieser Hinsicht gibt es in der Welt nichts, was nicht relativ wäre. In der Welt hängt alles mit allem zusammen. Täte es das nicht, die Welt würde auseinanderbrechen.

Langsam, meine Geschwister in Logik, nicht so drängeln! Eine absolute Moral ist keine, die unverbunden in der Welt wäre. Ein Unikat, dem alles Menschliche und Natürliche fremd wäre. Solche Monstren gibt’s nur in amerikanischen Alienfilmen – und in Jenseitsreligionen. Und nicht mal da: Gottes Sohn soll wahrer Mensch und kein scheinbarer gewesen sein. (Siehe Doketismus – die Lehre vom scheinbaren Menschensohn). Als wahrer Mensch hat er wirklich geblutet und gelitten und ist wirklich gestorben. Damit er wirklich und wahrhaftig auferstehen konnte.

Sein Vater im Himmel will zwar das ganz Andere, Undenkbare, Unaussprechbare und Unverbundene sein – mach dir kein Bildnis, noch Gleichnis –, als Schöpfer der Welt hat er dennoch seine Spuren in der Schöpfung hinterlassen. Damit die Spuren nur Gutes bedeuten, hat Er den Bösen und die Menschen erfunden. Sie allein sollen für das Böse verantwortlich sein. Dennoch: wer hat Teufel und Menschen erfunden?

Im wirklichen Leben – Gott und Hollywood ausgenommen – gibt’s nichts Unverbundenes. Die Einheit der Natur, die uns trägt, behütet und hegt, hat alles mit allem verbunden. Das gilt auch für die politische Welt. Die meisten Weltpolitiker haben dies bis heute nicht verstanden. Zunehmende Trockenheit in Schwarzafrika, ein Bürgerkrieg in Syrien – und schon erbeben die Grundfeste Europas unter den andrängenden Massen der Flüchtlinge.

Die westlichen Politiker wollen die Welt zerteilen, um ihren Wohlstand, ungestört von Losern, zu genießen. Vergebens. Ihre geringsten Vergehen gegen Gerechtigkeit, Fairness und Menschlichkeit werden sie mit Zins und Zinseszins bezahlen müssen. Die Welt ist ein Dorf: diese Erkenntnis der frühen Ökobewegung ist dem Moloch Geld geopfert worden. Das wird der Moloch büßen müssen.

Wenn es nichts Unverbundenes gibt auf der Welt, wie kann es dann eine absolut gültige Moral geben? Wäre Moral nicht mit der Welt verbunden, wäre sie sinnlos. Das Absolute der Moral bezieht sich nicht auf Verbunden- oder Unverbundenheit, sondern auf ihre Geltung. Böse Moral muss zeitlos böse und niemals gut sein, gute Moral muss zeitlos gut und niemals böse sein.

Dürfen Menschenrechtsverbrechen oder Völkermorde aus irgendeiner Perspektive gut geheißen werden? Wer hier mit Ja antwortet, hat den Holocaust partiell abgesegnet. Da es weder partielle Völkermorde, noch die partielle Tötung eines Menschen geben kann, hat er den ganzen Genozid gut geheißen. Ein bisschen schwanger gibt’s so wenig wie ein bisschen Todesstrafe.

Für Dabbelju Bush kein Problem, wenn Hingerichtete sich post mortem als unschuldig erweisen sollten. Pech gehabt. Für den metaphysischen Rest sorgt Dabbeljus Gott, der himmlische Ausputzer und Entsorger, sein Name sei gepriesen.

Eine absolute Moral ist eine absolut gültige, aber von Menschen erdachte und bestimmte Moral. Keine Moral eines absoluten Gottes, der den Menschen Seine totalitären Vorstellungen unter himmlischen Versprechungen und höllischen Drohungen einbläuen dürfte. So gesehen entspricht absolute Moral der absoluten Wahrheit. Eins und eins ist zwei – das gilt zu allen Zeiten und unter allen Perspektiven.

(Die Relativitätstheorie behauptet nicht die Relativität ihrer eigenen Theorie. Würde sie das und könnte sie angeben, unter welchen Randbedingungen sie modifiziert werden müsste, hätte sie nur die Absolutheit auf der nächst höheren Ebene behauptet. Kein Astronaut würde sich einer Weltraumrakete anvertrauen, wenn diese nach Belieben den Mars erreichen – oder aber vorher zerschellen könnte.)

Liegen aber zwischen objektiven Wissenschaften und subjektiver Moral nicht Welten? Unleugbar. Objektive Wissenschaften sind Erkenntnisse der objektiven, von Menschen unabhängigen, unfehlbaren Natur. Moralische Erkenntnisse sind Erfindungen fehlbarer und unvollkommener Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, die zu unterschiedlichen Moralen führen müssen.

Das ist der momentane Stand der Dinge – der aber so nicht bleiben muss. Absolute Moral ist eine zielführende Vision und muss in gleichberechtigten Dialogen von der Menschheit erstritten und erkämpft werden. Absolute Moral muss das politische Ziel der Weltvölker sein, in der alle Beteiligten die gedankliche Arbeit erbringen, ihre bisherige, national oder religiös beschränkte, Moral, kritisch unter die Lupe zu nehmen, um eine für alle Menschen annehmbare Moral zu entwickeln.

Utopisch? Moralische Verständigung in immer größeren Kreisen hat schon unzählige Male stattgefunden. Jede Familie, Sippe, Clan, Volk oder Nation hat den Prozess der internen Einigung schon erbracht. Im globalen Maßstab vereint die Moral der UNO fast alle Völker. Noch nicht in wünschenswertem Maß. Momentan findet gerade eine Rückbildung statt.

Die Prinzipien der Charta werden von vielen Nationen gebrochen oder verleugnet. Dennoch, welch ungeheurer Fortschritt war allein das schriftliche Dokumentieren einer Moral, die alle Völker feierlich unterschreiben konnten.

Die planetarische Verständigung war nur möglich unter dem Eindruck des fürchterlichen Völkermordens im zweiten Weltkrieg. Die Welt wollte einen gemeinsamen neuen Anfang setzen. Und das gelang.

Inzwischen wissen wir, das Ziel war sehr hoch, das die Menschheit erreichen wollte. Die uralten Widerstände gegen die universelle Moral – die unter dem Schock des Weltkrieges schweigen mussten – sind wieder aus ihren menschenfeindlichen Löchern gekrochen und versuchen, die hohe Messlatte zur lächerlichen Illusion zu erklären. Der Mensch, so heißt es wieder, ist kein animal rationale, das zur vernünftigen Verständigung fähig wäre. Er war und ist eine egoistische gewalttätige Bestie und wird immer eine solche bleiben.

Zwei Menschenbilder sind hier im Kampf um Sein oder Nichtsein. Der lernende Mensch der Natur und der verstockte der Übernatur. Nur wenn die Völker sich auf eine generelle Moral in Wort und Tat verständigen, wird die Menschheit eine Zukunft auf Erden haben.

In diesem Sinn ist eine absolute Moral eine richtige und wahre. Nur sie ist fähig, das Sein der Menschheit zu garantieren. Jede andere Moral ist unwahr und muss kategorisch abgelehnt werden. Denn sie führt mit Sicherheit in den Untergang.

Eine absolute Moral als Befolgen eines absoluten Gottes kann nur durch dessen Allmacht gesichert werden. Eine absolute Moral als Werk autonomer Menschen beruht auf der Einsichtsfähigkeit der letzteren. Empirische Wahrnehmung und logisches Denken der Menschen können gemeinsam die Einsicht gewinnen, dass jeder Verstoß gegen eine Verständigungsmoral das Ende der Gattung bedeuten würde. Wahr ist, was dem Leben dient. Nicht dem Leben exklusiver Minderheiten. Aber dem Leben der Menschheit.

Zwei uralte Gegner der allgemeinen Moral feiern fröhliche Urständ und beginnen die universelle Moral der UN-Charta zu destruieren: a) die Partikularideologien – darunter alle Erlöserreligionen –, die das Gute für wenige Privilegierte reservieren und dem Rest der Menschheit das Böse überlassen. Und b) der herrschende Wirtschaftsglaube, wonach jede Nation mit jeder konkurrieren muss. Die Sieger gewinnen den Reichtum und die Macht der Welt, die Verlierer müssen am Rande der Existenz vegetieren, Sklavendienste vollbringen oder ohnmächtig verrecken.

Das Wiedererstarken der Religionen und die Übermacht des Neoliberalismus haben die Grundsätze der UN-Charta zur Farce gemacht. Offiziell traut sich niemand, die unterschriebenen Prinzipien zu widerrufen. Doch die Kluft zwischen Norm und Realität könnte nicht absurder sein. Die Menschheit befindet sich im unerklärten und klaffenden Widerspruch zwischen Deklaration und täglichem Tun. Was man Heuchelei nennen könnte, ist vor allem ein Verstoß gegen die Logik. Man kann nicht A predigen und Non-A tun.

Jeder Verstoß gegen elementare Grundsätze der Logik ist kein belangloses intellektuelles Spiel. Sondern wird bestraft mit Elend, Siechtum und Tod. Nur einhellige Vernunft kann der Menschheit Heiterkeit und Lebensfreude bringen.

Die Menschheit ist fähig, ihre Vernunft zur Geltung zu bringen: das ist das Menschenbild der Menschenfreunde.

Die Menschheit ist ein unverbesserliches Nattern- und Otterngezücht: das ist das Menschenbild der Unheilsreligionen, die sich als Heilsreligionen deklarieren:

„Da ist keiner, der gerecht sei, auch nicht einer. Da ist keiner, der verständig sei; da ist keiner, der nach Gott frage. Sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig geworden. Da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer. Ihr Schlund ist ein offenes Grab; mit ihren Zungen handeln sie trüglich. Otterngift ist unter den Lippen; ihr Mund ist voll Fluchens und Bitterkeit. Ihre Füße sind eilend, Blut zu vergießen; auf ihren Wegen ist eitel Schaden und Herzeleid, und den Weg des Friedens wissen sie nicht.“

Diese beiden Menschenbilder sind unverträglich. Hier gibt es nur ein Entweder–Oder. Ein Alles oder Nichts. Beide Moralen kennen dieses Entweder–Oder. Unter dem theokratischen Schwert wird das Entweder–Oder zur totalitären Vernichtung der Andersdenkenden und Ungläubigen. Unter demokratischen und gleichberechtigten Verhältnissen führt das Entweder–Oder zu methodischem Streit, gemeinsamem Nachdenken, Verstehen der anderen Positionen – und zu demokratischem Abstimmen im Völkerparlament. Das theokratische Absolute wird auf himmlischen Befehl gnadenlos exekutiert. Das humane Absolute kann nur gemeinsam und friedlich erlernt werden.

Heute gibt es keine moralische Erörterung, die nicht sofort die Relativität der Moral betonte. Hier zum Beispiel: „«Das Gute – dieser Satz steht fest – ist stets das Böse, was man lässt.» Das zumindest meint Wilhelm Busch am Ende seiner Bildergeschichte „Die fromme Helene“. Aber was genau ist gut und was ist böse? Was die eine Gesellschaft erlaubt, kann in der anderen schon einen Regelverstoß bedeuten.“ (Planet Wissen) Das Trennende und Relative wird herausgestellt, die bereits erfolgte außerordentliche Verständigungsarbeit der Menschheit mit keinem Jota erwähnt.

Die Relativität der vielen Moralen war für die Griechen eine außerordentlich interessante Entdeckung, als sie andere Völker mit anderen Überzeugungen kennen lernten. Protagoras war der erste Denker, der den neu entdeckten Relativismus der Alleinherrschaft der traditionellen Moral entgegenstellte: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“. Euripides formulierte die Skepsis des Protagoras in Versen:

„Wär gut und klug für jedermann dasselbe,

Dann gäb es keinen Streit auf dieser Welt.

Doch sind, was stimmt und gleich ist bei den Menschen,

Nur Worte: die Begriffe sind verschieden.“

Doch das war nur eine Seite der Griechen. Sokrates und seine Schulen kapitulierten nicht vor den Unterschieden und suchten hinter dem Trennenden das Gemeinsame. Jeder Mensch ist vernunftfähig, eine allgemeine Vernunftmoral kann gefunden werden. Die Gleichheit der Menschen beruht auf der Gleichheit ihrer Vernunft – die ihre Wahrheitsfähigkeit erst dialogisch beweisen muss.

Das aufkommende Christentum erstickte alle Wahrheitssuche der Menschen und zwang die Menschheit – bei Strafe der Verdammung – zur unfehlbaren Wahrheit der Offenbarung. Das Terrorregiment der Unfehlbaren überrollte Europa, wurde zur theokratischen Despotie des Abendlandes, die erst durch Wiedergeburt der griechischen Aufklärung gebrochen werden konnte.

Doch die Theokraten duckten sich nur vor der heidnischen Vernunft. Sie nutzen jede Schwäche der Moderne, um ihr tyrannisches Regiment wieder in Stellung zu bringen.

Deutschlands Demokratie ist in ihrem Kern von Sonderrechten der Unfehlbaren ausgehöhlt. In ihrer Machtvollkommenheit können Kirchen andersdenkenden Menschen ihre Werte aufnötigen – mit voller Unterstützung eines ecclesiogen verkrümmten Staates. (Siehe Süddeutsche.de und BILD.de)

Erwachsenen Menschen wird per Christen-Dschihad vorgeschrieben, welche Sinnenlust sie haben dürfen und welche nicht. Die pädophilen Zwangsbeglücker in den eigenen Reihen werden nach Möglichkeit geschont. Und das im 21. Jahrhundert. Hier wird Moral relativiert und zur doppelten Moral entstellt.

Welche Moral gilt in Deutschland? Die des Grundgesetzes oder die der Kirche? Die Jugendlichen werden an ihrem logischen Denkvermögen irre gemacht. Das Ergebnis ist die Botschaft: alles, was verboten ist, ist im Dienste eines unfehlbaren Herrschaftswissens erlaubt. Sei es im Namen eines Gottes, sei es im Namen einer darwinistischen Wirtschaft, die andere niederringen muss, um sie als Verlierer zu demütigen und zu verhöhnen.

Die Kirchen predigen das Gute – und handeln nach dem Motto: was gut und böse ist, bestimmen wir. Wir lieben die Menschheit – und tun, was wir wollen. Die Gesinnung entscheidet über die Tat und wir haben die rechte Gesinnung.

Frau Merkel predigt das Gute – und verwirft es nach Belieben im Dienst übergeordneter Wirtschaftsgesetze. Mit heiligster Miene darf Merkel andere Völker ausbeuten und ins Verderben stürzen, Menschen im Meer ersaufen lassen, die Natur verwüsten. Im Namen selbsternannter Wahrheiten wird von Frau Merkel das Gute geopfert und das Böse exekutiert – als ob es das Gute wäre. Das ist vollendeter Machiavellismus.

Machiavelli berief sich auf das Naturrecht der Starken, das vom demokratiefeindlichen Thukydides vertreten wurde. Eine demokratiefeindliche Moral verträgt sich nicht mit dem „Naturrecht der Schwachen“, der universellen Moral der Gleichen und Freien.

Merkels böse Moral vernichtet die Demokratie. Das Böse, dieser Satz steht fest, ist stets das Gute, das die fromme Machiavellistin unterlässt. Die geringste Abwendung von diesem Grundsatz zerstört das moralische Empfinden der Menschen und vernichtet ihre Überlebenschancen.

Wann begann das Unheil der Deutschen? Als der folgende Satz zur deutschen Realität wurde: „Gerecht und ungerecht, gut und böse, wahr und unwahr verliert seine Bedeutung.“ Als Friedrich Meinecke beim Nachdenken über das Entstehen des Nationalsozialismus diesen Satz von Friedrich Paulsen aus dem Jahre 1902 zitierte, fügte er hinzu: „Da hat man schon die Ethik des Hitlerschen Nationalsozialismus.“

Dürfen wir uns immer mit Hitler vergleichen? Wir müssen – wenn wir herauskriegen wollen, in welchem Maß wir ihn überwunden haben – oder nicht.

Wenn Meinecke Recht hat, dass die Destruktion des Guten der Anfang des Bösen war, haben wir das Tor zum Verhängnis bereits weit geöffnet. Zwar geht es im Binnenland noch relativ gesittet zu. Doch die schrecklichen Folgerungen unserer Unmoral exportieren wir bedenkenlos in die Welt. Und wundern uns, dass sie als Echo und Rückstoß zu uns zurückkehren.

Warum hat Oskar Gröning im Verlauf seines langen Lebens in der BRD fast keine Einsicht in seine Taten des Bösen entwickelt? Weil auch in der Nachkriegs-Demokratie das Gute nur der Predigt und der Propaganda dient und das Böse – als stets geduldete Ausnahme im Dienst unserer unanfechtbaren Polit-Interessen – das wirkliche Leben bestimmt? Wie viele SS-Männer waren in den KZlagern tätig? Wie viele wurden verurteilt? Wer diese Fragen wahrheitsgetreu beantworten will, muss die amoralische Moral unserer Gesellschaft bei Namen nennen.

Unseren Kindern predigen wir das Gute – und beschimpfen sie als Gutmenschen, wenn sie als Erwachsene das Gute nicht verworfen haben.

Die Welt wächst zusammen und wirft all unsere Widersprüche auf uns zurück. In Form von steigenden Flüchtlingsströmen, von Kriegsgeschrei und Wirtschaftskrisen. Die Opfer der westlichen Welt dulden es nicht länger, die alleinigen Versager der Weltgeschichte zu sein. Sie flüchten zu uns, um uns in stummer Not vorzuhalten: schaut auf uns und unser Elend – und ihr seht eure eigene Schmach.

Das ganze Abendland ist vom Guten der allgemeinen Moral abgewichen. Christliche Moral an sich ist schon eine antinomische. Alles ist ihr erlaubt, um Gottes Ruhm und Macht auszubreiten. Sie folgt dem Motto des Reformators: Sündiget tapfer – wenn ihr nur glaubt. So glaubt und sündigt sie, dass die Schwarte kracht. Auf die Gesinnung des Glaubens kommt es an. Welcher Fromme hätte Schwierigkeiten, sich eine rechte Gesinnung zu bescheinigen?

Meinecke sieht das deutsche Verhängnis beginnen, als das Land sich von der Moral Goethes verabschiedete: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut. Doch Goethe war in allen Dingen zweideutig. Ohne Mephisto, das Prinzip des Bösen, sah er keine Chancen zur kreativen Fortentwicklung der Menschheit. „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“, so stellt Mephisto sich vor.

Auch Kant traute der idyllischen Schlaffheit des Guten nichts Geniales und Fortschrittliches zu. In der gesamten Geschichte des Abendlandes ist nicht das Gute, sondern das Böse der Motor der Entwicklung. Das Gute ist langweilig, träge und faul. Nur das Böse hat den Biss, die Energie und die Unbedenklichkeit, andere zu übertrumpfen und niederzutrampeln.

Die vom Bösen voran getriebene Entwicklung soll nicht in Glück und Zufriedenheit erschlaffen, sondern jene fruchtbare Zerstörung kreieren, die das Neue und die finale Apokalypse selbsterfüllend schaffen kann.

Der Glaube an die Unvermeidbarkeit der Heilsgeschichte ist der geheimste Beweggrund des westlichen Fortschrittsglaubens. Von Hiob über Paulus, Luther, Mandeville, Smith, Kant, Goethe, Hegel bis Nietzsche und Hitler waren alle bewussten und weniger bewussten Heilsgläubigen der Meinung: ohne Glauben an das Böse geht nichts in der Welt. Selbst Meinecke, der einen neuen Anfang für Deutschland gründen wollte, sah noch immer einen „positiven Gehalt im Hitlerismus“:

„Bei welcher neuen, großen, das Dasein umgestaltenden Idee hätte sich Satan nicht auch gleich als Einpeitscher und Nutznießer mit eingeschaltet? Wie schauerlich berührt uns nicht der erste Versuch eines 1000-jährigen Reiches in Deutschland: das Reich der Täufer in Münster von 1535. Aber die Täuferbewegung enthielt religiöse und weltanschauliche Keime von hoher Fruchtbarkeit.“

Das Gute bringt nichts. Nur das Böse füllt die deutschen Kassen – indem es Unheil bringt über die ganze Welt. Gott und Frau Merkel wollen es so.