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Freitag, 20. April 2012 – Wahn und Realität

Hello, Freunde der Muslime,

der Islam ist nicht Teil unserer Tradition und Identität und gehört somit nicht zu Deutschland“, sagte der Volker in Kauder-welsch. Dann haben wir also den Pluralismus abgelegt und uns eine Mono-Ideologie zugelegt, die man Christentum zu nennen pflegt.

Wie kann man sich über den Satz aufregen, die Medien seien gleichgeschaltet, wenn die ganze deutsche, ja europäische Kultur durch eine durch Kreuz-zur-Krone-Ideologie gleichgeschaltet ist. Da haben wir doch den Großen Schalter, den Augstein nicht sehen wollte: es ist der religiöse Schalter in den Gehirnen.

Eine identische Kultur – von idem, dasselbe, das Gleiche – wäre eine Ajatolla-Kultur, Volker Kauder demnach ein Bibel-Salafist. Kein Verfassungsschützer wird den gemütlichen Schwaben unter die Lupe nehmen.

Linke Großhistoriker wie Wehler und Winkler reden auch nicht anders, wenn sie die Türkei für europa-untauglich erklären, weil dort nicht an jeder Wegkreuzung ein schnuckliges Marterl zu sehen ist.

Hat schon mal ein Ethnologe eine empirische Untersuchung durchgeführt, welch unterschwellige Kollateralfolgen diese vielen Kreuze mit Leichnam auf das unbewusste Leben der Bayern ausüben? Wer das Voralpenvölkchen kennt, muss annehmen, dass es anhand des Kontrastes sich erst recht seines Lebens erfreut.

Dann wäre der Schmerzensmann eher eine paradoxe Intervention als ein direktes Vorbild. Der massenhafte,

gar nicht mehr bewusste Anblick von Tod und Leid würde von eigenen Sorgen und Nöten entlasten. Wäre das so, müsste aus volkshygienischen Gründen der Gepeinigte im ganzen Land gezeigt werden.

Es wäre eine wahrhaftig-stellvertretende Übernahme der dunklen Seiten des Lebens, wenn die Eingeborenen nach obligater Bekreuzigung sich befreit am nächsten Jodlerwettbewerb beteiligen würden.

Mit Ostdeutschland müsste Kauder erhebliche Probleme kriegen. Denn die Ex-Ossis haben die geringste Gottgläubigkeitsrate in der Welt. Entweder revidiert der CDU-Mann seine fromme Identitätsthese oder er muss für Abtrennung der Ostgebiete an Polen plädieren.

71% aller Ostdeutschen haben noch nie an die Existenz eines Gottes geglaubt. Selbst die Kinder der ehemaligen Marx-Verehrer denken nicht daran, die Quote der Ungläubigen zu verringern.

In Wessiland sind es nur 10%, die sich zum Unglauben bekennen. Im ehemaligen Stalinland 6,8 %, dort haben Machteliten & Babuschkas dafür gesorgt, dass die Popen wieder obenauf sind. 3% in den USA, während die Philippinen die Frömmsten der Welt sind.

Meistens sind die nachfolgenden Generationen glaubensferner als ihre Eltern, nur in Israel ist es umgekehrt. Dort glauben die Jungen mehr als die Alten. Das könnte mit der Einwanderung nicht-säkularer Juden ins Heilige Land zu tun haben.

Möglicherweise auch damit, dass die Gräben zwischen Muslimen und Juden immer größer werden. Unter solchen Bedingungen der Konkurrenz und Abgrenzung gewinne die Religion eine immer größere Bedeutung „für die eigene Identität“.

Wer eine identische Nation haben will, sorge also für religiöse Ertüchtigung. Ein Volk, ein Glaube, eine ökumenische Große Koalition for ever. Die Parteien drängen weniger in die Mitte, als in die Identität der rechten Religion.

Revidieren wir endlich Max Webers Unsinn, die Moderne sei eine Welt der Entzauberung. Im Deutschland des 19. Jahrhunderts gab es eine Strömung ins Religionskritische, aber immer begleitet von starken Gegenströmungen. Der Nationalsozialismus war eine hochexplosive Mischung aus Kritik an der Kopfhängerkirche und einer eschatologischen Welterlösungsorgie.

Die Nachkriegszeit wurde geprägt von der Gospel-Atmosphäre des schwarzen Amerika, die mit dem Wirtschaftscredo des weißen Amerika zu einer Konsumidolatrie zusammenfloss. Der Neoliberalismus sorgte endgültig für das Halleluja triumphans des Westens über den Rest der Welt.

Je mehr die ökonomischen Konkurrenzen der Nationen sichtbar werden, je mehr enthüllen sie sich als Attrappen religiöser Rivalität zwischen Christen, Juden und Muslimen. Für welche Überzeugungen die Giganten China und Indien stehen, wissen sie vermutlich selber nicht.

Selbst Tatort-Kommissare sind nichts anderes als verkappte Pastoren, wie die Untersuchung einer Literaturwissenschaftlerin ergab. Vermutlich ist es dieser verborgene ekklesiogene Haut-Gout, der die Serie zu einer Kultsendung macht. Wie sagte Tukur als Kommissar Murot, Sohn eines evangelischen Pastors: „Das ist eine Familientradition. Wir sind beide in dem Projekt Erlösung tätig.“

Kein Wunder, dass Till Schweiger auf heftigen Widerstand stieß, als er blasphemisch den Vorspann des Tatort ändern wollte. Man verändert nicht so einfach das Orgelritual des Gottesdienstes.

 

Der SPIEGEL weiter auf unerbittlichem Exorzismuskurs in gefährlicher Nähe zum Gottseibeiuns. Der „gescheiterte Gernegroß“ verliere sich in „großen Worten, verkaufe seine Hirngespinste als Ideologie und sein berufliches Scheitern als selbstgewählte Schaffenspause“. Die Zeit seiner Radikalisierung sei „weniger politisch motiviert, sondern Ergebnis persönlichen Versagens“.

Nach der Pleite als Unternehmer zog der Angeklagte wieder ins Hotel Mama und verbrachte jeden Tag bis zu 16 Stunden mit dem Computerspiel World of Warcraft. Diese Zeit, in der er nichts auf die Reihe brachte, beschreibt er als Sabbatical, als Märtyrertum-Geschenk. „Freilich“ rief er auf der Insel Utoya zweimal die Polizei an und „bettelte“ darum, jetzt festgenommen zu werden.

Freilich? Das kann nur bedeuten: obgleich der Täter sich viele Jahre akribisch auf seine militante Märtyrerrolle vorbereitete, war er im entscheidenden Moment Memme genug, sein Massaker nicht kalt wie eine Maschine zu exekutieren. Er wurde weich und bettelte die Polizei an, ihn von seiner fürchterlichen Zwangsrolle zu befreien.

Ein Monstrum, das noch Gefühle kennt, vielleicht gar Mitleid mit seinen Opfern? Hier fällt der ganze gefühllose, selbstgefällige und im Ton des Abscheus gehaltene Voyeurismus der Medien in sich zusammen. Schnell drüberweglesen, damit es niemand merkt.

Zur Dekonstruktion des aufgeblasenen Scharlatans passt wie angemessen die komplementäre Figur der Staatsanwältin als strenge Ersatzmutter, die – im Gegensatz zur „verwöhnenden, viel zu viel verstehenden, keine Grenzen setzenden“ leiblichen Mutter – zwar sanft spricht, dem Angeklagten sogar regelmäßig die Hand gibt, ihn aber rasiermesserscharf demontiert, indem sie nur Fakten gelten lässt.

Mit dieser Fakten-Strategie „entlarvt sie Breiviks Organisation als Phantasiegebäude“. Immer wieder treibt sie ihn in die Enge. Mit jeder Stunde, die das Kreuzverhör dauert, fällt die Welt der Tempelritter in sich zusammen. Auch am dritten Verhandlungstag wird die kühle Blonde den Saal als „Siegerin“ verlassen.

Alle Mittelschichtsängste der Schreiber, sozial in den Abgrund zu fallen und monströse Kinder als Zeitbomben zu kriegen, werden von der unerbittlich sachlichen Anklägerin gebändigt. Solange der Rechtsstaat solche Johannas von Orleans hat, muss uns nicht bange sein um den Fortbestand abendländischer Werte.

„Jeden Morgen liefert sie ihre zwei kleinen Söhne im Kindergarten ab.“ Also, geht doch: die Vereinbarkeit von Beruf, Mutter und Verteidigerin Europas.

Immer wieder gelingt es ihr, das Pompöse der Aussagen Breiviks zu entlarven. Ihre Körpersprache signalisiert, dass sie ihm „fast nichts abnimmt“, was er in seinem Manifest verzapft hat. So gelingt es ihr, seine Äußerungen immer mehr als Übertreibung, Wunschvorstellung, ja als Lüge zu entlarven.

Und dann, im Stile eines reißerischen Serienromans die letzte Frage, um die Spannung aufrechtzuerhalten: „Wird es ihr gelingen, Breiviks „Templertum“ als psychotische Wahnvorstellung zu entlarven?“

Wir kennen die Philosophie der harten Fakten, die nichts zulassen wollte als das, was man handgreiflich beweisen konnte. Es ist die Philosophie des Positivismus, der sich in jenem Wien breit machte, in dem Freud seine Bücher über Traumdeutung, Es, Ich und Über-Ich schrieb.

Nicht alles, was sich nicht quantitativ belegen ist, ist erfunden und erlogen. Freud schrieb ein religionskritisches Werk mit dem Titel „Die Zukunft einer Illusion“. Wenn Religion Illusion ist, ist Religion dann kein Wahn? Solche Fragen werden im christlich-identischen Europa nicht mehr gestellt.

Auch Phantasien, Fiktionen und Illusionen sind Fakten, denn sie sind selbsterfüllende Prophezeiungen und verwandeln sich im Verlauf der Ereignisse in harte Tatsachen. Wie heißt das amerikanische Dogma in Kurzform? „Verwirkliche deinen Traum“.

Ob Breivik tatsächlich einer Gruppe mit Namen Templer angehörte oder nicht, ist völlig belanglos. Relevant in höchstem Maß aber ist die „Wahnidee“, ein moderner Templer zu sein. Diese „Illusionen“ haben sein ganzes Tun geprägt.

Kein einziger Satz, wer diese Templer waren und welch verhängnisvolle Wirkung sie auf den Heranwachsenden ausübten. Die historia sancta muss geschont werden. Sie darf keinerlei Wirkungen mehr auf die Gegenwart ausüben.

Während die Neurologen die Freiheit des Menschen verabschieden, verabschieden die Historiker alle prägenden Ursachen der Geschichte. Im Neoliberalismus vollends ist die Vergangenheit zum Unwort geworden.

An Kausalitäten der Vergangenheit glauben nur Ewiggestrige, es sei, es handelt sich um wundertätige Folgen eines Heiligen Rocks.

Ein Blick in Wikipedia würde genügen und wir erführen über die Psyche des schrecklichen Mannes mehr als auf 1000 Seiten deutscher Berichterstattung. Templer waren Symbiosen aus Mönchen und Rittern, die durch Kreuzzüge die Welt von der Vorherrschaft – tatsächlich – der Muslime befreien wollten: auf dem allerheiligsten Terrain, auf dem der Erlöser persönlich wandelte.

Verbreitete Hitler nicht gezielt eine Atmosphäre aus mönchischer Askese – kein Sex, kein Fleisch, keine biologische Familie – und strahlendem Jesusritter?

Wer etwas als Wahn definiert, will mit dem Inhalt des Wahns nichts mehr zu tun haben. Tagesschreiber sind außerordentlich kritisch gegen kleine Würstchen, die am Boden liegen. Doch die Kategorien obrigkeitstauglicher Psychiater übernehmen die Berichterstatter wie Sätze aus dem Neuen Testament.

Schaumermal: „Wahn ist in der Psychiatrie eine inhaltliche Denkstörung. Der Wahn ist eine die Lebensführung behindernde Überzeugung, an der der Patient trotz der Unvereinbarkeit mit der objektiv nachprüfbaren Realität unbeirrt festhält.“

Solche Sätze sind zu unterirdisch, als dass man sie noch glauben kann. Seit wann gibt es in der Postmoderne objektive Realitäten? Werden wir nicht von den Gazetten täglich mit Sätzen zugeschüttet wie: jeder lebt in seiner Monaden-Ecke des Universums, jeder hat nur subjektive Perspektiven zu bieten, keiner kann sagen: so ist es?

Dieselben Gazetten wollen uns nun das Gegenteil weismachen? Die Erklärung ist einfach. Wahrheiten sind heute schichtenspezifisch geworden. Was für sublime hochkulturierte Bürgerdenker gilt, gilt noch lange nicht für Gescheiterte und Verbrecher. Die haben sich an die ordinäre Objektivität zu halten, die man ihnen von oben serviert.

Wollen wir tatsächlich noch den subjektiven Idealismus, den wissenschaftstheoretischen Konstruktivismus und all die anderen bedeutungsschweren Ismen bemühen, um nebenbei darauf hinzuweisen, dass weder Gottgläubige noch die überwiegende Mehrheit moderner Denker von der Objektivität der Natur überzeugt sind? Sondern nur davon, dass es allein der Mensch ist, der die Natur prägt, konstruiert, erfindet und zu Tode bringt, wie es ihm gerade beliebt?

Dann wären all diese ehrbaren Konstrukte im Herz der Neuzeit nichts als – Wahnsysteme? Dann wäre das Normale das Ver-rückte? Kommt einem irgendwie bekannt vor, diese These.

War das nicht, ach ja, der nicht unbekannte Frankfurter Dialektiker Adorno, der solche Frechheiten vom Stapel ließ und bei dem alle späteren Professoren und TV-Größen wie Alexander Kluge studierten, die heute den Geist der Republik kontaminieren?

Doch bleiben wir auf dem Boden der durchschnittlichen Tatsachen. Zeichnen sich hoffnungsvolle Jugendliche nicht dadurch aus, dass sie mit ihren Visionen, Träumen und Ideen die schlechte Realität bezwingen wollen, um sie zu ändern, zu verbessern und den evolutiven Fortschritt weiterzutreiben?

Gelten nicht jene als Genies, die sich nicht gleich unterkriegen lassen, wenn ihre Vorstellungen nicht gleich ankommen, die zäh und unbeugsam ihre Ziele verfolgen? Sogar mit dem Gedanken verbunden, erst ihre Nachwelt werde die Wahrheit ihrer seltsamen Ideen erkennen und bestätigen? Ja, erst am Ende aller Zeiten wird Gott die von der Welt verfolgten Märtyrer glanzvoll rehabilitieren?

Ist der christliche Glaube nicht die Überzeugung, dass er hienieden nicht mehr zur vollen Wahrheit gedeihe, sondern erst am Jüngsten Tag seine ganze Strahlkraft zeigen werde?

Ginge es nach den Psychiatern, müsste jeder Gläubige sofort mit dem Lasso eingefangen und in die Verrückten-Anstalten eingeliefert werden. Die großen Giganten der Menschheit waren all diejenigen, die sich von widrigen Umständen nicht abschrecken ließen und es irgendwann schafften, ihre Zielvorstellungen wie aus dem Boden zu stampfen oder ex nihilo zu kreieren.

War Gott nicht der größte Wahnsinnige, der sogar das Nichts überwältigte, um seine Schöpfung in die Welt zu setzen? Sind unsere teuren Abendländer nicht allesamt gehorsame Ebenbilder dieses omnipotenten Berserkers?

„Sie Idiot. Wenn ich nie in meinem Leben ein Phantast gewesen wäre, wo wären Sie und wo wären wir alle heute?“ fragte wer? Ein gewisser „Adolf Nazi“, wie selbst ein Helmut Schmidt den Teufelsnamen verstümmeln muss, um von diesem nicht noch aus dem Grabe befleckt zu werden.

Wir sehen, auch hier dasselbe Problem wie bei Breivik. Wer den Teufel bei Namen nennt, wer seine Fratze zeigt, seine Gebärden, sein Grinsen, seine triumphierende Miene, der bietet dem Unhold eine Bühne zur Selbstinszenierung und macht sich mitschuldig.

Wie viele Hitler-Dokus darf PHÖNIX senden, ohne die Schar der Neonazis zu vermehren? (Der SPIEGEL hingegen darf alles, der bringt immer dann leckere Hitler-Storys, wenn’s mit der Quote hapert). Warum darf „Mein Kampf“ nicht gedruckt werden, wenn doch nur wirre Gedanken drin stehen? Wahnwitziges wird doch kein gesundes Volk unterminieren?

Überhaupt: was wäre, wenn Hitler heute vor Gericht stünde? Wäre er schuldfähig, verrückt, wahnsinnig, ein Phantast – oder kalt berechnend und technisch zuverlässig wie ein Alien-Roboter?

Wie ist das zweite Kapitel in Fests Hitler-Biografie überschrieben? „Der gescheiterte Traum“. Darunter: „Erneutes Scheitern. Die Wendung gegen die bürgerliche Welt“.

Hat Breivik sich nicht selbst als „risiko-pervers“ bezeichnet, weil er brav verinnerlichte, dass man heute nichts wird, wenn man nichts riskiert? Wird uns nicht die Risikogesellschaft von allen Magnaten, Tycoons, Merkels und Futurologen von morgens bis abends eingebleut?

Da ist die Botschaft tatsächlich bei einem kleinen Norweger angekommen, der die Formel aufsaugte, um vorbildlich die Welt per Risiko zu heilen und nach vorne zu bringen. Nein, der Täter ist kein Fremder aus einer anderen Welt. Er ist dieser Welt derart aus dem Gesicht geschnitten, dass die Welt aufjault und alle DNA-Spuren der Vaterschaft mit List und Brutalität ungeschehen machen muss.

Apropos risikopervers. Wer hat erfolgreiche Politiker als Programmatiker beschrieben, „von denen es heißt, den Göttern nur zu gefallen, wenn sie Unmögliches verlangen und wollen. Er wird auf die Anerkennung der Gegenwart fast immer Verzicht zu leisten haben, erntet aber dafür, falls seine Gedanken unsterblich sind, den Ruhm der Nachwelt“? Adolf Nazi, das große Vorbild des Norwegers, der im ganzen Prozess, in allen Gazetten, total unter dem Teppich gehalten wird.

Vergessen wir nicht, auch das vorbildliche Norwegen hatte einst eine nicht geringe Nazivergangenheit. Der Name des Führers der Nazi-Kollaborateure – Pastorensohn Quiesling – wurde zum Synonym eines haltlosen gewaltbereiten Mitläufers und nationalen Verräters.

Kann es sein, dass das Land der Mitternachtssonne, voll bester humaner und demokratischer Grundsätze, dennoch seine braune Vergangenheit allzuschnell weggepackt hat? Sodass widerspenstige Jugendliche wie Breivik die geheime Spur witterten und sie den verlogenen Erwachsenen um die Ohren hauen konnten?

Stammt nicht ein literarischer Nobelpreisträger aus Norwegen, der ein glühender Verehrer des arischen Führers und dessen Blut- und Bodenideologie war und auf den Namen Knut Hamsun hörte? Gab es nicht mehr als 10 000 „Nazi-Kinder“, deren Spuren nicht einfach verschwunden sein können?

Müsste man über solche Petitessen nicht viel mehr erfahren als darüber, dass einer provokativ die Faust reckt, sie vor lauter Eitelkeit aber sofort wieder sinken lässt – um sich die Schuppen von seinen Schultern zu kämmen?

Ihr blinden Medien, die ihr die Mücken belangloser Fakten seiht, aber die Kamele der mit Händen greifenden mentalen Ursachen verschluckt. Wehe euch, dass ihr über die Außenseite des Gewaltverbrechens berichtet, nicht aber über dessen geistige Ursachen, gefüllt mit Verleugnungen, Verdrängungen, doppelten Wahrheitsbegriffen, eklatanten Widersprüchen, versteckten Ansteckungsängsten, Verfluchungsmagie und unüberbietbarer Selbstgefälligkeit.

Der Neoliberalismus hat ganze Arbeit getan und die psychischen Ursachen des Menschseins als „unglückliche Kindheitsstory“ lächerlich gemacht.

Jeder soll, an welchem Platz auch immer, sein Schicksal titanenhaft selbst gestalten, als gebe es keine Beschädigungen und Benachteiligungen, an denen er unschuldig ist, die Gesellschaften aber ihr gerüttelt und geschüttelt Maß an Schuld tragen?

Womit wir über den Gesamtwahn der Moderne, sich selbst in fiebrigem Kollektiv-Wahn abzuschaffen, noch gar nicht geredet haben.

Was, wenn die forensischen Psychiater über die Weltpolitik der gesamten Gattung ein Gutachten schreiben müssten? Müsste es nicht wortwörtlich identisch sein dem Psycho-Profil eines beschädigten, fehlgeleiteten, erlösungs- und vernichtungswütigen nordischen Nachwuchsmessias? 


Zum Breivik-Gesamt-Kommentar siehe: Kontroversen – Der Fall Breivik