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Feinde der Diktatur

Hello, Feinde der Diktatur,

zieht euch warm an. Die Freunde der Diktatur stehen nicht länger vor der Tür: sie haben die Tür eingetreten. Der Damm ist gebrochen. Zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte der BRD wurde in der Mitte der Gesellschaft das bislang Undenkbare ausgesprochen. Besser als demokratische Revolution sei eine funktionsfähige Diktatur, schreibt Christiane Hoffmann im SPIEGEL, dem einstigen Sturmgeschütz der Demokratie. Zwar erschien sofort ein Gegenartikel von Raniah Salloum, doch das Ärgernis ist in der Welt – Frau Hoffmann hat ihren Artikel nicht zurückgenommen.

Noch beunruhigender: das Ereignis war keins. Keine Erregung im Medienzirkus – nirgends. Im Gegenteil, in der BLZ erschien ein Kommentar von Götz Aly, der dringend vor einer „die Realitäten verleugnenden Demokratiepropaganda“ warnt. Darunter versteht er die blasierte Hoffnung westlicher Demokraten, das Modell Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, sei beliebig „exportierbar“, für alle Menschen und Völker gleichermaßen geeignet. Für Aly scheint es Völker mit und ohne Demokratie-Gen zu geben. Arabische Völker – das weiß der Herr mit dem arabischen Namen genau – gehören nicht zu den bevorrechteten Gen-Besitzern:

„Schon 2011 hatte ich gegen den trunkenen Revolutionsjubel argumentiert, der angesichts des „arabischen Frühlings“ grassierte. Heute empfinden es die Jubler von damals als Glück, dass in Ägypten ein antidemokratischer Militärputsch dem „Frühling“ ein Ende setzte, und in Jordanien

ein stabiles Königshaus regiert. Der Krieg in Mali, die Flüchtlingstragödien der Gegenwart, die furchterregenden Exzesse im nunmehr real existierenden „Islamischen Staat“, das vorhersehbare Abgleiten Libyens in die Anarchie – all das sind auch Folgen einer die Realitäten verleugnenden Demokratiepropaganda.“

Haben wir richtig verstanden: in Deutschland ist man glücklich, wenn irgendwo in der Welt ein antidemokratischer Militärputsch dem demokratischen Frühling den Garaus macht? Lesen wir gerade ein Neonazi-Hetzblatt?

Nein, wir befinden uns in der Mitte bürgerlicher Reputation. Wenn Götz Aly nichts von globaler Demokratie hält, warum ruft er die Deutschen zum Krieg gegen die demokratiefeindliche ISIS? Im Gefecht des Westens gegen das muslimische Kalifat, so Aly, ginge es nicht um westliche Werte, sondern um „Individualrechte“ der Menschen auf körperliche Unversehrtheit. Es ginge um Menschlichkeit. (Götz Aly in der BLZ)

Wie bitte: Menschlichkeit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit sind keine westlichen Werte? Demokratie ist nicht die Staatsform der größtmöglichen Menschlichkeit, zu der die Gattung Mensch bisher fähig war? Wurde Demokratie von den Griechen nicht erfunden, um die Selbstbestimmung jedes Einzelnen zu garantieren? Sind Freiheit und Autonomie nicht die Voraussetzungen, damit jedes Individuum nach eigener Facon sein Glück mache? Gibt es irgendwelche humanen Werte auf der Welt, die mit demokratischen unvereinbar wären? Wissen deutsche Historiker und Journalisten nicht mehr, was Demokratie ist?

Doch schon naht der nächste revolutionäre Frühling in Hongkong mit drohendem Chaos und Bürgerkrieg. Haben etwa Chinesen das angeborene Demokratie-Gen? Müssten wir die jugendlichen Demonstranten nicht davor warnen, die funktionierende Kommunistendiktatur leichtsinnig in Trümmer zu schlagen? War das Reich der Mitte nicht jahrhundertelang eine Mandarinenherrschaft mit einem übermächtigen Kaiser an der Spitze, danach kam die totalitäre Einparteiendiktatur Mao-tse-Tungs? Wo zeigte sich hier das demokratische Gen?

Wäre es nicht auch für Deutsche allmählich an der Zeit, die von Alliierten verordnete Demokratie mit bestem Dank an ihre Befreier zurückzugeben?

In welcher Phase ihrer ruhmreichen Geschichte hätte sich das demokratische Gen der Deutschen entwickeln können? Im finsteren Mittelalter? Im feudalen Absolutismus? Im Kaiserreich? In der Ära Bismarcks, der imperiale Kriege mit Blut und Eisen führte, die SPD verbot und das Alibiparlament nach Belieben ignorierte? In der Weimarer Epoche, in der die gesamte Elite das unerwünschte demokratische Pflänzchen niedertrampelte und mit List und Tücke in eine Diktatur verwandelte – mit wohlwollender Unterstützung demokratiefeindlicher Massen? Unter einem redegewaltigen Sohn der Vorsehung, der seine Deutschen ins 1000-jährige Reich des Heiligen Geistes führen wollte?

Die Konservative Revolution war der Feldzug deutscher Gelehrter und Intellektueller gegen die räudige Importware Demokratie. Warum gibt es in der AfD so viele ehemalige Journalisten? Weil die normale Journaille selbst gedanklich AfD-lastig ist? Ein Gauland und ein Lucke hätten sich einmal erlauben müssen, zu sagen, was Hoffmann und Aly mit offenen Worten schrieben. Das wäre das Ende ihrer politischen Karriere gewesen. Was ist Augstein mittlerweilen, wenn nicht ein muslim-allergischer, elitokratischer, frauenverachtender und basisdemokratie-verhöhnender AfDler unter einer linken Hallodri-Tarnkappe?

Werden allmählich die Weichen für „post-demokratische“ Verhältnisse gestellt? Haben die „autochthonen“ Merito-, Pluto- und Aristokraten allmählich die Schnauze voll vom Shitstorm-Pöbel? Augstein, sonst so heidiwitzka-mäßig gestimmt, versenkt seine Kollegin Gaschke, (die es wagt, die Männerhorden aufzumischen), indem er die kumpanenhaft vernetzten Berufspolitiker mit keinem einzigen Wörtchen kritisiert. Noch einen Schritt weiter und wir sind bei den unfehlbaren Klugen und Weisen angelangt, die von Platon als Könige ausersehen wurden.

Die Geschichte wiederholt sich nicht, tönen Clark und Augstein. Ihre Order muss bei der Geschichte noch nicht angekommen sein, denn sie tut nichts anderes als sich zu wiederholen – wenn wir sie nicht aufgearbeitet haben. Sie wiederholt sich nicht eins zu eins im Faktischen, aber eins zu eins im Moralischen, Politischen und Theologischen.

Würde sie sich nicht wiederholen, würde das bedeuten, wir wären aus dem Ei geschlüpfte nagelneue Menschen, die keine Lasten der Vergangenheit mehr zu tragen hätten.

Warum dann noch die überflüssige Hatz auf Antisemitismus? Auf Neonazis? Auf fanatische Demokratiefeinde? Woher die neurotische Hysterie, wir könnten wie Schlafwandler in den nächsten Krieg taumeln, wenn wir unsre eigene Kriegssucht bewältigt hätten? Ohne verschieden große Symptome unserer kollektiven Verdrängung hätten wir uns von den Hypotheken unserer nationalen Biografie für immer befreit. Den Warnsatz: wehret den Anfängen, könnten wir uns sparen.

Nur seltsam, dass gerade diejenigen, die das Gewesene mit einem Federstrich tilgen, gar nicht der Ansicht sind, die Menschen seien neugeborene Wesen, die ihre Zukunft in ungetrübter Menschlichkeit gestalten. Im Gegenteil, sie halten die Menschen für unrettbare Brutalinskis, Frauen- und Kinderschänder.

Wenn Geschichte sich nicht wiederholte, wären wir der kollektive homo novus. Heil uns, unsere messias-schwärmenden, kriminellen Väter und Mütter hätten wir abgeschüttelt und begraben. Dann begönne eine neue Zeitrechnung. Stellt die Uhren auf Punkt Null. Das Alte ist vergangen, siehe, wir haben uns völlig neu erfunden.

Wie begann der deutsche Sonderweg am Anfang des 19. Jahrhunderts?

a) Die jungen deutschen Dichter und Denker waren von der Französischen Revolution begeistert.

b) Als die Schreckensherrschaft der Guillotine begann, als gar Napoleon Deutschland mit links kassierte, war es aus mit der Begeisterung für égalité, fraternité und liberté. Wie konnte Napoleon das bis dahin kraftstrotzende Preußen überrollen? Weil die gefürchtete preußische Soldateska nur noch ein Schatten ihrer selbst war.

c) Die Epoche der deutschen Sonderidentität begann: wir sind Deutsche und keine Imitationen einer demokratischen Vernunft. Kosmopolitismus, universelle Moral, sind Wahnbilder des Westens. Wir müssen unser eigenes Recht, unsere nationale Moral, unsere unvergleichliche völkische Individualität entwickeln.

d) Der anfänglich harmlose Patriotismus entwickelte sich – exemplarisch bei Fichte – zu einem verhängnisvollen Chauvinismus, der in einen messianischen Übermenschenkult mündete.

Alle Elemente wiederholen sich heute:

a) Bis jetzt waren wir gefolgsame Demokratiezöglinge.

b) Kaum droht die Schönwetterperiode vorüber zu gehen, haben wir die Schnauze voll von weichmütiger Wohlstandsdemokratie und allgemeingültiger Moral. Über Nacht entdecken wir, dass unsere militaristische Potenz am Boden liegt: in den Hangars der Bundeswehr still vor sich hin rostend.

c) Nun beginnt der Sonderweg der Deutschen – diesmal im Verbund mit westlichen Sonderinteressen, die nicht mehr an das Gesamtwohl der Menschheit denken, sondern an die partikularen Vorteile des Westens. Bilaterale Handelsverträge wie CETA und TTIP entlarven die viel gerühmte Globalisierung als List der Reichen, um die Armen noch wirksamer auszusondern und zu deklassieren. Die Claims sind wieder abgesteckt, Russland zum gewohnten Antichristen dämonisiert. Alle planetarischen Friedensperspektiven, die vor Jahren noch in greifbarer Nähe schienen, sind vom Sonderwesten eingenebelt.

d) Immer deutlicher zeigt sich der Kern aller weltpolitischen Differenzen. Es geht um finale Weltbeherrschung im Namen eines selektiven, intoleranten und unfehlbaren Heilsgottes. Wer gewinnt den heilsgeschichtlichen Wettlauf? Moses, Mohammed oder der Galiläer?

Momentan wütet Mohammed gegen die überlegene Koalition Moses & Jesus. Moses & Jesus verfügen über grandiose wirtschaftliche und technische Überwältigungsmethoden (ihre Atomraketen können sie sich für den Fall aller Fälle aufsparen), Mohammed muss sich mit ordinären militärischen Mitteln begnügen.

Der Westen versteht es, seine partikularen Sonderinteressen als demokratische Uneigennützigkeit zu verkaufen und sich als moralisch überlegene Weltmacht zu stilisieren. Mohammed muss sich den Vorwurf des blindwütigen und irrationalen Aggressors gefallen lassen, der nichts anderes im Sinn hat, als mit Märtyrermethoden 72 jenseitige Jungfrauen als Lohn seiner Frömmigkeit zu ergattern. Der Westen hingegen tut, als kenne er keinen religiösen Fanatismus. Religion ist für ihn Glaube, Liebe und Hoffnung.

Nicht nur, dass der Westen die fanatische Wurzel seiner Religion längst verleugnet hat, dieselbe Religion hat Demokratie und Menschenrechte mittlerweilen erfunden. Noch nicht lange her, da wütete das Christentum mit Feuer und Schwert gegen alle Völker- und Menschenrechte.

Nun also beginnt im Westen der Streit um die Diktatur. Nein, Deutschland hat ihn nicht begonnen. Soviel Verwegenheit haben geduckte Charaktere nicht. Es begann im angelsächsischen Bereich, als der kapitalistische Westen sich kolossale Finanzkrisen erlaubte und die bisherigen Schwellenländer – vor allem China, Indien und Brasilien – mächtig aufholten. Da kamen einige Wallstreet-Ideologen ins Grübeln, ob demokratisches Palavern noch immer die effektivste Methode des Moneymachens wäre.

Flugs stellte sich das harmlos klingende Fremdwort Postdemokratie ein. Ein schöner Lügenbegriff und eine veritable Verharmlosung für das, was man klassisch Diktatur, Despotie, Faschismus oder Totalitarismus nennt.

Muss der Westen nicht Chinas Einparteiendiktatur nachahmen, wenn diese mit undemokratischen Methoden die Welt erobert?

Auch hier wiederholt sich die Geschichte. Kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten gab es in Deutschland eine ausgedehnte, sich wissenschaftlich gebende Debatte, ob Diktatur der Demokratie vorzuziehen sei.

Nehmen wir das Buch „Prozess der Diktatur“, herausgegeben 1930 von Otto Forst de Battaglia. Wie es sich gehört, wurden Pro- und Contrastimmen in kühler Objektivität nebeneinander gestellt.

Albert Einstein wird mit dem Satz zitiert: „Die Diktatur bringt den Maulkorb und dieser die Stumpfheit. Wissenschaft kann nur gedeihen in einer Atmosphäre des freien Wortes.“

Frau Hoffmann schien an Wissenschaft und das freie Wort gerade nicht gedacht haben, als sie ihr Resümee zog: „Diktatur kann erträglicher sein als Anarchie. Wenn Menschen vor der Wahl zwischen einer funktionsfähigen Diktatur und dem Chaos eines scheiternden Staates stehen, wäre die Diktatur oft das kleinere Übel.“

Ruhe ist wieder die erste Bürgerpflicht. Der demokratische Revolutionär zerstört die Grundlagen des friedlichen Kapitalismus. Wie können die Reichen immer reicher werden, wenn die Profit-Gesellschaft atomisiert wird – wie jetzt in Hongkong?

Frau Hoffmann muss hoffen, dass Peking eine schlagkräftige Soldateska schickt, damit die unverantwortlichen wirtschaftsschädlichen Subjekte eines Besseren belehrt werden. Wer war denn schuld am Massaker auf dem Platz des himmlischen Friedens, wenn nicht junge Chaoten, die auf Teufel komm raus ihre Menschenrechte forderten?

Hoffmann will einen Hitler verhindern, indem sie einen Hitler light, eine wohlwollende Lichtgestalt, fordert. Wenn Not am Mann ist und alle Verhältnisse darben, kann es nur ein Hilfsmittel geben und das ist der große Mann, der uns aus dem Schlamassel rettet.

Das war auch die Idee des Diktators im alten Rom, dessen außerordentliche Machtbefugnisse sich auf ein halbes Jahr beschränkten. Doch was, wenn der Übermächtige gar nicht daran dachte, seinen Erlöserposten zu verlassen? Dann war kein Kräutlein gegen ihn gewachsen.

Das Motto des genannten Buches müsste Frau Hoffmann aus der Seele sprechen: „Die Freiheit, von der die Demokratie redet, ist nur eine Wortillusion für Naive, denn es erheben sich bereits jenseits der Alpen Stimmen, die die Formel vom Jahre 1789 verleugnen, da eine neue Formel im fascistischen Regime erstanden ist: Autorität, Ordnung und Gerechtigkeit.“

Mussolini hatte seinen Platon gelesen. Die Deutschen waren – und sind noch heute – traditionelle Platonanbeter. Ergo kann es uns nicht wunder nehmen, wenn der deutsche Philosoph Georg Mehlis in seinem Beitrag das Fazit zieht:

„Die Diktatur kann als der zuverlässige Ausdruck eines starken nationalen Willens aufgefasst werden, der in Zeiten der Not die wertvollen Kräfte eines Volkes bindet und in Zeiten des Aufstieges und der Erhebung den Weg der nationalen Größe weist.“

In Zeiten der Not: das war die jahrhundertelange Dauersituation eines abgehängten, einstmals mächtigen Volks in der Mitte Europas, das ständig Ausschau hielt nach Hilfe von Oben: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen, woher wird mir Hilfe kommen? Meine Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat.“

Das Gebet des Psalmisten war das tägliche Gebet der Deutschen. Bis sich der Himmlische erbarmte und seinen getreuen Knecht aus dem österreichischen Provinznest Braunau schickte. Alles Große kommt aus der Provinz. Was kann denn Gutes aus Galiläa kommen? Nur der Sohn Gottes.

Eine der wirksamsten Vorbereiter des Faschismus, nicht nur in Italien, war die künstlerische Bewegung des Futurismus. In seinem glühend formulierten Manifest des Futurismus schrieb Filippo Marinetti: „Wir wollen den Mann besingen, der das Steuer hält, dessen Idealachse die Erde durchquert.“

Die Sehnsucht nach dem Großen Mann in Zeiten der Not: das waren die Anfänge des Faschismus. Wundern wir uns, wenn heute an allen Ecken und Enden die Frau in ihre uralte Rolle der Wasserträgerin zurück gedrängt wird? Kein Zufall, dass die Machos sich wieder, selbst in demokratischen Angelegenheiten, auf das männliche Berufsethos berufen. Lange genug hat man am Mythos gearbeitet: Politik ist komplex, nichts für unbedarfte Gemüter, die auf der Straße gerade noch eine Fahne hochhalten können.

Nur Eliten verstehen das Komplexe, das nicht einfach sein darf. Wer dem Volk das Einfache verspricht, der ist ein Populist und Rattenfänger. Also müssen die komplexen Herren am Steuer bleiben, wenn wir nicht absaufen wollen.

Da trifft es sich, dass auch Marinetti nichts vom Weibe hält, aber viel vom Krieg: „Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt –, den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat, die schönen Ideen, für die man stirbt – und die Verachtung des Weibes.“

Wie erklären wir uns im Buch über die Diktatur den Verherrlichungsbeitrag eines Jesuiten, wo doch heute die Kirchen die Lüge verbreiten, sie seien die energischsten Gegner Hitlers gewesen? Der Beitrag stammt ausgerechnet aus der Feder des Jesuiten Friedrich Muckermann – eines ausgewiesenen Hitler-Gegners!

Wie können wir das Rätsel lösen? Durch Rückgang auf Augustin, der die katholische Staatslehre bis heute verbindlich formulierte. Der Papismus kennt keine bevorzugte Staatsform. Jeder Staat ist ihm willkommen, der dem Klerus Privilegien garantiert. Das geistliche Schwert muss alle weltlichen Schwerter beherrschen, dann sind alle weltlichen Schwerter willkommen. Nur jene Staaten werden vom Vatikan strikt abgelehnt, die dem Klerus Widerstand leisten.

Hitler wollte nicht die christliche Theologie, sondern die unwürdigen Kirchen bekämpfen, indem er den deutschen Staat zur Kirche, die Kirche zum Staat machte. Deutschland sollte eine ökumenisch vereinigte Theokratie unter dem Messias Hitler werden.

Die ecclesia militans, identisch mit einem auserwählten Volk, sollte alle Kirchen überflüssig machen. Hitler selbst wollte oberster Priester und Kaiser, die Synthese aus weltlichem und geistlichem Schwert sein.

Für den Papisten Muckermann war das eine Kriegserklärung an den Vatikan. Nicht den Faschismus Hitlers lehnte der Jesuit ab, sondern die widerborstige Person Hitler, den kirchenaufsässigen Cäsaropapisten. Muckermann bezieht sich auf Augustin, der demokratische Verhältnisse nicht durchweg ablehnte. Aber nur für friedliche unproblematische Zeiten. In Zeiten der Not jedoch musste Gott eine harte Obrigkeit einsetzen:

„Entartet aber dasselbe Volk, sodass es seine privaten Interessen den öffentlichen voranstellt, seine Stimmen sich abkaufen und von ehrgeizigen Menschen sich bestechen lässt und die Herrschaft über sich verbrecherischen Existenzen überträgt, dann ist ebenfalls nicht mehr wie recht, als dass ein wackerer und einflussreicher Mann diesem Volk die Gewalt, Ämter zu vergeben, nimmt, und die Herrschaft in die Hand weniger guter Männer oder auch nur eines einzigen hineinlegt.“ (Augustin)

Wenn Not am Mann ist, muss ein von Gott berufener Großer Mann erscheinen. Hoffmann und Aly haben die Tore zur Spekulation über die Diktatur als bessere Alternative zur Demokratie aufgerissen. Es muss kein einzelner großer Mann, es kann eine ganze Horde elitärer Männer sein, die uns zum Heil führen.

Man könnte von einem Neoliberalismus sprechen, der die letzten staatlichen Restriktionen abstreift, um der Menschheit mit vielen CETAs und TTIPs ihre Bedingungen aufzuoktroyieren. Im herzlichen Verbund mit Silicon Valley und dem militärisch-technischen Komplex schickt sich die westliche Wirtschaft an, die Vision Augustins ins Werk zu setzen.

Nun verstehen wir, warum kein christlicher Politiker die Probleme der Welt lösen darf. Ohne Probleme hätten wir keine Not. Ohne Not hätten wir keinen Anlass, einem männlichen Erlöser den roten Teppich auszurollen.

NB: Soeben erschien von Bernd Ulrich in der ZEIT eine energische Gegenrede zu Hoffmanns Artikel.