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Exkommunikation

Hello, Freunde der Exkommunikation,

der deutsche Kaiser Friedrich II, der in Sizilien residierte, eine muslimische Leibgarde um sich scharte und Moses, Jesus und Mohammed als die drei größten Betrüger der Geschichte bezeichnet haben soll, ließ ein Experiment mit Neugeborenen machen, um die Ursprache der Menschheit herauszufinden.

Eine Gruppe von Babys ließ er äußerlich bestens versorgen, nur eins war den Betreuern verboten: mit den Kindern durfte niemand reden. Der hochgebildete und vielsprachige Kaiser wollte in Erfahrung bringen, welche Sprache die Kinder von selbst sprechen würden, ohne Beeinflussung durch verschiedene Umwelten. Das wäre die Ursprache der Menschheit.

Das Ende des grausamen Experiments war voraussehbar: alle Kinder starben. Weil niemand mit ihnen redete.

Reden ist ein Lebensmittel. Menschen bestehen nicht nur aus materiellen Interessen. Der Geist gegenseitiger Anerkennung, durch Sprache übermittelt und nicht nur durch Sprache, ist das grundlegende Interesse des Menschen.

Materie ist geisterfüllt, Geist ist materiell. Wer Geist und Materie trennt, begeht die Ursünde des Geschlechterhasses. Den männlichen Geist betrachtet er als Widersacher der mütterlichen Materie, heißt Materie doch

nichts anderes als das Mütterliche.

Die Geschichte des Abendlandes wäre anders verlaufen, wenn christliche Eliten die Natur nicht als das Mütterlich-Materielle verteufelt hätten, um es mit Wissenschaft und Technik wie eine Hexe zu foltern, auf dass sie unter Pein und Schmerz ihre Erkenntnisse preisgäbe.

Während der Urmann nur einmal – wenn überhaupt – gekreuzigt wurde und als Gott die Schmerzen mit links wegsteckte, wurde das Weib als Natur, die Natur als Weib seit dem frühen Mittelalter bis heute regelmäßig auf die Streckbank gelegt. Waterboarding, das simulierte Ertränken, ist noch das Harmloseste. Fast die gesamte moderne Technik ist nichts anderes als simuliertes Töten der Natur.

Von wegen simuliert. Am Ende soll die sündige Natur real eliminiert sein, um einer neuen Erde und einem neuen Himmel Platz zu schaffen. Wieder einmal hat es der Mann geschafft, die Frau für dumm zu verkaufen – mit schuldbewusstem, stummem Einverständnis der Frau als Mutter, die solche Männer als Söhne erzog.

Während der Mann nur einmal symbolisch gekreuzigt wurde – nach der Lehre des Doketismus hatte Christus nur zum Schein einen irdischen, schmerz- und gefühlsfähigen Leib –, wird natura mater unendlich oft und gar nicht zum Schein vergewaltigt, gefoltert und gepeinigt.

Wie wird der ungeheure und dennoch verschwiegene und unterdrückte Skandal von den Männern legitimiert? Durch die philosophische Behauptung, dass Natur unerkennbar sei. Von ihrem Innenleben könnten wir nichts wissen. Ja, es sei fraglich, ob es überhaupt so etwas wie Natur gäbe.

Seltsamerweise wissen die, die nichts über Natur wissen, sehr genau, dass sie ein Mechanismus ist. Eine gigantische Maschine. Können Maschinen Schmerz empfinden? Tiere – so der fabelhafte Philosoph Descartes – seien nur Leib, Leib sei nichts als ein gefühlloser Mechanismus. Also könnten Tiere nach Belieben gefoltert und gequält werden: sie fühlten nichts.

Natur ist nichts als materieller Leib, den man nach wissenschaftlichem Belieben der systematischen Tortur unterziehen könne. Das gefühllose Ding sei unfähig, Schmerzen und Qualen zu empfinden.

Über Natur können wir nichts wissen, doch wissen wir genau, dass sie ein gefühlloses Monstrum ist. Das ist herrschende Männerlogik. Bekanntlich sind Männer stolz auf ihre logischen Fähigkeiten.

Was hat Friedrichs Sprachentzugsexperiment mit dem Papst zu tun? Franziskus tut dasselbe mit seinen gläubigen Schäfchen wie der Kaiser mit unschuldigen Kindern: er entzieht ihnen das Wort und bricht die Kommunikation mit ihnen ab. Er ex-kommuniziert sie.

Da er Stellvertreter Gottes auf Erden ist, bedeutet Abbruch der Kommunikation die Verurteilung zum geistigen Tod. Denn es stehet geschrieben: „Der Mensch lebt nicht von Brot allein, sondern von jeglichem Wort, das aus dem Munde Gottes hervorgeht.“ Und durch den Mund des Stellvertreters an die Menschen weitergegeben wird.

Unterbricht der Stellvertreter die Weitergabe des lebenspendenden Wortes, ist es um das Heil des Ausgeschlossenen geschehen. Die unterste Hölle ist bei Dante reserviert für jene Bösewichter, die nicht mehr reden dürfen:

„Wie Türme ragen Riesen am Rande des neunten Höllenkreises empor. Dort büßen die Verräter, bis zum Kopf in einen See eingefroren: in der Kaina die Verräter an Verwandten und in der Antenora die politischen Verräter. Die Verräter an Tischgenossen sind rücklings in der Tolomea eingefroren, sodass ihre zu Kristallen gewordenen Augen sich für immer verschließen. In der untersten Höllentiefe, der Judecca, liegen vom Eis völlig bedeckt diejenigen Sünder, die ihren Herrn und Wohltäter verraten haben. Und in ihrer Mitte steckt der gestürzte Luzifer im Eis, in seinen drei Mäulern die Erzverräter Judas, Brutus und Cassius zermalmend.“

Franziskus, die Sanftmut in Person, hat Menschen zum geistigen Tod verurteilt, die einige Paragrafen des vatikanischen Regelwerks verletzt haben. Wer anderer Meinung ist als der Alleinbesitzer der Wahrheit, ist ein Verräter des Glaubens.

Nicht nur Amerikaner, auch der Papst ist Anhänger der Todesstrafe. Nicht des leiblichen, sondern des geistlichen Todes, der noch schlimmer ist als der leibliche und erst nach dem Tode zur fürchterlichen Wirklichkeit wird. Die Verbannung aus Gottes Heil ist der Zweite Tod, der kein Tod als Nichtsein ist, sondern ewige und bewusste Qual:

„Und der Tod und das Totenreich wurden in den Feuersee geworfen. Dies ist der zweite Tod, der Feuersee. Und wenn jemand nicht im Buch des Lebens aufgezeichnet gefunden wurde, so wurde er in den Feuersee geworfen“.

Das ist die apokalyptische Verbindung von Google, NSA und Vatikan. Hier wächst zusammen, was zusammen gehört.

Was ist Exkommunikation nach Lehre der Kirche? Nach Wiki:

„Exkommunikation ist der zeitlich begrenzte oder auch permanente Ausschluss aus einer religiösen Gemeinschaft oder von bestimmten Aktivitäten in einer religiösen Gemeinschaft. Sie wird als Beugestrafe angewandt, das heißt bis zur Beendigung bzw. Wiedergutmachung des Fehlverhaltens.“

Beugt sich der Sünder nicht, wird sein Ausschluss permanent – bis über den leiblichen Tod hinaus. Was die Stellvertreter auf Erden beschließen, hat auch im Jenseits Geltung. „Was ihr auf Erden binden werdet, das wird im Himmel gebunden sein und was ihr auf Erden lösen werdet, das wird im Himmel gelöst sein.“

Priester handeln im Namen Gottes, wen sie richten, der ist für immer gerichtet. Ihre Macht, von Gott gegeben, ist identisch mit der Allmacht ihres Herrn. Mächtiger als allmächtig kann niemand werden.

Um wen geht es? Wer sind die Verräter des Glaubens? Es handelt sich um ein tief gläubiges Ehepaar aus Österreich, das – zuerst aus Not, später aus Überzeugung – den Gottesdienst ohne Priester zelebriert: „Martha Heizer hält aus persönlicher Überzeugung daran fest, dass für ihren Glauben die Teilnahme eines Priesters an der Messe nicht notwendig ist.“ (Lucas Wiegelmann in der WELT)

Bei Luther wurde jeder Gläubige zum Priester, denn jeder Christ war unmittelbar zu Gott. Die Rolle besonders geweihter Vermittler zwischen Mensch und Gott wurde gestrichen. Weil sie 500 Jahre nach Luther die lutherische Ketzerei wiederholen, werden die österreichischen Rebellen vom deutschen Großinquisitor Müller mit dem zweiten Tode bestraft – wenn sie nicht zu Kreuze kriechen.

Papsttreue Journalisten fragen sich, ob der schlichte Argentinier von diesem Urteil wissen konnte. Nein, er ist nicht mehr von dieser Welt, er schwebt schon im siebten Himmel. Wenn das der Führer wüsste.

Die Wirkung der Exkommunikation auf die Öffentlichkeit ist abnorm. Empörung von Lissabon bis an die polnisch-russische Grenze. Spontan bildeten sich Widerstandsbewegungen mit atheistischen und frommen Mitgliedern, die in geschwisterlicher Eintracht gegen das mittelalterliche Feuersee-Regiment Protest einlegen. Mit Aktionen, Kampagnen Manifesten, Zeitungsartikeln, empörten Kommentaren in allen Medien und Netzwerken. Hatte irgendjemand diese Ungeheuerlichkeit von dem neuen, ach so demütig daherkommenden Bischof von Rom erwartet?

Alles Unfug. Es ist schlimmer: nichts geschieht im toleranten Europa. Europäische Toleranz ist Unterwürfigkeit unter göttlich verordnete Mächte und Obrigkeiten. Der Papst ist das Opfer, das in Schutz genommen werden muss.

In teuflischer Verruchtheit haben fromm tuende Laien die Strategie entwickelt, den armen Franziskus mit eigenen Waffen zu schlagen. Die WELT hat die Verschwörung aufgedeckt und die wahren Schuldigen an den Pranger gestellt. Der Papst hatte keine andere Wahl. Der Vatikan musste die Unbotmäßigen exkommunizieren.

„Der Vatikan hat die österreichische Kirchenreformerin Martha Heizer exkommuniziert. Viele werden jetzt von Franziskus enttäuscht sein. Doch in diesem Fall konnte die Kirche nicht anders handeln. War es nicht Franziskus, der die Laien zu mehr Engagement ermunterte? Der den Zentralismus und die Prinzipienreiterei der römischen Kurie beenden wollte? Ändert sich, allen liberalen Äußerungen zum Trotz, am Ende doch gar nicht so viel in Rom? Wenn Franziskus nun allerdings Hoffnungen enttäuscht hat, sagt das weniger über ihn aus als über die Hoffnungen. Tatsächlich gibt es gerade im liberalen Spektrum des Katholizismus eine Tendenz, den Papst auf Standpunkte zu verpflichten, die er nie vertreten hat und auch nicht vertreten kann.“

Die neuen PR-Maßnahmen des Klerus haben sich zur Kenntlichkeit entlarvt. Die neue Kirche ist die alte ist die neue ist die alte bis in alle Ewigkeit. Ihr Orgelregister umfasst alle Verführungs- und Verfluchungsmelodien von feinsten Flöten- und Engelstimmen bis zum Verdammungsgewitter am Ende aller Tage. Je nach Tagesform, politischer Situation und Zeitgeistphilosophien werden die passenden Register gezogen.

Ertönt der Gesang der Engel in Liebe zu aller Welt, kritisch gegen Ausbeutung der Armen und Schwachen: schon glauben die Frommen, der Meisterorganist aus Rom sei Feind des Kapitalismus. Wäscht er ausgewählten Sündern und Zöllnern die Füße, schon hält man ihn für einen Freund der Ketzer und Andersdenkenden.

Immer vorn dabei an der Verkündigungsfront: die Messdienergazetten aus Deutschland mit hauchdünner Prise an Kritik und einem überfließenden Maß an jesuanischer Verbundenheit. Wissen die Medien doch, dass ohne Untertänigkeit gegenüber der Obrigkeit unser Staat zerbrechen würde. Ohne religiöse Basiswerte kann es keine wettbewerbsgestählte Demokratie geben.

Nein, nicht der Vatikan ist schuld, wenn man sich falsche Hoffnungen macht. Es ist die Öffentlichkeit, die den Vatikan durch hinterlistige Erwartungshaltung in die Knie zwingen und das bewährte Instrumentarium der Inquisition abschaffen wollte.

Die Schäfchen machen kindlich-fromme Augen, der papa christianorum lächelt sanft zurück: schon hat der Teufel zugeschlagen und verruchte Missverständnisse in die Welt gesetzt. Nicht der Papst ist schuld, dass er wieder böse werden muss, es sind übereifrige Laien und Möchtegernpriester, die den armen Lazzaroni aus dem eisernen Gehäuse des vatikanischen Kardinalregimes befreien wollen.

Was für eine diabolische List, den Papst zur Exkommunikation zu zwingen, indem man sich als Opfer einer inhumanen Kirche anbietet. Wenn das keine exquisit verruchte Form der Versuchung ist, die katholische Kirche zu zwingen, sich darzustellen, wie sie ist: ein intolerantes und menschenfeindliches System!

Hier muss die deutsche Presse einsteigen und der wehrlosen Religion den verfassungsmäßig garantierten Schutz anbieten: „Der Kirchenapparat urteilt oft unverhältnismäßig hart und überzogen. In diesem Fall aber hatte er keine Wahl“.

Der Kirchenapparat hatte keine andere Wahl, er steht unter Sachzwang. Ein Apparat ist ein Werkzeug wie Hobel und Hammer. Kann man von geistlosen Hämmern ein geistbegabtes Urteil erwarten?

Allmählich dämmert es uns, warum Religion in Deutschland unter dem besonderen Schutz der Verfassung steht: damit sie als Apparat ungehindert zuschlagen kann. Merke: Kirche ist immer bedroht, solange sie nicht die Macht besitzt, die Welt zu dominieren und ihre Freigeister mit ewiger Pein zu bedrohen.

Matthias Drobinski ist Kirchenredakteur der SZ und beherrscht die Kunst, einen feinen Hauch Kritik an Rom ahnen zu lassen, ohne gleich vulgär zur Sache zu kommen. Sollte er durch plumpe Kritik das Lager der Gottlosen verstärken? Nein, er bleibt neutral und schildert nur, was ist. Seine Überschrift klingt, als wolle er der Hölle auf die Schliche kommen:

„Härteste Strafe diesseits der Hölle.“ (Matthias Drobinski in der SZ)

Nach dem Hauch einer Ahnung jedoch kommt – nichts mehr. In solchen Fällen sollen die Leser wohl selbst ihre Rückschlüsse ziehen. Wäre der Papst in Jesus-Sandalen und mit der Friedenstaube auf der Schulter durch die Armenviertel von Rom gewandelt, hätte Drobinski ins volle Lob- und Dankregister gegriffen, um seine Leser zu begeisterten Hymnen zu animieren.

Natürlich hat Drobinski gelesen, dass prominente Bayern-Politiker den SPD-Kandidaten Schulz kritisierten, weil er einen kruzifix-freien öffentlichen Raum gefordert hatte. Ihre Verteidigung des Christentums schwappte über von Toleranz, Vernunft und Aufklärung, die das Wort vom Kreuz auszeichnen würden.

Und siehe, die Sonne bringt es an den Tag: schon hat die rüde Wahrheit die Angeberei der Bayern als ordinäre Lügen entlarvt. Hätte der SZ-Mann nicht auf diese kleinen Widersprüche der bayrischen Seele eingehen müssen?

Wenn Logik einst die Stärke der Männer war, kann es heuer in Bayern keine Männer mehr geben.

Woher weiß Herr Drobinski, dass Exkommunikation die härteste Strafe diesseits der Hölle ist? Ausgeschlossen, dass er sich eine Heilige Schrift vornähme, um das Terrain rund um die Hölle zu sondieren. Die Deutschen sind leidenschaftliche Christen, doch alle diesseits solider Bibelkenntnisse. Sie behandeln ihre Heilige Schrift wie ihre Ehefrauen: je länger sie zusammen sind, umso weniger schenken sie ihnen Beachtung.

Einen lüsternen Christen, der es mit der Frau seines Vaters trieb, bedrohte der Völkermissionar, er werde ihn „dem Satan übergeben zum Verderben des Fleisches, damit der Geist gerettet werde am Tage des Herrn“. Das könnte der Papst auch sagen. Der Zweck seiner Kirchenstrafe dient einzig dem Seelenheil der Bestraften.

Weil Christen alle Menschen lieben, müssen sie die verkommene Brut ins Verderben schicken. Auch zwei andere Herren schickte Paulus in die Hölle, um ihnen eine Lektion zu erteilen.

„Schon manche haben die Stimme ihres Gewissens missachtet und haben im Glauben Schiffbruch erlitten, darunter Hymenäus und Alexander, die ich dem Satan übergeben habe, damit sie durch diese Strafe lernen, Gott nicht mehr zu lästern.“

Doch was, wenn Hölle ewig dauert? Warum nur wurde die Meinung des Origenes verflucht, der den pädagogischen Aufenthalt in der Hölle begrenzen wollte?

Die intoleranteste Liebesorganisation der Geschichte schickt ihre Abtrünnigen in die Hölle – und deutsche Demokraten bewundern sie als Hort der Vernunft und Humanität.