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Drei Wege

Hello, Freunde Brasiliens,

schon die Indianerkulturen Südamerikas kannten das Fußballspielen. Im zweiten Jahrtausend vdZ gab es in China ein fußballähnliches Spiel. Heute wird das geniale Spiel des Volkes von der planetarischen Geldkaste vor den Augen der Weltöffentlichkeit zu Tode getrampelt.

Alles, was das Leben des Volkes reich und vital machte, ist zum bezahlbaren Amüsement derer geworden, die es sich leisten können, das gelebte Leben der Anderen zum erschlichenen und abgepressten Leben des eigenen Parasitentums zu machen.

Sie kaufen sich Gefühle und Sinnlichkeit, Bewunderung und Neid, Singen und Tanzen, Kochen, Denken und Schreiben, Filme- und Theatermachen, Kleider, Schönheit, Sport, Vergnügen, Geselligkeit, Feste und alles, wozu sie selbst nicht fähig sind, um sich die Illusion des Vorhanden- und Wichtigseins zu verschaffen.

Sie sind nicht lebensfähig, dafür haben sie Geld. Parasiten leben auf Kosten anderer, auch wenn sie dafür bezahlen. Gegen schäbige Groschen pumpen sie das Blut der anderen in ihre anämischen Adern. Das ist der kapitalistische Urtransfer, der vampyrische Tausch des Ungleichartigen, das gleichartig gemacht, des Qualitativen, das gewalttätig quantifiziert wird: gibst du mir deine Lebensenergie, geb ich dir Almosen, damit du nicht krepierst – nachdem ich dafür gesorgt habe, dass du krepierst, wenn du dich meinem Deal verweigerst.

In Brasilien bezahlen die reichen Weißen, damit die Farbigen, Unterschichtler und

Aufsteiger auf dem Rasen ihren Narrentanz vorführen.

Der brasilianische Schriftsteller Luiz Ruffato in der TAZ: „Symbolisch befand sich der Fußball bisher auf Augenhöhe der armen Brasilianer. Durch die Spieler – in der Regel Schwarze oder Mischlinge – fühlten sie sich im Stadion vertreten. Es gab eine fast unmittelbare Identifikation mit der Anstrengung derer, die ebenfalls aus der Peripherie stammten, bedürftig und gedemütigt. Inzwischen stehen immer mehr Spieler mit ihren Millionengehältern für eine Welt, in der Luxus und zur Schau gestellter Reichtum dominieren, den wir bewundern oder sogar anstreben, zu dem wir aber keinerlei Bezug haben. Das Endspiel Brasilien gegen Spanien beim Confederations Cup 2013 im Maracanã zeigte das deutlich. Die Eintrittspreise waren für die große Mehrheit der Bevölkerung schlicht unerschwinglich – die Tribünen waren von der reichen, weißen Bevölkerungsschicht besetzt.“

Die brasilianische Sängerin Maria Gadu liebt den Fußball, aber sie wird sich kein einziges Spiel anschauen:

„Ich habe nicht einmal Lust darauf, die Spiele zu sehen. Und nicht nur ich. Die Brasilianer sind so verrückt nach Fußball, dass sie normalerweise die Straßen grün-gelb anmalen und die Fahne raushängen, wenn eine Weltmeisterschaft hierherkommt. Aber niemand malt die Straßen gelb und grün an, keiner trägt das Trikot der Seleção. Die Leute sind unglaublich sauer. Diese WM in Brasilien hat viele Milliarden Dollar gekostet. Und dabei gibt es hier viel zu wenige Krankenhäuser, zu wenige Schulen. Es gibt Städte, in denen ein Stadion gebaut wurde, die nicht einmal ein Fußballteam haben. Und das mit unserem Geld!!!“

Und unsere Podolskis? Lassen sich von einheimischen Indianern mit echten Gefühlen und überströmender Herzlichkeit begrüßen, um sich – vom weiteren Leben abzuschirmen. In welchem Land sind wir gerade? Welch seltsame Sprache sprechen diese Halbnackten? Wer derart unsentimental die Pille treten kann, der wird gewiss Weltmeister.

Die WM in Brasilien zeigt uns den Gefühlsgehalt der herrschenden Ökonomie in der verwirrenden Form eines Weltfestivals. Die Welt bildet sich ein, ein erdumspannendes Fest zu feiern. Doch die exaltierten Gefühle wären nicht vorhanden, wenn sie nicht durch Geld produziert worden wären.

Flösse kein Geld, wäre die Menschheit in der Lage, ein Friedensfest zu feiern?

Sollten wir aber nicht alles willkommen heißen, was der Völkerbegegnung dient, selbst den schrecklichen Mammon? Wäre Mammon nur eine vorübergehende pädagogische Motivation für einen sinnvollen Zweck: wir müssten in den sauren Apfel beißen, um ihn überflüssig zu machen.

Allein, das Bewegende und Treibende (movere = bewegen) machte sich selbständig, das Motiv wurde zum Ziel, das Mittel zum Zweck. Das Geld ist aus einem dienenden Movens zum herrschenden Selbstläufer expandiert. Der emotionale Blutkreislauf der Menschheit wäre ohne Geld nicht denkbar.

Am Anfang war nicht das Wort, sondern das Gefühl. Das Gefühl der Verbundenheit mit diesem oder das Gefühl der Ablehnung von jenem. Danach kamen Denken, Grübeln und sich Besinnen. Warum Ablehnung, warum Verbundenheit?

Solche Fragen mussten beantwortet werden. Vernunft ist keine Gegnerin des Gefühls. Eine abstrakte und gefühllose Vernunft ist die Erfindung romantisierender Deutscher. Vernunft will Gefühle nicht verscheuchen, sondern erhellen und aufklären.

Der Mensch in seinem dunklen Drang ist sich des Weges wohl bewusst? Nur, wenn er Faust heißt und die Welt in Trümmer legen will. Was nicht bedeutet, dass jeder dunkle Drang unvernünftig sein muss. Doch ob er‘s ist oder nicht, das zu erforschen ist Aufgabe der Vernunft.

Will er die Welt nicht in Trümmer legen, will er im Einklang leben mit Mensch und Natur, muss er Licht in seinen dunklen Drang bringen. Eine hasserfüllte Vernunft gibt es nur in Gehirnen der Vernunftfeinde. Wer Menschenhass als Stimme der Vernunft ausgibt, missbraucht seine Vernunft, um sie in Verruf zu bringen.

Vernunft macht Gefühle erst transparent und heiter und verbindet die Menschen zu Brüdern und Schwestern – der Mutter Natur. Was kein Affront gegen Väter ist, solange die sich nicht anmaßen, sich zu allmächtigen Schöpfern der Natur aufzublasen und über alle anderen Lebewesen herrschen zu wollen.

Vernunft ist kein stehender Besitz, sondern eine Aufgabe, die lernen muss, weil sie lernen kann. Als sie schon vieles aufgeklärt hatte, aber bei weitem noch nicht alles, kamen Geld und Religion, die der lernenden Vernunft zu verstehen gaben, dass sie zu schwach sei, um die Probleme der Menschen zu lösen.

Stattdessen machten sie sich anheischig, alle Probleme auf einen Schlag zu lösen – was sie Erlösen nannten. Vernunft, sagten sie zu ihr, du wirst nicht mehr gebraucht. Dein ewiges Herumkrebsen ist mühsam und niemand weiß, ob du je ans Ziel kommst. Mach die Flatter und lass uns ran.

Das Geld sagte: wozu anstrengend die Gründe für mangelnde Freundschaft herauskriegen, wenn man sich Freunde kaufen kann? Wozu sich mit Liebesgestammel abrackern, eine heiße Braut aufzureißen, wenn man sich geile Weiber mit flotten Sprüchen kaufen kann? Wozu andere Völker mühselig verstehen lernen, um sie zu Partnern zu machen, wenn man ihre Sympathie mit Geld und Geschenken bestechen kann?

Sag, was du willst und ich lege dir alles vor die Füße. Es gibt nichts, was ich dir nicht kaufen könnte. Sogar das Höchste auf der Welt: die Liebe und Verehrung der Menschen und die Seligkeit vor Gott.

So wurde Geld zum Ablass, um das Wichtigste und Teuerste auf der Welt zu erwerben, das selbständig zu erarbeiten sich der Mensch unfähig fühlte. Entweder, weil er seiner langsam kriechenden Vernunft müde geworden war oder weil er allzu schlechte Erfahrungen mit seinen Mitmenschen gemacht hatte.

Mit Ablass kaufte sich der Mensch einst seine Seligkeit, mit Geld kauft er sich heute die Anerkennung und Verehrung der Welt.

Das Geld wurde zum Zaubermittel für alles, was der Mensch sich wünscht, doch unfähig ist, durch vertrauensbildende und verstehende Maßnahmen sich selbst zu erarbeiten. Je mehr Geld er hat, je mehr kann er sich kaufen, was ihm für immer versperrt bliebe, wenn er keines hätte.

Religion ist eine Variante des alles verheißenden Geldes, doch lukrativer und einfacher. Religiös kann jeder Mensch werden, Geld muss man sich erst mit List und Tücke verschaffen.

Wenn du niederkniest und mich anbetest, sagt die Religion zum Menschen, bist du im Nu im Besitz der Seligkeit. Du musst nicht mehr risikoreich an der Börse spekulieren oder mit dubiosen Papieren zocken. Du musst mich nur als allmächtigen Schöpfer und Erlöser anbeten – und schon bist du in Abrahams Schoß.

Nein, noch nicht in Wirklichkeit, sondern erst im Glauben. Du musst glauben, dass du selig bist – dann bist du es. Wenn du nicht spürst, dass du selig bist, kann es nur daran liegen, dass dein Glaube noch nicht groß genug ist. Äußerlich mag es dir schlecht gehen, doch innerlich bis du gerettet. Wer an mein Wort glaubt, der wird selig.

Am Anfang war das Gefühl. Und das Gefühl hatte dunkle und starke Bedürfnisse. Denn die ersten Menschen hatten keine Ahnung, was sie auf Erden erwartete.

Dann kamen Vernunft, Geld und Religion, um die Bedürfnisse des Gefühls zu befriedigen. Kein Wunder, dass die redlich arbeitende, aber nur langsam von der Stelle kommende Vernunft bald das Nachsehen hatte, ihre Wettbewerber um die Gunst der Menschen sie mit Glanz und Gloria überflügelten.

Wer Geld hatte, konnte auf mühsames Lernen verzichten. Wer Religion hatte, musste nicht mal Geld machen, um mit einem Sprung in die Hände Gottes zu gelangen und sein Heil zu schaffen. Dann musste er noch warten und ausharren, bis aus seinem Glauben das Schauen des Heils geworden sein wird.

Human wäre es, wenn der Mensch seine Probleme mit humanen Methoden lösen würde. Er müsste zu seinen Mitmenschen gehen, klar seine Bedürfnisse äußern, sich deren Bedürfnisse anhören, ihre Unstimmigkeiten und Streitigkeiten mit Verstehen und Argumentieren zu lösen versuchen. Das wäre die einzige Lösungsmöglichkeit, die nachhaltig und ohne Kollateralschäden bliebe, auch wenn sie die mühsamste und aufwendigste wäre.

Geld und Religion versprechen alles in kurzer Zeit, doch ihre bisherigen Ergebnisse lassen zu wünschen übrig. Geld teilt die Menschheit in Reiche und Arme, Religion in Erwählte und Verworfene. Nur Vernunft teilt die Menschheit nicht, denn jeder Mensch hat Vernunft von Natur aus erhalten.

Warum aber misstrauen so viele Menschen der Vernunft und setzen lieber auf Geld und Religion? Weil sie keine Chance hatten, ihre Vernunft zu entfalten.

Geld und Religion verstanden es exzellent, mit ihren Erlösungsverheißungen die Menschen für sich einzunehmen. Sie erwarben sich Macht über ihre Gläubigen und hinderten die Menschen daran, ihre Vernunft kennen zu lernen und praktisch zu erproben. Vernunft wurde von Geld & Religion madig gemacht, ihr Ansehen hat schwer gelitten.

Ohne einen gewissen Glauben geht’s auch bei der Vernunft nicht. Denn niemand kann garantieren, dass die Menschen so weit zur Vernunft kommen, dass sie ihre Probleme in den Griff kriegen. Nun stehen drei Glaubensarten zur Wahl.

Beim Geld muss man glauben, den großen Coup zu machen, um ganz nach oben zu gelangen.

Bei der Religion muss man glauben, das man zu den Erwählten gehört und nicht zu den Verworfenen. Ganz im Gegensatz zur Verheißung, dass jeder Mensch selig werden könnte, gilt der Satz: Viele sind berufen, wenige auserwählt. Zudem ist der Messias bis heute nicht gekommen, obgleich er schon vor 2000 Jahren hätte kommen sollen. In der Religion muss man am meisten glauben.

Bei der Vernunft wird die Menschheit nicht in Spreu und Weizen, in Erfolgreiche und Loser gespalten. Vernunft hat jeder Mensch, er muss sie nur entdecken und sie zur Anwendung bringen. Leider ist die Macht von Geld & Religion in weiten Teilen der Welt so groß, dass viele Menschen an ihrer Vernunftausübung mit Furcht und Schrecken gehindert werden.

Erfolgreiche Geldleute können sich mit ihrem Reichtum Macht erkaufen, die sie nutzen, um weniger Erfolgreiche an den Rand der Gesellschaft zu drängen, sie auszuspähen und rund um die Uhr zu kontrollieren. In der Welt der Erfolgreichen sind Vernünftige, die keinen Wert auf Erfolg legen, keine angesehenen Bürger der Gesellschaft. Sie degradieren sie zu Verlierern im evolutionären Wettbewerb um die besten Plätze der Gesellschaft.

In der Religion ist der Kampf noch härter. Hier geht es nicht nur um Sein oder Nichtsein. Der Sieg der wenigen Erwählten führt in ewige Seligkeit, die Niederlage der vielen Verworfenen ins ewige Feuer.

Geld und Religion verbreiten also – in unterschiedlichem Maße – Angst und Schrecken bei den Menschen, deren Wahl nicht auf sie, sondern auf die Vernunft fällt.

Was äußerliche Macht betrifft, ist Vernunft von allen drei Konkurrenten die schwächste. Gott ist in den Schwachen mächtig, aber nicht in den Vernünftigen, die auch noch schwach sind. Für viele Menschen, die gern vernünftig wären, ist es kaum ein Trost, wenn der vorbildlichste Philosoph der Vernunft die kühne Aussage wagt: Besser Unrecht erleiden, als Unrecht tun.

Die Religion hat es da einfacher. Wer auf Erden sein Kreuz auf sich nahm, wird im Jenseits vielfach belohnt. Im Bereich des Geldes gibt es kein Recht oder Unrecht – außer der Formel: Recht ist, was Profit macht, Unrecht das Gegenteil.

Wer Vernunft wählt, hat es in gewisser Weise am schwersten. Er muss sie wählen, weil er sie für gut und richtig hält – und nur aus diesem Grund. Ohne Aussicht auf irdische Macht und überirdische Belohnung. Was nicht bedeutet, dass er völlig ohne Kriterium wäre. Er spürt, dass er immer freier und selbstbewusster wird und dass es ihm vielleicht sogar gelingt, einige Freunde zu gewinnen, die den Weg der Vernunft mitgehen wollen.

Für die Stabilisierung der Demokratie ist das Wirken der Vernunft ohnehin am sinnvollsten. Wenn Demokratie eine Gesellschaft der Gleichen, Freien und Brüderlichen sein soll, ist Vernunft am geeignetsten, eine klassen- und kastenlose Gesellschaft gleichwertiger Menschen zu errichten.

Geldmenschen haben es nicht nötig, demokratisch zu argumentieren, sie nutzen ihre Macht, um diskussionslos ihre eigensüchtigen Zwecke durchzusetzen. Religion kann nicht argumentieren. Ihr Gott offenbart sich den Menschen durch ein Licht von oben, an das die Menschen glauben müssen.

Für Geldleute und Religiöse gibt es keine Gesellschaft der Gleichen, Freien und Brüderlichen. Geldleute unternehmen alles, um immer noch mehr Geld und Macht anzuhäufen und die weniger Mächtigen von allen wichtigen Entscheidungen auszuschließen. Religiöse Menschen leben jetzt schon im Jenseits. Eine Demokratie ist für sie nur ein minderwertiger Staat – ein Vorletztes –, der bei Wiederkehr des Messias in Staub und Asche zusammenfallen wird.

Meine lieben Schwestern und Brüder, drei unterschiedliche Wege der Zukunftsgestaltung liegen vor euch. Der Weg des Geldes und der Religion ist für viele Reiche und Gläubige problemlos miteinander vereinbar. Der Weg der Vernunft ist mit den beiden anderen unvereinbar.

Alle drei Wege prüfet, den besten wählet.

Fortsetzung folgt.