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Dienstag, 24. Juli 2012 – Abwehrkampf der Phallusmänner

Hello, Freunde der Frauen,

Frauen sind minderwertig, sie sind ja nicht mal schmerzwürdig. Hätte ein wehleidiges Weib die Schmerzen des Herrn am Kreuz ertragen? Muslime machten einen Fehler, als sie die Zwangsbeschneidung der Frau nur aus sexualfeindlichen Gründen zurücknahmen. Hätten sie unantastbare religiöse Gründe angegeben, hätten sie das deutsche Rechtssystem vor sich her jagen können.

Die Deutschen sind unterwegs zu einem neuen Grundgesetz. Die Würde der uralten heiligen Tradition ist unantastbar. Weshalb die Lenden des Mannes in höherem Auftrag angetastet werden müssen. Gürte deine Lenden wie ein Mann, spricht Gott zu echten Männern. Unterhalb der weiblichen Lenden ist nichts zu sehen, also können sie Gott nicht mannhaft tapfer gegenübertreten.

Nur der schwanzbestückte Mann kann ein Gegenüber Gottes sein. Ein echtes Gespräch kann nur zwischen Lende und Lende stattfinden. In biblischen Zeiten war der Mann der Zeugungsriese, das Weib nur das hohle Austragungsgefäß. Die Auszeichnung des Mannes besteht in seiner Zeugungsfähigkeit. Seid fruchtbar und mehret euch und besiegt mit eurer Ausbreitungspotenz die Erde.

Der Kampf um Beschneidung ist kein Kampf um Religion, sondern die Weiterführung des Geschlechterkampfes mit Hilfe der Religion.

Keine Genderexpertin hat‘s bemerkt, nur Heide Oestreich in der TAZ hat den frauenfeindlichen Braten gerochen: „Männer kennen keinen Schmerz.“

Das männliche Zeugungsorgan muss durch Schmerz nobilitiert und in die Dienste Gottes gestellt werden. Seit dem Sündenfall, der

durch ein zu viel wissenwollendes Weib herbeigeführt wurde, liegt die Schöpfung in Schmerzen. Nur der Mann kann sie retten – durch freiwillige Schmerzen.

Die Heilung der Welt ist ein homöopathischer Vorgang: Gleiches durch Gleiches. Das ist der Kern der Hegel‘schen Philosophie, sowie des überwiegenden Abendlandes. In Schmerzen der Frau werden wir geboren, durch heroischen Schmerz des Mannes werden wir erlöst. Die erste Geburt durch das Weib muss durch die zweite Geburt durch den Übermann abgelöst werden.

Der Geist, so Hegel, heilt die Wunde, die er selber schlug. „Der Schmerz ist das Vorrecht lebendiger Naturen. Im Schmerz empfindet der Mensch seine Subjektivität.“ Das Schlagen der Wunden soll die Wunden ausbrennen. Deshalb die heiligen Kriege und Inquisitionen. Amputiert eure Glieder, die euch beim Weg zur Seligkeit im Wege stehen. Und wenn dich dein Auge ärgert, so reiß es raus. Es können auch andere Glieder sein.

Nur höhere Naturen, so Hegel, ertragen den Schmerz des Gegensatzes in sich und können ihn besiegen. Der Schmerz des Gegensatzes ist Kern des dialektischen Motors der Geschichte.

Die Dinge beginnen im unterschiedslosen Schoss des weiblichen Anfangs. Doch dann müssen sie sich spalten, in Widerspruch und in tödlichen Kampf geraten. Das ist die Sphäre des harten Mannes, der den Schmerz mangelnder Harmonie und unerbittlicher Rivalität bis zum Tod am Kreuz auf seine starken Schultern nehmen muss, um auf der letzten Stufe der Geschichte zur Versöhnung zu gelangen.

Im Geschichtsfinale beginnt die durchgearbeitete Harmonie auf höherer Ebene, die keine latenten Differenzen mehr in sich birgt, alle Kontroversen durchgearbeitet und ausgetragen hat und zur wirklichen Einheit und Liebe der Geschlechter in kosmischem Maße durchgedrungen ist.

Die wiedergewonnene höhere Einheit der Gegensätze ist auch die Einheit des Griechen- und Christentums oder der allzu heiteren, optimistischen Kosmosseligkeit der Griechen und der allzu düsteren, pessimistischen Naturfeindschaft der Christen.

Der Monismus der Heiden, der sich das Leben allzu leicht macht und der Dualismus der Erlösungsreligion, die alles zu schwer nimmt, durchmischt sich zu einer gesunden Synthese, in der alle gegensätzlichen Verwundungen sich heilend mischen und durchdringen.

Weib und Mann müssen die harmlos problemvergessene Verliebtheit des Anfangs überwinden, ihre Kontroversen ans Licht befördern und Punkt für Punkt austragen, bis im reifen Alter die zum Bewusstsein gekommene, wissende Versöhnung die Geschichte abschließen kann. Das unruhig-feindselige Werden ist beendet, das zeitlos-liebende Sein beginnt.

Hegel spricht von der Religion des Schmerzes. Der männliche Gott muss sich mit sich selbst entfremden, er muss anders werden, die natürliche Negation des Todes auf sich nehmen. Symbolisiert in Phönix, jenem Vogel, der sich selbst verbrennt und aus dessen Asche ein junger Phönix in neuer Kraft hervorgeht. „Der Geist ist ewig dies, sich abzusterben, sich endlich zu machen in der Natürlichkeit, aber durch die Vernichtung seiner Natürlichkeit kommt er zu sich selbst.“

Es sind verschiedene Götter, die das Sterben und Wiederauferstehen repräsentieren. Bei den Griechen ist es Adonis, bei Hesekiel ist es Thammus: „Und siehe, daselbst saßen Weiber, die weinten über den Thammus. ( Altes Testament > Hesekiel 8,14 / http://www.way2god.org/de/bibel/hesekiel/8/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/hesekiel/8/“>Hes. 8,14)

Im Frühling wurde ein Hauptfest des Adonis gefeiert. Es war eine Totenfeier, ein Fest der Klage, welches mehrere Tage dauerte. „Zwei Tage hindurch wurde Adonis mit Klagen gesucht, der dritte war das Freudenopfer, wo der Gott wieder auferstanden war.“

Für Hegel ist das Fest die Symbolisierung natürlicher Abläufe und gleichzeitig der Selbstentfaltung des absoluten Gottes. Also die Versöhnung des naturseligen Heidentums und des himmelseligen Christentums. Nach Hegel ist der Kern des christlichen Credos identisch mit der zur Religion gewordenen Natur mit Säen, Blühen, Wachsen und Vergehen im Rhythmus der Jahreszeiten. Das Endliche und das Unendliche sind bei Hegel vermittelt und versöhnt.

In der jetzt beginnenden Klimakrise erkennen wir, dass die Hegel‘sche Synthese aus griechischem Kosmosvertrauen und christlicher Naturverachtung eine verhängnisvolle Verblendung ist, die wir auflösen müssen, um den Kosmos für den Menschen zu retten.

Die wahre Bedeutung des Adonis-Mythos ist nicht bloß die „Veränderung der Natur, sondern der Übergang überhaupt von der Lebendigkeit, dem affirmativen Sein zum Tode, der Negation und wiederum die Erhebung aus dieser Negation.“ Das Leben des Geistes ist das „Leben, das den Tod erträgt und in ihm sich ewig erhält.“ Es ist die Bewegung, „sich ein Anderes, d.h. Gegenstand seines Selbst zu werden und dieses Anderssein aufzuheben.“ Der Geist ist „immer in fortschreitender Bewegung begriffen.“

Dies alles kann man auch das Böse nennen. „Der Begriff des Bösen ist der Widerspruch selbst“. Ohne Böses keine Entwicklung, kein Fortschritt, keine Geschichte, keine finale Versöhnung. Das Böse als Widerspruch und Kampf kann nur besiegt werden, wenn es sich ausleben, all sein Gift im Gang der Geschichte in Taten umsetzen kann.

Hegel ist der Vorläufer Freuds, der die gesamte Weltgeschichte auf die Couch legt und ihr sagt: du wirst deine Probleme nicht loswerden, wenn du sie dir nicht bewusst machst, wenn du aus deinem Herzen eine Mördergrube machst. Erst im heilenden Licht des frei aus sich herausgehenden widersprüchlichen Unbewussten kannst du zur Versöhnung mit dir selbst kommen.

Du musst lernen, dich ungeschönt zu akzeptieren, wie du bist. Das Gute ist das erinnerte, verstandene und durchgearbeitete Böse. Ohne dieses Böse kein Gutes. Das Böse ist der notwendige Motor des Guten. Theologisch: der Teufel ist Diener Gottes zum Guten, Motivator und Antrieb der Geschichte, auf dass sie nicht steril stehen bleibe und das Ziel der Versöhnung versäume.

Die Dialektik ist keine Erfindung Hegels. Im Grunde ist sie nur die Konkretisierung des Wortes: Wen Gott liebt, den bringt er in Schwierigkeiten und jagt ihm das Böse auf den Hals.

Der heidnische, natürliche Mensch neigt zur Faulheit – besonders wenn er neugriechisch spricht –-, also muss er von seinem Schöpfer in die pädagogische Mangel genommen werden. Nur wer sich mit dem Schlimmsten konfrontiert, wird den geschichtlichen Parcours siegreich beenden.

Bei Kant nicht anders. Wenn‘s nur nach dem Menschen ginge, wäre schon längst alles in harmonischer Eintracht und in Stillstand erstorben. Das arkadische Schäferleben muss beendet werden durch die strenge Stimme der Natur, die besser weiß, was der Mensch braucht, als er selbst.

Hier zeigen sich aber Unterschiede zwischen Kant und Hegel. Während bei Hegel der große Zuchtmeister der Geist ist, ist es bei Kant die Natur. „Der Mensch will Eintracht, aber die Natur weiß besser, was für seine Gattung gut ist, sie will die Zwietracht.“

Zwietracht, Streit und Kampf sehen von weitem wie das Böse aus. Ist Gott nicht Inbegriff des Guten, wie kann er sich des Bösen bedienen?

Das Böse ist nur Gottes Kostüm, das der Mensch durchschauen muss. Du schickst mir Unheil, Leid und Schmerz, um mich zu prüfen, Herr! Doch ich durchschaue dich, hinter deinem maskenhaften Bösen willst du mein Gutes.

Das Böse ist nur Sparringspartner, an dem ich meine Kraft erproben soll. Dein wahres Motiv ist nicht böse, du meinst es gut mit uns Menschen. Die vielen schrecklichen Übel der Geschichte „verraten also wohl die Anordnung eines weisen Schöpfers; und nicht etwa die Hand eines bösartigen Geistes, der in seine herrliche Anstalt gepfuscht oder sie neidischerweise verderbt habe.“ (Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht)

Die ganze bombastische Ideologie der christlichen Moderne ist nichts als die Transformation biblischer Weisheiten in System-Philosophie, durchmischt mit Anleihen aus der griechischen Aufklärung. „Rute und Rüge verleihen Weisheit, ein Junge, sich selbst überlassen, bringt seiner Mutter Schande.“ „Wer die Rute spart, der hasst seinen Sohn, wer ihn liebhat, der züchtigt ihn beizeiten.“ Die Züchtigung des Erlösers besteht in seinem Kampf gegen Hölle und Tod. „Tod, wo ist dein Stachel, Hölle, wo ist dein Sieg?“

Das Dasein ist eine ständige Herausforderung: das ist die Übersetzung der göttlichen Direktive, das Leben als eine ununterbrochene Abfolge von Versuchungen des Bösen zu betrachten, die man bestehen muss, um siegreich ans Ziel zu gelangen. Ein Mensch, der nur auf eigene Kraft vertraut, kann die Versuchungen nie bestehen. Er benötigt die Hilfe des Erlösers.

Also treibt das Böse die schwachen Menschen in die Arme des Herrn und Heilands. Der Teufel ist der Schäferhund des sanften Hirten, um die verirrten Lämmchen in die geschützte Herde zurück zu jagen.  

Womit die gestrige Frage beantwortet wäre: woher und zu welchem Zweck das Böse?

Keine Rede, dass das Böse in allen Menschen in gleichem Maße vorhanden wäre. Der christliche Westen produziert das Böse im Akkordbetrieb, um die Notwendigkeit seines böse-überwindenden Gottes nachzuweisen. „Liebet eure Feinde“, setzt die immerwährende Massenproduktion von Feinden voraus. Um gut zu werden, müssen wir böse gewesen sein.

Die Erlöserreligionen der männlichen Hochkultur können auf das Böse nicht verzichten. Es bringt die Menschen in Versuchung, damit sie ihre moralische Widerstandsfähigkeit nachweisen können. Der Teufel ist Hilfstrainer Gottes mit seltsam anmutenden Trainingsmethoden, der die Schlaffen und Trägen in Form bringt, um sie Gottes Machtbereich zuzutreiben. Ertragen des Bösen ist das Ertragen des Schmerzes, von Gott entfernt zu sein, sich aber nicht von Ihm scheiden zu lassen.

Gott treibt Mummenschanz als pädagogische Veranstaltung und will, dass der Mensch die wahre Liebe des Schöpfers hinter dem widrigen Schein erkenne. Du kannst mich nicht täuschen mit deinen paradoxen Interventionen, oh Herr, längst hab ich dich durchschaut und deine wahre Liebesabsicht erkannt. Gott will, dass der Mensch seiner Liebe glaubt und vertraut, auch wenn die ganze Weltgeschichte nach dem Gegenteil ausschaut.

Das Bestehen des Schmerzes ist das Vorrecht des Mannes, der mit dieser Qualifikation die Geschichte zum finalen Sieg vorantreiben kann. Der zähe, schmerzertragende Mann ist der Motor des Fortschritts ins Heil. Nur wer den Schmerz – nicht nur den körperlichen, sondern den Schmerz der „Abwesenheit Gottes“ – erträgt, ist ein echter Mann.

Frauen sind heulende Klageweiber, nur als flennende Dekoration der Geschichte vorgesehen. Was wirft man deutschen Helden am meisten vor? Das Selbstmitleid. Mitleid haben nur unheroische Weiber. Wer zu den wahren Akteuren der Heilsgeschichte zählen will, muss standhaft sein in Leid und Schmerz. Hat der Erlöser geflennt und geheult? Außer der kleinen Schwäche, zu seinem Vater zu flehen: Lass diesen Kelch an mir vorüber gehen, hat er alles mannhaft ertragen. Doch sofort hat er seine Schwäche bereut und hinzugefügt: Doch dein Wille geschehe.

Männer haben die Hochkultur erfunden, um das lasche, fortschrittslose, langweilige und immergleiche Matriarchat zu überwinden. Im Matriarchat gab es kein extrem gespaltenes Gutes und Böses. Die weibliche Welt war nicht dualistisch. Das Schlimme und Schlechte wurde nicht zum Bösen hochgerechnet, das Gute nicht zu einem Gott im Himmel vergrößert und idolisiert.

Das Böse ist die unmäßige Überdehnung normalen Irrens und Fehlermachens in metaphysische Dimensionen. Wer an dieses hochgestochene Böse nicht glaubt, ist auch nicht in der Versuchung, es in die Tat umzusetzen. An das Böse muss man glauben, damit man es in allen verruchten Varianten vollbringt. Denn nur dadurch wird man zum lobwürdigen Diener des Guten.

Auch an das hypertrophe Gute muss man glauben, das ins Heilige und Überweltliche potenziert wird. Wer vor dem Guten und Bösen nicht den ganzen Tag auf den Knien liegt und anbetet, der bleibt mit seinen Vorzügen und Schwächen auf dem Boden.

Wir sind weder Gott noch Teufel, wir sind Menschen, die das Leben auf Erden bestehen könnten, wenn wir nicht an illusionäre Projektionen glaubten.

Um ihren Himmelsglauben zu rechtfertigen, machen Gläubige der Vernunft den listigen Vorwurf, ebenfalls ein Glaube zu sein. In der Tat, das Leben ist kein Experiment im geschlossenen Labor unter rundum verifizierten wissenschaftlichen Erkenntnissen. Doch Glaube ist nicht Glaube.

Der vernünftige Glaube ist der Vertrauensvorschuss der Menschheit in sich selbst, die ihn durch politische Praxis bestätigen oder widerlegen kann.

Der vernunftlose Glaube ist die totale Absage an die eigenen Fähigkeiten, das blinde Vertrauen in Mächte, die durch keine Praxis zu überprüfen sind.

Der Vernunftglaube ist die zuversichtliche Wette auf die Fähigkeit der Menschheit, die Erde langfristig menschlich und natürlich zu gestalten – ohne illusionäre Hilfe von Oben und ohne paradoxen Helfershelfer von Unten.

Auch der Neoliberalismus kommt ohne Glauben an das instrumentelle und vorwärtstreibende Böse nicht aus. Die Welt ist kein Forum der Gerechtigkeit, lehrt der katholische Althabsburger von Hayek. Sie wäre unerträglich, wenn die ungeschminkte Wahrheit der ungleich verteilten Leistungsfähigkeiten zum Vorschein käme. Dann erst käme die wahre, von Gott verfügte Ungerechtigkeit ans grelle Tageslicht.

Besser, wir ertragen die böse ungerechte Welt, um uns der Illusion hingeben zu können, es könnte eine bessere geben. Ertragen wir das Böse, damit uns der Glaube an das Gute nicht verloren gehe.

Rund um den Planeten sind die Frauen im Aufbruch und schicken sich an, die Bastionen der Männer zu brechen. Wen wundert es, dass die „Männlichsten der Männer“, die Männer der Vaterreligionen, den Abwehrkampf gegen die Emanzipation der Frauen organisieren, indem sie auf der offiziellen Anerkennung des triumphierenden Phallusrituals bestehen?

Von der Minderwertigkeit der schmerzunwürdigen Frau, die des Bundes mit dem VATER nur indirekt über den Mann teilhaftig werden kann, ist nirgendwo die Rede. Noch immer sind die Frauen mit ihrer seinsmäßigen Unterlegenheit derart identisch, dass sie die Kampfansage der Ultramänner nicht wahrnehmen dürfen.

Im Gegenteil, wie so oft, sind sie identisch mit den Attacken der erektilen Angreifer. Man könnte auch sagen, der einst so erfolgreiche Nachkriegsfeminismus ist in den verlockenden Fängen kapitalistischer Karrieren vorläufig verendet.