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Tagesmail

Dienstag, 20. März 2012 – Kaiserschnitt

Hello, Freunde des lever du roi,

Tusch der Fanfaren! Der König beliebt sich zu erheben. Die Edelgazetten haben beschlossen, eine tägliche Hofberichterstattung aus Versailles, pardon, Bellevue, einzuführen.

Wünschen Majestät wohl geruht zu haben. Ob die Meisterin – früher Maitresse genannt – im royalen Schlafzimmer nächtigt oder eine separate Kemenate erhält, gilt als streng gehütetes Staatsgeheimnis.

Jeweils eine kleine Deputation einflussreicher Chefredakteure darf Majestät abwechselnd den goldenen Nachttopf entsorgen. Heute sind eingetragen: Dieckmann und Mascolo, morgen Augstein und Kister, dann Schausten und Deppendorf.

Die Öffentlich-Rechtlichen haben Standleitungen verlegt, die Morgenmagazine können sich spontan in jede Phase der morgendlichen Zeremonie einschalten, um im Gleichklang mit dem Erleuchteten beim Lesen der Herrnhuter Losung dabei zu sein, Anteil zu nehmen an den Antworten, die Majestät an seine ehr- und freiheitsvergessene Bevölkerung huldvoll weitergibt.

Heute wird Majestät über das Wort meditieren: Wo der Geist der Majestät ist, da ist Freiheit. Morgen: Für die Freiheit hat uns Majestät frei gemacht, darum stehet fest und lasset euch nicht wieder unter das Joch sozialistischer Knechtschaft bringen. Übermorgen: Nur lasset die Freiheit, die ich euch gebracht habe, nicht zum Anlass für Hängematten-Fleisch werden, Sicherheit und Gerechtigkeit der herrlichen Freiheit vorzuziehen. Sondern

dienet einander in der Liebe, mit der ICH euch ab jetzt rund um die Uhr verfolgen werde.

Vom täglichen Puckern, Herzklopfen in Vorfreude, neuen Herausforderungen beim lebenslangen Lernen, wie man eine geschenkte Demokratie in eine Schäfchengemeinde verwandelt. So recht, fragt er die Fotografen beim Posieren auf der Hoftreppe? Ja, ist recht.

Die WELT  –  DER SPIEGEL  –  Berliner Zeitung  –  Die taz  –  BILD

(In Berlin-Wedding und subversiven Teilen des Netzes werden die ersten majestätsfeindlichen Zusammenrottungen gemeldet: „Tips, wie man der gnadenlosen Liebe eines schwärmerischen Freiheitsfreundes entgehen kann“, der Verfassungsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen.)

 

Vom Kaiser zum Kaiserschnitt. „Es wird heute einfach nicht mehr toleriert, dass ein Kind schlecht geboren wird“ sagt ein Arzt, „da wird man sofort verklagt“. Die Ansichten über die Gründe der ansteigenden Kaiserschnitte gehen weit auseinander.

In Deutschland wird viel mehr geschnitten als in anderen Ländern. Während Hebammen glauben, es würden weit mehr Kaiserschnitte gemacht als nötig, meinen Ärzte, viele Kinder würden dadurch überleben.

Zudem schieben sie alles auf die Frauen, die angeblich ein perfektes Kind zur Welt bringen und ihre sexuelle Attraktivität nicht riskieren wollten.

Untersuchungen ergeben ein anderes Bild. Die Mediziner würden gern zum Messer greifen, weil sie nicht mehr lernen, einen komplizierten Geburtsverlauf zu begleiten. Das deutsche Geburtshilfesystem habe Schwangerschaft und Geburt zu riskanten Unternehmungen erklärt, die von außen kontrolliert werden müssten.

Werdende Eltern haben diese Position verinnerlicht und gehen zu 98% bei der Geburt ins Krankenhaus. Sind Hebammen verantwortlich, sinke die Quote der Eingriffe.

Unter Schmerzen sollen sie Kinder gebären, das soll auch so bleiben. Es sind nicht die körperlichen Schmerzen, es sind die Schmerzen der Degradierung des natürlichen Gebärens. Der Geist, verkörpert in technischen Erfindungen, steht noch immer über der minderwertigen Natur.

Die kirchenväterliche Verachtung der Frau – zwischen Kot und Urin werden wir geboren – hat sich in blinkenden Laboreinrichtungen nicht mater-ialisiert, sondern pater-nalisiert.

Natürlich geborene Kinder kommen immunisierter zur Welt, weil sie im Geburtskanal durch die mütterliche Flora geimpft werden. Skalpellgeborene, ungeimpfte Kinder erleben den plötzlichen Übertritt in die Welt als immunologischen Schock und sind anfälliger für unbekannte Keime als natürlich Geborene.

Natur ist etwas, was überwunden werden muss. Natürliche Geburt ist minderwertig, Wiedergeburt durch göttlich-männlichen Geist entscheidet über die Ewigkeit. „…gerettet durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung kraft des Heiligen Geistes.“ ( Neues Testament > Titus 3,5 / http://www.way2god.org/de/bibel/titus/3/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/titus/3/“>Tit. 3,5)

Man muss von oben geboren sein. Unten ist das Weiblich-Natürliche, das die Menschheit überwinden muss, sei es durch subjektiven Glauben, sei es durch Technik und Fortschritt, dem operativen, objektiv gewordenen Glauben.

Bei Francis Bacon war technisches Wissen jene Macht, die uns die Folgen des Sündenfalls überwinden und den Garten Eden zurückerobern lässt.

Nikodemus stellt die Frage: Kann denn ein Mensch dadurch ein zweites Mal geboren werden, dass er in den Leib der Mutter zurückschlüpft? Unsinn, sagt der Herr: „Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch, und was aus dem Geist geboren ist, das ist Geist. … Ihr müsst von oben her geboren werden.“ ( Neues Testament > Johannes 3,1 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/johannes/3/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/johannes/3/“>Joh. 3,1 ff)

Neues Testament > Johannes 3,1 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/johannes/3/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/johannes/3/“>Joh. 3,31)

Wer die Übernatur des männlichen Geistes erreicht hat, hat Macht über die Welt, der ist Pantokrator, Bestimmer über alles, Beherrscher des Alls.

Beim Zeugungsakt dasselbe Spiel. Der natürliche Samen des Mannes taugt nur zur natürlichen Zeugung, erst der übernatürliche verhilft zur Macht und grenzenlosen Existenz: „… nicht aus vergänglichem Samen, sondern aus unvergänglichem seid ihr wiedergeboren durch das Wort.“ ( Neues Testament > 1. Petrus 1,23 ff / http://www.way2god.org/de/bibel/1_petrus/1/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/1_petrus/1/“>1.Petr. 1,23 ff)

Die vergängliche Geburt führt zu Vergänglichkeit, erst das unvergängliche Sperma von oben verhilft zur ewigen Nachhaltigkeit. „Alles Fleisch ist wie Gras … Das Gras verdorrt und die Blume fällt ab, aber des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit“.

Die Zeugung des Sohnes war eine übernatürliche. Die natürlichen Vorgänge wurden verschmäht zugunsten eines geistigen Plagiats, das besser sein will als das Naturoriginal.

Die Religion der Übernatur wurde einst kreiert, um Not und Elend der Welt zu überwinden, für die man die Natur verantwortlich machte.

Die politische Welt war aber keine Natur, sie war das Kunst-Produkt des Menschen. Die Religion wurde wie ein kunstvolles System aus Schläuchen, Röhren, Sauerstoffglocken und lebensrettenden Apparaten dem leidenden Menschen übergestülpt, um ihn zu retten.

Doch das künstliche Rettungssystem hat sich ins Gegenteil verkehrt, es gibt dem Menschen nichts, es saugt dem natürlichen Menschen das Blut aus den Adern. Das übernatürliche Heilungssystem hat sich in einen widernatürlichen Vampyrismus verwandelt.

Die männliche Übernatur lebt allein von der Entwertung der weiblichen Primärnatur. „In der Welt habt ihr Angst, siehe, ich habe die Welt überwunden. … Nicht für die Welt bitte ich, sondern für die, die du mir gegeben hast. … Sie sind nicht aus der Welt, wie ich nicht aus der Welt bin“. (Joh. 16,33 / 17,9 / 17,16)

In deutschen Übersetzungen wird das Wort Natur vermieden. Das griechische Wort „kosmos“, das im Original steht, wird mit ‚Welt‘ übersetzt, damit die Verse keinen Anstoß erregen.

Mit richtiger Übersetzung würde das so klingen: „In der Natur habt ihr Angst, siehe, ich habe die Natur überwunden. Sie sind nicht aus der Natur, wie ich nicht aus der Natur bin“.

Wie kann man Natur retten wollen und sich gleichzeitig auf eine Schrift stützen, die die Natur hasst und überwinden will? Die Schöpfung bewahren, heißt nicht die Natur bewahren: Schöpfung ist keine Natur. Natur ist von keinem wahnhaften Übermann aus den Fingern gesaugt und geschöpft worden.

Wer sich eine Erlösungsreligion visuell und handfest vorstellen will, gehe in ein Krankenhaus. Was der Priester am Altar mit unsichtbarem Hokuspokus zaubert, vollbringen Priester der medizinischen Übernatur mit technifiziertem Zauber, der eine undurchdringliche Mischung aus Ratio und Transsubstantiation ist.

Die meisten Wirkungen beruhen auf dem Placebo-Effekt, der ehrlicherweise Credo-Effekt heißen müsste. „Wenn ihrs glaubt, wird es wahr werden. Glaubet ihr nicht, so bleibet ihr nicht. Glauben kann Berge versetzen“. ( Neues Testament > Markus 11,22 f / http://www.way2god.org/de/bibel/markus/11/“ href=“http://www.way2god.org/de/bibel/markus/11/“>Mk 11,22 f)

Bornierte Schulmediziner wettern gegen nicht bewiesene Wirkungen alternativer Methoden, sie würden allesamt auf dem Glaubens-Faktor beruhen. Wie oft ist zu lesen, (wenn auch im Kleingedruckten), dass der Großteil aller Pharmaprodukte ohne empirische Wirkungsnachweise auf den Markt geworfen wird. Nicht mal Aspirin kann bis heute erklärt werden.

Wohlgemerkt, dies ist kein Plädoyer gegen die Schulmedizin oder für eine kritiklose Anbetung diverser Naturheilmethoden, sondern gegen eine bigotte Medizin, die den subjektiven Selbstheilungsfaktor des Menschen negiert und sich gottähnlich gibt, selbst wenn sie inzwischen in einem Meer unbezwingbarer Krankheitserreger ersäuft und mehr Menschen im Krankenhaus durch Verunreinigungen tötet als im jährlichen Straßenverkehr umkommen.

Die Medizin ist auf demselben Holzweg wie die Ökonomie: beide plustern sich als objektive Naturwissenschaften auf. Sie sind Humanwissenschaften und sollten, wie einst der griechische Begründer der Medizin, Hippokrates, den Menschen als psycho-physische Einheit betrachten.

Mediziner schwören einen Eid, den sie mit ihrer cartesischen Maschinenmedizin täglich brechen. Medizinstudenten erfahren fast nichts über psychosomatische Zusammenhänge. Die Innensicht der Kranken ist vernachlässigbar, Sprechen und Verstehen sind zum Geschwafel geworden.

Warum bleibt unsere Gesellschaft kinderfeindlich, obgleich im europäischen Vergleich bei uns am meisten Geld für Kinder ausgegeben wird? Weil nicht das Kind willkommen ist, sondern das Kind gebildeter und wohlständiger Eltern, die dem „Staat“ nicht auf der Tasche liegen.

Gibt der Staat Geld aus, wird es mit dem generellen Füllhorn ausgeschüttet: Betreuungs- und Kindergeld ununterschiedlich für Reich und Arm – mit Ausnahme der Hartz4-Empfänger, die alle Kindergelder abgezogen kriegen.

Schon bei der Geburt werden die Kinder für ihre frei ausgesuchten Eltern bestraft. Nach dem Motto: vor Gott und dem Kindergeld sind alle Menschen gleich.

Neulich geriet der bislang als Menschenfreund bekannte Jürgen Todenhöfer in die Kritik eines syrischen Schriftstellers, der ihm vorwarf, das Assad-Regime aufzuwerten, weil er dem Despoten seine Aufwartung gemacht hatte. In der TAZ seine Entgegnung und Rechtfertigung.

Sollte Todenhöfer Recht haben mit seinen peniblen Recherchen, werden wir über den Konflikt in dem gebeutelten Land unzulänglich informiert. Hier wäre eine direkte Konfrontation der beiden Kontrahenten notwendig, um jedes Argument und Gegenargument auf die Goldwaage zu legen.

Vieles ist von hier aus nicht überprüfbar. Doch die Frage bleibt, warum man einen Diktator hofiert, der sich für unersetzlich hält und seine Bevölkerung nicht in die Freiheit entlässt. Darauf geht Todenhöfer zu wenig ein.

Wie die Medien mit dieser Kontroverse umgehen, zeigte neulich das ZDF. Nach Mitternacht, vermutlich mit einer Quote von minus 0,1 gab es eine Debatte mit Scholl-Latour, Todenhöfer und Moshe Zimmermann. Sonst keine Fachleute, die die täglichen Greuelberichte schreiben. Niemand von Al-Dschasira, der von Todenhöfer attackiert wird. Natürlich fehlte der Angreifer Rafik Schami. Deutsche Diskurskultur vom Feinsten.

Zum Schluss ein ausgezeichnetes Interview mit dem amerikanischen Historiker Eugene Rogan über das Misstrauen der Araber gegen den Westen, den sie als heuchlerisch erleben.

Nach tausenden Jahren der Unterdrückung gebe es endlich Chancen für die Völker, frei über sich zu bestimmen. Solange islamische Parteien gewählt werden, seien sie vom Volk gewollt und bildeten keine akute Gefahr.

Der Westen solle sich heraushalten und den Rebellen keine bevormundenden Heilsrezepte anbieten. Noch immer gilt Amerika als der größte Feind, weil es mit großen Parolen nur eigene Interessen verfolge.