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Tagesmail

Die Psyche der Deutschen

Hello, Freunde der Rückeroberung der Demokratie,

noch nie haben die Deutschen ihre Demokratie selbst erobert. Befreier haben sie ihnen geschenkt, Besatzer haben sie ihnen auferlegt. Es käme aber darauf an, sie selbst zu erarbeiten. Geschenkte Dinge sind nichts wert, auferlegte Dinge eine Last, die man loswerden will.

Auf ihre Demokratie sind die Deutschen nicht stolz. Sie dulden sie, weil es nicht opportun wäre, sie abzulehnen. Käme es zur Volksabstimmung geheimer Wünsche – was würden die Deutschen wählen? Eine Monarchie mit einer bescheidenen Queen Angie, in der wir uns selbst erkennen wollen.

Noch hat man keine Aversionen gegen Demokratie, allmählich aber wird sie lästig. Sie beginnt, zu nerven. Das bemerkt man am Klamauk, den die Medien bei Wahlen veranstalten, um die hohlen Riten zu übertönen.

Sinnvolle Streitgespräche der Politiker mit dem Volk sind nicht vorgesehen. Stattdessen Schauveranstaltungen unter der Knute alerter Dominas. Die Wahlen sind nur ein Vorwand, um das neue Studio zu zeigen oder Reklame für den eigenen Sender zu betreiben. Es gibt Gespräche im kleinen Kreis, in denen die Kanalfürsten ihrem prominenten Gast keine einzige Frage stellen, die das Volk stellen würde.

Treffen die Matadore aufeinander, dürfen sie nicht streiten, wie sie wollen – es könnte sein, dass sie gar nicht streiten können –, sondern werden an die Leine eines Proporzrituals gelegt. Die Quotensucht der Sender

bestimmt die Choreografie des geknebelten Dialogs.

Wenn ausnahmsweise das Volk zugelassen wird, darf es nur Fragen stellen. Wäre es mit der Antwort unzufrieden, hätte es keine Chance des Widerspruchs. Das Volk wird zu Fragestellern erniedrigt. Freie athenische Gespräche, scharf in der Sache, verbindlich im Ton, sind Gift für das gedämpfte Wohnzimmer.

Dämpfen, Regulieren, Herunterdimmen, Risiken vermeiden: das ist das unausgesprochene Motto jeder Wahlsendung. Kein Kandidat soll ins Straucheln kommen, soll ratlos wirken, soll zugeben müssen, dass ihm treffliche Argumente fehlen, dass er wichtige Angelegenheiten nicht verstanden oder durchdacht hat. Niemand soll sich blamieren, niemand gezwungen sein, seine Charaktermaske abzulegen.

Man wundert sich, dass perfekt einstudierte Wahlkämpfer eine derart nicht-perfekte Politik betreiben können. Wer sich perfekter geben kann, als er ist, dem hat man nicht richtig auf den Zahn gefühlt. Da die Medien sich mit keiner Seite gemein machen dürfen, packen sie die Prominenten in wohldosierte Scheinkritik, damit sie nicht die Gunst der Mächtigen verlieren.

Medien sind keine ordinären Wähler, sie sind Vermittler zwischen Oben und Unten. Früher nannte man solche Vermittler Priester. Priester sind fast immer die Knechte derer von Oben.

Hat der Deutsche seit Ende des Zweiten Weltkrieges verstanden, was eine Demokratie ist? Er weiß, wie die Regeln gehen. Kennt ein Deutscher die Regeln einer Sache, glaubt er, die Sache zu beherrschen. Bei Maschinen mag das ausreichen. Eine lebendige Demokratie ist aber keine Maschine und will nicht beherrscht, sondern verstanden werden.

Wer alle vier Jahre zuverlässig sein Kreuzchen macht, kann ein Tyrann seiner Familie und unfähig sein, mit seinen Kindern ein Gespräch zu führen. Möglicherweise ist es noch schlimmer und er vernachlässigt seine Familie, weil er sich von seinem Beruf vereinnahmen lässt. Würden die Deutschen über Nacht durch ein dämonisches Ereignis ihre Demokratie verlieren – hätten sie die Kompetenz, sie aus eigener Kraft zurückzuerobern?

Betrachten wir eine deutsche Standardpsychologie. Das deutsche Über-Ich ist amerikanisch, sein Es altdeutsch bis sonderdeutsch, sein Ich ein kleines Würstchen, eingeklemmt zwischen amerikanischem Kapitalismus, romantischem Antikapitalismus und einem undefinierbaren Schuldbewusstsein gegenüber Juden, einem Schuldbewusstsein, das ihn ärgert, das er aber nicht mehr los wird. Also tut er, als hätte er keine Probleme mehr mit den Juden. Gelegentlich fühlt er jüdischer als die Juden selbst.

Überidentifikationen können leicht ins Gegenteil kippen. Zumeist wirft er Juden und Amerikaner zusammen, flucht heimlich auf deren geballte Weltmacht, wird sich aber eher die Zunge abbeißen, als seine unkoscheren Gefühle zu offenbaren. Denn er hat Angst vor der Rückmeldung des jüdisch-amerikanischen Über-Ich: Du bist ein antisemitischer Sünder und hast das Fegefeuer verdient.

Die Situation der Juden versteht er nicht. Von der Welt versteht er überhaupt sehr wenig, dazu ist sein Ich zu unterentwickelt und eingeklemmt. Dass hinter herrischen Zurechtweisungen und unfehlbaren Verdammungsurteilen sich noch immer – keinesfalls irreale – jüdische Ängste vor den Deutschen verstecken, auf diese Idee käme kein wohlmeinender Deutscher, der pflichtgemäß in Dachau und Auschwitz war.

Das Unverständnis bezieht sich nicht nur auf die Opfer. Ein Deutscher versteht auch nicht, was seine Vorfahren getrieben hat, unbeschreibliche Menschheitsverbrechen zu begehen. Er versteht weder Opfer noch Täter. Er weiß nur, dass er anders sein muss als seine Vorväter. Doch wie anders, wenn er gar nicht weiß, wie jene dachten und fühlten?

Würde man ihm ein Fragment aus „Mein Kampf“ vorlegen, er hätte keine Ahnung, welcher Autor sich hinter den Zeilen versteckt, welche katholische Erziehung ihn prägte und in welchem Maß ein Massenmörder ein charmanter Gastgeber sein konnte.

Ist die Vergangenheitsbewältigung der Deutschen gescheitert? Sieht man, dass jenes Buch den Deutschen noch immer verweigert wird, aus Angst, sie könnten wieder die Messer wetzen, so müsste man die Frage fast bejahen.

Doch das wäre zu einfach. Die Deutschen sind ein bemühtes Volk, sie bemühen sich, ihre Hausaufgaben gewissenhaft zu erledigen. Aber sie sind unfähig, sich ihre Hausaufgaben selbst zu stellen und sind völlig abhängig von ihrem christlich-amerikanisch-jüdischen Über-Ich. Wovon man abhängig ist, das liebt man nicht. Von dem will man sich lösen – allein, man traut sich nicht.

Dass er sich nicht traut, sich von seinen Autoritäten zu lösen, das nimmt der ich-schwache Zögling seinen Über-Ich-Repräsentanten übel. Doch sagen würde er ihnen das niemals. Ja, er sagt es sich nicht einmal selbst. Der Deutsche lebt in vielen Ängsten. Und in der Feigheit, sich seiner Ängste bewusst zu werden, um sie zu überwinden.

Wer in solch unterdrückten Spannungen lebt, der kann kein freier, offener Mensch sein. Er ist ein verdruckster, in Zwängen lebender, schizophrener, ja multipler Charakter. Weil er verdruckst ist, gibt er sich betont locker und weltläufig.

Vor allem muss er tüchtiger sein als der Rest der Welt, damit er glaubt, ein Ich haben zu dürfen. Leistungsfähigkeit soll immer noch die Mängel seiner Charakterbildung ausgleichen. Ist er tüchtiger als seine Nachbarn, wundert er sich, dass er nur anerkannt, aber nicht geliebt wird.

Vom Es der Deutschen haben wir noch gar nicht gesprochen. Nach Freud ist das Es der Widersacher des Über-Ich, das Über-Ich der Tyrann des Es. Erst ein starkes Ich könnte das Über-Ich relativieren und das Es entschärfen. Doch wie soll ein starkes Ich entstehen, wenn es vom multiplen Über-Ich zusammengestaucht und von einem unbekannten Es getrieben wird?

Das Es soll die Triebe des Menschen enthalten. Von welchen unbewussten Bedürfnissen wird der Deutsche getrieben? Haben nicht alle Menschen dieselben Triebe? Die Anfänge der Triebentwicklung werden wohl allen Menschen gemeinsam sein, denn sie gehören zu einer Gattung. Da die Völker aber die verschiedensten Biografien durchmachten, haben sich ihre Triebe individualisiert oder nationalisiert. Wir müssen uns die kollektive Biografie der Deutschen betrachten, um einen Blick in sein Unbewusstes zu erhaschen.

Im Mittelalter war Deutschland der mächtigste Staat in der Mitte Europas. Alle wichtigen Handelswege von Nord nach Süd, von West nach Ost gingen durch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Als Kolumbus die Neue Welt entdeckte, war die Pracht von heute auf morgen zu Ende. Alle westlichen Nachbarn eroberten die weite Welt, nur die Deutschen stritten sich um den rechten Glauben und bewiesen, dass das Jenseits für sie wichtiger als das Diesseits war.

Auch die deutschen Denker und Dichter schrieben lieber dicke Bücher, Dramen und Gedichte, als sich mit den Engländern um die Vorherrschaft in Amerika zu streiten. Deutschland zerfiel und wurde zum Spielball der Völker. Was aber nicht bedeutete, dass die Deutschen die Eroberung der Welt aufgegeben hätten.

Sie eroberten die Welt in Gedanken und fühlten sich, je länger, je mehr, als geistige Führer der Welt. Als Heilande der Welt beanspruchten sie, das irdische Elend der Völker zu überwinden und die Geschichte, die sie als Heilsgeschichte empfanden, zu einem gloriosen Abschluss zu führen. Ihre politische Unterlegenheit kompensierten sie mit geistigem Führungsanspruch.

Hegel hatte die ungeheure – dem schwäbischen Pietismus entsprossene – Kühnheit, das Finale der Geschichte in Preußen, in Berlin anzusiedeln. Und er, Hegel, war der Prophet dieses Finales, der alle Widersprüche und Konflikte der Menschheit in Harmonie aufgelöst hatte. Nein, nicht er, es war der Weltgeist oder der Geist Gottes. Hegel war nur der Protokollant des Weltgeistes.

Die Diskrepanz zwischen politischer Kümmerlichkeit und geistiger Gigantomanie brütete ein Ungeheuer aus. Das Ungeheuer wollte die Diskrepanz zum Verschwinden und die Realität mit dem denkerischen Reich in Einklang bringen. Die Deutschen benötigten 100 Jahre, dann waren sie so weit. Fichtes Heilande der Welt, Hegels preußischer Weltgeist wurden im Dritten Reich zum furchtbaren Ereignis.

Die Deutschen, die bis dahin alle Omnipotenzphantasien in ihrem Innern konzentriert hatten, explodierten in Raum und Zeit und zeigten sich der Welt, wie sie schon lange gesehen werden wollten: als militärische Endsieger der Geschichte. Das Denken war zur lange verzögerten, endlich triumphalen Tat geworden. Seid Täter des Wortes, nicht bloss Hörer und Grübler, wodurch ihr euch selbst betrügt.

Was war geschehen? Die Deutschen hatten ihren Glauben zuerst in Philosophie verwandelt, darauf die Philosophie in Weltpolitik. Sie waren vorbildlich geworden. Ihre Religion hatten sie in Gedanken, ihre Gedanken in Taten verwandelt. Es war ein unendlich langer Weg vom Wort des Anfangs zur finalen Tat.

„Geschrieben steht: Im Anfang war das Wort!

Hier stock ich schon. Wer hilft mir weiter fort?

Es sollte stehen: Im Anfang war die Kraft!

Doch auch indem ich dieses niederschreibe,

Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe.

Mir hilft der Geist. Auf einmal seh ich Rat

Und schreib: Im Anfang war die Tat.“

Das war in wenigen Versen die Entwicklung der Deutschen von ihrem Glauben zum Dritten Reich. Was sie taten, war just das, was sie in Jahrhunderten geglaubt, ihren Glauben in politische Gedanken, die Gedanken in Berserkereien verwandelt hatten. Es war eine konsequente Entwicklung und die Deutschen waren stolz auf ihre Folgerichtigkeit.

Aus dem „furchtsam weggekrümmten Wurm“ war der „Übermensch“ geworden, der in seiner „Brust eine Welt in sich“ erschaffen und diese innere Welt in eine barbarisch äußere übersetzt hatte. Sie hatten bewiesen, dass sie warten konnten, bis ihre Zeit gekommen war. Lange hatten sie sich ducken müssen. Doch wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Wer zu spät kommt, hat einen längeren Anlauf und kann alle Rivalen überspringen.

Diese Erhöhung feierten sie als Eroberung der Welt – und als Ermordung jenes Volkes, das sie als heftigste Konkurrenz im Kampf um den Endsieg empfanden: die Kinder Israels, die Erwählten Jahwes unter allen Völkern. Genau diese Lieblingsrolle forderten die Deutschen für sich, also musste das Original von der Bühne der Weltgeschichte spurlos verschwinden.

Es war ein Bruderkampf wie zwischen Kain und Abel. Wie lange hatten die beiden Völker von einer „jüdisch-deutschen Symbiose“ geträumt? Die Symbiose endete in einem Massaker unversöhnlicher Rivalen. Erlöser und Heilande sind intolerant. Wer nicht für sie ist, ist gegen sie. Es kann nur einen wahren Erlöser geben, all seine Rivalen müssen dran glauben.

Das war in nuce das Es der Deutschen – von dem sie nicht die geringste Ahnung haben. Denn niemand hat ihnen von ihrer langen Brutzeit zum furchtbaren Ende erzählt. Für sie beginnt das Elend – kein Mensch weiß, warum – im Jahre 33 und endet pünktlich mit der Bankrotterklärung des Heeres. Ihr mangelndes Wissen um die lange Vorgeschichte – weshalb sie kein emotionales Verständnis für die Shoa aufbringen – kompensieren sie gutwillig mit Verwünschungen und Verfluchungen des Bösen.

Das Böse ist nicht nur böse seit Bestehen der Welt, es ist auch lächerlich, dumm, verwerflich, schändlich. Abscheu ist nicht verwerflich, ersetzt aber keine Erkenntnis. Die Deutschen überbieten sich mit Abscheu, um ihre mangelnden Erkenntnisse zu übertünchen. Ein Chirurg wäre schlecht beraten, in Ekelgefühlen über einen Tumor zu versinken, anstatt diesen kaltblütig wegzuschneiden.

Der Nationalsozialismus war nichts Böses. Das Böse gibt es nicht. Wer vom irreparablen und unerklärbaren Bösen spricht, kapituliert vor ihm und betet es als satanisch-göttliches Mischprodukt an. Wir müssen erklären und verstehen, sonst werden wir unsere Vergangenheit nie aufarbeiten.

Der Nationalsozialismus war schlimmer als böse, er war menschlich. Da er menschlich war, kann er sich unter Menschen wiederholen. Wer seine Wiederholung verhindern will, muss die Anstrengung auf sich nehmen, ihn in seinem Werdegang zu verstehen.

Verstehen heißt, etwas von der Wiege bis zur Bahre entwickeln und nachvollziehen können. Das „Böse“ ist in uns und könnte sich jederzeit wiederholen, wenn wir nicht durch rückhaltlose Selbstbesinnung und Erinnerung der Wiederholung vorbeugen. Alles unterliegt dem Wiederholungszwang, wenn wir es nicht mit dem Skalpell des Verstehens herausschneiden.

Der Deutsche hat von seiner Geschichte keine Ahnung, wie soll er sein Es erkennen? Er weiß nichts von seinen Größenphantasien, denn er weiß nichts von seiner Religion. Seine Religion schützt er, weil er nichts von seiner Geschichte wissen will, von seiner Geschichte will er nichts wissen, weil er seine Religion schützen will. Seine Tabus halten sich gegenseitig eisern im Griff.

Da er von seiner Erinnerung abgeschnitten ist, hat er auch keine Verbindung zu seinem kreativen Es. Kreativ sein heißt, im Erkunden seiner psychischen Instanz zu seinem Selbst vorzudringen. Im Vergleich zu den Deutschen sind die Amerikaner wie aus einem Guss. Nie hatten sie einen Bruch in ihrer kurzen Geschichte. Die Mythen ihrer biblischen Kinderfibel sind die Mythen ihrer Hollywood-Filme.

Warum bringen die Deutschen keine sinnvollen Serien und Filme zustande? Weil sie den Bilderpool ihres Es abgeschnürt haben. Warum sind sie so unterwürfig gegenüber ihrem amerikanischen Über-Ich? Weil sie sich nicht trauen, auf ihr eigenes Ich zu setzen – das sie noch gar nicht besitzen.

Warum sind sie die stärkste Macht Europas, aber unfähig, geistige Führungsqualitäten in eine menschliche Zukunft zu zeigen? Weil sie ihre früheren Herrschaftsvisionen noch nicht bearbeitet haben, die im Debakel endeten. Warum sind die Deutschen so feige? Weil sie noch immer der Obrigkeit untertan sind, die heute in Washington und Jerusalem residiert.

Warum wehren sie sich nicht energisch genug gegen NSA? Weil sie – kaum anders als die Biblizisten in Gottes eigenem Land – noch immer an das Auge Gottes glauben, das sie rund um die Uhr überwacht. Warum müssen sie rund um die Uhr überwacht werden? Weil sie noch immer ein angeborenes Schuldbewusstsein haben, das durch ein allwissendes Auge kontrolliert und – exkulpiert werden muss.

Warum sind die Deutschen keine überzeugten Demokraten? Weil ihr himmlischer Vater alle heidnischen Demokraten in der Hölle röstet. Auch Amerikaner betrachten Freiheit und Demokratie als Geschenk des Himmels und nicht als Trophäen ihrer Autonomie. Geschenke haben ihre Halbwertzeit. Wie lange noch schaffen es die demokratischen Kräfte in Amerika, die biblischen Halluzinationen ihrer Apokalyptiker zu zähmen und der menschlichen Vernunft Gehör zu verschaffen?

Warum werden die Deutschen nicht reif? Weil sie es nicht schaffen, ihr Über-Ich zu schleifen, ihr Es aufzuhellen und ihr Ich zu einem souveränen Erkenntnisinstrument zu entwickeln. Was müssten die Deutschen tun, um ihre Verdruckstheit und ihre gespaltene Persönlichkeit zu dehnen, zu strecken und zu weiten, auf dass sie freier atmen und angstfreier handeln könnten?

Sie müssen erforschen, woher sie kommen. Sie müssen ihr Verhältnis zur Religion enttabuisieren. Sie müssen mit der Selbstverblendung aufhören, sie hätten ihre Hausaufgaben schon erledigt. Ihren lächerlichen Gelehrten müssen sie auf die Finger schauen und ihren desolaten Medien den Spiegel vorhalten.

Deutschland hat seinen Nachkriegskurs in die Demokratie mit Ach und Krach absolviert. Gleichwohl war das Ergebnis besser als viele skeptische Beobachter erwartet hatten. Zum Pessimismus besteht kein Grund. Dennoch sind die Fundamente brüchig und zerfallen, wenn wir sie nicht von Grund auf renovieren.

Wir müssen von vorne beginnen, aus eigener Kraft Demokratie zurückerobern. Den Kampf gegen den Kapitalismus hätten wir bereits verloren, wenn wir den Kampf um die Demokratie verloren geben würden. Nur eine stabile Demokratie kann einen gefährlichen Tumor entfernen.

Was du ererbt von deinen Befreiern, erwirb es, um es zu besitzen.