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Die Heijo-Heilige

Hello, Freunde der Heijo-Heiligen,

„Unser Schiff gleitet stolz durch die schäumenden Wogen,
jetzt strafft der Wind uns’re Segel mit Macht.
Seht ihr hoch droben die Fahne sich wenden,
die blutrote Fahne, ihr Seeleut, habt acht.

Wir treiben die Beute mit fliegenden Segeln,
wir jagen sei weit auf das endlose Meer.
Wir stürzen auf Deck, und wir kämpfen wie Löwen,
hei, unser der Sieg, viel Feinde, viel Ehr!“

Was verbindet die bündische Kanzlerin mit Heino? „Heijo! Viel Feinde, viel Ehr“.

Sie treibt ihre Beute mit fliegenden Segeln, ihre Fahne ist getränkt vom Blut toter griechischer Kinder und zehntausender Flüchtlinge. Das Schiff, das sie Gemeinde nennt, ist Flaggschiff der deutschen Wirtschaftsarmada – der Nachfolgerin der wilhelminischen Kriegsflotte –, die mit ökonomischer Macht Feinde, Freunde und Nachbarn ohn Unterschied vor sich her jagt, kapert und versenkt. Im Nebenberuf ist Madonna vampyrische Sturmbraut, die es allein gegen die ganze Welt aufnimmt.

„Ich stehe ziemlich allein in der EU. Aber das ist mir egal, ich habe Recht„.

Hier steht sie, hier fightet sie. Denn Luther reimt sich auf Mutter, auf Mutter der ganzen Nation. Dort steht sie, sie kann auch anders. Aber nur bei Mächtigen. Gegen Schwächlinge hat sie immer Recht. Und wenn die Welt voll Teufel wär, sie wird

sie kieloben verschlingen.

Und wenn die Welt voll Teufel wär
und wollt sie gar verschlingen,
so fürchtet sie sich nimmermehr,
es soll ihr doch gelingen.

Mutter Angela habe schon viele Stürme überstanden, sagt Heinos Hannelore. (BILD)

Die Bündischen waren die unmittelbaren Vorläufer der NS-Jugend, des fahrenden Volks wider Tod und Teufel. Wahrheitswidrig erweckt BILD den Eindruck, als sei Mutters Lieblingslied politisch nicht einzuordnen: „Namen von Verfasser und Komponist umstritten“. Ein Blick in Wiki hätte genügt. Das Lied gehört zur bündischen Jugend.

„Als wesentliche Tendenz in der zweiten Phase der Jugendbewegung erwies sich die Abkehr von der weitgehend zweckfreien, individualisierten Romantik des Wandervogels hin zu einer allumfassenden Verpflichtung jedes einzelnen Mitglieds auf die Gruppe, der man sich diszipliniert unterwarf und mit der gemeinsam man sich dem Dienst an einer „großen Sache“ verschrieb.“

Kein ziellos herumvagabundierendes Erkunden und Durchwandern fremder Länder, sondern prämilitärisches Ausspähen jener Räume im Osten, Norden, Westen und Süden, unter der harmlosen Maskerade des Pfadfinderns. Armin Mohler, einst Privatsekretär des stahlgewitternden Ernst Jünger, weiß es noch besser:

„Unter den Bündischen „findet sich die Jugend aus eigenem Antrieb und unter den eigenen Reihen entstammenden Führerschaft zusammen, um sich ein eigengesetzliches Leben außerhalb der zu festen Formen erstarrten Welt der Erwachsenen zu schaffen.“ (Die Konservative Revolution in Deutschland)

Man übersetze in Neoliberal und erhalte: die vom Volk akklamierte Königin der Herzen, die die erstarrte Welt der Erwachsenen – sprich: den selbstzufriedenen und träge gewordenen rheinischen Anhängern der sozialen Marktwirtschaft – auf die Hörner einer frisch zum echten Raubtierkapitalismus konvertierten lutherischen Sozialistin nimmt (die ihren Ossi-Minderwertigkeitskomplex durch Wirtschaftsdominanz ausgleichen muss), dem Volk christliche Privatmoral predigt – doch in der Welt da draußen herrscht das eigengesetzliche (antinomische) Gesetz der deutschen Herrenwirtschaft.

Wasser predigen in der Familie, doch in der Welt, da pfeift der Wind so kalt. Da muss das Böse mit Bösem gezähmt werden. Überwältigt werden kann es von Sündern ohnehin nicht. Da muss der himmlische Vater eingreifen, dem die Magd Gottes liebedienerisch zuhechelt. Deutsche Doppelmoral wird von Erleuchteten besonders virtuos gemanagt, optimiert und exekutiert.  

Die Bündischen erleben in sich den „chaotischen Durchbruch des Irrationalen und Gewalttätigen“, die „Frühgeburt der nationalen Revolution“, die die geschichtlichen Ereignisse umpflügen werden. „Die geschichtlichen Ereignisse liegen jenseits aller menschlichen Wertungen, denn sie sind das Ursprüngliche, das selbst bestimmt ist, an sich neue Maßstäbe abzumessen.“ (Mohler)

Das ist die Geburt der neuen Nation, geboren aus dem Geiste des Heiligen Dritten und 1000-jährigen Reiches, die den Völkern zeigen wird, wo Bartels den Most der Erleuchtung holen wird. Diese Geburt wird auch den Führer gebären, den die Nation als Leitstern benötigt, um die Welt in eschatologische Ordnung zu bringen. Nicht der Führer hat die deutsche Nation, der völkische Bund hat den Führer inter faeces et urinas geboren. (Zwischen Schiss und Piss, so die Umschreibung der Geburt eines Kindes durch frauenfreundliche Kirchenväter.)

Der Sonderweg der Deutschen ist die nationale Selbstermächtigung, neue Maßstäbe zu setzen, die nur dem Wohl des eigenen Volkes dienen. Allgemeine Werte für alle Menschen? Erfindungen degenerierter Kosmopoliten. Die Geburt des Ursprünglichen, identisch mit der Geburt des deutschen Genies, ist die Geburt des Heiligen aus dem Schoß der erwählten Nation. Die Geschichte, die von den Bündischen in den Schwitzkasten genommen wird, liegt jenseits aller menschlichen Wertungen. Sie unterliegt nur der göttlichen Moral, die außerhalb aller Moral steht, die der Herr seinen Geschöpfen zum devoten alltäglichen Gehorsam zukommen ließ. Was dem Schöpfer geziemt, geziemt noch lange nicht den Kreaturen des Schöpfers. Gottes Moral ist Jenseits von Gut und Böse.

Nietzsches Übermensch, der den Tod Gottes ausgerufen hatte, übernahm die Eigenschaften des mausetoten Gottes. Nicht lange und auch er war tot. Inzwischen aufersteht er in den Werkstätten von Silicon Valley, wo er zur Intelligenzmaschine mutieren muss, die die Welt von allen Übeln erlösen wird. Und wenn er nicht bald gestorben sein wird, so wird er die ganze Menschheit unter sich begraben – und sich selbst zuletzt.

„So hoch der Himmel über der Erde ist, so viel sind meine Wege und meine Gedanken höher als eure Gedanken.“

Deutscher Geniekult, Frühform des deutschen Führerkults, entsprang dem verwegenen Versuch, allem erdenhaft-menschlichen Denken und Treiben zu entfliehen, um in den überirdischen Bereich göttlicher Gedanken vorzudringen. Geniales war Göttliches.

Kapitalistische Kreativität, die Religion der Moderne, ist nur die konsumierende Flachausgabe deutscher Ursprünglichkeit und Genialität. Welch Witz der Geschichte. Jetzt kommen ausländische Vertreter des Genialen nach Deutschland und ermahnen Merkels bornierte Untertanen: und wenn ihr nicht kreativ werdet wie diese Kinder, werdet ihr nicht ins Reich Gottes gelangen. Kinderschutzbund, bitte melden.

Noch ein Lied, ein schöneres, zum abendlichen Schmettern, wenn in Capri, der Lieblingsinsel unserer Kanzlerin, sanft die Sonne im Meer versinkt – viel schöner als Merkels Heino-Gegröl:

Kameraden wir marschieren
Wollen fremdes Land durchspüren
Wollen fremde Sterne sehn
Kameraden wir marschieren
Laß die bunten Fahnen wehn.

Kameraden unsre Speere
Schleudern wir in fremde Meere
Schwimmen nach und holn sie ein
Kameraden unsre Speere
Sollen Pfeil und Ziel uns sein.

Kameraden, fremde Welten
Wachen nachts bei unsern Zelten
Wenn die Feuer tiefgebrannt,
Kameraden, fremde Welten
Singen leis von unserm Land
.

Fremde Welten singen schon lange nicht mehr von unserem Land, sie heulen und wüten gegen unser Land. Wenn schon die deutschen Präzisionsgewehre G36 unserer aparten Verteidigungsministerin nichts taugen, die Speere der deutschen Präzisionsexportmaschine treffen ins Schwarze und ruinieren die Volkswirtschaften der ökonomisch Minderwertigen.

Danach kaufen wir alle griechischen Inseln zum Schleuderpreis und erklären das Mittelmeer zum mare nostrum germanicum. Steht Mallorca nicht längst unter der Fuchtel des deutschen Schlagerkönigs Jürgen Drews und seiner vollalkoholisierten Party-Untertanen? Wenn schon der Raum im Osten uns verwehrt bleibt, brechen wir auf gen Süden. Zurück ins Heilige Mittelalter. War Rom nicht dermaleinst eine Nebenfiliale der Pfalz zu Aachen? Weg mit den Alpen, freie Sicht aufs Mittelmeer. (Verzeiht, teure Geschwister, diese frei galoppierende deutsche Herrenphantasie – unerlaubt dem Unbewussten einer deutschen Herzenskönigin durch spirituelle Spähmethoden entnommen.)

Wenn Merkel in der Bredouille ist – noch nie haben so viele Kommentatoren fast ihren Rücktritt gefordert –, geht sie demütig und leutselig über die Dörfer. Schon dem Menschen- und Völkerrechtsverbrecher Putin konnte sie in politisch korrektem Ekel kaum die Hand reichen; doch die Menschen- und Völkerrechtsverbrecher Obama und Netanjahu begrüßt sie in bedingungsloser Zärtlichkeit.

Nun also Neukölln. Besuch in einer Sekundarschule. Viele Jugendliche mit migrantischem Hintergrund. Die populistische PR-Maschine bedient Angela bravourös. Nein, populistisch darf man bei ihr nicht sagen, sie kennt die Herzen ihrer Untertanen auswendig. Populisten sind Rattenfänger, die sie kopieren und nie erreichen.

Was hat die Physikerin in pädagogischen Fragen zu bieten?

Gentrifizierung? „Manche Gegend würde sich ja schnell ändern, sagt die Kanzlerin. «Im Prenzlauer Berg waren früher nur Ostdeutsche, jetzt ist alles voll mit Baden-Württembergern.»“

Bekanntschaft mit deutschen Freunden? „«Gehen Sie doch mal nach Hellersdorf ins Kino», antwortet Merkel. «Oder nach Charlottenburg ins … Ich weiß nicht, wo man so hingeht.»“

Benachteiligte Chancen, sich mit ausländischen Namen zu bewerben? „Man kenne das Problem von Bewerbungen junger Menschen mit komplizierten, ausländisch klingenden Namen. «Viele glauben da nicht, dass jetzt gleich ein Nobelpreisträger in Mathematik um die Ecke kommt.»“

Waffenverkauf an Israel? „«An Israel verkaufen wir Waffen, ja», sagt sie. «Weil wir glauben, dass Israel sich verteidigen muss.» Sie verweist auf den Holocaust, die besondere Verantwortung, die Deutschland für Israel habe.“

Zum Schluss zeigt die Physikerin, was eine wissensmäßige Harke ist. Im Quizstil Jauchs fragt sie nach dem Namensgeber der Schule: Röntgen. Quiz hat mit Bildung so viel zu tun wie Jauch mit Gesprächskultur. Aber harte technische und wissenschaftliche Fakten gelten im Exportland als Spitze der Weisheit. (SPIEGEL.de)

Zynisches Abwatschen, leeres Gewäsch und kaltschnäuziges Anlügen – ein Schmierentheater soli angelae gloria. Am eigenen Leib erfahren die Jugendlichen, wie es ist, wenn Politiker sie vor aller Öffentlichkeit zur Kulisse degradieren. Kein Kultusminister greift zur Feder, um die Schule vor solchen Selbstglorifizierungs-Aktionen der Politiker zu schützen.

In den Medien fast keine Kritik. Geht ja nur um Schulgedöns. Wenn ein Lukaschenko eine Schule besucht, um seinem Volk gnadenhafte Loyalität zu bekunden, sieht die Inszenierung kaum anders aus. Merkel behandelt die SchülerInnen mit derselben Methode, wie sie allzu forsche Journalisten auf Abstand hält. Wird ausnahmsweise eine kritische Frage gestellt, flötet sie: Ich kann ihre Frage gut verstehen. Vor Entzücken, von der Kanzlerin verstanden worden zu sein, stellt der Frager das Denken ein. Das war die Antwort.

Waffenexporte in Krisengebiete sind nach deutschem Recht verboten. Israel ist ein Krisengebiet. Es verfügt über Atomwaffen und ist einer der mächtigsten Staaten der Welt. Die beste Verteidigung eines Landes ist Friedenspolitik. Seit der Ermordung Rabins – nicht durch einen Palästinenser, sondern durch einen religiösen Juden – gibt es keinen ernsthaften Willen der israelischen Regierungen mehr, mit dem annektierten und gedemütigten Volk ins Einvernehmen zu kommen. Wie viele Friedensangebote der Nachbarn – unter der Bedingung eines eigenständigen palästinensischen Staates – wurden abgelehnt? Unsinn, dass das schwerbewaffnete Land – mit den USA und dem ganzen christlichen Westen im Rücken – von irgendeinem Land bedroht würde. Verbale Attacken seiner Feinde wären sofort verschwunden, wenn es zum Friedensschluss käme.

Will Deutschland Verantwortung für Israel übernehmen, muss es Verantwortung für die ganze Welt übernehmen. Wenn alles mit allem zusammengehört, kann kein einzelnes Land in Frieden leben, wenn es seinem Nachbarn nicht gefällt – und sei er noch so weit entfernt.

Ist es wachsender Antisemitismus, wenn Israel immer unbeliebter wird in der Welt? Es gäbe eine einzige Versuchsanordnung, diese philosemitische Deutung zu überprüfen: was wäre, wenn das Land einem strikten Friedenskurs folgen würde? Wetten, dass das heilige Land viel mehr Freunde in der Welt hätte als jetzt?

Überhaupt wäre es sinnvoller, Antisemitismus allmählich als Sonderfall des allgemeinen Antihumanismus zu behandeln. Jeder Staat hat das Recht, human behandelt zu werden. Jeder die Pflicht, andere human zu behandeln.

Kann es normale Beziehungen zwischen beiden Staaten geben? Es muss. Sonst wären alle Aufarbeitungen der schwierigen Vergangenheit umsonst gewesen. Frieden ist anzustrebende Normalität. Normalität kommt von Norm. Die Normen des internationalen Zusammenlebens sind in der UN-Charta formvollendet beschrieben.

Die Abnormitäten der Vergangenheit können nur überwunden werden durch Normen gegenseitigen Respekts und gleichwertiger Anerkennung. Davon kein Wort Merkels zu Netanjahu. Verantwortliche Konsequenzen aus dem Holocaust ziehen, heißt das kleinste Vergehen gegen Menschen- und Völkerrechte zu vermeiden. Was für eine Heuchelei, das Wort Holocaust in den Mund zu nehmen, um israelische Verbrechen gegen die Palästinenser zu verschweigen und zu verdrängen.

50 Jahre deutsch-israelische Beziehungen, und BILD – das antisemitischste Blatt der BRD unter der Maske des Gegenteils – spricht von Wunder. Wer an das Böse glaubt, muss auch an Wunder glauben. Beides sind irreparable Interventionen des Himmels. Der Mensch und seine moralischen Bemühungen werden negiert. BILD zelebrierte das Jubiläum in schleimtriefender Heiligkeit, auf Deutsch und in Hebräisch. Am liebsten hätten sie ihre Gazetten in Weihrauch gedruckt und an Altären feilgeboten.

Darf das Land der Täter das Land der Opfer freimütig kritisieren? Eine Idiotenfrage. BILD verklärt das Land, indem es seine antisemitischen Klischees probehalber an Griechen und Russen ausagiert. Eines Tages werden sie das wahre Zielobjekt gefunden haben. Avi Primor und andere selbstkritische Israelis werfen den Deutschen vor, ihr Land in Watte zu packen. Jerusalem immunisiert sich mit dem Holocaust, um seine gojimverachtende Politik zu verewigen. Man lese die unerbittliche Selbstkritik des verstorbenen Universalgelehrten Jeshajahu Leibowitz. Und bemerke mit Erschrecken, welch grauenhaftes Versöhnungstheater Berlin und Jerusalem aufführen.

Eine unbedingte Loyalität ist eine, die alle Menschenrechte verleugnet. Diese Loyalität ist ein Verbrechen an den Palästinensern, eine Verleugnung der UN-Charta. Natürlich muss Deutschland das Existenzrecht Israels unterstützen – wie das aller anderen Länder in der Welt. Wer hier – wie Merkel – von Staatsraison spricht, weiß nicht, wovon er redet. Was ist Staatsraison?

„Der Begriff der Staatsräson (auch Staatsraison) bedeutet das Streben nach Sicherheit und Selbstbehauptung des Staates mit beliebigen Mitteln.“ (Wiki)

Mit beliebigen Mitteln heißt: mit allen machiavellistischen Listen, amoralischen Brutalitäten und völkerrechtsfeindlichen Gewalttätigkeiten. Allein für diesen Satz müsste Merkel subito zurücktreten. Deutschlands öffentliche Moral ist so verdorben, dass die Deutschen eine amoralische Kanzlerin existentiell benötigen, um ihre eigene Amoralität mit der obersten Autorität zu legitimieren. Das ist mafiöse Kumpanei auf Gegenseitigkeit.

Ist es nicht überheblich von der deutschen Täternation – die Täter sind inzwischen fast alle tot – der Nation der Opfer moralische Vorhaltungen zu machen? So argumentiert der grüne Ralf Fücks in der TAZ:

„Die Darstellung Israels als aggressiver Störenfried, dem die geläuterten Deutschen den rechten Weg zum Frieden weisen sollten, entlastet zwar unser latentes Schuldbewusstsein, ist aber doppelt anmaßend: Sie ist abgelöst vom Kontext der Schoah, aus dem heraus wir gegenüber Israel nicht im Status der moralischen Überlegenheit auftreten können.“

Fücks ist von allen guten Geistern verlassen. Würde er sich überheblich vorkommen, wenn er Moral lehren würde? Dann müsste man ihm ins Stammbuch schreiben: lieber überheblich als unmoralisch. Wäre es anmaßend, moralisch zu sein, dürfte Deutschland keinem Diktator dieser Welt mehr Vorhaltungen machen. Alle Kämpfer für Menschenrechte auf der ganzen Welt wären verraten und verkauft.

Im Kontext der Shoa soll moralische Kritik anmaßend sein, obgleich das Völkerverbrechen nur möglich war, weil die Deutschen alle Moral der Menschen- und Völkerrechte verachteten? Gerade um der Shoa willen müssen die Nachkommen der Täter kategorisch für die allgemeinen Menschenrechte eintreten.

In einer Demokratie hat jeder Citoyen freimütig seine Meinung zu äußern. Wer diese Fähigkeit der Parrhesia – der freimütigen und kritischen Rede über alles – mit Arroganz gleichsetzt, müsste den toten Sokrates als eitelsten Moraldarsteller der Weltgeschichte verachten.

Mit seiner Warnung vor arroganter Moral will Fücks nichts als die servile Feigheit der Deutschen schützen. Niemand muss perfekt sein, um kritisch sein zu dürfen. Wenn Selbstkritik und Fremdkritik sich gegenseitig bedingen, sind beide authentisch.

Merkel ist Opium des Volks. Jedes Volk hat das Opium, das es verdient.