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Die ERDE und wir. XXXV

Tagesmail vom 02.12.2024

Die ERDE und wir. XXXV,

Vorbildlich geht die FDP unter – und zieht die beiden großen Parteien unerbittlich mit in die Tiefe.

Nur die Grünen haben die Chance, sich dem Sog zu entziehen – aber nur, wenn sie lernen, was links ist und Deutschsein nicht verwechseln mit amerikanisch.

Die einheimischen Gläubigen wissen bis heute nicht, was christliche Politik ist, doch störrischen Untertanen genügt der traute weihnachtliche Schein.

Die SPD weiß noch immer nicht, was ökonomisch gerecht ist – und verwechselt links mit neoliberal. Es ist ja nur das pure Gegenteil: Proleten sind wahre Dialektiker.

Berlin ist infantil, lässt sich von den USA fürsorglich betreuen und ist außerstande, selbst zu denken. Weshalb die Germanen nicht die bis zum Mars reichenden Unfähigkeiten ihrer Betreuer bemerken, ein friedliches und universelles Vorbild für die Weltpolitik zu sein. Jene reden wie Obama und agieren wie Trump.

Bis jetzt konnten sich die Amerikaner durchmogeln. Doch ab Trump werden alle Täuschungsmanöver über Bord geworfen: ab Januar wird in Washington Tacheles geredet. Nun soll es den letzten Resten demokratischer und ökonomischer Moral an den Kragen gehen – und wieder einmal schlafen die Deutschen in seliger Ruh. Sie wissen nicht, was politische Autonomie bedeutet – und wollen es nicht wissen.

„Auf der einen Seite gibt es die Dominanz des Finanzkapitalismus, also das, was die Ökonomen die »Finanzialisierung« der Wirtschaft genannt haben und was ohne digitale Netzwerke und Informationstechnologien nicht funktionieren würde. Auf der anderen Seite steht die Kapitalisierung des Rohstoffs »Information«, mit der Plattformunternehmen und Social Media groß geworden sind. Neben dem üblichen Grimm gegen Gewerkschaften, Betriebsräte, Steuern oder Umweltauflagen liegt ein Nenner wohl im Streben nach einer grundsätzlichen Veränderung im Selbstverständnis des Wirtschaftssystems: nämlich in der Umstellung von der liberalen Hymne auf den Wettbewerb zu einer libertären Feier des Monopolunternehmens.“ (SPIEGEL.de)

Das sagt uns noch nicht viel, gibt’s da führende Namen? Aber ja doch, diese Namen aber werden in Deutschland nicht zur Kenntnis genommen. Joseph Vogl hat sich die verdienstvolle Arbeit gemacht, die führenden Akteure zu notieren:

„Die Übermenschenfantasien der russisch-amerikanischen Bestsellerautorin Ayn Rand, die Robotervisionen von Isaac Asimov oder J.R.R. Tolkiens »Der Herr der Ringe«. Die Faszination für diese Stoffe geht bis zur Benennung von Unternehmen: »Palantir« etwa, ein von Thiel finanziertes Softwareunternehmen, ist der Name für die »sehenden Steine« aus »Der Herr der Ringe«. Für jemanden wie Musk waren wohl insbesondere Science-Fiction-Dystopien inspirierend, etwa die Romane von Neal Stephenson oder Ernest Cline.“

Langsam. Das ist doch nur seichte Literatur – und die üblichen Zukunftsreißer aus Hollywood. Parbleu, dann muss ich genauer werden:

„In diesen Fiktionen stellt die digitale Industrie den Cyberspace, also visionäre Auswege aus der verödeten Alltagswelt, bereit. Das mag die Einbildungskraft eines Elon Musk geprägt haben. Auch Zuckerbergs Konzept des »Metaverse« hat hier sein Vorbild, es stammt aus Stephensens »Snow Crash«, bei Cline heißt es »OASIS«. Neben dem üblichen Grimm gegen Gewerkschaften, Betriebsräte, Steuern oder Umweltauflagen liegt ein Nenner wohl im Streben nach einer grundsätzlichen Veränderung im Selbstverständnis des Wirtschaftssystems: nämlich in der Umstellung von der liberalen Hymne auf den Wettbewerb zu einer libertären Feier des Monopolunternehmens. Peter Thiel, ein enger Verbündeter von Musk, hat einmal geschrieben: »Eigentlich sind Kapitalismus und Wettbewerb Gegensätze. Kapitalismus basiert auf der Akkumulation von Kapital, aber in einem perfekten Wettbewerb werden alle Gewinne durch den Konkurrenzkampf vernichtet.« Das ist zur Programmatik eines neuen Kapitalismus geworden, in dem das Monopol auch zur Lösung sozialer Probleme beitragen soll.“

Moment, mir schwirrt der Kopf. Was ist denn libertär? Schauen wir ins Lexikon:

„Libertarismus ist eine politische Philosophie und Bewegung, die in der individuellen Freiheit den höchsten politischen Wert sieht. Sie sind grundsätzlich skeptisch gegenüber Autorität und staatlicher Macht.“

BILD weiß das besser:

„… was fehlt, ist das, wofür Liberalsein steht: Freiheit großschreiben, Freiheit zu handeln, Recht am Eigentum. Bürgerrechte (Corona!). Vertrauen in die eigenen Kräfte. Anerkennen, dass Erwachsene nicht erzogen werden wollen. Sich nicht anmaßen zu wissen, was andere brauchen.“ (BILD.de)

Warum weiß BILD am besten in Deutschland, was Libertarismus ist? Weil ihr Chef Döpfner die mächtigsten Libertären der USA mit Glanz und Gloria nach Deutschland einlädt, um ihre Macht auch diesseits des Ozeans zu etablieren. Dass er Kompagnon der Musk-Thiel-Gruppe werden will, versteht sich von selbst. Man könnte sagen, die Libertären sind die Fortsetzer der Neoliberalen.

Neoliberal? Das weiß doch auch kein Deutscher. Der SPD-Kanzler Schröder, die CDU-Kanzlerin Merkel: beide Neoliberale taten, als ob sie im alten Sinn links oder christlich gewirtschaftet hätten.

Wenn Scholz jetzt erneut antritt, wird er ungerührt in die alten neoliberalen Morast-Spuren treten, als ob sich nichts geändert hätte.

Der Staat soll zurückgedrängt werden, die gigantischen Monopole übernehmen zum Teil jene Funktionen, die bislang die Obrigkeit innehatte.

„Es ist zu erwarten, dass nicht nur Trumps Plattform Truth Social, sondern auch X zu einer Art Regierungsorgan werden wird. Das, was im Horizont des Liberalismus in den Siebzigerjahren begann, nämlich die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, soll durch Quasi-Monopolisten vollendet werden – bis hin zur privaten Geldschöpfung. Darum auch das besondere Interesse an Kryptowährungen, die seit der Wahl heftige Kursgewinne erzielten.“

Auch Silicon Valley konnte nur gegründet werden, weil es entscheidende Veränderungen im Wirtschaftsrecht gab:

„Damit wurde etwas geschaffen, was nahezu einzigartig in der Geschichte des jüngeren Kapitalismus ist: das Haftungsprivileg. Das heißt, dass Unternehmen für Produkte, mit denen sie ihr Geld verdienen, nicht mehr haftbar gemacht werden können.“

Das war noch nicht alles. Das neue System musste disruptiv und gesellschaftsspaltend werden: „… bot sich eine niederträchtige Wendung an: die Ausbeutung der Ressource des Ressentiments – gegen Migranten, Illegale, Asylbewerber. Eine Erfolg versprechende politische Perspektive, auch in Europa.“

Damit verbunden waren heftige Angriffe gegen das amerikanische Bildungssystem:

„Peter Thiel hat kürzlich in einem Podcast die Behauptung aufgestellt, die amerikanischen Regierungs- und Bildungsinstitutionen seien »irreparabel beschädigt« und den Anforderungen der von Computernetzwerken geprägten Gegenwart nicht mehr gewachsen. Ähnliche Gedanken gab es ja in der Vergangenheit auch von linker Seite, wenn man an die Piratenpartei denkt oder an Bewegungen wie »Liquid Democracy«.“

Zusammengefasst: Was ist zu tun, um die amerikanischen Gewitterwolken von Europa fernzuhalten?

„Genauer hinschauen und beobachten, wie sich hinter dem Theater und hinter der politischen Groteske neue und brachiale Bereicherungsstrategien formieren, zusammen mit dem Bemühen um einen autokratischen oder oligarchischen Kapitalismus.“

Warum diese ausführlichen Zitate? Um den Bildungsnotstand in Deutschland möglichst zu beheben. Deutschland weiß nichts, schlimmer, es glaubt, nichts wissen zu müssen. Hauptsache, man kann sein Auto reparieren.

Während hier die Grünen Zulauf haben, um die Ökologie voranzutreiben, beginnen Trump & Musk die Demontage der amerikanischen Rechtsgrundlagen. Die Kluft zum Patron klafft immer mehr, die Grundlagen einer freien Welt werden von Washington immer mehr angegriffen. Israel war – im Zerstören demokratisch-universeller Strukturen – der Weltmacht vorausgegangen.

Was geschieht hier? Während Helmut Schmidt hierzulande verbot, Visionen zu entwickeln, arbeiten die Amerikaner längst „Fantasien“ aus, um gedanklich und technisch das Vorstellungsvermögen der Deutschen zu überragen.

Aber nicht im Sinn einer Fortentwicklung unserer Demokratie ins Humane und Friedliche, sondern im Gegenteil: im Sinne einer stetig voranschreitenden Monopolisierung der Macht, einer despotischen Überwachung der Menschheit durch Intelligenzmaschinen und der Entmündigung des autonomen Menschen.

Während Deutschland sich bemüht, wieder demokratischer zu werden – ohne zu wissen, was das bedeutet –, werden die USA immer autoritärer und demokratiefeindlicher. Wenn es nach den Musks und Trumps geht, wird es nicht mehr lange dauern, bis aus der Erde ein technisch-theozentrischer Totalitarismus geworden ist.

Wenn Deutschland sich erholt und immer mehr bemüht, humaner und philanthropischer zu werden, wird Amerika immer mehr in die entgegengesetzte Richtung abdriften. Es wird von den Linken in den USA abhängen, ob sie sich das machtgierige Treiben der Trump & Co gefallen lassen.

Wenn ja, wird es in Kürze zwischen Europa und den USA eine noch nie da gewesene Kluft geben, die sogar gefährlich werden könnte. Wenn nein, werden die Trumpisten vertrieben werden müssen, um die bewährte Allianz zwischen Europa und der neuen Welt wieder herzustellen.

Ist die Totalisierung der ökonomisch-technischen Übermacht ein Problem, das die Deutschen noch nicht kennen?

Jedenfalls tun sie, als sei ihnen all dies unbekannt. Dabei müssten sie die Wirtschaftstheorie Hayeks längst en detail kennen. Doch was hat Wirtschaft mit Philosophie zu tun? Sich grundsätzliche Gedanken über politische Ereignisse zu machen: das ist nicht die Sache Scholzens, das war nicht die Sache Schröders und Merkels. Es ist auch nicht die Sache der Lindners. Das überlassen sie dem Großen Bruder überm Teich. Und eben dies rächt sich in der heutigen Krise.

Der Westen nähert sich zwei Zielen. Einmal in zerbrechlicher, unklarer Form – und bislang nur dem Scheine nach – der Verbesserung der Demokratien, ein ander Mal in rückhaltloser Brutalität der Trump’schen Weltdiktatur mit technischer Unterstützung von Silicon Valley.

Ist das etwas Neues? Nur für deutsche Langschläfer. Wache Erlöserchristen wissen schon lange, worum es geht: es geht um das Ende der nahenden Geschichte und um die baldige Wiederkunft des Herrn. Dann aber drängt sich die Frage: auf: wer wird den Sieg der Heilsgeschichte erringen?

Eine rationale Demokratie kennt kein Ziel in einer begrenzten Geschichtszeit, sie kennt nur das zirkuläre Ziel eines menschenwürdigen Lebens der gesamten Menschheit.

Die Frommen, sei es als technische KI-Despoten, sei es als heilsgeschichtlich Erwählte, sehen immer deutlicher das nahe Ziel ihrer Herrschaftsgelüste: die Despotie der ganzen Erde mittels einer weltweit verbundenen Digitalisierung. Wer unfähig ist, eine wirksame Gegendigitalisierung zu erfinden, wird in einer unermesslichen Müllhalde landen.

Wir befinden uns in der Adventszeit. Advent ist die Ankunft des Herrn, womit „Goldene Zeiten“ (Trump) beginnen werden.

Die Frommen werden singen:
„Er will hier seine Macht und Majestät verhüllen, bis er des Vaters Willen im Leiden hat vollbracht.“
(Michael Schürmer, Nun jauchzet all ihr Frommen, 1640)

Die Zeiten des Leidens sind vorüber. Nun beginnt das strahlende Finale.
„Frischauf in Gott, ihr Armen, der König sorgt für euch; er will durch sein Erbarmen euch machen groß und reich. Was Menschen nur begehren, das steht in seiner Macht.“
(Johann Rist, „Auf, auf, ihr Reichsgenossen,“ 1651)
(Beide im Adventskrieg kurz nach dem 30-jährigen Krieg)

Die Segnungen des Finales kommen nur Erwählten zugute: einem winzigen Häuflein technischer Genies, die den Ruf des Herrn verstanden haben. Gelobet seid ihr, ihr superschlauen Assistenten des Herrn.

Fortsetzung folgt.