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Die ERDE und wir. XXXIX

Tagesmail vom 16.12.2024

Die ERDE und wir. XXXIX,

Zurück zum Ursprung?

Sprengen wir momentan alle schlechten Krustenbildungen der Weltgeschichte in die Luft, um die Ursprünge unserer Existenz freizulegen?

Wäre der Ursprung des Menschseins gut gewesen, wie hätten die folgenden Ereignisse der Geschichte schlecht sein können?

Nicht alles ist eine Katastrophe, was heutzutage geschieht. Schauen wir in alle Windrichtungen: nach Korea, nach Syrien und und und, ja, selbst nach Amerika: überall Menschen, die das Unerträgliche nicht mehr ertragen und die Verhältnisse verbessern wollen. Musk ist nicht der Maßstab der Mehrheiten.

„Heiner hat in der Küstenstadt Bagamoyo Menschen getroffen, die aus den USA nach Afrika gezogen sind. Sie nennen sich nicht Auswanderer, sondern »Rückkehrer«. Viele kamen ab 2019, als Ghana das »Year of Return« ausrief und das Bewusstsein für Rassismus und strukturelle Diskriminierung in den USA durch den Tod von George Floyd in Minneapolis 2020 noch einmal wuchs. Während der Pandemie zogen dann US-Amerikaner nach Tansania, wo es keinen Lockdown und keine Einreisebeschränkungen gab. Samson Jones ist einer dieser Menschen, die einen Neuanfang suchten in dem ostafrikanischen Land. Jones hat Heiner erzählt, er habe sich in seiner Heimat USA immer fremder gefühlt. »Außerdem wollte ich herausfinden, wo ich herkomme.«“ (SPIEGEL.de)

Diese Amerikaner wollen zurück zu ihrem Ursprung, nicht nur, um ihre Urheimat kennenzulernen, sondern um sie zu reformieren und aus dem Elend zu führen. Afrikanische Menschen sollen nicht miserabler leben als der Rest der Welt. Was für ein wunderbares Ereignis.

Und wieder eine Frau, die den Verfall der amerikanischen Demokraten nicht länger dulden will: Alexandria Ocasio-Cortez:

„Alexandria Ocasio-Cortez will dabei zu einem der wichtigsten Gesichter des Widerstands werden. Die mediengewandte 35-jährige Abgeordnete aus New York macht dem 74-jährigen Gerry Connolly aus Virginia den Spitzenposten im Aufsichtsausschuss streitig. Gerungen wird um das künftige Erscheinungsbild der Demokraten. Als sogenanntes ranking member würde Ocasio-Cortez zur Wortführerin der Partei in den Anhörungen des mächtigen Kongressausschusses.“ (Sueddeutsche.de)

Das ist das Hauptproblem aller Religionen, die einen guten Gott haben, aber nicht wissen, wie das Böse zustande kam.

Vergleichen wir die beiden Anfangsgeschichten der Bibel, im Alten Testament und im Neuen Testament, und wir werden die Ähnlichkeiten nicht übersehen:

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. 2 Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“

Wieso war die Erde wüst? Und woher kam der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen? Und weshalb war Erkenntnis so böse, dass man sterben musste, wenn man von ihren Früchten aß?

Für Griechen war Erkenntnis etwas, worauf der Mensch stolz sein konnte. Für Antiphon war Denken die beste Tätigkeit des Menschen:

„Nur das Denken erkennt die Welt als eine Einheit. Das All-Eine, der Kosmos, die Natur, fällt für Antiphon … mit der Gottheit zusammen.“ ( in Nestle, Vom Mythos zum Logos)

Und woher kam die listige Schlange, die Eva zum Bösen verführte? Kaum war die Welt erschaffen, schon schwamm sie in einer Brühe des Bösen, wie heute in einer Brühe mit Plastikmüll.

Gott als das All-Eine schließt eine in Gutes und Böses gespaltene Schöpfung aus.

Die Schlange als Symbol der Natur ist das Böse, das der Mensch erkennen soll – also doch Erkenntnis als Voraussetzung des Guten –, um die allein gute Natur zu bewahren.

Die moderne Naturzerstörung beruht auf dem Glauben an eine böse Natur, die von allem Bösen gereinigt werden muss, um zum allerersten Naturzustand – dem Paradies – zurückzukehren. Die Erlöser der Natur sind Menschen, die mit ihren genialen Maschinen die böse Natur durch eine maschinelle ersetzen wollen. Kurzweil & Co mit ihrer genialen KI spielen die modernen Erlöser der Natur.

Die Erfinder des allmächtigen und allgütigen Gottes zerbrachen vor dem Rätsel: wie kann ein gütiger und allmächtiger Gott das Böse akzeptieren, ohne seine gute Schöpfung zu zerstören?

Wie kann man eine Schöpfung gut nennen, wenn am Ende ihrer Zeit nur eine winzige Minderheit ein neues Paradies erreicht, aber die überwältigende Mehrheit dem höllischen Verderben verfällt?

Das war der Anfang im Alten Testament. Wie aber steht’s im Neuen Testament?

„Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.[1] 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.[2] 4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.“

Alles war am Anfang im Licht präsent – dennoch ist plötzlich die Finsternis da. Woher und warum? War der Schöpfer doch nicht allmächtig?

„Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“

In beiden Anfangsberichten ist der Stachel des Bösen von Anfang an Bestandteil der „heilen“ Schöpfung.

Ratschlag an alle zukünftigen KI-Religionserfinder: wollt ihr einen wirklich perfekten Schöpfer, dann lasst das Böse weg. Euer Problem wird sein: wie könnt ihr eine Welt ohne Böses schaffen? Sind das eure phantastischen Träume?

Wer jemals die Bibel durchgelesen hat, wird nicht ohne den Eindruck davonkommen: da müht sich ein angeblich perfekter Gott und schafft es nicht, sein missratenes Werk zu perfektionieren. Seine Schöpfung ist ein Murks. Das erzürnt den nicht genialen Schöpfer derart, dass er nichts anderes im Kopf hat, als sein Machwerk zu zertrümmern.

„Als aber der HERR sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, 6 da reute es den HERRN, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen, 7 und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe. 8 Aber Noah fand Gnade vor dem HERRN.“

Gott bereut es, dass es ihm nicht gelang, die Menschen als gute Wesen zu schaffen. Also greift er zum Plan B: wenn nicht alle Menschen gut sind, so wenigstens einer: Noah und seine Nachkommen.

Stopp, selbst das stimmt nicht: auch Noah ist nicht gut, er findet nur Gnade vor Gott.

Warum nur er? Welche Leistungen hat Noah vollbracht, dass er eine separate Ausnahme unter den Menschen ist?

„Da sah Gott auf die Erde, und siehe, sie war verderbt; denn alles Fleisch hatte seinen Weg verderbt auf Erden. 13 Da sprach Gott zu Noah: Das Ende allen Fleisches ist bei mir beschlossen, denn die Erde ist voller Frevel von ihnen; und siehe, ich will sie verderben mit der Erde.“

Für Gläubige sind dies alles spitzfindige Fragen. Erkennen der Dinge durch Logik ist bei ihnen Teufelswerk. Logik ist Erfindung der Heiden, die alles, was sie zu erkennen glauben, durch rationale Logik – oder Vernunft – absichern müssen.

Solche Absicherungen haben Gläubige nicht nötig: alles, was Gott geoffenbart hat, ist so vertrauenswürdig, dass Glauben genügt. Misstrauisches „Falsifizieren“ – wie Popper sagen würde – ist überflüssig.

Moment mal. Kann es sein, dass wir – ohne es zu bemerken – mit der religiösen Schöpfungsgeschichte die Urgeschichte der KI in Silicon Valley erzählt haben?

War Gott nicht auch ein optimistisches Supergenie, das mit einer perfekten Erfindung prahlen wollte? Kaum waren ihm die ersten Schritte gelungen, fiel ihm auf, welchen Pfusch er erfunden hatte?

Dieser naive, sich für allmächtig haltende Gott, ähnelt den heutigen Fortschritts-Maschinisten bis aufs I-Tüpfelchen. Jaja, jetzt randalieren sie, die Fortschrittsfanatiker: ihr kleingläubigen Pessimisten traut der ganzen Menschheit nichts zu. Lieber tut ihr nichts als etwas Riskantes. Hätte euer Gott so ängstlich gehandelt, hätte es weder Natur noch furchtlose Erfinder gegeben.

Also sagen wir euch: hört auf mit eurer Miesmacherei und traut euren genialen Erfindungskräften etwas zu.

„Halb voll statt halb leer: Statt allzu oft auf die eigenen Schwächen zu schauen, sollten die Deutschen auch mal das Gegenteil tun. Es gibt genug Grund für mehr Selbstvertrauen.“ Lange waren sogenannte Schmerztagebücher ein Mittel der Wahl, in denen Patienten täglich über das Ausmaß ihrer Pein Auskunft gaben. Sich aber immer nur auf das Leiden zu konzentrieren, entpuppte sich als kontraproduktiv, wenn man gesund werden möchte.“ (Sueddeutsche.de)

Früher gingen wir mit unseren Vorzügen und Fähigkeiten hausieren, heute jammern wir die Welt mit Neurosen und Depressionen zu. Je mehr wir leiden, desto ergreifender ist unsere Leidensgeschichte. Wer ein brillantes Buch schreiben will, darf keinen Musk oder Trump erfinden. Da würden die Leute vor Abscheu spucken.

Die Furchtlosen hingegen kennen kein Risiko, dem sie ausweichen würden. Je gefährlicher die Zukunft, umso toller ihr Genie, das keiner Gefahr ausweicht.

Warum nicht, wenn es nur um ihr persönliches Schicksal ginge? Doch was, wenn die KI-Kraftmeier eine Welt herstellten, die die Existenz des Menschen – oder genauer die freie oder humane Existenz – für immer in Trümmer legen würde?

Wer ihre KI-Zukunft anzweifelt, erhält nur eine geringschätzige Handbewegung. Bleibt uns gestohlen mit euren Ängsten. Wer Herr der Zukunft werden will, muss seine kindischen Ängste abgeschaltet haben.

Diese peinliche Kritikasterei mit allen möglichen Gefahren, die uns drohen, wenn wir weiterhin die Zukunft mit unseren Erfindungen malträtieren – das geht uns auf die Nerven.

Gewiss gibt es die Gefahr des resignierenden Pessimismus, wenn man nur gegen alles ist. Doch hier übersehen die Fortschrittsgläubigen eine Kleinigkeit:

Kritik ist keine Schwarzmalerei, sondern das Gegenteil. Jeder Motorradfahrer wird seine Maschine auseinandernehmen müssen, wenn er die Gründe ihres Versagens herausfinden will. Erst dann kann er sie fachmännisch reparieren.

Eben das ist Kritik der Vernunft. Erst wer die realen Gefahren ausfindig macht, kann den Menschen zeigen, wo sie zur Reparatur ansetzen müssen.

Lamentieren und nörgeln ist nicht kritisieren. Kritik kommt von Erkennen und muss mit überlegenen Argumenten überzeugen. Die Polis war das Revier des logischen Streits. Heute ist die Polis versenkt, es wird nur noch vom – preußischen oder autoritären – Staat gesprochen.

Heute gibt es auch kein Erkennen per Vernunft mehr. Die führenden Ökonomen spucken auf alles Rationale. Sie vertrauen der Omnipotenz der Natur oder eines Gottes, die am besten wissen, wie die ökonomischen Gesetze funktionieren:

„Die Überschätzung des Verstandes, so Hayek, führe die politischen und geistigen Eliten zu dem Irrglauben, das jeweilige Werte- und Regelgerüst einer freien Marktgesellschaft „vernünftiger“ gestalten zu können. Dieser Versuch muss regelmäßig scheitern und die betreffende Ordnung zerstören …“ (Jesus, der Kapitalist, Das christliche Herz der Marktwirtschaft, von Robert Grözinger)

Die Moderne und ihre gegenwärtigen Krisen sind dadurch entstanden, dass der Vernunft der Aufklärung abgesagt worden ist. Sie ist – und das ist ihre momentane Rechtswendung – zum blinden Glauben des Mittelalters zurückgekehrt.

Noch immer stehen wir im verbissenen Scharmützel zwischen Glauben und Vernunft, blindem Gehorsam und logischem Überprüfen. Es gab einige Zwischenphasen, in denen die Mächtigen mit der Vernunft kokettierten, doch das ist Schnee von gestern:

„Die Leute haben zunehmend Angst vor der Freiheit. Sie wollen vom Staat abhängig sein. So wie die Dominanz der Kirche dahinschwand, so wurde der individuellen Freiheit allmählich abgeschworen durch das Abdriften der Autorität von Gott – zum Staat. Der Staat hat Gott als Elternersatz abgelöst. Wenn sich die Steuerillusion des modernen Staates enthüllen wird, wird dieser sozialdemokratische Gott stürzen.“ (ebenda)

Vorsicht, es gibt heute – wie fast von allen Begriffen – zwei Formen der Freiheit:
Die klassische Freiheit war die Autonomie des Einzelnen im Schutz einer sozial-orientierten Demokratie.
Die neoliberale Freiheit ist das Gegenteil: die Menschen sind untertan übermenschlichen Schicksalsgesetzen, die jede Autonomie des Menschen verunmöglichen.

Freiheit von Gott ist Untertänigkeit unter den Staat. Untertänigkeit unter den Staat – oder blinder Gehorsam unter die Obrigkeit – ist totalitäre Unterwerfung unter den Teufel.

Frage: wie heißt die voluminöse Autobiografie unserer einst so tüchtigen Pastorentochter, das Spiegelbild der Deutschen – und was wollte sie damit sagen?

Freiheit – womit sie die Freiheit des Wirtschaftswachstums meint.

Fortsetzung folgt.