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Die ERDE und wir. XXXIV

Tagesmail vom 29.11.2024

Die ERDE und wir. XXXIV,

„Wenn Israel Deutschland freigibt, wird es der Welt besser gehen. Das wird unser Beitrag für die Leidenden der Welt und die gegenwärtig Verfolgten sein. Wenn das jüdische Volk erkennt, dass die Shoa … nicht nur uns betrifft, wir kein Monopol daran besitzen, dass es zwar unsere Katastrophe ist, dass sie aber die gesamte Menschheit betrifft und wir Teil einer wachsenden Völkerfamilie sind, die nicht bereit ist, hinzunehmen, dass einem Volk Schaden zugefügt wird – dann und nur dann wird das jüdische Volk in der Lage sein, diesem Bestreben sein Deutschland zu „schenken“. Vielleicht ist eine jüdisch-deutsche Vision einer besseren Welt möglich, eine Vision, die das wunderbare deutsche Judentum vom Zeitpunkt seiner Vernichtung weiterführt, Es war ein Judentum, das auf Friedfertigkeit, Versöhnung, hoher Kultur, Identität, Wurzeln und Moderne, Judentum und Universalismus, Glaube an den Menschen und unendliche Unschuld bis zu seinem Ende basierte. Und nun, da Deutschland anders ist und die Ideen seiner Juden annehmen kann, sind sie fort. Verloren und vergessen.“ (Avraham Burg, Hitler besiegen)

Die Jubilarin dieser Tage hingegen unterstützt die erbarmungslose Rache an allen, die sich dem eigenen Trauer-Triumphalismus in den Weg stellen. Die es fertig bringen, ein schreckliches Völkerverbrechen als Legitimation für weitere Völkerverbrechen auszubeuten.

Die Jubilarin dieser Tage, die es nicht verschmäht, im Siegeszug durch die Lande zu reisen, den Papst und seine Sprüche – „biegen, biegen, biegen, aber beachten, dass es nicht bricht“ – mit ins Boot zu holen, die Kluft zwischen Luther und Vatikan zu kitten – aber nicht davor zurückschreckt, das Judentum zu einem bedingungslos hassenden Volk zu erniedrigen: diese Jubilarin wird von den Nie-wieder-Deutschen in den Himmel gehoben.

Selbst wenn sie keine weiteren Fehler gemacht hätte, welche völkerverbindenden Ziele hätte sie zu erreichen versucht?

Keine größere Schande für die deutschen Täter, als sich, diesmal unter dem Schein des Gegenteils, erneut als Verbündete am Völkerverbrechen, diesmal der früheren Opfer, zu beteiligen.

Was sagen die vor Frömmigkeit triefenden Ultramächtigen Israels?

„Palästina? Wir kennen kein Palästina. Wir kennen keine Palästinenser. Wer sich uns als Feind gegenüberstellt, den werden wir ausrotten.“

Das schreit zum Himmel. Hier wird nur noch zerbrochen, zerstört und in den Staub getreten – aber mit der unbedingten Loyalität einer deutschen Pastorentochter.

Friede, dieses Wort scheint die Jubilarin nicht zu kennen. Im Auftrag ihres himmlischen Herrn bringt sie keinen Frieden, sondern das Schwert. Nein, selber schwingt sie nicht das Schwert, solche blutigen Angelegenheiten überlässt sie anderen. Aber sie jubelt mit, wenn die Köpfe der Bösen rollen.

Und ganz Deutschland, das plötzlich aufgewacht ist, um die einst umjubelte Domina Germaniae kritischer zu sehen, – schweigt.

„Ob das Eingestehen von Fehlern ein Gütesiegel sei?“

Selbstkritik ist kein Akt der Güte, gar einer gnädigen Güte, sondern das Siegel einer intakten, quicklebendigen Demokratie, die durch Selbstkritik und Kritik an den Mächtigen ihre Souveränität beweist.

Haben wir Popper vergessen und seine Betonung der Kritikfähigkeit jeder Theorie und jeder politischen Praxis?

Was nicht widerlegbar ist, kann nicht wahr sein. Klingt selbstverständlich!? Ist in Dunkelgermanien aber fast unbekannt.

Wer hierzulande kritisiert, um Recht zu behalten, ist ein verdammter Besserwisser. In allen Dingen sollen die Jüngsten in der Schule schon besser sein als ihre Klassenkollegen, in den allerwichtigsten Disziplinen aber sollen sie die Klappe halten – oder sagen wir so: können sie zwar hochtönend daherpalavern, aber nicht mit dem Anspruch, Andersmeinende niederzuringen.

In Silicon Valley können sie die Welt untertan machen, als Verbündete Trumps alle Andersdenkenden ausschalten, aber niemals mit dem Anspruch, der Wahrheit näher zu sein.

Wahrheit? Um Himmelswillen. Was ist das für ein Ungetüm? Kann man das etwa berechnen, können wir uns damit was kaufen?

Zum Teufel mit dieser archaischen Wahrheit. Wir, die wir an der Macht sind, kennen nur eine Wahrheit – und die stammt von Oben, merk dir das!

Die Jubilarin will gerühmt werden? Obwohl sie keine Kritik kennt, kaum Fehler zugibt. Und das in der neuen deutschen Demokratie, die mühsam das demokratische Einmaleins lernen musste.

Lernen ohne Selbstkritik ist wie Schreiben ohne Korrigieren, Erziehen ohne Fehlermachen, VWs produzieren, ohne sie je reparieren zu müssen.

Lernen ohne Fehler ist absolut, totalitär oder allwissend sein. Was folgt daraus? Niemals lernen. Auf der Stelle stehen bleiben. Lärm machen mit Begriffen, die niemand versteht, nicht mal der, der sie benutzt.

„SPIEGEL: Jetzt sind Sie frei von den Zwängen Ihres Amts, da könnten Sie deutlicher werden.

„Merkel: Das war ja nie mein Stil. Ich habe, vielleicht geprägt auch von der DDR-Zeit, gelernt, zwischen den Zeilen zu lesen. Dieses gegenseitige Übertrumpfen in vermeintlicher Klarheit halte ich nicht für eine politische Tugend. Es kann so viel Schlimmes passieren, dass ich die Superlative im Positiven wie im Negativen nicht vergeuden möchte.“ (SPIEGEL.de)

Kritisieren wäre die Notwendigkeit, den Konkurrenten in mühevoll erarbeiteter besserer Klarheit oder im strengen Disput zu übertrumpfen. Was man selbst für wahr hält, muss der Nachbar nicht für wahr halten.

Also raus auf den Marktplatz und mitten unter die Gemeinschaft der Mitdenkenden. Keine Talkshows mit endlos ratternden Schnellschwätzern, die kein Mensch mehr versteht, die nichts klären und endlos predigen wie lutherische Popen.

Die Dame musste zu oft unter die Kanzel ihres Vaters, jetzt zwingt sie andere, unter ihrer Kanzel auszuharren. Eine tolle Karriere: von der Kanzel zur Kanzlerin – mit der immer gleichen Robe. Fehlte nur noch das Beffchen.

„Zwischen den Zeilen zu lesen“ ist was anderes als eine scharfe Klinge zu führen. Klarheit ist die Lebensgrundlage einer lebendigen Demokratie. Klarheit ist logische Eindeutigkeit. Wer links blinkt und rechts abbiegt – wie ein grüner Politiker empfiehlt – der wirft alles über Bord.

Die Deutschen sind hinter die Aufklärung zurückgefallen, sie wurden schwafelnde Romantiker. Ja, die FDP hat die Ampel mit Lügen zertrümmert. Aber die anderen Partner haben die Ampel durch logik-freien Kompromissbrei längst in alle Teile zerlegt.

Keine einzige Partei war fähig, klipp und klar Stellung zu beziehen – und es dem Volk zu überlassen, welche Parolen es für richtig hält.

Es hat sich ein kaum erträglicher Schwachsinn eingeschlichen, wenn die Parteien versuchen, ihren Kurs nach dem vorangehenden Einverständnis des Volkes zu erfinden. Das ist nichts anderes als kollektive Korruption.

Ich tue, als dächte ich wie Du, dann wählst du mich – dann tue ich, was ich zuvor für richtig hielt. Geht’s noch? Jeder soll seine Überzeugungen kompromisslos an die Litfaßsäulen kleben, dann hat das Volk selbst auszusuchen, was es für richtig hält.

Streng genommen, sollten jene Parteien gewinnen, deren Meinungen – ohne Vormanipulationen – „zufällig“ den Meinungen der Wähler entsprechen. Alles andere in die Tonne. Die Griechen sprachen von rhetorischer Überrumpelung. Doch wie lautet das Evangelium des Tages: geh mir zur Hölle mit den Griechen. Lieber noch Musk & Trump, da wissen wir, dass wir angekohlt werden.

Als Scholz einmal außer Rand und Band, also authentisch war: fand man das in höheren Kreisen nur lächerlich:

„Als Olaf Scholz sich so ungeschminkt äußerte, gab es schon auch ein bisschen Unwohlsein im Publikum. Manche dachten: Wenn unser Bundeskanzler so außer Rand und Band ist – ogottogott – wie schlecht steht es dann um unser Land?“

Ist Wahrheit nicht das genaue Gegenteil von verkrampfter Schauspielerei? Wäre die Ampel-Katastrophe nicht vermeidbar gewesen, wenn die hohen Damen und Herrn offen und ehrlich gewesen wären? So haben sie nur wochenlang Lindnerei, Scholzerei und ein bisschen Habeckerei vorgespielt. Und das soll besser sein als „deutsch-lutherische“ Offenheit: Hier stehen wir, wir können nicht anders?

Wer außer Rand und Band ist, ist es nur deshalb, weil er allzu lange die Fassade zeigte, aber nicht, was hinter den Fassaden rumort. Haben wir Freud vergessen?

Wo Es war, soll Ich werden? Ja, ES kann schwer erträglich sein, da wüten die Kräfte des Abgrunds. Gerade deshalb müssen diese Elemente in einem vitalen demokratischen Leben portionsweise an die Luft ventiliert werden, um ES erträglich zu gestalten.

Das heißt, die Gefühlsabgründe des Einzelnen müssen sich im sozialen Mit- und Gegeneinander zum individuellen Ich hochentwickeln, zur Vernunft, die fähig ist, die verheerenden Gemütsmächte in rationales Verhalten zu transformieren.

„Merkel: Kleine Koalitionspartner wie die FDP, die CSU auf Bundesebene und lange Zeit die Grünen tun sich immer schwer damit, das Gesamtwohl im Blick zu haben, sondern denken, sie müssten ihren Anhängern, die oft nicht das gesamte politische Spektrum oder die ganze Bundesrepublik umfassen, etwas Besonderes bieten.“

Es wird immer bunter. Ausgerechnet die Kleinen sind die Dümmsten, die Großen haben stets das Gemeininteresse vor Augen? Dann waren die siegreichen Nazis wohl diejenigen gewesen, die das Gesamtinteresse des Landes am besten verfolgten.

Wahrheit, oh Pastorentochter, hat nie etwas mit Macht und Herrlichkeit zu tun, sonst hätte kein Einzelner als Erlöser sich als Offenbarung aufblasen dürfen. Viele sind berufen, wenige sind auserwählt.

Wo aber sind die wirklichen Probleme zwischen Deutschland-Ost und Deutschland-West, die uns noch heute das Leben schwer machen?

Was ist mit Luther, dem schlimmsten Antisemiten, dem man ein ganzes Jubeljahr widmete – ohne seine Judenfeindschaft an die Wand zu knallen? Und was ist mit Marx, dem Heiligen des Sozialismus: konnte er als Jude kein Antisemit sein? War er nur Selbsthasser?

Hatte Pastor Gauck keine Schwierigkeiten mit dem Vater der späteren Kanzlerin, weil dieser dem SED-Staat zu nahe gerückt war?

Die deutsch-deutsche Mauer war eine der schwierigsten Grenzen im Tun und Denken der ganzen Welt. Der Kalte Krieg war die Polarität zwischen freier Meinung und sozialistischer Gängelung, zwischen Aufklärung und Zwangsbeglückung.

Doch für unsere Bücherschreiberin gab es in all diesen Punkten nie ein Problem. „Ideologisches Geschwätz“ ließ sie verächtlich links liegen. Nichts für eine Physikerin, die alles „vom Ende“ her betrachtet.

Von welchem Ende? Dem Ende der Weltgeschichte oder dem Ende Deutschlands?

Wenn die Kanzlerin etwas nicht tat, dann war es, alles von einem Ende her zu betrachten. Denn ein solches als Ziel und Kriterium des eigenen Tuns, gab es für sie überhaupt nicht.

Streng genommen, betrieb sie gar keine Politik, sondern schaute nur, was sich wohin bewegte – und dann sprang sie auf. Sie war eine bloße Mitläuferin.

Als Tochter des Himmels sollte sie den Lauf der Welt mitbestimmen? Da müsste sie verrückt gewesen sein. Sie wusste, was ihre Pflicht war:

„Gegen die orthodoxe Sattheit des lutherischen Pastorats, welches sich im Gegensatz gegen die Innere Mission auf die kultische Predigt zurückzog und zu sagen wagte, der lutherische Pastor habe keinen Beruf, noch Pflicht, noch Recht, den entfremdeten oder verlorenen Schafen mit seiner Seelsorge nachzugehen und sie aufzusuchen – gegen diese Auffassung des Pfarramtes empörte er sich. (Pastor Aime Huber in Lütgert, Das Ende des Idealismus im Zeitalter Bismarcks)

„Merkel macht die eitlen Alters- und Dienstaltersfehler nicht. Sie stellt sich auch nicht wie ein Denkmal an den Wegesrand, um schon für die Ruhmeshalle zu üben, wie das Helmut Kohl, statt zu regieren, in seinen letzten Kanzlerjahren getan hat. Diese Art von Monumentalität ist Merkels Sache nicht. Sie macht, was sie immer gemacht hat: Sie regiert, sie tut es fleißig, manchmal schlecht, manchmal recht, aber immer zuverlässig und mit der Detailakribie, die sie auszeichnet, und der verschwurbelten Rhetorik, die sie kennzeichnet. Das unterscheidet sie von ihren Vorgängern: die selbstverständliche Selbstverständlichkeit der Pflicht. Sie regiert und regiert und regiert nach ihrem gewohnten Takt. Sie macht keine Mätzchen, dreht keine Pirouetten, bleibt bei der Sache – ziemlich interessiert auch an innenpolitischen Details.“ (Sueddeutsche.de)

Welche Pflicht, Herr Prantl, wenn man alles seinem Gott überlassen muss? Sie ist doch keine Kantianerin. Es wäre schon viel, wenn sie mal ein Buch des kühlen Ostpreußen in der Hand gehabt hätte. Nein, sie ist nur eine nüchterne Wissenschaftlerin, sie kann nur zählen und rechnen. Was den „Geist“ betrifft, ist sie rat- und ahnungslos.

Hat sie jemals erklärt, warum sie jährlich, in feierlicher Robe, nach Bayreuth pilgerte? Wusste sie nicht, welche Bedeutung Wagner für Hitler hatte?

„Gewiss, es ist viel „Hitler“ in Wagner, und das haben Sie ausgelassen, mussten es natürlich auslassen – wie sollten Sie das Werk, dem Sie dienen, mit Hitler in Verbindung bringen?“ (Thomas Mann, „Richard Wagner und kein Ende“ in „Meine Zeit, Essays 45 bis 55)

Nein, Merkel hat nichts mit Geist und Kultur am Hut. Was für Thomas Mann – als er noch „unpolitisch“ war – die deutsche Seele war, ist für sie Ökonomie und Wirtschaftswachstum. Muss genügen.

Das Merkwürdigste am Ende. Warum tun die Deutschen plötzlich so kritisch, obgleich sie die „Königin Luise“ 16 Jahre lang gewählt haben? Weil die Erwählte nicht anders ist wie sie: sie ist das nur leicht verzerrte Spiegelbild des deutschen Größenwahns.

Merkel, die Bescheidene, will von der ganzen Welt bewundert werden, Obama höchstselbst muss sie lobpreisen, obwohl kaum ein Amerikaner sie noch kennt.

Nur ein Kommentator hatte diese mediale „Selbstkritik“ im Auge:

„Sie hat immer darauf geschaut, was die Mehrheit der Bürger will, Meinungsumfragen abgewartet und dann entschieden. Sie vollzog durchgängig ein Plebiszit, fast wie in der direkten Demokratie. Wieso sind uns all diese Versäumnisse, diese Hypotheken, diese Fehler aber nicht früher aufgefallen? Medien, die die Kanzlerin über ihre Amtszeit in höchsten Tönen als uneitel lobten, werden nun zu Kritikern. Ich frage mich, ob wir die Probleme nicht selbst verschwiegen und damit die Bürger im Unklaren gelassen haben.“ (Berliner-Zeitung.de)

Ist das denkbar? Die Unvergleichliche studierte nur die Umfragen – dann wusste sie, was sie zu tun hatte?

Die Deutschen wählten sie, weil sie das Spiegelbild ihrer nationalen Politunfähigkeiten war. Was ihr gelang, war einzig und allein: die deutschen Inkompetenzen konnte sie perfekt in mütterliche „Güte und Barmherzigkeit“ verpacken. Damit wurde sie die perfekte Palliativ-Therapeutin der deutschen Pathologie.

Früher hätte man von Römer 13 gesprochen: seid untertan der Obrigkeit!

Fortsetzung folgt.