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Die ERDE und wir. XXVIII

Tagesmail vom 08.11.2024

Die ERDE und wir. XXVIII,

Trump hieß früher Mastema, Belial oder Satan. Er ist wiederauferstanden oder konnte so lange leben wie sein Herr, der Schöpfer und Vernichter der Erde, ihn am Leben ließ.

Man muss in die Katakomben der Menschheit hinuntersteigen, um zu erfahren, was den homo sapiens noch heute antreibt, um zu sündigen und Natur und Mensch zu zerstören.

Freud nannte die Katakomben der Menschen ihr Unbewusstes. Der Erlöser hatte es formuliert: „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Im Unbewussten herrscht, nach Freud, vor allem der Todestrieb: „Ein Trieb, der im Gegensatz zu den Lebenstrieben, nach vollständiger Aufhebung der Spannung strebt, d.h. danach, das Lebewesen in den anorganischen Zustand zurückzuführen.“ (Vokabular der Psychoanalyse)

Der Erlöser war auf die Welt gekommen, um Sünder zu erretten – die nicht wussten, was sie getan, schon gar nicht, wie sie gesündigt und gefrevelt hatten.

Für Gläubige ist Sünde, Missetat, Verbrechen der Kern der Geschichte – ein Vorgang des Unbewussten. Wer weiß schon, warum er Verbrechen begeht. Weil er es nicht weiß, zimmert er sich seine erfundenen Gründe zurecht.

Was wir sehen, worüber berichtet wird, was Gazetten und dicke Bücher füllt, was Kinder lernen und Gebildete wissen müssen – alles uninteressant.

Denn all dies spielt sich auf der Oberfläche ab, auf Plätzen, in Markthallen, auf Schlachtfeldern, in den Häusern und Palästen: im Bereich des Bewussten.

Das Bewusste aber ist keine inhaltsgleiche Wiederholung des Unbewussten, sondern eine verkürzte, verformte oder verdrängte Form des Ursprünglichen.

Vom Bewussten kann man nicht einfach auf das Unbewusste schließen, denn zwischen beiden Bereichen steht eine fast undurchdringliche Mauer, die man erst mühsam zerlegen muss, wenn man wissen will, wie sich Bewusstes und Unbewusstes zueinander verhalten.

Wir sprechen von einem Lernvorgang, wenn wir vom Bewussten zum Unbewussten hinuntersteigen. Dieses emotionale Lernen, diese Selbsterkundung ist in technischen und kapitalistischen Kulturen nicht vorgesehen, ja sie ist geradezu verfemt.

Denn es hindert den Menschen, den Fortschritt ins Endlose vorwärts zu treiben: der Fortschrittler schaut stets nach vorne in eine unbekannte Zukunft und verabscheut die verdrängte und menschenfeindliche Vergangenheit.

Da der Mensch nicht weiß, was ihn unbewusst treibt, erkennt er auch nicht, wohin seine Reise in die Zukunft gehen wird. Erkennen ist immer eine Linie ziehen zwischen Ursprung, Gegenwart und Zukunft.

Wo kommen wir her, wo stehen wir heute, wohin geht die Reise?

Der Mensch sieht nur, was vor Augen ist – Gott sieht das Herz an. Das Herz ist das Unbewusste seiner Vergangenheit, die er mühsam erforschen müsste, um sich keine Illusionen über sich zu machen. Einmal ist er schlimmer als er zugeben kann, einmal wesentlich besser, als er sich traut laut zu sagen.

Die technischen Zukunftshelden der Gegenwart vermeiden mit aller Anstrengung ihre unappetitliche Vergangenheit, weshalb sie mit blinder Wut nach vorne drängen. Mit genialen Maschinen versprechen sie der Menschheit eine fantastische Zukunft.

Doch wenn diese Zukunft wieder einmal Realität wurde und die Menschheit mit schrecklichen Übeln bedroht – wie einst die Atomphysik – wehren sie lakonisch ab: wir waren nur zuständig für die technische Erfindung, was die Menschheit daraus machte, war allein ihr Problem.

Dasselbe geschieht heute mit der KI: welch wunderbare Erfindung, die den Menschen himmelweit übertrumpfen wird. Wenn aber diese KI die Menschheit perfekt im Griff haben wird, gibt es nur noch läppische Hinweise auf Orwells Zukunftsroman.

Kann man sich vorstellen, dass es Erfindungen gibt, die von ihren Genies erst der Menschheit präsentiert werden, bevor sie massenhaft produziert und über die Welt verteilt werden?

Nein, erfinden heißt herstellen, herstellen heißt die Welt beglücken, beglücken heißt die Welt solange geißeln, bis sie nur noch japsen kann.

Trump ist ein Produkt der Katakomben:

„Aber die Dämonen hatten einen Anführer, Mastema, und dieser erbat sich von Gott eine Gunst: einige der Dämonen sollten unter seinem Befehl auf der Erde bleiben, um die Menschen zu verderben und in die Irre zu führen. Beeindruckt von Mastemas Argument, „groß ist die Bosheit der Menschenkinder“, erklärte Gott sich einverstanden, sie auf diese Weise der Versuchung auszusetzen … Und seit der Zeit schickt Mastema oder Satan oder Belial sein Dämonenheer aus, um „Gottlosigkeit und Sünde und jedes Vergehen zu tun, zu vernichten und zugrunde zu richten und Blut auf der Erde zu vergießen“ – und außerdem die Menschen dazu zu verleiten, desgleichen zu tun.“ (Norman Cohn, Die Erwartung der Endzeit)

Der allmächtige Gott wurde erfunden, um die vielen Götter der rivalisierenden Völker in den Schatten zu stellen. Doch die Eigenschaft der Allmacht hatte immer den Nachteil: sie konnte nicht erklären, warum die Übel auf Erden nicht ausgerottet werden konnten. Wenn der Schöpfer allmächtig und allgütig war: warum vertilgte er nicht selbst die Sünden der Welt, mit denen er seine Geschöpfe bestrafte?

Die Allmacht musste also noch vollständiger werden, um das gute und schlechte Geschehen auf Erden zu erklären: hier wird der Teufel als Knecht Gottes erfunden.

Der Teufel oder Mastema hatte zwei Funktionen, die für moderne Ohren nie zusammenpassen: er war Feind und Knecht des Allmächtigen. Als Feind waren seine Bosheiten auf der Welt verständlich, wie aber kam er dazu, gleichzeitig als Knecht das Böse im Auftrag Gottes zu bekämpfen?

Zur Vertilgung des Bösen brauchte Gott eben jenen, der das Böse selbst unter den Menschen verteilte: den Teufel.

Gottes Auftrag an seinen Knecht war klar: der Teufel musste zum Erfinder der Dialektik werden. Nicht die Griechen, nicht Hegel hatten die Dialektik erfunden, sondern Belial im Himmel, der ambivalente Knecht Gottes. Er musste das Böse erfinden um es zugleich, im Auftrag des Höchsten, wieder zu vertilgen. In der Dialektik war jedes Böse zugleich etwas Gutes, das den Fortschritt der Geschichte unterstützte.

Die Sünde war nicht nur böse, es gab auch die „heilige Sünde“, die etwas Gutes hervorbrachte.

Dan Michman schreibt in seinem Buch „Die Historiographie der Shoah aus jüdischer Sicht“:

„Die Shoah wurde als ein Schmelzofen betrachtet, durch den die Juden gehen mussten, um gereinigt zu werden und wieder zum Rang des Volkes aufzusteigen. Daher dachten viele, dass es sich bei den Qualen und Verfolgungsmaßnahmen um die Vorstufe der Erlösung handele. Die vielleicht sogar der Ankunft des Messias vorausging. Huberband und Seidman führen viele Beispiele an für die im Ghetto Warschau verbreitete Endzeitstimmung. Trunk berichtet, dass manche in der Konzentration von Juden aus entfernten Orten an einer Stelle (im Ghetto) durch die Nazis die „Zusammenführung der Diaspora“ erblickten, welche den Beginn der Erlösung bedeutet.“

Die Folgerung läge nahe und klänge für Antisemitismus-Bekämpfer ungeheuerlich: die bösen Nazis wären demnach Werkzeuge des guten Gottes gewesen, der seine Erwählten mit ihnen retten wollte?

Hier muss nochmal Yakov Rabkin zitiert werden:

„Es gibt keinen Anlass, dem Henker die Schuld zu geben und noch weniger, sein Handeln durch politische, ideologische oder soziale Gründe zu erklären. Der Henker – sei es der Pharao, Amalek oder Hitler – … ist nichts weiter als ein Werkzeug zur Vollstreckung der göttlichen Strafe: ein grausames Mittel, das dem Zweck dient, die Juden dazu zu bringen, Buße zu tun. Dementsprechend sind die Katastrophen, die das jüdische Volk heimsuchen, auch nur durch die göttliche Vorsehung erklärbar. („Im Namen der Thora“)

Im Abendland kollidieren ununterbrochen zwei Arten von Schuld:
A) die dialektische Schuld der Erlöser, die zweierlei sein kann: das Gute und das Böse.
Und B) die logische der Hellenen: strikte Widersprüche können nicht zugleich Gutes oder Böses hervorbringen. Gutes bringt Gutes, Böses bringt Böses hervor.

Die Abendländer sind zumeist Dialektiker, weshalb sie vor allem den Moralismus hassen – den sie verdächtigen, heimlich das Böse zu transportieren. Dass ihr eigener Standpunkt ebenso die Moral – ja die allerbeste – repräsentiert, sehen sie nicht.

Mastema ist das Vorbild des Mephisto, der von sich sagt:

„[Ich bin] ein Teil von jener Kraft,
Die stets das Böse will und stets das Gute schafft. …
Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, daß es zugrunde geht;
Drum besser wär’s, daß nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.“

Hier entdecken wir den amerikanischen Geist, der noch immer religiös genug ist, hinter dem Teufel Trump das dialektisch Verheißungsvolle zu wählen. Die Amerikaner spüren, dass hinter seinem bösen Schabernack das Gute lauert. Könnte es nicht sogar sein, dass er für Wunder sorgen wird: Putin wird er zum Frieden verführen, ist Putins nordkoreanischer Freund nicht auch sein Freund?

Die Amerikaner ertrugen nicht länger die bigotten Predigten ihrer Kanzelredner. Sie wollten endlich Taten sehen. Deshalb ist ihnen ein Trump viel lieber, der mit dem Bösen flunkert – und damit vermutlich das Gute präsentieren wird.

Die Welt liegt im Argen. Es scheint, als ob sie kurz vor der Explosion stünde. In der Tat, die unbewussten Katakomben bersten von schlimmen Phantasien, Bosheiten und Gehässigkeiten. Irgendwie müssen sie sich erleichtern, sonst bringen sie die Erde zur Explosion. Also muss das kollektive Unbewusste mephistophelisch bersten, um nicht das ganze Natursystem zu vernichten.

Indem Trump scheinbar das Böse will, wird er das Gute vollbringen – das hoffen seine Bewunderer, die ihn als Mephisto durchschauen:

„Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut,
Dem ist nun gar nichts anzuhaben:
Wie viele habe ich schon begraben,
Und immer wieder zirkuliert ein neues, frisches Blut,
So geht es fort, man möchte rasend werden.“

Trump tut, als wolle er mit dem Bösen die Weltpolitik zugrunde richten. Zu welchem Zweck? Um Amerika wieder groß zu machen.

Seine Untertanen haben ihn mittlerweilen durchschaut und geben ihm Gelegenheit, seine Bosheit in das Gute zu verwandeln.

Es wird eine goldene Zeit werden, prophezeite der Gewählte, der plötzlich ein sanftes Gesicht zeigte. Womit er sich als wahrer Messias offenbarte. Woran ist die Endzeit der amerikanischen Heilsgeschichte zu erkennen? An seinem KI-Segen:

„Es werden Tage kommen, wo Weinstöcke wachsen werden, jeder mit 10 000 Reben, und an einer Rebe 10 000 Zweige, und an einem Zweig 10 000 Schosse und an jedem Schoss 10 000 Trauben und an jeder Traube 10 000 Beeren …

Uns als der Verräter Judas nicht glaubte und fragte: „Wie werden solche Erzeugnisse von dem Herrn zustande gebracht werden?“ da habe der Herr ihm gesagt: „Sehen werden es, die dazu kommen.“

Zum apokalyptischen Spektakel der Amerikaner haben die Deutschen nichts beizutragen. Von ihren Vorbildern und Beschützern verstehen sie nichts. Vor lauter blinder Bewunderung erkennen sie nicht, was sich im Land der Erwählten abspielt. Sie erkennen nur Hollywood.

Streng genommen müsste man sagen: die Deutschen haben nicht mal die Ebene der Politik erreicht. Schaut nur, wie sie im Berliner Sandkasten sitzen, sich Dreck in die Augen streuen und sich mit ihren rasenden Spielzeugautos sekkieren. Solches nennen die Deutschen – Demokratie.

Fortsetzung folgt.