Tagesmail vom 14.10.2024
Die ERDE und wir. XXI,
Nicht so pessimistisch. Nicht so übelgelaunt. Nicht so moralisch. Nicht so deutsch.
Kauft euch KI-Puppen, füttert sie mit optimistischen Aufbruchsgefühlen – und lasst euch von ihnen anstecken. Die KI-Puppen von früher hießen Behemoths:
„Siehe da, den Behemoth […] er frißt Gras wie ein Ochse. […] seine Kraft ist in seinen Lenden und sein Vermögen in den Sehnen seines Bauches. Sein Schwanz streckt sich wie eine Zeder; die Sehnen seiner Schenkel sind dicht geflochten. Seine Knochen sind wie eherne Röhren; seine Gebeine sind wie eiserne Stäbe. […] Er liegt gern im Schatten, im Rohr und im Schlamm verborgen. Das Gebüsch bedeckt ihn mit seinem Schatten, und die Bachweiden umgeben ihn. Siehe, er schluckt in sich den Strom und achtet’s nicht groß; lässt sich dünken, er wolle den Jordan mit seinem Munde ausschöpfen. Die Behemoths kennen keine Schwäche.“
Für Franz Neumann, den deutsch-jüdischen Politlogen war – in Amerika – Behemoth die „Struktur und Praxis des Nationalsozialismus.“
Also das Böse, das so schwer zu bekämpfen ist.
Florence Gaub will auch das Böse bekämpfen, das nicht ganz so böse ist wie früher, gleichwohl fähig, die Menschen in Schwermut zu stürzen, in Tristesse und Gelähmtheit.
„Wenn ich merke, okay jetzt werde ich emotional, dann mache ich die Tür zu. Bis sich das Nervensystem wieder beruhigt hat, dann kann ich wieder rational darüber nachdenken. Und wenn es ein Problem gibt, mit dem man sich wirklich auseinandersetzen will, lieber in die Tiefe gehen, Bücher lesen. Was ich zum Klimawandel immer empfehle, ist „Hoffnung für Verzweifelte“ von Hannah Ritchie. „Factfulness“ von Hans Rosling ist auch ein cooles Buch, weil es zeigt, dass vieles nicht so schlimm ist wie angenommen. Ich glaube, dass jetzt eine Phase kommt, in der es weniger um das Haben geht und mehr ums Sein. Zum Beispiel kommt die Bewegung für die Verkürzung der Arbeitszeit wieder in Schwung, und für viele jüngere Menschen sind Erfahrungen wichtiger als Besitztümer. Auch der starke Fokus auf die mentale Gesundheit ist etwas Neues. All das sind positive Trends – die wir uns natürlich nur deshalb erlauben können, weil wir einen gewissen Wohlstandsstatus bereits erreicht haben. 2050 wird das dominante Thema in Deutschland nicht mehr sein, wie viele Autos ich habe, sondern: Wie gesund bin ich? Wie glücklich? Wie gut sind meine sozialen Verbindungen?“ (Sueddeutsche.de)
Wer immer nur mit neuen Katastrophen brilliert, nützt den Menschen nichts. Er verstärkt nur ihre Unfähigkeit, sich neue Kräfte zu erwerben, sodass sie mit frischem Mut an die Arbeit gehen können.
Gaub benützt Fromms Begriffe Haben oder Sein. Haben hängt vom Reichtum der Menschen ab: jedermann ist nur so fit wie reich. Sein ist der Inbegriff aller Charakterfähigkeiten, die nicht von materiellem Reichtum abhängen.
Das wäre die Umkehr des ordinären Kapitalismus, bei dem die Superreichen die Besten und Menschenfreundlichsten sind – wie sie selber behaupten.
Nehmen wir an, der Kapitalismus wäre moralisch: hätten wir dann genug Supermilliardäre, um die Welt zu retten?
Stöcker zitiert eine Fachpublikation, die uns den letzten Saft aus den Knochen treibt:
„Wir stehen kurz vor einer irreversiblen Klimakatastrophe. Dies ist zweifellos ein globaler Notfall. Ein Großteil der Lebensgrundlagen auf der Erde ist gefährdet. Wir treten in eine kritische und unvorhersehbare neue Phase der Klimakrise ein.“ (SPIEGEL.de)
Warum gibt es keine Erklärung der Zuckerbergs und Musks, die uns Zuversicht einflößen könnten: bitte keine Unruhe auf Erden, wir Bevorzugten und Erwählten haben uns zusammengesetzt und uns geeinigt, wie wir die Welt ultimativ retten können. Vertraut uns, ihr Flaschensammler der Erde, wir sind bei euch. Warum sollte das Schicksal uns so begünstigt haben, wenn nicht dazu, die Geschenke des Himmels weiterzugeben an die Doofen und Schwachen?
Menschen, glaubt es endlich: wir Bevorzugten und Erwählten lieben euch. Schließlich sind wir nicht reicher, weil wir besser wären als die Menschheit, sondern weil Zeit und Zufall auf unserer Seite sind.
Hört die Urstelle unserer unverdienten Auszeichnung:
„Wiederum sah ich, wie es unter der Sonne zugeht: Zum Laufen hilft nicht schnell sein, zum Kampf hilft nicht stark sein, zur Nahrung hilft nicht geschickt sein, zum Reichtum hilft nicht klug sein; dass einer angenehm sei, dazu hilft nicht, dass er etwas gut kann, sondern alles liegt an Zeit und Glück.“
Nicht unsere Fähigkeiten sind es, die uns auf Erden bevorzugen, sondern „Zeit und Zufall“ oder wie auch immer ihr das übersetzen wollt.
Wozu aber brauchen wir Florence Gaubs psychische Erholungsfähigkeiten? Um den Fortschritt anzukurbeln, der momentan zu stocken droht?
Da jaulen alle Neoliberalen. Fortschritt ist endlos für sie, er hat kein irdisches Ziel als ein grenzenloses Weiter. Immer weiter durch die Tundra jagen die Tscherkessen.
Gaubs Tugenden müssten demnach unbegrenzte Hetz-Tugenden sein oder winzige Erholungen auf der endlosen Reise ins Nichts – also Tugenden für das Nichts?
Nein danke, wird da mancher sagen. Lieber jetzt den Geist aufgeben als endlos unsere CO2-Ausdünstungen ins Weltall pesten!
Kleine Frage: könnte es vielleicht sein, dass wir das Nichts vermeiden müssten? Dass wir uns – was uns heute von großmächtigen Fortschrittspropheten verboten ist – ein klares Ziel setzen müssten? Ein Ziel, welches das Gegenteil wäre von jedem Nichts?
Ein Ziel wäre eine klar beschreibbare politische Situation auf Erden, die jeder Mensch zu beurteilen in der Lage wäre.
Genau das aber darf nicht sein, wie neoliberale Endlos-Fortschrittler uns unermüdlich einpauken. Sagen wir’s nochmal: der Mensch ist unfähig, muss unfähig bleiben, um sich auf Erden eine standfeste und stabile Heimat zu installieren.
Warum? Einfache Antwort: zu blöd. Gehirn zu klein, Vernunft zu gering.
Diese Nichts-Philosophie ist die unbewusste Denkgrundlage der derzeitigen Weltökologen.
„… die Kräfte der überlegenden Vernunft sind begrenzt, und es ist vorzuziehen, sich auf bewährte Grundsätze zu verlassen, als Probleme ad hoc (also mit seiner winzigen Vernunft ) zu lösen.“
„Die Moral des Marktes bewirkt, dass wir anderen nützen, nicht weil wir das beabsichtigen, sondern weil sie uns in einer Weise handeln lässt, die trotzdem diese Wirkung hat.“
„Der alte Impuls, angeborenen altruistischen Instinkten zu folgen, ist der Bildung umfassender Ordnungen geradezu hinderlich.“
„Seine bei weitem schlimmste Verwendung findet das Wort „sozial“ … in der fast weltweit gebrauchten „sozialen Gerechtigkeit“. Die Wendung „soziale Gerechtigkeit“ ist, wie ein hochangesehener Mann mit mehr Mut als ich schon vor langer Zeit rundheraus sagte, nichts weiter als „semantischer Betrug“ aus demselben Stall wie die Volksdemokratie. Aus schon erörterten Gründen lässt sich moralisches Verdienst nicht objektiv bestimmen. Die Forderung, es sollten nur Veränderungen mit gerechten Ergebnissen stattfinden, ist lächerlich. Ohne Ungleichheit – die weder durch vorsätzliche moralische Bewertungen beeinflusst wird noch mit solchen vereinbar wäre – hätte die Menschheit weder jemals ihre gegenwärtige Größe erreichen können noch könnte sie diese heute bewahren. Wir müssen dem Marktmechanismus die Bestimmung der Belohnung überlassen. Indem sie sich der Illusion hingeben, ihre Vernunft könnte ihnen sagen, wie menschliche Leistungen eingesetzt werden müsse, um ihren angeborenen Wünschen besser zu dienen, sind sie zu einer schweren Bedrohung der Zivilisation geworden.“ (Alle Zitate: Hayek)
Nach Hayek wäre es nicht nur vollkommen falsch, sondern sogar selbstschädlich, mit Hilfe der menschlichen Vernunft die Weltwirtschaft zu ordnen.
Just nach Hayek sind die führenden deutschen Ökonomien dabei, die deutsche Wirtschaft bar jeder Vernunft einzurichten. Ohne Vernunft! Vernunftlos! Ohne Gebrauch seines eigenen Verstandes. Ohne Aufklärung, ja gegen alle Aufklärungskräfte des Menschen.
Herrgottsakrament nochmal: ist das jedem deutschen Wähler klar? Wenn die Parteien um das beste Wirtschaftsprogramm ringen, geht es – im Großen und Ganzen – nicht um vernünftige, sozial gerechte Politik, sondern um die Stärkung von vernunftlosen Elementen, die gar nicht daran denken, gerechte, sinnvolle oder vernünftige Politik zu betreiben.
Noch schlimmer: nicht mal die Politiker wissen das. Natürlich spüren sie vielleicht, dass sie Sch… bauen, aber beim mulmigen Gefühl bleibt es, denn darauf folgt sogleich der Gehorsam der Unvernunft.
Wirtschaft hat nicht der Logik der menschlichen Vernunft zu folgen, sondern der Vernunftlosigkeit irrationaler Schicksalskräfte.
Will Deutschland ein Gemeinwesen der Vernunft sein, ein aufgeklärter Staat – oder ein vernunftloser instinktiver Schrotthaufen, der den Impulsen der Superreichen folgt?
Vor allem: was wissen die Lindners, Wissings selbst über die Motive ihrer Hetz-Fortschritte und endlosen Gier? Wissen sie, was Aufklärung ist? Warum fällt dieser Begriff in keiner ökonomischen und politischen Debatte?
Herrgottsakrament nochmal, was ist das für ein deutscher S..haufen, dem es völlig schnuppe ist, ob es um die Realisierung der Vernunft geht oder um die Überschwemmung der Erde mit vernunftlosen Fäkalien?
Hören wir den wichtigsten Aufklärer, den wir Deutschen vorzuweisen haben, übrigens einen Freund des Moses Mendelssohn, der die jüdische Aufklärung in Berlin zustande brachte – heute von konturlosen Antisemitismus-Jägern in den Abfall gewischt. Ein herrliches Beispiel, wie Vernunft die Menschen verbinden kann, die ihre allwissenden Religionen in Vernunft verwandelten.
Doch Begriffe wie theokratische Despotie sind out. Lieber wirft man mit doofen Begriffen wie links, rechts, ultra, populistisch etc. umher. Was z.B. ist „propalästinensisch“? Anti-israelisch oder die Rechte der Palästinenser genauso fordernd wie die Rechte der Israelis?
Nichts wird geklärt, ein Großteil der Schreiber führt den Schlamm der Nichtbegriffe in ihre Gazetten und das wars.
„Nein, sie wird kommen, sie wird gewiss kommen, die Zeit der Vollendung, da der Mensch, je überzeugter sein Verstand einer immer besseren Zukunft sich fühlet, von dieser Zukunft gleichwohl Bewegungsgründe zu seinen Handlungen zu erborgen nicht nötig haben wird, da er das Gute tun wird, weil es das Gute ist, nicht weil willkürliche Belohnungen darauf gesetzt sind.“ (Lessing in Craig: Über die Deutschen)
Die Wahl des Neoliberalismus – übrigens von einem größenwahnsinnigen SPDler – bedeutete soviel wie: weg mit der Vernunft, weg mit der Aufklärung, weg mit der Kontrolle des Verstandes. Ab jetzt betreiben wir wahnsinnige Ökonomie nach Nichtsbegriffen, die einem endlosen Fortschritt folgen.
Nach heutigen BASF-Auffassungen müsste Vernunft die einzige Schuldige sein, die den Chemieriesen in die Knie zwang. Raus mit Kant und Lessing aus der Stadt des Ernst Bloch, wir haben’s mit Steinzeit-Instinkten zu tun.
Was muss Friedrich Nicolai für ein vernunft-überschwemmter Volltrottel gewesen sein, als er schrieb:
„Die Kritik ist die einzige Helferin, die indem sie unsere Unvollkommenheiten aufdeckt, in uns zugleich die Begierde nach höheren Vollkommenheiten entfachen kann.“
Heute sind die Vollkommenheiten, nach denen man giert, nichts als endlose Kapitalien, Superschiffe, einsame Villen in fernen Landstrichen, die man so schnell nicht ins Meer spülen kann. Döpfners Freunde wollen anonym bleiben, Begriffe wie Vernunft hassen sie wie die Pest.
All diese simplen Erkenntnisse, die schon seit Jahrzehnten bekannt sein sollten, wurden zu Sektengeheimnissen. Vernunft wurde zur Erleuchtung, dem Offenbarungsorgan der Biblizisten und früheren Österreicher.
Die Österreicher beneideten die Aufklärung der Preußen und schmiedeten sich um die Jahrhundertwende eine eigene „Aufklärung“, genau genommen eine Gegenaufklärung.
Der Begriff Gegenaufklärung ist heute unbekannt. Wie kann man Aufklärung und Gegenaufklärung miteinander ins Gefecht führen?
Nicht so hektisch, nicht so überspannt. Wer ein richtiges, humanes Ziel anpeilt, das allen Menschen nützlich werden kann, macht unsere Anstrengungen sinnvoll. Wir müssen uns nicht täglich erbrechen, wenn wir uns anschauen, was unsere Berliner Vernunftlosen aus den Tiefen ihrer pathologischen Instinkte hervorgewühlt haben.
Fortsetzung folgt.