Kategorien
Tagesmail

Die ERDE und wir. XV

Tagesmail vom 23.09.2024

Die ERDE und wir. XV,

Lernen die Deutschen aus ihren Wahlen?

Woidke, der Riese mit Glatze, hat gelernt: Du kannst Scholz am besten besiegen, wenn du ihn aus all deinen Dingen raushältst – und er von außen zugucken muss, wie du stellvertretend für ihn siegst.

In New York hörte man das Triumphgeheule des Hamburgers, als er zuschauen musste, wie Woidke ihn – mit Rückzug aufs Provinzielle – besiegen konnte.

Mit Musk, Tesla und Berliner Grundwassern, die man rechtzeitig aus Brandenburgs trockenen Böden herausgeschlürft hatte.

Seltsam – und wir hatten gerätselt, wer die Genehmigung für die Gewässer gegeben hatte. Es muss der Riese persönlich gewesen sein, der sein Land technisch absichern wollte, bevor die respektlosen Kleber kommen würden.

Und jetzt ist wieder alles trostlos.

Scholz wird wieder gewinnen, obwohl er keine Finger rührt.

Habeck stellt tolle Autos vor, die wie Edelpanzer die Landschaft schleifen und Baerbock hintergeht listig die tugendhaften israelischen Soldaten.

Und jetzt ist wieder alles trostlos.

Wir müssen zurückkehren zur Adelsethik der kapitalistischen Urväter:

Carnegie hatte verkündet: „In der ersten Hälfte des Lebens hatte man Geld zu verdienen, in der zweiten war es auszugeben. Moralische Skrupel musste ein reicher Mann nicht haben.“

Gilt das nicht noch immer, wenn auch verpackt in mütterliche Sätzchen wie: Das schaffen wir, davon bin ich überzeugt; wir schaffen das.

„Die Herren des Kapitals nahmen die Attitüde von Feudalherren an. George Pullmann sprach von seinen Arbeitern als „meinen Kindern“.“

Strenge Arbeitsteilung gab den Chefs die Möglichkeit, jeden Malocher getrennt zu überwachen und zu beurteilen.

Waren wir nicht ins Zeitalter des strikten Individualismus vorgedrungen? Und jetzt, wo wir angekommen sind, sollten wir heulen und weheklagen? Ach heiliger Microsoft, mit deinem eiskalten Machthaber, komm und belehre uns eines Besseren.

„Alles und jedes werde schon bald von und mit KI kontrollierbar sein, so Suleyman. Zwar werde gern behauptet, die Technologie sei vor allem Code, Mathematik. Doch das greife viel zu kurz.Entsprechend groß sind aus seiner Sicht die Risiken der Technologie. Für Suleyman geht es um nichts weniger als die Zukunft der Welt. Sobald man aber der KI erlaube, sich ohne Aufsicht selbst zu programmieren, sagt er in Vancouver, würde es »gefährlich«.Dann, das ist seine Botschaft, hat die Menschheit verloren. Auch Microsoft.“ (SPIEGEL.de)

Und jetzt ist wieder alles trostlos.

War früher nicht alles besser?

„Nach 1870 verbreitete die Chicago Tribune den rasanten Vorschlag, die Arbeitslosen mit „ein wenig Strychnin oder Arsen““ zu kurieren.“

Und die Gottesprediger vollzogen ihre Nächstenliebe ohne Umschweife:

„Ihr habt kein Recht, arm zu sein. Es ist eure Pflicht, reich zu sein.“

Den militanten Sozialismus verurteilte Henry James als eine „sinistre, anarchische Unterwelt“. Ein Senator setzte Sozialismus und Kommunismus mit Satanismus gleich.

Und jetzt ist wieder alles so trostlos wie früher. Die Armeen der Armen überschwemmen die Erde und schnappen den Reichen die Leckerbissen weg. Und da wundern sich die Hungerleider, dass sie global überprüft werden müssen.

Francis Fukuyama verteidigt die moderne Demokratie:

„Ich wollte damit nicht behaupten, dass in den stabilen Demokratien unserer Zeit … keine Ungerechtigkeiten oder gravierende soziale Probleme existieren. Solche Unzulänglichkeiten sind jedoch auf eine unzureichende Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit, den beiden Grundprinzipien der modernen Demokratie zurückzuführen, und nicht auf die Grundprinzipien selbst.

Es mag heute Länder geben, wo es nicht gelingt, eine stabile liberale Demokratie zu errichten, andere Länder mögen zurückfallen in Theokratie oder Militärdiktatur, aber das Ideal der liberalen Demokratie ist nicht verbesserungsbedürftig.“

Eine solche gebe es ohnehin nicht und also könne man sie niemals realisieren. Und hier in Amerika regieren sie die Welt?

Die Neoliberalen verwüsten die Welt und haben keine Schwierigkeiten, ihre Sodoms und Gomorras als neue Paradiese zu verkaufen. Das Ideale zu verwirklichen, sei etwas Heidnisches. Und bei Platon habe man gesehen, was herauskommt, wenn man die irdischen Verhältnisse übertrumpfen will.

Im selben Sinn hieß es: kein endliches Ziel anpeilen. Das wahre Ziel des Menschen müsse das Endlose sein.

Emerson war einer der wichtigsten Vordenker der Amerikaner, auch er misstraute der konkreten Wirklichkeit:

„Realität fühle sich wohler im unbegrenzten Raum des Potentiellen. Stabile Beziehungen könne es unter dieser Voraussetzung nicht geben. Der Stabilität fehle das Element des Risikos, ergo vermag sie den Menschen nicht in einen „erhöhten Zustand“ zu versetzen.

Das Kausalitätsprinzip wurde hinfällig, Existenz gebe es nur noch im Anorganischen, in der Zeitlosigkeit ohne Leben und Tod. „Move beyond life“: Bewegung jenseits des Lebens wird zur zentralen Formel des amerikanischen Kulturkreises, das Wörtchen „beyond“ übt eine magische Faszination aus.

Traumberufe eines Großunternehmers, der bereits Besitzer mehrerer Sportvereine und Hochseesegler ist, haben mit „der Lust an der Bewegung und am Abenteuer zu tun: Bomberpilot, Bergsteiger, Marathonläufer, Entdecker; Kreuzzügler.“

Warum tigert Messner unruhig durch die Welt und legt sich mit seinen Erben an? Weil ihm das normale Leben zu langweilig wird. Das Leben muss ständig im Fluss sein und das Wasser zum Himmel stinken. Alles andere ist unter seiner Höhenwürde: das hatte seine Freundin Merkel erkannt, die ihn auserkoren hatte, um die Alpen zu erklimmen.

„Die letzte Befriedigung des amerikanischen Geschäftsmannes liegt nicht in der Gewinnmaximierung oder im materiellen Komfort, sondern jenseits davon.“ Wirklich reich ist, wer auf „eine großartige, brillante und unerreichbare Weise unsozial sein kann.“

Das ist auch der Grund, warum die Umweltvernichtung in Amerika so kriminell ist. „Die Vernichtung von Ressourcen hat in den USA Tradition. Das Kapitel Umweltzerstörung ist dort eines »der fürchterlichsten und destruktivsten, das in der langen Geschichte der Kultur jemals geschrieben wurde.«“

Das ist auch der Grund, warum die materiellen Dinge-Verächter keine engeren oder dauerhafteren menschlichen Beziehungen eingehen wollen. „Diese Haltung wird in den USA als Voraussetzung zum sozialen Aufstieg kulturell toleriert.“

Von dem ehemaligen Außenminister Kissinger ist der Satz bekannt:

„Das Geheimnis meines Erfolges ist: meine alten Freunde vergessen.“

Von daher ist der Romancier zu verstehen, der in seinem Erfolgsbuch geschrieben hatte: „Unsere Bestimmung liegt nicht auf diesem Planeten. Jeder Amerikaner weiß, was er tun muss, wenn er mal die Flucht ergreifen will: er braucht sich nur anderthalb Stunden ins Auto zu setzen und schon ist er in einer leeren Gegend, wo niemand sonst ist. Das ist das Frontierbewusstsein, ein Teil unserer Kultur.“

Wer all dies kann, kann auch den Tod verdrängen: „Tragisches zu verdrängen oder mit Optimismus zu bekämpfen ist eine herausragende Eigenheit der amerikanischen Kultur. Dem Tod muss getrotzt werden um jeden Preis.“

Hier haben wir die Stelle, an der die Erfahrung, die Verbindung zum Einstmals, stranguliert wird.

„Der Psychiater soll sich vornehmen, die Bande der Hinterbliebenen an den Verstorbenen zu lösen. Christliche Ärzte erblickten den Sinn der Trauerarbeit darin, die Gefühlsverbindungen an Vergangenes zu schwächen und zu brechen.“

Die Unfähigkeit zu trauern ist eine amerikanische Erfindung, die sich in Deutschland breit gemacht hat.

Die Sehnsucht nach dem Transzendenten führt zur Sehnsucht, sich vom Erdboden zu lösen. Fliegen gibt Selbstbestätigung und vermittelt das erhebende Gefühl der Lustangst.

„Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir. 3 Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? 4 Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott? 5 Daran will ich denken und ausschütten mein Herz bei mir selbst: wie ich einherzog in großer Schar, mit ihnen zu wallen zum Hause Gottes mit Frohlocken und Danken in der Schar derer, die da feiern.“

Das ist das Fazit des Amerikanischen Traumes: die  Sehnsucht nach dem Jenseits. Seit 2000 Jahren ist das hellenisch-christliche Abendland dabei, seine Sehnsucht nach dem Jenseits in technische Realität zu verwandeln, seinen technischen Fortschrittsglauben als Verwirklichung seines Glaubens zu präsentieren.

Das sieht man auch daran, dass die Amerikaner nach wie vor den Wunsch haben, woanders zu leben als am gegenwärtigen Wohnort. Knapp ein Fünftel der Bevölkerung zieht jährlich um.

Ein Senator: „Wenn diese Nation Erfolg haben will, muss sie den Geist von Patriotismus wieder entfachen. Der uns vom Rest der Welt absetzt.“

Wo bleibt der viel gerühmte Universalismus? Amerikaner sind und bleiben exceptionell, außerordentlich. Unterhalb ihrer unvergleichlichen Perspektive sollen die Länder sich anerkennen und respektieren. Aber ihre Höhe ist unerreichbar.

Wen wundert es, wenn ihre israelischen Zwillingsbrüder ihrem Vorbild nacheifern? Natürlich ist das Abendland das reale Exerziermodell aller jüdischen und christlichen Länder.

Und jetzt vergleichen wir die Zielpunkte der Christen mit denen der ehemaligen Kommunisten, die man unseren Brüdern und Schwestern in Ossiland eingebleut hatte:

„Im Kommunismus wird als Endziel einer klassenlosen Gesellschaft wie die Beseitigung von Ausbeutung und Unterdrückung, Freiheit, Gleichheit, Volksherrschaft bejaht und als Endziel eine klassenlose Gesellschaft angestrebt. In dieser Gesellschaft sollen Not, Elend, Ausbeutung und Unterdrückung endgültig der Vergangenheit angehören, alle Bedürfnisse der Menschen unentgeltlich befriedigt werden, Staat, Gefängnis und Polizei und Justizapparat absterben und der Mensch zur höchsten Blüte seiner Persönlichkeit gelangen. Nur Marxisten-Leninisten sowjetischer Prägung besäßen den Schlüssel zur Erkenntnis der geschichtlichen Erkenntnisse.“ (Wolfgang Leonhard, Sowjetideologie heute)

Das ist nicht das blanke Gegenstück zur amerikanischen Jenseitskultur, das ist das materielle, irdische Pendant. Die kommunistischen Gläubigen, die kaum zu unterscheiden waren von den Jenseits-Gläubigen der christlich-jüdischen Heilszeit, hatten enorme Probleme, die biblische Sehnsucht hinter der materiellen Heilszeit zu entdecken.

Die Ossis bemühten sich, im Gegensatz zur Amerika-Philie des Westens, sich den Osten anzulachen. Doch die westliche Verbundenheit Deutschlands hatte erhebliche Probleme, Ost und West auf gleicher Ebene zu behandeln.

Putin war zuerst – wie Gorbatschow – ein Heiliger des Ostens, nach dem kategorischen Nein der USA aber fiel Putin zurück in die asiatische Wüstensteppe.

Tatsache ist: Deutschland wurde von den beiden Siegermächten als Beute umkämpft, doch der Osten hatte keine Chance gegenüber dem Charme von Hollywood und Silicon Valley.

Dabei gab es eine Episode in der deutschen Geschichte, in der die russische Literatur zur Weltliteratur der Geschichte gehörte. Denken wir an Thomas Mann.

Und jetzt? Sitzen wir wieder da – und wissen nicht, wohin wir uns wenden sollen. Amerika steht für endlose Bewegung und Liebe zur Entfernung; an dieser Stelle steht zurzeit auch Scholz – während Höcke an die Vergangenheit der Deutschen mit ihrer Liebe zur Weltabgeschlossenheit erinnert: schauen wir uns ins Gesicht; dann werden wir unsere Liebe zum Wald entdecken. Dort die amerikanische Liebe zur Freiheit und Gleichheit, hier der Rückzug ins Sumpfige und Düstere.

Deutschland muss sich der ganzen Welt für eine gleichberechtigte humane Weltkultur öffnen.

Fortsetzung folgt.