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Die ERDE und wir. XLI

Tagesmail vom 06.01.2025

Die ERDE und wir. XLI,

Wer waren die herausragenden humanen Leuchten der Menschheit in den letzten Jahrzehnten?

Jimmy Carter und Michael Gorbatschow.

Beide wurden in ihrer vorbildlichen Menschlichkeit, die die Mauern, Denkblockaden und Vorurteile ihrer Gesellschaft überwanden, mit Häme zuschanden gemacht.

Beide wollten eine freie Menschheit, die in selbstbestimmter Empathie und in Einklang mit der Natur ihr Leben auf Erden leben könnte.

Beide wurden von den wirklichen Machthabern der Welt als kranke, lahme und träumerische Moralisten entmachtet und der Lächerlichkeit preisgegeben.

„»Carter war wahrscheinlich der intelligenteste, arbeitsamste und anständigste Mann, der im 20. Jahrhundert im Oval Office gesessen hat«. Carter engagierte sich weltweit für Demokratie, Menschenrechte, Konfliktlösung und Gesundheit. Auch innenpolitisch war er seiner Zeit weit voraus. Carter warnte vor dem Klimawandel, ließ Solarzellen aufs Dach des Weißen Hauses bauen, ernannte Frauen und Minderheiten für Regierungsämter. Er brachte Israels Premier Menachem Begin und den ägyptischen Staatschef Anwar al-Sadat für den historischen Friedenspakt von Camp David zusammen, eine besonders aus heutiger Sicht beachtliche Leistung. Er machte die Menschenrechte zum Ankerpunkt seiner Außenpolitik und ebnete schon früh den Weg fürs Ende des Kalten Krieges. Viele Maßnahmen wirken heute prophetisch – oder als letztes Aufflackern einer wertebasierten Politik, die heute längst passé ist.“ (SPIEGEL.de)

Eine wertebasierte Politik? Das gibt es heute auch, nur mit diametral entgegengesetzten Werten, man müsste von unmenschlichen Hasswerten sprechen: die Raffgierigen werden immer reicher, die Genialen immer weltbestimmender, die Mächtigen immer mächtiger.

Und wo standen die Deutschen?

„Einer, mit dem er gar nicht klarkam, war Helmut Schmidt. Der Bundeskanzler hatte 1976 Gerald Ford unterstützt, da er Carter als »emporgekommenen Erdnussfarmer« aus den Südstaaten abtat, »wo nur Deppen herkommen« . Carter wiederum rechnete mit Schmidt ab, indem er ihn in seinem 2010 veröffentlichten Tagebuch als »flatterhaften« Nörgler und »paranoides Kind« beschrieb.“

Das war bereits der Giftkeim der Sozialdemokratie, die sich ungeduldig rüstete, zu den Reichen aufzuschließen und die Armen mit Almosen abzuspeisen. Noch heute ist diese Krankheit nicht kuriert, im Gegenteil.

Amerika war für Schmidt das Vorbild in Wohlstand, Wirtschaft und Technik, Moralismus hingegen war für ihn verachtenswerte Hinterwäldlerei.

An dieser Stelle konnte Schröder kommen. Bis heute kennen die Deutschen nicht den Anhauch einer gerechten Ökonomie. Ihre „Kompromisse“ sind nichts als Schleimmassen, gegossen über ihre Ignoranz.

Seltsamerweise nennen sich Christdemokraten Konservative, als hätten sie schon lange eine gerechte Wirtschaftspolitik zu behüten – beruhend auf religiöser Offenbarungskompetenz. Noch immer wollen sie nicht einsehen, dass die christliche Religion hunderte Varianten an richtiger Politik anzubieten hat.

Alle Politiker und Ökonomen dieser Welt könnten sich problemlos Christen nennen, sie müssten sich nur die passenden Schriftworte aussuchen.

Beide Großparteien ignorieren ihre verwüstete Vergangenheit und wundern sich über ihr endloses Flickwerk, das sie in Geschwätzigkeit abliefern.

Gorbatschow war der Jimmy Carter des Ostens, dem es gelang, den Kalten Krieg zu beenden, friedliche Beziehungen mit dem Westen anzuknüpfen und einen demokratischen Geist im einst stalinistischen Ostblock aufkommen zu lassen.

„Wir leben alle auf EINEM Planeten! Wir sind EINE Menschheit. (…) Ein solcher Krieg wäre der letzte in der Menschheitsgeschichte. Danach gäbe es niemand mehr, der noch Krieg führen könnte.“

„Anfang Februar 2022 schrieb Gorbatschow in einem Artikel: „Keine Herausforderung oder Bedrohung, der die Menschheit im 21. Jahrhundert gegenübersteht, kann militärisch gelöst werden.“

„Wenn Menschen Angst vor der politischen Macht haben, kann es zum Schlimmsten kommen. Wir brauchen Glasnost [Gorbatschows Begriff für Meinungsfreiheit]. Wir brauchen den Dialog zwischen der Gesellschaft und den Machthabern.“

Er kritisierte Putins Rückfall in die demokratiefeindliche Atmosphäre der nachstalinistischen Zeit:

„Putin will an der Macht bleiben. Aber nicht, um endlich unsere dringendsten Probleme zu lösen – Bildung, Medizin, Armut. Das Volk wird nicht gefragt, die Parteien sind Marionetten des Regimes. Gouverneure werden nicht mehr direkt gewählt, Direktmandate bei den Wahlen wurden abgeschafft, alles läuft nur noch über Parteilisten. Neue Parteien werden aber nicht zugelassen, sie stören.“

„Er wurde Mitglied im Club of Rome. Vor allem seit Anfang des 21. Jahrhunderts kritisierte Gorbatschow die Politik der US-Regierung von George W. Bush.“

Diese Kritik an den USA war den „America-first-Ideologen“ der führenden Weltmacht unerträglich. Gorbatschows Vorbildlichkeit in fast allen Bereichen war der amerikanischen Doppelmoral unerträglich.

Gorbatschows Vorstellung eines geeinten Europa reichte von Lissabon bis Wladiwostok. Wäre diese Einigung geglückt, wäre Amerikas führende Rolle in der Weltpolitik in Gefahr gewesen.

„Gorbatschow engagierte sich außerdem für die globale Menschenrechtsbewegung. So war er Mitglied einer Jury von renommierten Persönlichkeiten, die im Jahr 2011 bei der Auswahl des universellen Logos für Menschenrechte beteiligt war.“

Hätten Carter und Gorbatschow gleichzeitig regiert, wären die Menschenrechts- und Ökologiebewegungen wesentlich weiter gediehen als sie heute auf einem passiven Punkt verharren.

Höchstens Willy Brandt hätte womöglich das Zeug gehabt, dem Russen und Amerikaner auf gleicher Ebene die Hände zu reichen.

Waren Carter und Gorbi perfekt? Natürlich nicht, niemand ist perfekt. Aber sie hatten die Fähigkeit, sich selbst zu kritisieren und daraus ihre Schlüsse zu ziehen.

Deutsche Politiker kennen keine Selbstkritik. Sich selbst überprüfen kann man nur, wenn man klare Zielvorstellungen besitzt, die man als Überprüfungs-Kriterien einsetzen kann. Solche Ziele gelten im Land der Dichter und Denker als idealistische Träumereien.

Ab heute beginnt der heiße Wahlkampf. Der wird nichts Neues bringen – außer gewissen Machtverschiebungen, die „neue Kompromisse“ aus dem propagandistischen Ärmel zaubern werden.

Vor allem fürchten Deutsche die Gefahr der Selbstverzwergung, andere Denkblockierungen und Gefährdungen sind ihnen unbekannt. In seiner Neujahrsansprache erklärte Scholz in beruhigendem Ton: wir Deutsche sind fleißig. Also ran an die Maschinen, die Deutschen folgen hier dem Neuen Testament: Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.

„Muße in Würde“ – die antike Fähigkeit des Denkens in Einsamkeit – kennt man im Volk der harten Malocher nicht. Wer ständig hart arbeiten muss, hat keine Gelegenheit, den Wust der Begriffe zu klären, um sich eine eigene Meinung zu bilden. Die neue Regierung wird die Wiederholung der jetzigen werden.

Angst und Hetze bestimmen die heutige Politatmosphäre. Angst vor dem Niedergang, Hetze als Steigerung der harten Maloche.

Einige Kleinigkeiten fehlen noch:

„In Deutschland herrscht ein Klima der Angst und der Feigheit, wenn es darum geht, Israel zu kritisieren oder es auch nur an die Respektierung der Menschenrechte und die Einhaltung demokratischer Gepflogenheiten zu erinnern. Carter kritisiert in seinem Buch nicht nur diese beklagenswerte, unmoralische und im Grunde absurde Politik der Israelis, sondern auch die anderen Staaten der westlichen Welt, insbesondere sein eigenes Land.“

Das steht im Vorwort zu Carters Buch „Palästina, Frieden, nicht Apartheid“, geschrieben von dem Herausgeber Abraham Melzer.

Der Holocaust ist nicht bezwungen, solange die Deutschen nicht fähig sind, die Völkerverbrechen der Israelis auf freundschaftlicher Basis zu kritisieren. Carter, so Melzer, wollte kein Land, in dem Debatten und Diskussionen nicht einmal ansatzweise möglich sind, wenn sie irgendwie Kritik an der Politik des Staates Israels beinhalten. Und das trifft seit der Kanzlerschaft von Angela Merkel in noch stärkerem Maß auch auf Deutschland zu. In ihrem Geburtstagsständchen hat die Kanzlerin vor der Knesset die Sicherheit Israels zur deutschen Staatsraison erklärt. Ein „politisch dämlicher Satz“, so Helmut Schmidt. Die Selbstgerechtigkeit der Israelis ist noch unangenehmer und die Situation der Palästinenser noch hoffnungsloser geworden. (ebenda)

Deutschlands moralische Schuld wächst umso mehr, je weniger ihre einst so tollen Maschinen funktionieren, um ihnen den gewohnten Wohlstand an die Tür zu liefern.

Doch wer ist es, der die Deutschen hindert, sich auf das echt Demokratische zu besinnen und den Völkern ein Vorbild zu sein?

Es sind jene Ökonomen, die unterirdisch immer mehr die Demokratie torpedieren, indem sie das Wachstum des Geldes fördern. Zu ihnen gehören die Schüler von Hayek und von Mises, etwa ein Hans-Herrmann Hoppe:

„In der natürlichen Ordnung, die Hoppe beschreibt, sind Privateigentum, Produktion und freiwilliger Tausch die letzten Quellen menschlicher Zivilisation.[12] Diese natürliche Ordnung muss durch eine natürliche Elite aufrechterhalten werden. Diese Elite kommt durch freiwillige Anerkennung ihrer Autorität in ihre Position und nicht durch politische Wahlen oder adelige Herkunft. In der natürlichen Ordnung, die Hoppe beschreibt, sind Privateigentum, Produktion und freiwilliger Tausch die letzten Quellen menschlicher Zivilisation.[12] Diese natürliche Ordnung muss durch eine natürliche Elite aufrechterhalten werden. Diese Elite kommt durch freiwillige Anerkennung ihrer Autorität in ihre Position und nicht durch politische Wahlen oder adelige Herkunft.“

Hoppe und seine wissenschaftlichen Freunde hassen die Demokratie und wollen sie durch Ökonomie destruieren:

Auch ist Hoppe der Meinung, die Französische Revolution gehöre „in dieselbe Kategorie von üblen Revolutionen wie die bolschewistische Revolution und die nationalsozialistische Revolution“. Wir verdankten der Französischen Revolution „Königsmord, Egalitarismus, Demokratie, Sozialismus, Religionshass, Terror, Massenplünderung, -vergewaltigung und -mord, die allgemeine militärische Zwangsverpflichtung und den totalen, ideologisch motivierten Krieg“.[1] In der Demokratie, in der es immer zur ungleichen Güterverteilung komme, würden sich die vielen Armen zwangsläufig gegen die wenigen Wohlhabenden verbünden. Im Buch „Über das Unwesen der Demokratie und den Ausweg in die Privatrechtsgesellschaft“ (2012) kommt Hoppe zur Ansicht, dass durch Massenwahlen eine institutionalisierte Kleptokratie begünstigt werde, die „kaum oder keine Hemmungen“ habe, „das Eigentum anderer Menschen zu entwenden“.

Diese ökonomischen Demokratiefeinde sind fast unbekannt in unserer Gesellschaft. Dabei sind sie die Urväter der FDP, die keine Hemmungen besitzen, durch Kasperle-Theater die Ampelkoalition zu zertrümmern. Wie Lindner im Verein mit Döpfner die Werte der Demokratie zerstört, um die grenzenlose Macht der Superreichen noch zu erweitern, ist fast unglaublich.

Dabei geht es nicht nur um die unterschwellige Destruktion der Demokratie, sondern auch um die Zerstörung der Vernunft und der gesamten Aufklärung.

„Die Überschätzung des Verstandes, so Hayek, führe die Politischen und Geistigen zu dem Irrglauben, das jeweilige Werte- und Regelgerüst einer freien Marktgesellschaft „vernünftiger“ gestalten zu können. Dieser Versuch muss regelmäßig scheitern und die betreffende Ordnung zerstören, weil die notwendigen Regeln des gerechten Verhaltens spontan aus der Sphäre zwischen „Vernunft und Instinkt“ entstanden sind und nicht nur rational bewertet … werden dürfen.“ (In „Jesus, der Kapitalist“, von Robert Grözinger)

Damit sind wir wieder beim Christentum gelandet: „Das Pneuma ist nicht ein Prinzip der Weltgestaltung. Die Fremdheit gegenüber den Pflichten einer vernünftigen Weltordnung, sind in der Naherwartung des Weltendes begründet“ (Bultmann, Das Urchristentum)

Was also bleibt uns übrig? Wir müssen nicht verzweifeln. Seien wir zuversichtlich mit Bultmanns Instinkt-Prophetie:

„Die Offenheit der christlichen Existenz nimmt kein Ende.“

Fortsetzung folgt.