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Die ERDE und wir. LXXXVIII

Tagesmail vom 30.06.2025

Die ERDE und wir. LXXXVIII,

Müssten nicht alle Menschen auf der Stelle erschossen werden, die grinsend zuschauen, wie die Natur zugrunde gerichtet wird?

Die Nationen verfügen über riesige Polizei- und Justizapparate – doch gegen die Mörder der Menschheit scheinen sie machtlos.

Langsam, du Hitzkopf:

„Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« und deinen Feind hassen.[5] 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen,[6] 45 auf dass ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. 46 Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner?

Weißt du immer noch nicht, was wichtiger ist – die Erhaltung der Erde oder die Befolgung göttlicher Gebote?

Gott ist Besitzer der Erde, er allein bestimmt, wie mit seinem Eigentum umgegangen wird. – Und jetzt guck nicht so empört und zieh dich zurück an deinen Malocherplatz!

Okay, faltet die Hände und betet mit:

Wir lieben alle Ultrareichen, die von der Zerstörung der Erde profitieren.

Wir lieben alle KI -Genies, die in Venedig heiraten, um die Welt mit ihrem Pomp zu blenden.

Wir lieben alle Politiker, die gewählt werden, weil sie ökologisch versagen.

Wir lieben alle politischen Führer, die sich als Knechte des Herrn aufführen und das Schicksal der Menschheit Ihm allein überlassen.

Wir lieben alle Päpste und Kirchenführer, die in ihren Talar grummeln, sich aber demütig unter die Wirtschafts- und Naturgesetze beugen.

Menschheit, sei nicht hochmütig und ergebe dich dem Willen der Gottes- und Naturgesetze.

Jetzt verstehen wir, was das Sätzchen heißt: quem deus vult perdere, prius dementat – wen Gott vernichten will, den stürzt er zuvor in die Demenz.

Ja, wir lieben die Ultrareichen, denn sie sollen die Dementesten heißen.

Ja, wir lieben die KI-Genies und die Gebrüder Koch, denn sie sind die Erwählten des Himmels.

Ja, wir lieben die Politiker mit den eisigen Gesichtern, denn sie lassen ihre Rivalen mit den diabolischen Masken in die Falle tappen.

Ja, wir lieben die doofen Kleinen, denn sie kämen nie auf die Idee, etwas besser zu wissen als die Chefs der weltweiten Lieferantenketten.

Wie hoch ist unser Kontostand? Okay, das reicht, um Mallorca flach zu legen und die Eismeere auszutrocknen.

Den Rest der Geschichte unseren lieben Kleinen, die noch nicht wissen, was auf sie zukommt. Im Jenseits, wenn wir wieder alle zusammenkommen, werden sie uns freudig erzählen, was sie im irdischen Jammertal erlebt haben. Alle Orden des Himmels sind bereits für sie reserviert.

Oh, jetzt kommt er wieder mit Märchen aus der Urgeschichte:

„In vielen heidnischen Gesellschaften wurde die Erde als Mutter gesehen, als fruchtbare Spenderin des Lebens. Die Natur – Erdboden, Wald, Meer – hatte göttlichen Charakter, und die Sterblichen waren von ihr abhängig. – Die jüdisch-christliche Tradition führte eine völlig andere Auffassung ein. Danach ward die Erde die Schöpfung eines monotheistischen Gottes, der, nachdem er sie erschaffen hatte, ihren Bewohnern mit den Worten der Genesis befahl: „Seid furchtbar und vermehret euch wie Musk und füllet die Erde mit euren riesigen Luxuskreuzern und herrschet über Fische und Vögel und über alles Getier, das auf Erden kreucht.“ Die Idee, sich die Erde untertan zu machen, konnte als Einladung gedeutet werden, die Natur nach Gutdünken zu benutzen.“ (Th. Scanton in Naomi Klein: Die Entscheidung Kapitalismus vs Klima, leicht verbessert)

Kann es sein, dass diese herrlichen Urgeschichten schon vor Jahrhunderten widerlegt waren:

Mit Tugend bloß kommt man nicht weit;
Wer wünscht, daß eine goldne Zeit
Zurückkehrt, sollte nicht vergessen:
Man musste damals Eicheln essen. (Mandeville)

Das war die befreiende Botschaft jener Zeit: das Böse ist das Gute. Nur das Böse bringt uns voran. Das Böse ist der Antrieb des Fortschritts. Moralisten sind nicht nur dreiste Besserwisser, sondern auch Totschläger der endlosen Zukunft.

Wer das Gegenteil behauptet, lügt. Weshalb Tausende und Abertausende von Wissenschaftlern sich zusammentaten, um steif zu behaupten: der Klimawandel ist ein ausgeklügelter Schwindel.

Wer lügt hier ungeniert? Sind Wissenschaftler nicht hungrig nach Wahrheit? Wie könnten sie die Menschheit kaltblütig anlügen?

Atomwissenschaftler wussten nicht, was passieren wird, als sie eine Atombombe zum ersten Mal explodieren ließen. Sie zitterten, denn sie hielten es für möglich, dass die Welt aus den Fugen geraten würde – und dennoch hielten sie nicht inne.

Warum sollten sie heute die planetarische Ausbeutung der Natur stoppen, auch wenn sie den Selbstmord der Welt nicht ausschließen können?

„Wenn ich den Klimawandel als Kampf zwischen Kapitalismus und der Erde darstelle, verkünde ich damit keine neuen Weisheiten. Der Kampf ist bereits im Gange, aber im Augenblick gewinnt der Kapitalismus, ohne dass er dafür etwas tun muss. Er gewinnt jedes Mal, wenn Wirtschaftswachstum als Vorwand genommen wird, den Klimaschutz wieder auf die lange Bank zu schieben. Im Augenblick lähmt die herrschende Marktlogik mit ihrem Wettbewerbsethos fast alle ernsthaften Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel. Ein ruinöser Wettbewerb zwischen den Ländern blockiert die UN-Klimaverhandlungen seit Jahrzehnten. Die reichen Länder stellen sich stur und erklären, dass sie ihre Emissionen nicht senken werden, weil sie nicht riskieren wollen, ihre Spitzenpositionen in der Welt-Hierarchie zu verlieren. Entweder ändern wir uns jetzt oder wir haben die Chance verpasst. Entweder schaffen wir eine vollkommen neue Weltgesellschaft oder unsere Lebensweise wird für uns geändert.“ (Klein)

Doch es sind nicht nur die Superreichen, die jede Klimaveränderung blockieren, es sind auch die „Gewerkschaftler, die erbittert für den Erhalt von Arbeitsplätzen kämpfen – und seien diese noch so schmutzig – solange es keine Alternativen gibt.“

Die deutsche Arbeiterpartei SPD ist ein gutes Beispiel für die schreckliche Zerrissenheit der Proleten, die einerseits die Gefahren der Naturverschmutzung fürchten, andererseits aber noch mehr um die egoistische Fortzahlung ihrer miesen Löhne.

Die aktuellen Probleme der SPD zwischen Mützenich und Klingbeil sind nur ein feiger Abdruck der realen Probleme, ob man den gesamten Kurs der Weltpolitik nicht tatsächlich ändern müsste. Dafür aber sind die Arbeiterkinder zu feige. Sie schafften es zwar, sich von ihrem kindlichen Umfeld zu lösen und nach oben zu klettern. Doch ihr schlechtes Gewissen haben sie nie ganz abgelegt.

War es nicht ein fundamentales Vergehen gegen ihre Eltern, Karriere zu machen, um eine bessere Gerechtigkeit zu etablieren, die es in dieser Welt gar nicht gibt? Und jetzt sind sie oben angekommen und müssten alles, was sie erreicht haben, in Frage stellen?

„Mützenich wurde 1959 in Köln geboren und wuchs in einem Arbeiterhaushalt auf, als jüngstes von drei Kindern. Sein Vater war Maschinenschlosser, seine Mutter Hausfrau. Mützenich ist ein ungewöhnlicher Politiker. Ein schmaler Mann, der meistens höflich und zurückhaltend, fast schüchtern auftritt. In einem System, das Machtbewusstsein und Durchsetzungskraft verlangt, spricht er offen über seine Verletzbarkeit und Zweifel. »Ich gebe zu, dass ich Wladimir Putin falsch eingeschätzt habe. Das habe ich im Gegensatz zu anderen auch öffentlich bekannt.« Er glaube jedoch weiterhin, dass die internationalen Kriege und Konflikte nur im Dialog mit Russland beendet werden können. »Aber ich mache mir keine Illusionen über den russischen Präsidenten, ich verspüre Ekel, wenn ich seinen Namen nur höre, und bin sicher kein Putin-Versteher.“ (SPIEGEL.de)

Die Karriere-Proleten fühlen sich noch immer fremd in den höheren Etagen. Erzogen wurden sie in schlichter Moral, ohne machiavellistische Heucheltöne, müssen aber ihre Aufrichtigkeit täglich als Dummheit beschimpfen lassen.

Kein Wunder, dass die Draufgängerischsten von ihnen – wie Gerhard Schröder – sich besonders hervortun müssen, um mit ihrer neuen Mephisto-Ausgelassenheit die bürgerliche Welt zu schockieren.

Bis heute ist es der SPD nicht gelungen, den „Freund Putins“ zum Geständnis zu bewegen, damit er sich von seiner Freundschaft mit Putin distanziert und zurückkehrt zur eindeutigen moralischen Welt seines proletarischen Herkommens.

Noch immer wissen die SPD-Karrieristen nicht, wohin sie gehören. Abstrakte Parteibeschlüsse ohne Aufarbeitung ihrer Vergangenheit werden sie nicht erneuern können.

Parteien sind keine Familien, die sich mit einem Minimum an Reibungskosten synchron durch die Geschichte durchschlängeln könnten.

Das war schon bei ihren historischen Führungsgenossen nicht anders, die sich in hohem Maße widersprachen.

Da waren Marx und Lassalle. Marx glaubte nicht an die Selbstbestimmung der Arbeiter und vertröstete sie auf eine ungewisse Zukunft, die – wie die Wiederkunft des Herrn – die Auflösung aller historischen Probleme bringen würde.

Da war Lassalle, ein Gegner von Marx.

„Lassalle glaubt nicht an den Arbeiter, nicht an die Massen, nicht an das Volk, wohl aber an den Staat: an den starken Staat, dem er die Kräfte der Arbeiterschaft, der Massen zuführen will, so dass er „ein einziges Wesen von gigantischen Ausmaßen wird.“ (Heer)

„Lassalle glaubt nicht an das Wahlrecht, nicht an eine lebendige innerparteiliche und innerstaatliche Demokratie. Er glaubt an Führung, sie allein kann Enthusiasmus erwecken – für die hohen Aufgaben der deutschen Kultur. Wobei Kultur bei ihm ebenso national-politisch und militärisch eingefärbt erscheint wie bei anderen Parteien.“

Anfänglich schmetterten sie noch die Internationale, doch im Ersten Weltkrieg schossen sie bedenkenlos auf ihre einstigen französischen Kollegen.

Pazifisten sind anders. Die SPD streitet sich um ihre Vergangenheit, aber sie weiß nicht, wie sie das effektiv tun soll.

Philosophie gehört nicht zur Schulung der Parteigenossen, weshalb es zurückhaltende Mützenichs gibt und Imitationen des stumpfen Scholz – wie Klingbeil.

Ein erneuertes Parteiprogramm kann auch nicht im Chaos eines Parteitags erarbeitet werden. Denn es kommt nicht darauf an, das Volk mit einem leckeren Programm zu ködern, sondern darauf, die Anziehungskraft einer wahrhaft sozialen Politik sprechen zu lassen.

„Friedrich W. Förster charakterisierte hart, aber treffend die sozialdemokratische Linke der Weimarer Republik. „Die französische Linke hat wenigstens weltgeschichtliche Erinnerungen, hinreißende Prinzipien, große Geistesführer – die deutsche Linke wurde ängstlich geboren: ihr Vater war der deutsche Generalstab, ihre Mutter stammte aus England. Die deutsche Linke hatte eine Wohnung, die noch vom alten Bewohner möbliert war, der Korridor hing voll fremder Ahnenbilder, kein neuer Geistesbesitz war da. In diese alte Wohnung passte nur das Bild des „Führers“ Ferdinand Lassalle. Es ist verständlich, dass hier eine echte Demokratisierung, eine politische Erziehung der deutschen Massen nicht geleistet werden konnte.“

Fast nichts hat sich bis heute geändert: nur eingefrorene Schlagwörter, nur der Ehrgeiz der Zuspätgekommenen.

Das ist nicht nur der erbärmliche Gegenwarts-Zustand der SPD. Auch die CDU wühlt wahllos in den unendlichen Fragmenten ihres Glaubens. Sie genießt nur den Vorteil, etwas etablierter und bürgerlicher zu sein.

Die Grünen wissen bis heute nicht, wie sie ihr bombastisches Weltänderungsprogramm im Dickicht deutscher Parteien unterbringen können. Hier helfen keine sogenannten Kompromisse.

Eine kleine Bosheit zum Schluss.

„Wer hat zuallermeist die Verwilderung der politischen Einbildungskraft befördert? Die Germanisten und Historiker.“

Heute würde man sagen: die Verbindung von germanistischen und historischen Experten: und das sind die Medien – mit ihrem ewigen Motto: Only bad news are good news. Eine gute Welt ist eine langweilige, die es nicht verdient, wahrgenommen zu werden.

Fortsetzung folgt.