Tagesmail vom 06.06.2025
Die ERDE und wir. LXXXII,
Lob für Trump, der die abendländische Diplomatie ad absurdum führt.
Im Gegensatz zu Angela Merkels Geheimnistuerei hat der amerikanische Präsident die europäische Diplomatie auf den Müll geworfen.
Alles Wichtige hatte Merkel hinter dicken Mauern besprochen. Die Deutschen vermissten nichts. Erst wenn Angela danach gefragt wurde, hörte man von ihr Sätze, die die Kinderlein beruhigen sollten: „Was in meiner Macht lag, habe ich getan; ich habe mich bemüht“. Das waren leere Sätze zur psychischen Eigenmotivation, keine sachhaltigen Aussagen zu geplanten Aktionen.
Ein ehrlicher Wille schien ihren Untertanen zu genügen. Sie mussten nur sehen, dass die „mächtigste Frau der Welt“ mit wichtigen Akten unterwegs war, um ihr zuverlässigen Pflichteifer zu bescheinigen: sie bedenke eben alles vom Ende her.
Es war die Aura der strengen Physikerin, die dem westdeutschen Politikergeschwafel wohl tat. Denn das war der endgültige Sieg der „sozialistischen“ Naturwissenschaften über nichtssagende Geisteswissenschaften des Westens. Der Sozialismus selbst wollte eine Naturwissenschaft der Politik sein.
Machiavellismus ist die Substanz der Diplomatie: was man vorhat, soll mit falschen ethischen Formeln in die Gänge kommen. Mit Lügen und Täuschungen soll die Öffentlichkeit in die Irre geführt werden, Hauptsache, ein vertretbares Ziel kann mit falschen Behauptungen erreicht werden.
Mit lügenhafter Rede ein gutes Ziel anpeilen: das war die Lehre Machiavellis, der die alles prüfende Ethik in moralfreies maschinelles Funktionieren umwandelte.
Moral war keine Norm mehr, sondern eine Funktion, um das Tun der Menschen voranzubringen.
Die ach so tugendhaften Deutschen wurden – nach Friedrich dem Großen – zu überzeugten Machiavellisten. Hegel wurde Höhepunkt einer machiavellistischen Gesamtgeschichte: der absolute Weltgeist ist Herrscher über alle Moral, nicht umgekehrt: Moral ist dienendes, auswechselbares Werkzeug, auf keinen Fall mehr die Alleinherrscherin der Politik.
Natürlich war machiavellistisches Täuschen auch in der Antike bekannt.
Euripides ließ in seinen „Phönissen“ den Eteokles sprechen: „Wenn man denn Unrecht tun muss, so ist es schön, es zu tun, um der Herrschaft willen, sonst aber muss man sittlich handeln.“
Friedrich Meinecke, der in seinem Werk „Die Idee der Staatsraison“ die Geschichte des Machiavellismus penibel erzählt, zieht das Gesamtfazit:
„Zum Wesen und Geiste der Staatsraison gehört es, dass sie immer wieder beschmutzen muss durch Verletzung von Sitte und Recht. Der Staat muss, so scheint es, sündigen. Das ist die furchtbarste und erschütterndste Tatsache der Weltgeschichte, dass es nicht gelingen will, gerade diejenige menschliche Gemeinschaft radikal zu versittlichen, die alle übrigen Gemeinschaften schützend umschließt … und die deshalb allen übrigen Gemeinschaften voranleuchten müsste durch die Reinheit ihres Wesens.“
Kein Wunder, dass Meinecke der einzige deutsche Historiker war, der sofort nach dem Krieg eine Abrechnung mit dem Dritten Reich vorlegen konnte: „Die deutsche Katastrophe“.
Die Nachkriegsdemokratie war ein völlig unverdientes Geschenk der Sieger an eine Verbrechernation. Besonders Amerika erwies sich als souveräner Mentor einer Nation, die an die Stelle des Guten das Böse gestellt hatte, um es als neues Gutes in die Welt zu posaunen.
Das hat man in der christlichen Nachkriegsrepublik bis heute nicht verstanden – obgleich das Christentum die höchste und frömmste Form des Machiavellismus vertritt: Gott ist Herr über Moral und Unmoral. Was er befiehlt – es mag gut oder böse klingen – ist immer gut.
Was Gott tut, das ist wohlgetan!
Es bleibt gerecht sein Wille;
Wie er fängt meine Sachen an,
Will ich ihm halten stille.
Er ist mein Gott, der in der Not
Mich wohl weiß zu erhalten,
Drum laß‘ ich ihn nur walten. (1675)
Just diese unfehlbare Rolle beansprucht Trump für sich, wenn er die wichtigsten Politiker im Weißen Haus der ganzen Welt präsentiert und jedem, der einen TV-Apparat besitzt, die Gelegenheit bietet, die Entstehung der Weltpolitik bis ins Detail zu beobachten und sich eine unabhängige Meinung zu bilden.
Natürlich bedeutet das nicht, dass der mächtigste Chaot der Weltpolitik zum vorschriftsmäßigen Moralisten geworden sei. Er ist nur geworden wie sein Gott, der Gutes und Böse als Unfehlbarkeiten der Menschheit servieren kann.
Wankelmütig, unberechenbar und schlitzohrig kann Trump jede Rolle dieser Welt spielen, um seine göttliche Grandiosität zu zelebrieren. Bei Merz, dem Deutschen, war er munter aufgelegt, weil jener aus der Heimat seiner Vorfahren kam und sich dankbar zeigte für die Rettung seiner Landsleute aus den Fängen eines machiavellistischen Raubtiers.
Wer in Lebensgefahr schwebt, kann sich seine Retter nicht aussuchen. Er muss jeden akzeptieren, der da kommt und froh sein, dass er wieder ins Leben zurückkehrt.
Doch wenn er wieder fit ist, muss er sich klar werden über die wichtigsten Personen seines Lebens. Die Deutschen sind den Amerikanern wahrhaft dankbar für deren wohlwollende Mentorenrolle, so dankbar, dass sie schon fast alles kopiert haben, was über den großen Teich nach Europa gekommen ist.
Doch wer dankbar ist und sich am liebsten mit jemandem identifizieren will, der hat Probleme, sich kritisch zu seinen neuen Heroen zu verhalten.
Bis heute hat Deutschland kein kritisches Bild von seinen Lebensrettern. Ja, sie wissen noch nicht einmal, wie man sich ein kritisches Bild von anderen machen kann.
Entweder versteht man sich auf den ersten Blick oder man schlägt sich den Schädel ein. Ausländer, die hier leben müssen, haben meist die Schnauze voll von dem abweisenden Trübsinn ihres Gastlandes.
Die Einheimischen sind zwar Weltmeister in Tourismus, doch wenn sie nach Hause kommen, haben sie nur eines zu erzählen: so toll war die Aussicht auf das Meer. Vielleicht schwärmen sie noch von der freundlichen Lebensart ihrer Gastgeber. Doch mehr haben sie nicht zu bieten.
Wissen sie heute mehr über Türken, Spanier oder Franzosen? Haben sie jetzt einen besseren Einblick in die Scharmützel der internationalen Politik? Vergiss es! Von den Amerikanern wissen sie gar nichts.
Diese Unfähigkeit im Verstehen haben sie auch ihren Medien zu verdanken, die ihre besonderen Kenntnisse eines fremden Landes mit dem Motto begründen: da machte ich mich auf die Spur der Weltherrscher und fuhr von Ost nach West.
Wahrlich, da kann man endlos viele Landschaftsperspektiven entdecken, aber die Kenntnis der Geschichte ist nicht auf die Autostraßen geschrieben.
Schon mit dem Verstehen hapert’s. Wer verstehen will, muss jemanden besser kennenlernen, seine Vorzüge und Schwächen genau untersuchen. Nicht nur sein Gutes, auch sein Böses. Schwerverbrecher sind genauso kennenzulernen, wie die besten Freunde: man muss die Umstände kennen, die einen Menschen geprägt haben. Diese Umstände muss man nicht sofort bewerten.
Es ist wie mit dem Kennenlernen einer unbekannten Natur. Ob sie menschen-freundlich oder -feindlich ist, muss man nicht am Anfang einer Erkundungstour herausfinden. Erst wenn ich die Naturvielfalt verstanden habe, kann ich die Frage stellen: wer nützt wem, wer frisst wen?
Der Überblick über das Ganze gestattet mir, die Funktionen der einzelnen Teile zu erforschen. Bei einem Schwerverbrecher nicht anders: wer hat ihn als Kind gut behandelt, wer hat ihn geschlagen und psychisch beschädigt?
Nun zu Amerika: welche Leute haben den neuen Kontinent bevölkert, wie haben sie die einheimischen Völker behandelt, welche Lebensvorstellungen haben sie mitgebracht, wie haben sie sich in der neuen Heimat verändert?
Als Amerika den Zweiten Weltkrieg beendet hatte, wie hat sich das Land der Retter verändert? Oder ist es gleich geblieben?
Ging Washington daran, mit den anderen drei Siegermächten eine neue Weltordnung einzurichten? Solche Vorhaben gab es und führten zur Einrichtung der UNO und ihrer universellen Menschenrechte.
Doch Amerika war gespalten.
„Das Projekt „Neue Weltordnung“ reichte schon Jahrzehnte zurück. Es zielte auf die … Veränderung der grundlegenden Glaubensordnung des normalen, frommen Amerikaners der 1950er Jahre und schuf eine Nation von Angst getriebenen wiedergeborenen Christen, die von fanatischen Biblizisten geführt wurden. Dieser evangelikale Glaubensrigorismus hatte im Jahre 2000 George W. Bush ins Weiße Haus gebracht.
Die Bevölkerung der USA war für ihre Offenheit gegenüber Ausländern und ihre lockere Lebensweise bewundert worden. Wie sie es zulassen konnte, dass ihr Land zu einer monströsen Macht wurde, die mit Brutalität und Folter im Irak, in Afghanistan und anderswo ihre Menschenfeindschaft zeigte, das will heute niemand wissen.
Die Umwandlung der amerikanischen Gesellschaft durch Sozialtechniken, die alles Vorstellbare übertrifft, trug dazu bei, um aus den Vereinigten Staaten dieses neue Sparta werden zu lassen – ein Sparta das sich ständig im Kriegszustand befindet.“ (Apokalypse jetzt, F. W. Engdahl)
Derselbe Autor schreibt selbstkritisch; „Wir dürfen uns nicht täuschen, dass wir uns heute den Luxus von Altruismus und Wohltäterei in der Welt leisten könnten. Der ursprüngliche Plan der führenden US-Nachkriegsplaner war gewesen, ein informelles Reich zu schaffen, in dem Amerika als Hegemon einer neuen Weltordnung erscheinen würde, die nicht mehr herausgefordert werden kann. Die Weltordnung sollte durch die neugeschaffene Organisation der Vereinten Nationen verwaltet werden.“
Was bedeutet das wirklich?
„Die wenigsten wissen, dass es eindeutig das geheime Ziel der USA gewesen war, die vollständige wirtschaftliche und militärische Kontrolle über das, was der britische Vater der Geopolitik, Sir Halford Mackinder, in seinem politischen Papier von 1904 „die geographische Achse der Geschichte„ genannt hatte, nämlich Russland an sich zu reißen. Zum außenpolitischen Establishment gehörte ihr gesamter militärisch-industrieller Bereich, ihre Energiegesellschaften usw. Die führenden Personen, wie Henry Kissinger und Brzezinski steckten tief in der Tradition von Mackinders Geopolitik.“
Das führte zum gigantischen Machiavellismus der amerikanischen Nachkriegsgeschichte. Die genannten Ziele einer neuen UNO-Weltordnung wurden zwar offiziell festgehalten, doch im Geheimen plante man eine ganz andere Ordnung:
„Wir erleben eine größere und immer größere Verachtung der Grundprinzipien des Völkerrechts. Und unabhängige gesetzliche Normen werden tatsächlich immer mehr dem Rechtssystem eines einzigen Staates untergeordnet. Ein Staat und natürlich vor allem die Vereinigten Staaten, greift auf jede erdenkliche Weise über seine Landesgrenzen hinaus. Das zeigt sich an den wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und pädagogischen Richtlinien, die er anderen Nationen auferlegt.“ (Putin, Münchner Rede)
Wie bitte, wie kommt hier Putin ins Spiel?
Fortsetzung folgt.