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Die ERDE und wir. LXXVI

Tagesmail vom 16.05.2025

Die ERDE und wir. LXXVI,

Fliegt der erste Morgenstrahl
Durch das stille Nebeltal,
Rauscht erwachend Wald und Hügel:
Wer da fliegen kann, nimmt Flügel!

Und sein Hütlein in die Luft
Wirft der Mensch vor Lust und ruft:
Hat Gesang doch auch noch Schwingen,
Nun so will ich fröhlich singen! (Eichendorff)

Gab es auch bei uns Zeiten mit fröhlichen Menschen? Die singend durch die Welt ziehen?

Deutschland ist nicht nur ein abschreckendes Land. Auch hier blühten und wuchsen Menschen in heiterer Lust an der Natur.

Doch es dauerte lange, bis die Freunde des Lebens das Regiment der Popen und Herrenmenschen abgeschüttelt hatten.

Noch heute müssen wir an der Selbstbefreiung arbeiten, denn die Tyrannei des Himmels hatte sich verwandelt in die der Maschinen und des Geldes.

Was jetzt folgt, ist eine Weltutopie.

Keine Utopie mit vorprogrammiertem Massenmord an der Menschheit, sondern ein ekstatisches Endziel, das kein Mensch verändern will, wenn er es denn je – wenn auch nur ahnungsweise – erlebt hat.

Die Erde, so scheint es, ist ein bevorzugter Planet im Universum. Hier wachsen endlos viele Tiere und Pflanzen in der unerschöpflichen Natur – und mitten inne der Mensch, der sich als Krone der Evolution empfindet.

Nicht als Krone der Schöpfung, denn göttliche Schöpfer sind in hohem Maße unwahrscheinlich.

Jetzt aber hat der Mensch mit seiner Intelligenz die Erde in Gefahr gebracht. Er hat die Natur geplündert und den Menschen mit Blindheit geschlagen.

Will er seine besten Zeiten wiederbeleben und in eine hoffnungsvolle Zukunft verwandeln – und die Erde nicht zu einer vollautomatischen und vollüberwachten kosmischen Kugel verkommen lassen, so muss er sich jetzt an die Arbeit machen.

So, wie er die Natur angetroffen hat, muss er sie bei seinem Tod auch wieder verlassen.

Was nicht bedeutet, dass er nichts verändern darf. Aber diese Veränderungen müssen so natur- und menschenfreundlich sein, dass die Zukunft das Leben seiner Kinder und Kindeskinder nicht gefährdet kann. Dieses Ziel muss sorgfältig in planetarischer Einheit überwacht werden.

Das erste planetarische Motto des Menschen muss heißen:

Alles, was auf Erden geschieht, muss durch menschliche Hände verantwortet werden. Andere Schicksalsmächte gibt es nicht.

Der Mensch allein ist der Herr seines Geschicks. Mag er beten und flehen, wohin er will: immer wendet er sich nur an sich selbst.

Er allein ist Subjekt und Objekt seines Tuns.

Subjekt: alles geht von ihm aus, er erkennt, er will, er tut.

Objekt: die gesamte Beute unseres Erkennens, worüber wir glauben, Macht zu besitzen.

Verödete die Erde durch seine Schuld zu einem toten Gebilde, wäre Er der Massenmörder eines verletzlichen Planeten.

Sollte er überintelligente Maschinen einsetzen, bliebe es dennoch seine Aufgabe, diese Maschinen zu überwachen.

Würde er alles seinen Maschinen überlassen, wäre er kein autonomes Wesen mehr, sondern hätte sich zum Sklaven seiner Algorithmen erniedrigt.

Heute haben wir es so weit gebracht, dass uns die Gefahr eines planetarischen Suizids von überall her droht.

Wie aber kommt es, dass so viele Menschen nur höhnisch und abweisend mit dieser Gefahr umgehen?

Weil sie zu den Hauptschuldigen unter den Menschen gehören. Diese sind es, die – so glauben sie – am meisten durch die Zertrümmerung der Natur gewinnen, wodurch sie im selben Akt ihre Erkenntnisorgane zerschlagen haben.

„All das Städtehopping im Privatjet, die Jachtausflüge, Cabrioletfahrten und Hubschrauberrundflüge, die zahlreichen Großanwesen mit beheizten Außenpools, Heimkinos, Garagen voller Oldtimer und XXL-Kühlschränken, die ausschweifenden Shoppingtouren, Dinnerpartys, Kaviar, Stopflebern und Wagyu-Steaks, finanziert von Spekulationen auf Erdöl- und Waffengeschäfte, haben ihre Spuren hinterlassen. Laut den Berechnungen sind die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung für unglaubliche zwei Drittel der globalen Erwärmung seit 1990 verantwortlich! Das superreichste eine Prozent ist sogar für zwanzig Prozent der Erwärmung verantwortlich, das ultrareichste Promille für acht Prozent.“ (derFreitag.de)

Ab der Erfindung jener Tausch-Ökonomie, mit der die Geschickten und Energischen ihre neuen und aufsehenerregenden Produkte unter ihren Nachbarn zu verbreiten begannen, entstand der Glaube, die vom Menschen bearbeiteten Dinge seien so wertvoll, wie man Geld mit ihnen verdienen kann.

Die Menschen ernannten sich zu Herren der Natur, die selbst bestimmen konnten, was ihre künstlichen Produkte wert sind.

Das war das Ende der autonomen Natur. Der Mensch übernahm das Ruder des Planeten und heftete allem Selbstgemachten seinen eigenen Preis an die Stirn.

Natürlich wurden jene, die am erfolgreichsten mit diesem Wechsel der Waren in Geld und des Geldes in Waren umgingen, die Reichsten und die Mächtigsten. Die Europäer sprachen stolz von der Erfindung des Kapitalismus.

Nun kam es zu einer unheilvollen Zwangsgemeinschaft der Religion mit dem Kapitalismus. War bislang die Religion die unfehlbare Macht der Welt, ging mit dem Niedergang dieser Religion der Kapitalismus daran, sich an die Stelle jener zu setzen.

Das war einfacher als gedacht. War der Sinn der Religion, sich im Dienst des Gottes einen winzigen Teil der Menschheit als Auserwählte auszusuchen, verwandelten sich diese Auserwählten peu a peu in die wenigen Superreichen und Mächtigen, die heute das Weltgeschick bestimmen.

Das ist die Ära des unermesslich mächtigen Trump und seiner unermesslich reichen Genossen.

Geschichte war nicht mehr das Revier der gesamten Menschheit, um auf Erden glücklich zu werden, sondern einer gigantischen Masse, aus der die Mächtigsten jene wenigen herausfischen, die ihnen am ähnlichsten scheinen.

Das ist der Grund, warum Trump sich nicht nur als goldglänzender Mann der Geschichte gebärden kann, sondern auch als Gott, der sich seine Auserwählten beliebig aussuchen darf.

Doch Trump ist nicht der Erfinder der Erwählungs-Geschichte. Erfinder waren die Erlöserreligionen, die nur wenige Gläubige als Lieblinge Gottes aussuchten – und vor allem jene deutschen Philosophen, die die Gesetze des Kapitalismus am grausamsten formulieren konnten.

Zu ihnen gehören Hegel, Fichte, Stirner und vor allem der Pastorensohn Nietzsche.

Nietzsche hasste alles, was nach persönlichem Glück roch. Besonders Sokrates war ihm verhasst. Er verfluchte die Seligkeitsverheißungen und betete alles an, was Verderben und Unglück verhieß:

„Wohlbefinden, wie ihr es nennt, sagt er, das ist ja kein Ziel, das ist das Ende. Der Weg, den die Menschheit zu gehen hat, ist nicht ihr Weg zum Glück, sondern ihr Weg zur Macht, zur Tat, zum mächtigsten Tun. Trachte ich denn nach Glück? – fragt Zarathustra. Ich trachte nach meinem Werk. „Es gibt höhere Probleme als alle Lust-, Leid- und Mitleidsprobleme.“ Das ganze Bild der Kultur bei Nietzsche ist allein auf Willensstärke angelegt und zeigt eine nur pathologisch zu verstehende Vorliebe für den Raubmenschen und gewalttätigen Verbrecher. „Denn leiden sehen, tut wohl, leiden machen noch wohler.“ In allem Mitgefühl, in aller Nächstenliebe komme etwas Verächtliches zum Vorschein, die physiologische Überreizbarkeit, die allem Dekadenten eignet. – Ihr gegenüber müssen die gewalttätigen, selbstsüchtigen Instinkte sich wieder Luft schaffen. Nietzsche redet mit der bittersten Verachtung von der Masse, der Herde, von den „viel zu Vielen“, die als Einzelne gar nichts bedeuten und nur Stufen sind für die Größe des Gewaltmenschen, des wirklich Einzigen. Hier darf doch wohl gesagt werden, dass diese Lehre eine Vorverkündigung des Evangeliums vom wirtschaftlichen Egoismus bildet. Ist das nicht genau das, was das Manchestertum als oberste sozialpolitische Weisheit verkündet hatte? Vor allem gehört hierher die gemeinsame Abneigung gegen den Staat und sein Eingriffe in die individuelle Freiheit.“ (alle Zitate in Jodl, Geschichte der Ethik)

Wer in diesen Zeilen Nietzsches nicht die Botschaft Hayeks vernimmt, hat nichts vom Neoliberalismus verstanden.

„Es ist die natürliche Reaktion des Individualismus gegen die drohende Gefahr vollständiger Sozialisierung der Gesellschaft.“

Sollte ein FDPler Nietzsche nicht gelesen haben, kann er von Hayek nichts verstehen.

Noch immer sind wir nicht am Höhepunkt der Entwicklung angelangt – die sich mit der Nietzscheformel „Wille zur Macht“ begnügt.

„Macht“ ist nicht das letzte Wort, das in der Epoche Bismarcks gesprochen wurde.

„Nietzsches Anschauung mit ihrer Bedeutung endloser Wiederkehr des Gleichen, mit ihrer unersättlichen Gier nach Leben, macht dieses Dasein zur Hölle für alle, mit Ausnahme der wenigen Herrenmenschen, die stark genug sind, um alles unter ihren Machtwillen zu beugen. Das ist wohl das Furchtbarste, was ein Denker den Menschen als Ethik angesonnen hat: die Ewigkeit der Höllenstrafe auf Erden als höchste Lebensfreude.“

Das ist eine komplette Verkehrung aller humanen Glücksphilosophie und aller irdischen Seligkeit in die Hölle auf Erden.

Diesen Gipfel einer teuflisch gewirkten Unheilsgeschichte kennt Trump nicht. Doch warten wir noch ein Weilchen: wenn der Abkömmling aus Kallstadt in die Pfalz kommt, wird er plötzlich sehen, wo Kanzler Kohl seine Wanderungen in den Pfälzer Wald zu beginnen pflegte, um seine Armageddon-Phantasien zu genießen.

Es gibt zwei Gedankenströme, die die Geschichte des Abendlandes bestimmten: die autonome Philosophie der antiken Demokratie – und die Erlösungshoffnung der Religionen.

Zuerst überwältigte das Christentum die hybride Selbstbestimmung der Heiden, dann sackte es ab und musste die Wiederkehr von Platon und Aristoteles über sich ergehen lassen.

Die Renaissance war der Beginn der modernen Aufklärung, die – besonders in Frankreich – das Getue der Pfaffen verjagte.

Und dennoch gelang es den Aufklärern nicht, die Religion gänzlich wegzuwischen. Der Grund: die Lehre von der letzten Zeit der Heilsgeschichte hatte sich längst in die Lehre von der endlosen Zukunft des Kapitalismus und des Fortschritts transformiert.

Heute regiert Silicon Valley die Welt mit seinem Glauben an die übermenschliche Intelligenz der KI.

Doch vergessen wir nicht: was die Maschinisten zustande bringen, wird von Eichendorffs Gedicht mit links in den Schatten gestellt.

Fortsetzung folgt.