Tagesmail vom 14.04.2025
Die ERDE und wir. LXIX,
Ostergefühle taugen so wenig wie Hoffnungen auf tüchtige Regierungen.
„Nach der ersten medizinischen Untersuchung seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus stellte ein Arzt in einem am Sonntag veröffentlichten Bericht Folgendes fest. Der Präsident habe »eine ausgezeichnete kognitive und körperliche Gesundheit und ist uneingeschränkt in der Lage, die Pflichten des Oberbefehlshabers und Staatsoberhaupts zu erfüllen«.“ (SPIEGEL.de)
Kurz vorher schrieb der SPIEGEL noch über die Fähigkeiten des Präsidenten:
„Die Hoffnung, Trump werde nach seiner groß angekündigten Zollpause zur Vernunft kommen, ist an den Märkten bereits wieder verflogen. Zehn Prozent Zölle auf globale Importe und ein Handelskrieg mit China könnten die Weltwirtschaft monatelang in Geiselhaft nehmen. Und womöglich in eine neue globale Krise stürzen. Die Renditen auf US-Staatsanleihen steigen bereits wieder.“
Der Präsident versagt auf allen Politfeldern – und sein Arzt hält ihn für komplett tauglich, seine Pflichten zu erfüllen. Wen müssen wir hier für meschugge halten: den Arzt, den Berichterstatter oder uns selbst?
Die neue deutsche Regierung würgt sich bereits im embryonalen Zustand. Das ist, als würden Zwillinge im Bauch der Mutter sich schon gegenseitig den Hals umdrehen.
In den Etagen der Mächtigen funktioniert nur eins: die Tresore füllen. Momentan mit gelegentlichen Einbußen, aber niemals grundsätzlich. Die Zahl der Multis steigt wie andererseits die Zahl der Nullen und Nichtsen.
Die Deutschen wissen nicht, was ein Kompromiss ist, fühlen sich aber als Weltmeister des gerechten Vermittelns. Ihre Regierungen sind nichts als bloße Kompromissmaschinen.
Deutsche Medien lauern nur darauf, wer wen am hinterhältigsten übers Ohr haut. Obwohl ihr Regierungsmotto uns zum Hals heraus hängt, gellt es uns täglich in den Ohren: „Wir können nicht sagen, was wir tun werden; wir können nur sagen, dass wir etwas tun wollen.“
Menschen können sich nur klar machen, was sie wollen. Danach erst können sie versuchen, ihren Willen in die Tat umzusetzen. Ob sie es schaffen werden, hängt von endlosen Faktoren ab, die nicht in ihrer Gewalt sind.
Früher sprachen sie von Gottes Willen: so Gott will. Heute quasseln sie endlos von Finanzierungsvorbehalten.
Eine gewonnene Wahl ist nur der Auftrag: 1) die Zustimmung der Bevölkerung zu gewinnen, 2) die Macht zu gewinnen, gegen Widerstände die Wahl-Ziele anzupeilen.
Hier brennt’s schon. Denn niemand will klare Ziele nennen, die er für geeignet hielte, die Lage der eigenen Nation und der Welt zu humanisieren. Solche Ziele hält er für überdimensionale „Visionen“, sodass er es als Hochmut empfände, sie in Realität umzusetzen.
Er muss Demut zeigen. Denn Hochmut bestraft der Herr.
„So zieht nun an … herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; 13 und ertrage einer den andern und vergebt euch untereinander, wenn jemand Klage hat gegen den andern; wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“
Wer mit solchen Sätzen des Neuen Testaments die Politlage kritisierte, stieße auf einhellige Empörung. Sind wir hier etwa in der Kirche oder in der sündigen Welt? Verschont uns mit euren frommen Sprüchen.
Christen haben gelernt, dass die Welt aus zwei Teilen besteht: der Kirche und dem Reich der Sünde. In der Kirche kann alles vollkommen sein, denn sie ist selbst vollkommen. Im Reich der politischen Teufel aber herrscht allein die Sünde – die nur mit Gegen-Sünden bekämpft werden kann.
Das Sündenbewusstsein christlicher Politiker ist derart übermäßig, dass sie auf keinen Fall ihrem Herrn der Welt in die Quere kommen wollen. Fazit: wir sind Sünder in einer sündigen Welt, ergo sündigen wir selbst mit gutem Gewissen. Den Rest erledigt der Schöpfer. Wetten, dass Machiavelli sich von dieser Zweiweltenlehre inspirieren ließ?
Da das Buch der Erlöser sich in allen Punkten widerspricht, entsteht das Problem: die richtigen Sentenzen der Schrift auswählen – oder sich bemühen, den „wahren“ Sinn der Offenbarung rauszukriegen.
Letzteres ginge jedoch nur, wenn es ein Mittel gäbe, den Herrn höchst persönlich in ein mäeutisches Gespräch zu verwickeln.
Ist es möglich, dass Gott sich widerspricht? Ist er nicht so weise, dass er seine Botschaft in logischer Reinheit formulieren könnte?
Nein, so weise ist niemand, auch ein erträumter Gott nicht. Den Frommen bleibt nichts übrig, als sich bei Widersprüchen für die eine oder die andere Version willkürlich zu entscheiden.
Beispiel: Armut.
„Wohlan nun, ihr Reichen: Weint und heult über das Elend, das über euch kommen wird! 2 Euer Reichtum ist verfault, eure Kleider sind von Motten zerfressen. 3 Euer Gold und Silber ist verrostet und ihr Rost wird gegen euch Zeugnis geben und wird euer Fleisch fressen wie Feuer. Ihr habt euch Schätze gesammelt in den letzten Tagen! 4 Siehe, der Lohn der Arbeiter, die euer Land abgeerntet haben, den ihr ihnen vorenthalten habt, der schreit, und das Rufen der Schnitter ist gekommen vor die Ohren des Herrn Zebaoth. 5 Ihr habt geschlemmt auf Erden und geprasst und eure Herzen gemästet am Schlachttag. 6 Ihr habt den Gerechten verurteilt und getötet, und er hat euch nicht widerstanden.“
Hier hätte Hayek Mühe, seine Bevorzugung der Reichen theologisch zu rechtfertigen.
Andererseits gibt’s das konträre Wort:
„Der Segen des Herrn, der allein macht reich,
eignes Mühen tut nichts hinzu.“
„Denn die Gesegneten des Herrn gewinnen das Land,
seine Verfluchten aber werden vertilgt.“
Bitte entscheiden, welches Wort das wahre des Herrn ist.
Haben jene Recht, die die besten logischen Gründe kennen, um das wahre Wort auszuwählen oder jene, die mit ihrem Motto erfolgreich sind?
Womit wir beim Erfolg angekommen wären, dem Kriterium der Neoliberalen, um ihre Auserwähltheit mit Taten zu beweisen.
Zweifellos hat sich Erfolg als Beweis der Erwählten durchgesetzt, weshalb es immer mehr Reiche auf der einen Seite und immer mehr Arme auf der anderen gibt. Die Reichen haben das Recht, den Armen die Haut abzuziehen, denn das sei der Wille des Herrn.
Beispiel: Deutsche kaufen sich Nieren in Afrika:
„Deutsche lassen sich gegen Geld in Kenia Nieren einpflanzen, die Organspender sind oft bitterarm. Es ist ein Geschäft, das sich mit allzu viel Wissen ebenso schlecht verträgt wie mit einem Gewissen. Nur mit der Not und dem Nutzen und der Rendite dazwischen.“ (SPIEGEL.de)
Trump begnügt sich nicht mit Nieren. Er will alles aus den armen Ländern herausquetschen, das er für seine Industrie braucht. Das Überleben der Einheimischen ist ihm wurscht:
„Aids, Tuberkulose, Impfungen: Die USA streichen Zuschüsse für Tausende lebensrettende Projekte weltweit. Die beiden Programme der Blindenmission stehen auf einer schier endlos erscheinenden Streichliste der US-Entwicklungsbehörde USAID, die bisher den Großteil der Entwicklungshilfe-Zahlungen verantwortete. Mehr als 200 Seiten ist das Dokument lang, jede Spalte ein gestrichenes Hilfsprojekt, ein als überflüssig charakterisierter Dienstleister. Es sind 5300 Einträge, das sind 86 Prozent aller Programme und Verträge. Ihr Gesamtvolumen: 75 Milliarden Dollar, wobei allerdings ein Großteil der Gelder bereits ausgezahlt ist, denn die Projekte laufen zum Teil schon seit Jahren.“ (Sueddeutsche.de)
Die Armen der Welt sollen nicht nur verrecken, sie werden auch noch ausgeplündert, um den eigenen Wohlstand ins Maßlose zu verbessern.
Glück ist nur für die Reichen. Stopp: Glück als Wohlstand. Wer nicht reich ist, kann nicht glücklich sein. Stopp: wie erklären wir uns dann, dass es in deutschen Schulen das Fach gibt:
„An manchen Schulen üben Kinder im Unterricht, einander Komplimente zu machen, und sie denken über ihre Stärken nach. Die Idee: Glücklich sein kann man lernen.“ (SPIEGEL.de)
Sollten die Deutschen in dieser Schule tatsächlich verstanden haben, was Demokratie ist, nämlich die Chance, auf Erden gleichberechtigt glücklich zu werden?
Wäre Glück nicht auch die Antwort auf die Frage: was ist das Ziel des Lebens? Gibt es also nicht doch ein konkretes Ziel für das irdische Malochen?
Nicht nur in christlichen, auch in marxistischen Lehrbüchern dürfen die folgenden Sätze nicht fehlen:
„Wenn jemand nicht arbeiten will, soll er auch nicht essen. 11 Denn wir hören, dass einige unter euch unordentlich wandeln und arbeiten nichts, sondern treiben unnütze Dinge.“
In Deutschland erhalten diejenigen kein BGE, die mit geschenktem Geld ihre Faulheit finanzieren wollen. Würden sie aber sagen: sie bevorzugten eine vita contemplativa und verachteten eine vita activa: was wäre der Zweck ihres Tuns? Im hellenischen Sinn könnten sie antworten: um glücklich zu sein.
Arbeit kann glücklich machen. Nicht aber im Regiment Gottes. Dort heißt es in der Geschichte vom Sündenfall:
„Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. 18 Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. 19 Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.“
Bei Gott ist Arbeit Strafe, Strafe als Quittung für die Sünde.
Und das scheint für Deutschland noch heute gültig zu sein. Wer nicht hart arbeitet – Lieblingsausdruck von Arbeitsminister Heil –, der muss „vom Staat“ verachtet und angeprangert werden.
Die Deutschen leben noch immer im Reich der Sünde und der Sündenstrafe. Arbeiten als Glück ist ihnen unbekannt.
Was für ein Widerspruch. Einerseits soll der Fortschritt dafür sorgen, dass harte und unliebsame Arbeit für den Menschen immer weniger wird: intelligente Maschinen sollen die harte Arbeit ersetzen.
Andererseits scheint die Arbeit immer mehr zuzunehmen, je mehr KI-Maschinen die Welt bevölkern. Woraus wir lernen; der Fortschritt lockt mit Versuchungen, die er irgendwann mit Sicherheit ins Gegenteil verkehren wird – und niemand darf es zur Kenntnis nehmen.
Was ist hier geschehen? Um das zu verstehen, müssen wir uns die Entwicklung der modernen Naturwissenschaft vor Augen führen.
Die Entwicklung der Naturwissenschaft hat „die vielleicht gründlichste Umwälzung des menschlichen Denkens seit der griechischen Entdeckung des Kosmos herbeigeführt. Zuweilen wird diese Revolution als geistiger Aufstand und als vollständige Umwälzung der grundlegenden menschlichen Geisteshaltung interpretiert. Das „praktische Denken“, die vita activa, trete an die Stelle der vita contemplativa, die bisher als vornehmste geistige Tätigkeit galt. Der neuzeitliche Mensch suche die Natur zu beherrschen, während der antike und mittelalterliche sie vor allem betrachtet habe. … Die scientia activa und operativa ziele darauf ab, den Menschen zum „Herrn und Besitzer der Natur“ zu machen.“ (A. Koyré, Leonardo, Galilei, Pascal)
Jetzt ist klar, warum die Korrektur der Klimazerstörung nur durch Zerstörung der religiösen Ideologie geschehen kann.
Glück auf Erden findet der Mensch nur, wenn er staunend die Natur betrachtet, sie aber nicht so beschädigt und ausplündert, dass sie zu Grunde gehen muss.
Fortsetzung folgt.