Tagesmail vom 28.03.2025
Die ERDE und wir. LXIV,
„Auctoritas, non veritas facit legem“, nicht Wahrheit bestimmt das Gesetz, sondern Autorität. (Hobbes)
Autorität ist Macht, die sich als Wahrheit präsentiert.
Da Autoritäten immer lügen, müssten sie, nach zukünftigem Berliner Recht, grundsätzlich verboten werden.
Was hat Trump mit Hobbes zu tun?
„Alle Lehrer stehen im Dienst des Herrschers und dürfen nur lehren, was er für nützlich hält.“
Eben diesen Satz verwandelt Trump justament in amerikanische Politik.
„Nach Hobbes` Ansicht haben die antiken Autoren mit ihrer Verherrlichung der Freiheit die Menschen zu Aufruhr und Auflehnung geführt.“ (alle Zitate in B. Russell, Die Philosophie des Abendlandes)
Die griechische Antike ist schuld am Desaster der Moderne? Dann aber schnell Ade sagen zu jeder klassischen Bildung.
„Obwohl wir versuchen müssen, die Gesellschaft in dem Sinne gut zu machen, dass wir gern in ihr leben, können wir sie doch nicht in dem Sinne gut machen, dass sie sich moralisch verhält.“ (Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit)
Okay, jetzt reicht’s mit dem Blödsinn; sollen etwa noch alle zehn Gebot des Alten Testamentes folgen, denen man heute noch gehorsam sein muss?
Hat die CDU, pünktlich zur Eroberung ihrer auctoritas, wieder ihre Frömmigkeit entdeckt?
Heißt es nicht im Dekalog: Du sollst nicht lügen?
Nein, heißt es nicht. Vielmehr heißt es:
„Du sollst nicht falsches Zeugnis reden wider deinen Nächsten.“
Jetzt mach kein Ding. Der Sinn des neunten Gebotes ist: du sollst keine Lügen über deinen Nächsten verbreiten.
„Du sollst der Menge nicht auf dem Weg zum Bösen folgen und nicht so antworten vor Gericht, dass du der Menge nachgibst und vom Rechten abweichst.“
Dann dürftest du auch keine Kompromisse schließen. Denn du würdest einem Teil der Lüge folgen. Mit Demokratie hätte das nichts mehr zu tun.
Übertreib nicht, wir leben nicht mehr im Mittelalter, dass wir dem Wort wortwörtlich zu folgen hätten.
„Zum Verhältnis zwischen Friedrich Merz und der Wahrheit ist viel gesagt worden. Es darf als Allgemeinwissen gelten, dass der CDU-Vorsitzende und werdende Bundeskanzler die Leute im Wahlkampf glatt angelogen hat, als er in sein Wahlprogramm schreiben ließ: „Wir halten an der Schuldenbremse des Grundgesetzes fest.“ Zumindest für die Aufrüstung ist die Kreditblockade Geschichte, zusätzlich umgangen wird sie mit dem auf Pump geplanten „Sondervermögen“ für Infrastruktur. Beides steht jetzt im Grundgesetz, hineingeschrieben in einem höchst fragwürdigen Verfahren von der Mehrheit der „Mitte“ im alten Bundestag.“ (derFreitag.de)
Warum geht es mit der christlichen Moderne so hurtig abwärts? Weil wir nicht mehr den Zehn Geboten folgen? Die Ethik der alten Griechen vernachlässigen? Weiß noch jemand, warum der phänomenale Sokrates zum Tode verurteilt wurde?
Blättern wir doch mal im Buch eines amerikanischen Historikers. Amerikaner konnten von ihren calvinistischen Anfängen an die alten Griechen nicht leiden; schon gar nicht, dass sie die großen Erfinder der Demokratie sein sollten. Aber ganz von Alt-Athen losreißen konnten sie sich auch nicht.
Historiker Herbert J. Muller schreibt deshalb über Josephus, den jüdischen Historiker:
„Ich kann mich über die, die denken, dass wir uns, wollen wir die ältesten Dinge erfahren, nur an die Griechen halten müssen und dass wir nur von ihnen die Wahrheit erfahren können, nur wundern … denn ihr werdet feststellen, dass alles, was die Griechen betrifft, erst vor kurzem, man könnte sagen, gestern oder vorgestern, geschah … Kann es denn anders als lächerlich sein, dass die Griechen so stolz sind, als seien sie das einzige Volk, das das Altertum kennt?“
Abgesehen von den ersten Anfängen flüchtiger Bekanntschaft, in denen die Griechen die zurückgezogenen Juden als philosophisches Volk betrachteten, weil es nur einem Gott huldigte, waren die Beziehungen zwischen den rationalen Hellenen und den gläubigen Juden stets belastet.
Für die Frommen war Gottes Wort die allwissende letzte Autorität, wer ihr nicht folgte, musste mit schlimmen Folgen rechnen. Für die Heiden gab es keine letzte Instanz, die man als unfehlbar betrachten konnte. Man musste streiten, der ewige Streit wurde zum Signum einer vitalen Demokratie.
Kann aber ein ewiger Streit ökonomisch und kulturell erfolgreich werden?
Im Kulturellen und Ästhetischen auf jeden Fall, wie wir an der klassischen Architektur und den vielen Tragödien- und Komödiendichtern, den bis heute berühmten Denkern und Naturphilosophen ablesen können, die die Grundlagen für die Entwicklung der modernen Naturwissenschaften und Technik legten.
Ästhetik und Gedankenarbeit sollen die Ursachen des abendländischen Fortschritts sein? Gar der Ökonomie und Eroberung der Welt?
Wie erklären wir uns dann den schnellen Zusammenbruch Athens, nach einem gloriosen Aufstieg zum damaligen Mittelpunkt der Welt?
Das sieht Muller anders:
„Athen stieg auf, als es sich mit Handel und Industrie befasste, während Sparta ein Agrarstaat blieb; sein großartiges Kulturwagnis beruhte auf der Erfindung des Bankwesens. Seine liebliche Keramik, die bei uns als Zeichen griechischen Schönheitssinns gilt, war auch ein Beweis für die Energie. Schlauheit und Findigkeit des griechischen Geschäftsmannes.“
Und was ist mit der Erfindung der Satire, der phallischen Statuen, der Lobpreisungen der Sexualität und Homosexualität – und der dionysischen und bacchischen Elemente griechischer Kultur?
Doch jetzt kommt der Hammer: waren es nicht die Griechen, die den Kapitalismus erfanden? Hier werden deutsche Altphilologen aufschreien: die Müßiggänger der Antike sollen die Gier des Geldverdienens entwickelt haben?
Die Gründe des katastrophalen Niedergangs Athens nach einem unfassbaren Aufstieg sieht Muller im Niedergang der rastlosen Energie der Hellenen:
„Eine allgemeine Ursache des Niedergangs lag im ökonomischen Imperialismus Athens. Dennoch verdanken wir den Früchten dieses Imperialismus und der Kriegsbeute jenen Reichtum, ohne den die Ausschmückung der Akropolis, die ja ebenfalls ein Symbol der Macht war, nicht möglich gewesen wäre.“
Jetzt prasseln die Widersprüche, die wir heute kaum verstehen.
Einerseits ökonomische Vitalität, andererseits aber die bekannten Worte des Perikles über die Athener:
„In erster Linie rühmte er sich des Menschentyps, den Athen hervorbrachte – des auf das öffentliche Wohl bedachten und ergebenen Bürgers, der außerdem auch Selbstvertrauen besaß, findig, unternehmend und vielseitig war und der „dem Edlen ohne Extravaganz huldigte und die Wissenschaft ohne Verweichlichung pflegte.“ Der Athener war die gelungenste Verkörperung des griechischen Ganzheitsideals, der „Vortrefflichkeit“ von Körper und Seele.“
Kann sich in diesen Lobpreisungen die Moderne erkennen? Will Silicon Valley vernünftig sein? Wollen Musk & Co vortrefflich und ganzheitlich sein? Haben Bill Gates und Bezos geniale Ideen über Kunst und Architektur?
Perikles: „In Athen leben wir ganz, wie wir möchten.“ Für ihre Bürger war sie die reinste und vollständigste Demokratie, die es in der Geschichte je gegeben hat. Die Stadt baute den Parthenon, finanzierte die großen Festspiele und gab im allgemeinen großzügig Geld aus, um ein volles und sicheres Leben zu gewährleisten. Dennoch waren die Bürger Herr ihrer Regierung und fürchteten in ihr keine ewige und fremde Macht.“
Fühlen sich die Ultrareichen von heute verantwortlich für das gute Leben der Öffentlichkeit? Sind sie Förderer von Kunst und Wissenschaft? Im Gegenteil:
„Verhaftungen, Drohungen, Kürzungen. Donald Trump will die Hochschulen seinem Willen unterwerfen. Die zögerlichen Funktionäre von Harvard & Co. müssen sich endlich wehren. Tausende jüdische Studierende, Professorinnen und Professoren in Amerika zeigen Rückgrat. »Not in our name« heißt das Manifest, das schon fast 3.000 Menschen unterschrieben haben. Sie werfen der Regierung von Donald Trump vor, Juden als »Schild« zu benutzen, um »einen unverhohlenen Angriff auf politischen Dissens und die Unabhängigkeit der Universitäten zu rechtfertigen.« Und sie fordern ihre Hochschulleitungen auf, sich gemeinsam dagegen zu wehren. Doch die Funktionäre der berühmtesten Bildungsinstitutionen im so genannten »Land of the Free« zeigen wenig Mut zum Widerstand. Statt sich zusammenzuschließen, verfolgen sie größtenteils passiv, wie die Trump-Regierung gegen die Hochschulen, die Wissenschaft, das freie Denken vorgeht: Polizisten verhaften willkürlich Studenten, die Hochschulleitungen werden unter Druck gesetzt – unter der Drohung, Mittel in Höhe von Hunderten Millionen Euro zu streichen.“ (SPIEGEL.de)
Kennen Musk und Trump überhaupt den Sokrates oder den Perikles? Alles, was man von ihnen hört, sind ihre asozialen Umtriebe in der Welt – und ihre Rückzugsbunker auf Hawai.
In Athen wurde das Gute, Wahre und Schöne erfunden.
„Demgegenüber ist im modernen Amerika das Geschäftsleben die zentrale, einigende Kraft.“
Wer heute vom Guten, Wahren und Schönen spricht, wird von den KI-Genies verlacht. Bei ihnen gilt nur der Fortschritt der Roboter, die die zukünftige Malocherarbeit erledigen, und die Faulenzer, die „vom Staat leben“, in die Hölle verdammen.
Nein, die Griechen waren keine idealen Menschen. „Selbst in den Perserkriegen entdeckt Herodot die gleiche Mischung von Idealismus und Zynismus, Treue und Verrat. Die Griechen waren käuflich, neidisch und voller Misstrauen gegeneinander. Wir müssen bei der Bewertung ihrer Lebensform auch ihre Mängel und Grenzen, die Kehrseite ihrer Tugend klar erkennen.“
Nicht nur das. Zudem hatten die Griechen nicht die geringste Vorstellung von „Wachstum und Entwicklung.“
„Nur bei wenigen Männern,“ schreibt M. Cornford, „finden wir eine derartige Kombination von großer Gedankenfreiheit und absoluter Armseligkeit des Denkapparates.“
Ja, noch schlimmer:
„Wie die Dinge nun mal lagen, bezeugten die großen Denker der Griechen dem Handel, der Industrie und Technik wirkliche Verachtung. Sie hielten die praktische Anwendung ihrer Erkenntnisse für unedel, die handwerklichen Künste eines Bürgers für unwürdig.
In der homerischen Epoche war das noch anders. Die Adligen hielten handwerkliche Künste keinesfalls für verächtlich. „Handel und Industrie wurden erst unfein, als sie mehr Reichtum erzeugt und Freiheit ermöglicht hatten.“
Was ist Mullers Fazit?
„Kurz gesagt waren die Griechen die Gefangenen ihres Vortrefflichkeitsideals. Der griechische Geist war beträchtlich weniger draufgängerisch und dynamisch als der Geist der Abendländer, die versuchten, die Naturkräfte zu bändigen, die Fortschrittskräfte zu entbinden. Die Griechen kannten keinen faustischen Geist. Sie neigten zu steriler, statischer Perfektion. Obwohl er sich zu einem Wunder an Harmonie und Perfektion entwickelte, hatte er keine Zukunft. Während er alte Wahrheiten wiederholte, lernte er für sich nichts Neues hinzu.“
Die Umweltzerstörung begann mit den Griechen und Römern.
Und so lautet die Summa des gelehrten Amerikaners:
„Den freiheitsliebenden Griechen mangelte es an einem wirklich tiefen Glauben an die Macht der Freiheit. Für die Geschichte als schöpferischen Prozess hatten sie wenig Sinn und wenig Vertrauen in die geschichtsgestaltende Kraft des Menschen.“
Liebe Europäer, liebe Deutsche, haltet euch fern von den sterilen Griechen. Nehmt euch ein Vorbild an Silicon Valley und Washington.
Fortsetzung folgt.