Tagesmail vom 21.3.2025
Die ERDE und wir. LXII,
Sensation, es gibt eine revolutionär-neue Änderung des Grundgesetzes.
Die Würde des Menschen ist unantastbar – Würde ist das Glück des Menschen.
Wenn eine Nation unglücklich ist, müssen ihre Regierungen daran schuld sein – und sollten auf der Stelle entlassen werden.
Wer die Frage: was ist das Ziel einer Nation, mit der Floskel beantwortet, es ist das Wirtschaftswachstum – und nicht die Würde –, der muss auf der Stelle entlassen werden.
Es gibt auch nachträgliche Entlassungen – Kant spricht von Aposteriori-Verabschiedungen mit Schimpf und Schande.
Am Ende einer Regierungsperiode muss sich die Nation selbst ein Zeugnis ausstellen.
Da wir von Demokratien reden, und diese selbst ihre Regierungen wählen und bei der Gestaltung der Politik mitbestimmen, muss das Volk sich nachträglich selbst unter die Lupe nehmen. Schlechte Regierungen zeugen von demokratie-unfähigen Völkern.
Sie gehen nicht in die Geschichte ein, sondern gehören auf die Liste der verlorenen Völker.
Was ist das oberste Kriterium einer demokratischen Selbstprüfung? Die Beantwortung der Frage: Wurde das Ziel einer autonomen Politik erreicht?
Was ist das Ziel?
Die Würde oder das Glück aller Menschen.
Hat Deutschland, eine der reichsten und mächtigsten Nationen der Welt, dieses Ziel erreicht?
„Die Menschen in Finnland bleiben auch im achten Jahr in Folge die glücklichste Bevölkerung der Erde. Sie sichern sich die Topplatzierung in der weltweiten Glücksrangliste erneut vor ihren nordischen Freunden in Dänemark, Island und Schweden.“ (ZDF.de)
Deutschland landet dagegen nur auf Rang 22.
Wie lauten die Antworten der Parteien auf dieses schreckliche Versagen?
Weder antworten sie, noch wurden sie gefragt. Die Wahl war ein fulminantes Desaster.
Soll das heißen, unsere Regierungen kennen nicht das Ziel einer demokratischen Politik?
Jedenfalls nicht das Ziel unseres Grundgesetzes: die Würde oder das Glück jedes Menschen.
Wer nicht glücklich ist, sagen sie, ist an seinem Un-Glück selbst schuld. Vermutlich ist er krank und verfügt deshalb nicht über die nötige Gesundheit oder seelische Energie, um sein Glück autonom zu erarbeiten.
Der Staat jedenfalls ist nicht zuständig für das Schicksal der Einzelnen. Das sagen auch die Experten:
„Die Amerikanische Psychiatrische Gesellschaft erhob die „abhängige Persönlichkeit“ offiziell in den Rang einer psychischen Störung.“ (M. Desmond, Armut)
Einwand: es kann in Volksherrschaften doch keinen Staat geben, wenn man unter diesem etwas Ungewähltes oder Unwählbares versteht. Wer Probleme mit Beamten hat, kann sich an die Gewählten wenden, um diese abzusetzen. Alle Regierenden und ihre beamteten Untergeordneten sind abhängig vom Willen des Volkes und können jederzeit entlassen werden.
Einwand zurückgewiesen – von den wirklich Mächtigen und Reichen, die das Sagen im Staat haben.
Gegeneinwand der Armen, Elenden und Machtlosen:
Was verweigern die Mächtigen den Arbeitnehmern, wenn sie ihnen einen menschenwürdigen Lohn verweigern?
Antwort: „Glück, Gesundheit – und das Leben selbst. Ist das der Kapitalismus, den wir uns wünschen?“
Auf keinen Fall, wenn wir Würde oder das Glück für das Ziel einer Demokratie halten.
Das gilt auch für Kinder, die ihr Glück auf Erden lernen wollen. Wenn die Schulen ihnen bei der Glückssuche nicht helfen, sondern, im Gegenteil, ihnen das Unglück durch Noten und Strafen vor den Latz knallen, können sie keine demokratischen Einrichtungen sein.
„Auch unsere Sozialpolitik ist in weiten Teilen familienfeindlich.“ (ebenda)
Was ist die „DNA“ der Armut? Eine blödsinnige Frage, die sich aber eingenistet hat. Menschen haben keine Seelen mehr, sondern sind nur noch biologische Vorgänge, die wie Maschinen funktionieren, aber keine Emotionen mehr kennen.
Wenn die DNA allein alle biologischen Vorgänge bestimmt, können wir sämtliche Psychotherapeuten, Dichter und Sozialarbeiter auf den Mars schicken.
Hier erkennen wir zwei elementare Vorgänge, die – ursprünglich getrennt – sich unaufhörlich aufeinander zubewegen. Auf der einen Seite die Verwandlung des Menschen in eine biologische Maschine, auf der anderen die Ersetzung der Menschen durch KI.
Das Ziel der Politik, das nicht genannt werden darf, ist eine Welt aus mathematischen Vorgängen, die von Maschinisten reguliert werden. Dieses Ziel der endlosen Fortschritte der Maschinendespoten hat mit Demokratie nichts zu tun.
So weit sind wir noch lange nicht. Zuerst muss Musk heil vom Mars zurückkehren und das Steuer der Welt übernehmen.
Momentan ist es noch so:
„Armut ist die fortwährende Furcht, dass alles noch viel schlimmer kommen könnte. – Damit leben rund 50 Millionen Amerikaner – 22 Millionen davon Kinder – im trostlosen Kreis der Armut oder an dessen Rändern. Das sind die Vereinigten Staaten: das reichste Land der Erde, aber mit mehr Armut als jede andere Demokratie. Mehr als 38 Millionen können ihre Grundbedürfnisse nicht decken: mehr als zwei Millionen haben zu Hause kein fließendes Wasser und keine Toilette. Viele Menschen müssen aus verschmutzten Flüssen trinken etc.“ (ebenda)
Natürlich gibt es weitaus schlimmere Verhältnisse auf der Welt, aber wie muss es erst dort sein, wenn im reichsten Land der Welt solch katastrophales Elend herrscht. M. Desmond zieht das Fazit:
„In den Vereinigten Staaten ist die Politik ein trostloses und hässliches Schauspiel.“
Wer dies verändern will, darf keine Almosen über die Mauer werfen, wie lutherische Untertanen predigen. Er muss vielmehr mit seiner Politik „zwischenmenschliche Beziehungen herstellen, die auf gegenseitigem Respekt und Verständnis basieren und uns erlauben, uns über Klassengrenzen hinweg dem Kampf von Geringverdienern für Würde und Einfluss anzuschließen.“
Desmond schließt den Kreis:
„Bedürftige Menschen sind keine freien Menschen. Und ein Land, das von Armut verfolgt wird, ist kein freies Land. Eine Freiheit, die vom Kontostand abhängt – die Freiheit der Reichen – hat wenig zu tun mit einer Freiheit, die aus einer gemeinsamen Verantwortung, gemeinsamen Zielen und Gewinnen, einer ganz anderen, tieferen, wärmeren und volleren menschlichen Befreiung kommt. Das ist die Freiheit, die »beglückt und verantwortlich macht, wir blühen nur gemeinsam.«“ (ebenda)
Bei uns wird die Förderung der Armen als Nächstenliebe verkauft mit dem forschen Zusatz: wir schaffen das, das schaffen wir.
Nur wer sich der Bedürftigen annimmt, um sie wie Menschen zu behandeln, ist ein echter Demokrat. In Demokratien kann es keine Elenden und Verwahrlosten geben, die nebenbei abgespeist werden.
Die psychischen Verhältnisse einer Demokratie, die tief gespalten ist zwischen Superreichen und Armen, werden von keiner Partei angesprochen; auch die Linke hält sich zurück.
Emotional verarmte Superreiche werden zumeist als Wohltäter des Staates geschildert:
„Die Mächtigsten und Reichsten tragen die größte Verantwortung für die gewaltige Armut in den USA, die der Geringverdiener. Konzernvorstände, die dafür sorgen, dass Gewinne wichtiger sind als Menschen: Lobbyisten, die aus Eigennutz dem Gemeinwillen zuwiderhandeln, Eigentümer, die Arme aus ganzen Städten vertreiben und die Wohnungskrise schüren.“
Ein sozialer Staat ist kein unpersönliches Gebilde, sondern der gemeinsame Wille des Volkes.
Neoliberale hingegen verfluchen den sozialistischen Staat. Dieser sei eine „moralische Ungeheuerlichkeit“ und dessen Repräsentanten nichts als eine Bande von Rechtsbrechern, Räubern und ihrer Günstlinge. (H. Hoppe, Über den demokratischen Untergang und die Wege aus der Ausweglosigkeit)
Unfasslich, aber wahr: wenn relativ harmlose Staatsgegner wie die AfD auftreten, werden sie an die Wand geknallt, wenn hasserfüllte Neoliberale jede Demokratie zur Hölle wünschen, werden sie als ökonomische Experten bewundert.
Wenn riesige Gelder verteilt werden sollen, um unseren Abstieg zu korrigieren, sind Ökonomen stets die Ersten an den Mikrofonen, um die Streichung eines Feiertags zu fordern. Für Verteidiger der Reichen ist es klar: Ultrareiche sind die wahren Verteidiger des Wohlstandes, die Armen hingegen die Schmarotzer des allgemeinen Reichtums.
Wie lautet ein Hassgesang der Reichen gegen die Armen?
„Wer arm bleibt, hat sich einfach nicht genug angestrengt, Sozialhilfe macht abhängig. Armen eine Chance zu geben, ist Selbstmord und der sichere Weg zu Sozialismus und Diktatur.“
Ein gleichmacherischer Egalitarismus sei grundsätzlich amoralisch (weshalb alle Neoliberalen grundsätzlich gegen die Moral wüten.)
Wie schrecklich wäre es, fährt Hayek fort, wenn jeder, dem es schlecht ginge. „wüsste, dass alle anderen meinen, er verdiene es eben nicht besser.“ (Die Illusion der sozialen Gerechtigkeit)
Was wäre denn besser, Mister Hayek? Biblische Antwort: „Zeit und Zufall“ sind die göttlichen Urheber des eigenen Geschicks.
Hier wird der Mensch zur Marionette des Himmels oder der Hölle erniedrigt. Nicht er ist verantwortlich für sein Geschick, sondern Gott.
Damit gibt es weder Schuld noch Verdienst des Menschen. Selbst die Auserwählten hätten keinen Grund, stolz zu sein. Die Reichen sind die Erwählten des Herrn, die Armen die Verworfenen. Es ist, wie es ist. Die Erde ist nicht das Revier, um zu zeigen, wozu man fähig ist – oder das Gegenteil. Was Menschen geschieht, ist durchweg das Werk des Herrn.
Bei Hayek haben die Reichen keine Verdienste, die Armen keine Schuld. Damit kann es keine Lerneffekte auf Erden geben. Das Ergebnis: ein totaler Fatalismus. Niemanden kann man bewundern, niemanden anklagen.
Es gibt keine Schuld mehr. Damit ist die Autonomie der Moderne ausgerottet. Vor aller Welt wird die Demokratie zu Grabe getragen.
Auch hier ein absoluter Kampf gegen die Demokratie mit hinterlistigen ökonomischen Begriffen.
Was ist das Ziel der Geschichte und also der Menschheit? Die Erhaltung seiner Würde durch Erkämpfen seines Glücks.
Über Glück kann man endlos streiten – angeblich habe jeder andere Vorstellungen über Zufriedenheit und Wohlbehagen des Seins.
Doch nach 2000 Jahren demokratischen Raufens kann niemand mehr behaupten: Glück ist nichts anders als subjektive Willkür. Betrachte deine Erfahrungen, betrachte die Politik deines Staates und du wirst sehen, dass man durch streitiges Lernen selbst herauskriegen kann, was man will.
Oder willst du eine Marionette bleiben, geführt von höheren Mächten?
Fortsetzung folgt.