Tagesmail vom 07.03.2025
Die ERDE und wir. LVIII,
„Die Weltgeschichte geht von Osten nach Westen, denn Europa ist schlechthin das Ende der Weltgeschichte, Asien der Anfang. Im Osten geht die äußerliche physische Sonne auf, und im Westen geht sie unter: dafür steigt aber hier die innere Sonne des Selbstbewusstseins auf, die einen höheren Glanz verbreitet. Die Weltgeschichte ist die Zucht von der Unbändigkeit des natürlichen Willens zum Allgemeinen und zur subjektiven Freiheit. Der Orient wusste und weiß nur, dass Einer frei ist, die griechische und römische Welt, dass Einige frei seien, die germanische Welt weiß, dass Alle frei sind. Die erste Form, die wir daher in der Weltgeschichte sehen, ist der Despotismus, die zweite ist die Demokratie und Aristokratie, und die dritte ist die Monarchie. Die Freiheit hat die Handhabe gefunden, ihren Begriff wie ihre Wahrheit zu realisieren. Dieses ist das Ziel der Weltgeschichte, und wir haben den langen Weg zu machen, der eben übersichtlich angegeben ist. Doch Länge der Zeit ist etwas durchaus Relatives, und der Geist gehört der Ewigkeit an. Eine eigentliche Länge gibt es für ihn nicht.
Hiermit tritt dann das Germanische Reich, das vierte Moment der Weltgeschichte ein: dieses entspräche nun in der Vergleichung mit den Menschenaltern, dem Greisenalter. Das natürliche Greisenalter ist Schwäche, das Greisenalter des Geistes aber ist seine vollkommene Reife, in welcher er zurückgeht zur Einheit, aber als Geist.“
(Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte)
Mit Amerika konnte der Stuttgarter nicht viel anfangen. Liegt der finale neue Kontinent im Osten oder im Westen? Kommt der Weltgeist dort an sein Ziel – oder geht er unter?
Ist Trump ein Greis der Schwäche – oder ein Greis des Geistes in seiner furchtlosen Reife – und die geistverlassenen Europäer haben Schlange zu stehen, bis sie vorgelassen werden, um seinen Segen zu erhaschen?
Kraft seines anarchischen Geistes gelang es dem Ex-Pfälzer, die Weltpolitik innerhalb weniger Tage durchzupflügen, die eisenharten Schollen der Machtverhältnisse aufzulockern und vielen Völkern eine neue Chance zu bieten – unter dem Regiment des Neuen Kontinents mit seinem voll ausgereiften, alt-neuen Geist in Einem: das Ende ist der Anfang. Fängt alles wieder von vorne an? Dann wäre die Heilszeit ja zirkulär, biblisch könnte das nicht sein.
Sind Trump und sein Mephisto Musk etwa – Christen? Dann kommet schnell herbei, um zu schmettern:
„Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir.
Drückt mich auch Kummer hier,
drohet man mir, soll doch trotz Kreuz
und Pein dies meine Losung sein:
Geht auch die schmale Bahn aufwärts gar steil,
führt sie doch himmelan zu unserm Heil.
Engel, so licht und schön, winken aus selgen Höhn:
Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir!
Ist mir auch noch verhüllt dein Weg allhier,
wird nur mein Wunsch erfüllt: näher zu dir.
Schließt dann mein Pilgerlauf, schwing ich mich freudig auf:
Näher, mein Gott, zu dir, näher zu dir!“
Im bisherigen Trump-Getümmel der Deutschen ist Religion noch nicht vorgekommen. Unglaublich – und das in Hegels Reich der Verheißung.
Fromme Amerikaner sehen das völlig anders:
Es begab sich im Jahre des Herrn 1980, als die New York Daily News berichtete, Ted Turner, Gründer des US-amerikanischen Senders CNN, habe die Devise ausgegeben: Wir bleiben auf Sendung, bis zum Ende der Welt; bevor man sich abmelde, sollten die Marschkapellen der Armee das Lied Nearer, My God, to Thee, spielen. (Johannes Fried, DIES IRAE, Eine Geschichte des Weltuntergangs)
Wetten, dass deutsche NATO-Kapellen dieses Lied nicht mal kennen?
Fastnachts-Kölner haben keine Hemmungen, das Ganze auf den Arm zu nehmen:
„Am dreißigsten Mai ist der Weltuntergang, Wir leben nicht mehr lang, Wir leben nicht mehr lang … Doch keiner weiß, in welchem Jahr, und das ist und das ist wunderbar.“
Warum verstehen die Deutschen die Amerikaner nicht? Weil sie nur noch Kölle Alaaf rufen können. Nicht aber Näher mein Gott zu dir. Dieser Graben ist unüberwindbar. Trump&Musk würden erbrechen, wenn sie dem Fastnachtszug beiwohnen müssten.
Trump hat sich mit Netanjahu verbunden und das ist eine unaufbrechbare Verbindung. Diese Verbindung macht die Amerikaner unbesiegbar.
Beide Völker sind auserwählt, aber Israel ist das Urvolk der Auserwählung:
„Die Erlösung ist nicht nur die Erlösung Israels, sondern die Erlösung der ganzen Welt. Die Erlösung der Welt ABER IST VON DER Erlösung Israels abhängig. Daher rührt unser moralischer, geistiger und kultureller Einfluss auf die ganze Welt. Ausgehend vom Volk Israel, das sein gesamtes Land besiedelt, wird sich der Segen auf die ganze Menschheit erstrecken.“ (Karen Armstrong, Im Kampf für Gott)
Die Deutschen träumten auch einen Traum, den Traum von einem perfekten Amerika, das sie mit letzter Anstrengung gerettet hatte.
Sie waren so dankbar, dass sie nicht wahrnehmen konnten: ihre Retter waren ein gespaltenes Volk: einerseits ein bisschen – wenn auch hervorragend – demokratisch, andererseits ein rücksichtsloses Macht- und Gewinnvolk. Hayek hatte seine Freude an ihm.
„Es gab in Amerika „zwei Nationen“, die sich außerstande sahen, die jeweils andere Perspektive auf die moderne Welt zu teilen. Die apokalyptische Vision entsprach dem Gefühl äußerster Hilflosigkeit, das die Fundamentalisten umtrieb. Die Atombombe sei schon von Petrus vorhergesagt worden. Der geschrieben hatte: „Am Tag des Herrn wird der Himmel prasselnd vergehen, die Elemente werden verbrannt und aufgelöst.“ Die exakte Vorhersage der Atombombenexplosion in der Schrift beweise, dass die Bibel in der Tat irrtumslos sei, wie es dastehe.“ (Johannes Fried, Dies Irae)
Als Gorbatschow es wagte, die christliche Heuchelpolitik mit einer tatsächlich humanen Weltvision zu übertreffen, schlugen die Prediger Amerikas zurück:
„Mochten die Herzen der Amerikaner dem sympathischen Michael Gorbatschow zufliegen, Reagans Leute sorgten dafür, dass die Perestroika scheitert. Eines ihrer Ziele bestand darin, die Sowjetunion wirtschaftlich zu isolieren.“
Aber nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rüstungsmäßig. Heute sind sich Politologen in West und Ost einig, dass der Rüstungswettbewerb zwischen der NATO und den Warschauer-Pakt-Staaten der Sowjetunion das Rückgrat gebrochen hat.
Die guten Seiten ihrer Feinde können die Amerikaner nicht wahrnehmen. Das sehen wir heute bei Putin, dessen guten Anfang sie als Finte interpretieren, um Russland zu dämonisieren.
In Deutschlands Gazetten werden „Putinversteher“ permanent als Feinde des Westens bezeichnet, weil für Deutsche Verstehen identisch ist mit Verzeihen und Vergeben.
Rationale Politiker müssen alles in der Welt verstehen, selbst das sogenannte Böse, das auf keinen Fall teuflisch sein kann, weil es keinen Teufel in der Welt gibt.
Hat Trump wirklich die Welt auf den Kopf gestellt? Dazu ist selbst ein New Yorker Immobilienhai nicht in der Lage. Trump hat die Moraldecke des Westens weggerissen, um den diplomatischen Schein der Gespräche zu zerstören.
Diplomatie wurde im Abendland erfunden, um den schönen, machiavellistischen Schein zu wahren. Trump aber hasst den Schein, er bevorzugt die ungeschminkte Wirklichkeit, den die Tugendheuchler der Welt nicht mehr ertragen.
Was könnte das Zeichen der neuen Weltepoche sein? Nicht der Gebrauch schrecklicher Waffen, das kennen wir alle. Es könnte die unverhüllte Realität der Politikersprache sein, die sich in keiner Weise um Höflichkeit bemüht.
Würde die Welt sich an diese „ehrliche“ Abneigungssprache gewöhnen, wüsste sie besser, was sich zwischen Washington, Kiew, Berlin, Moskau und Peking abspielt.
Wir brauchen Ehrlichkeit, Ehrlichkeit und keine deutsche Propaganda-Rhetorik, die mit Absicht das Gegenteil von dem sagt, was sie nach gewonnener Wahl tun wird.
Deutschland tat zu wenig, um seinen versprochenen Verteidigungshaushalt – tatsächlich zu realisieren. Die einst mächtigste Frau der Welt, eine deutsche Kanzlerin, verstand es hervorragend, blumige Versprechen in der Welt zu verteilen, aber bestimmt nicht einzuhalten. So wurde sie zur mächtigsten Frau der Welt. Ein wahres Kunststück.
Warum haben Amerikaner Probleme mit den Deutschen? Diese Frage stellt sich kein Einheimischer.
Verblüffende Antwort:
„Jeder dritte Amerikaner sah in der Wiedervereinigung eine Gefahr für den Weltfrieden. Die Furcht vor einem zu starken Deutschland hatte mit der Furcht vor einem Wiedererstarken des Faschismus zu tun. Der Dramatiker Arthur Miller vermisste in Deutschland nach wie vor eine stabile demokratische Grundlage und monierte, dass Deutsche für die Demokratie nie einen Tropfen Soldatenblut vergossen hätten. In einem Geheimpapier des Pentagon wurde vor Deutschland als einer Atommacht und einem Rivalen gewarnt. Als sich die Probleme im Zuge der Wiedervereinigung häuften, hatte man dann paradoxerweise Angst vor einem zu schwachen Deutschland.“ (Raeithel)
Kann man diese Gefühle der gegenseitigen Angst verstehen? Nur mit Hegel: welcher Staat ist der wahre Vollendungsstaat des Objektiven Geistes? Das Land der Dichter und Denker, in dem niemand mehr einen Dichter und Denker kennt – oder das Land der Zukunft, das das vollkommene Reich realisieren wird?
Kaum übertrieben, wenn man heute sagte: außer demokratischen Floskeln haben die Täter von gestern fast nichts gemein mit ihren Besiegern und Erlösern.
Trump will den amerikanischen Traum wieder zum Leben erwecken. Das verstehen die Deutschen nicht, die die ganze Zeit davon träumten, ihre starken Freunde in allen Dingen zu imitieren und zu überholen.
Ein kleines Beispiel, wie Amerikaner und Deutsche aneinander vorbeireden – ohne es zu bemerken:
„Unternehmer Ross Perot meinte während seiner Präsidentschaftskampagne, Amerika müsse sich wieder in Bewegung setzen, das Ziel sagte er nicht.“
Was sagen die Deutschen, wenn sie eine Wahl verloren haben? Jetzt müssen wir den Blick nach vorne richten. Wo ist vorne?
Weder Amerikaner noch Deutsche wissen, wovon sie reden. Sie dürfen es nicht wissen, denn Ziele in der Politik sind wie Visionen: strengstens verboten. Die moderne Welt darf kein Ziel haben außer: immer reicher und mächtiger zu werden und alle Konkurrenten in die Knie zu zwingen.
Seit Schröder ist es hierzulande schick geworden, die Armen zu stauchen, um die Probleme der Reichen zu reparieren. Und wie ist es im Land der Superreichen?
„Der Begriff Arbeitslosigkeit sei im Grunde Schönfärberei, urteilte der Schriftsteller V. S. Naipaul: man brauche diese Leute nicht, sondern sei im Stillen davon überzeugt, dass sie menschlicher Abfall sind, den die Geschichte zurückgelassen hat.“
Ja, das Ziel jeder neoliberalen Ökonomie sei die Vernichtung aller Armen, so kann mans auch lesen. In diesem Sinn ist jede Demokratie nichts anders als „ein Wettbewerb der Gauner“. (Hans Hermann Hoppe, Über den demokratischen Untergang und die Wege aus der Ausweglosigkeit)
Und wie steht’s mit der Umweltzerstörung?
„Das Kapitel Umweltzerstörung ist dort eines „der fürchterlichsten und destruktivsten, das in der langen Geschichte der Kultur jemals geschrieben wurde. Die Rodung riesiger Waldgebiete mit Axt und Feuer erfolgte ohne einen einzige Gedanken an den Wasserhaushalt.“
Wie man mit Dingen umgeht, so auch mit Menschen. Personen, die materiellen Dingen keine Bedeutung beimessen, wollen auch keine dauerhaften menschlichen Beziehungen eingehen. Nur diese Haltung wird als Voraussetzung zum sozialen Aufstieg akzeptiert. Als Kissinger gefragt wurde, ob er sich an seine alten Freunde erinnern könne, sagte er: „Das Geheimnis meines Erfolgs ist, meine alten Freunde zu vergessen.“
Kann es Freundschaft geben zwischen einem Land zerstörerischer Träume – und bewusstseinsloser Ziellosigkeit?
Fortsetzung folgt.