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Die ERDE und wir. LVII

Tagesmail vom 03.03.2025

Die ERDE und wir. LVII,

Wir müssen einen neuen Anfang setzen. Aber, vergesst nicht, jeder Anfang ist grässlich.

„Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Silicon Valleys schwebte über dem Wasser.“

Und Bezos sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über die ganze Erde und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Zuckerberg schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn.

Und Musk gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm isst, musst du des Todes sterben.

Nein, so einfach ist das nicht im Reich der Genies:

Da ließ Thiel einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss die Stelle mit Fleisch. Und er baute eine Frau aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. Da sprach der Mensch: Die ist nun Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.

Der geniale Mann musste sich ab jetzt mit einer Männin herumärgern, die ihm zwar gelegentliche Lust bereitete, aber ihn im täglichen Geschäft maßlos ärgerte.

Die Männin wollte klüger sein als der allmächtige Mann:

Und die Männin sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß.

Wer sich von der Natur ernährt, wird klug, denn er isst biologisch rein. Die Männin erkannte die biologischen Fähigkeiten der Natur und begann, sich dem Erkenntnisverbot des Urmannes zu widersetzen. Streit und Widerspruch, so wurde ihr klar,, war der Ursprung der Erkenntnis.

Die Dummen wurden zu Klugen – und nun begann das Verhängnis: wer war der Klügste unter den Männern und Männinen?

Und die Männin sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von seiner Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. 7 Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze.

Und wo endet das ganze Spektakel?

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.

Ein echter Fortschritt: die erste Schöpfung muss weg, die zweite sieht man am Horizont. Nun kommt die Hoffnung der Hoffnungen: das erste ist vergangen, nun kommt das Zweite und Endgültige. Und mit ihm kommen die Genies von Silicon Valley:

„Trotzdem denken zahlreiche weitere Tech-Milliardäre über das Ende der Welt nach. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg baut einen Bunker auf Hawaii, der CEO von OpenAI Sam Altman will sein Gehirn digital sichern lassen und Tesla-Chef Elon Musk strebt Mars-Kolonien an. Das Ideal dieser Tech-Milliardäre ist eine komplett sichere Umgebung, in der sie sich allem entziehen können. Im Zweifel lassen sie uns dafür zurück.“ (TAGESSPIEGEL.de)

Doch siehe, nicht die Menschheit wurde erlöst, sondern nur die Besten der Besten. Die aber dachten nicht daran, die Doofen zu retten, sondern nur, sich selbst in Sicherheit zu bringen. Der Rest in den SCHLUND.

Ein unendlicher Aufwand um fast nichts! Wegen der paar Männlein, die sich – vielleicht – retten können, diese gewaltige Inszenierung mit Offenbarungen, Heilsgeschichten, Auserwählungen, schrecklichen Kämpfen und apokalyptischen Entscheidungen.

Heute stehen wir kurz vor dem Ende. Die Ökonomen der auserwählten Reichen verfluchen Staat und Demokratie und fühlen sich fast schon im lang ersehnten Paradies.

Absurditäten in der deutschen Bundesrepublik: Wer Demokratie verflucht, wird eingesperrt oder ausgewiesen. Ist er aber neoliberaler Wirtschaftler, erhält er den Nobelpreis für Ökonomie – oder sie wird als Männin zur Anführerin einer machthungrigen Parteimeute.

Das deutsche Recht beruht auf vernünftigen Moralprinzipien, wer diese verletzt, kommt in Häfen (wienerisch für Gefängnis). Wer aber aus der Verachtung von Moral und Vernunft eine großartige ökonomische Lehre zusammenbastelt, der kommt in das Pantheon der Gelehrten. Hayek bezieht sich auf Hume: „Die Regeln der Moral sind nicht die Schlussfolgerungen unseres Verstands.“

Der Verstand ist jene Fähigkeit des Menschen, der den Zufall überwinden will. Nicht bei Hayekianern, den Anbetern des vernunftlosen, aber göttlichen Zufalls:

„Wiederum sah ich, wie es unter der Sonne zugeht: Zum Laufen hilft nicht schnell sein, zum Kampf hilft nicht stark sein, zur Nahrung hilft nicht geschickt sein, zum Reichtum hilft nicht klug sein; dass einer angenehm sei, dazu hilft nicht, dass er etwas gut kann, sondern alles liegt an Zeit und Zufall.“

Wer von vorne beginnt, muss die Vergangenheit aufarbeiten. Nicht bei Hayek, dem Landsmann von Sigmund Freud, den er hasst wie die Pest. Denn diese Therapeuten glauben, sie könnten uns sagen, „was wir tun müssen und tun können, um diese Gesellschaft viel schöner, viel vergnüglicher und viel erfreulicher zu machen als die, in der wir tatsächlich leben.“ (Hennecke, F. von Hayek)

Unsere jämmerliche Vernunft, die sich in allen Dingen überschätzt, ist absolut unfähig, eine weltumspannende Ethik zu entwerfen. Was eine erfolgreiche Macht auszeichnet, ist Demut, die Fähigkeit, den Kopf zu senken und sich den Gesetzen des Neoliberalismus fraglos zu unterwerfen.

Die Maxime der Nächstenliebe spiegelt für den österreichischen Katholiken nur eine belanglose Gruppenmoral und bezieht sich nur auf Menschen mit nachbarschaftlicher oder verwandtschaftlicher Beziehung. „Doch als moralische Grundregel für die Großgesellschaft oder für eine abstrakte Ordnung ist dieses zentrale Gebot schlichtweg ungeeignet.“

In einer Würdigung der Ordensgründerin Mutter Teresa fällt ihm keine einzige Lobeshymne ein. Stattdessen bemerkt er in kalter Abstraktheit, dass „eine Rückkehr zu natürlichen Instinkten innerhalb weniger Generationen zum Tode von 99,5 % der Bevölkerung führen müsste.“ Solche Stellungnahmen tragen Hayek schnell den Vorwurf des Zynismus und der Gefühllosigkeit ein.

Doch das gehört zum Waffenarsenal der neuen Amoralisten, dass sie das Denken und Fühlen des normalen Menschen zertrümmern: wer eine neue Welt will, braucht neue eiskalte Werte, die Werte einer gefühllosen KI.

Darauf ist er stolz: er zertrümmert den Moralabfall der alten Gesellschaft, um eine neue „Utopie“ zu entwerfen.

Wie? Haben wir Utopie gehört? Hat sein Freund Popper nicht vor jeder Utopie gewarnt? Hat Helmut Schmidt, Poppers Schüler, nicht gelästert: wer Utopien braucht, soll zum Arzt gehen, aber nicht in die Politik?

Kein Wunder, dass Schröder, ein Nachfolger von Helmut Schmidt, seine neue Wirtschaftsideologie aus England importierte, wo eine Margret Thatcher schon längst das kalte Denken der Hayekianer übernommen hatte. Eine soziale Finanzmoral, die der Gesellschaft dient – was soll das sein? „Eine Gesellschaft gibt’s bei uns nicht,“ sagte die fromme Engländerin.

„Wir Marktwirtschaftler haben noch eine Utopie zu bieten – der Kommunismus hat keine mehr.“

Das war noch aus jener Zeit, als es Kommunisten gab. Zudem muss man wissen: Marktwirtschaft ist keine soziale Marktwirtschaft, sondern agiert wie eine kalte Maschine.

Was hat Popper in diesem katholischen Abfallhaufen zu tun? Eine wichtige Frage, eine Frage, die in Deutschland nie gestellt wird. Denn hier ist Wirtschaft eine Rechenaufgabe, keine Umsetzung von Motiven und Ideen.

In seinem Werk „Der Zauber Platons“ unterscheidet Popper zwischen der „offenen und geschlossenen Gesellschaft“.

„Im folgenden wird die magische, stammesgebundene oder kollektivistische Gesellschaft auch die geschlossene Gesellschaft genannt werden, die Gesellschaftsordnung aber, in der sich die Individuen persönlichen Entscheidungen gegenübersehen, nennen wir die offene Gesellschaft.“

Eingeborenenstämme werden hier zur Sau gemacht, damit unsere modernen Gesellschaften umso heller leuchten? Exakt.

„Die Züge, an die ich denke, sind mit der Tatsache verbunden, dass viele Mitglieder einer offenen Gesellschaft sozial emporzukommen versuchen, dass sie versuchen, die Stellen anderer Mitglieder einzunehmen. Dies kann zum Beispiel zu einem so wichtigen sozialen Phänomen wie zum Klassenkampf führen.“

Es gibt zwei Arten von Gesellschaft: die moderne-offene mit radikalem Wettstreit um die besten Plätze – und die organische, in der es keinen Wettbewerb gibt.

„Nichts im Organismus entspricht einem der wichtigsten Kennzeichen der offenen Gesellschaft, dem Wettstreit ihrer Mitglieder um die Stellung, die sie in ihr einnehmen sollen. – In der geschlossenen Gesellschaft jedoch gibt es kaum solche Bestrebungen. Ihre Institutionen, ihre Kasten eingeschlossen, sind sakrosankt-tabu.“

In der modernen Pädagogik gibt es zweierlei Schulen: in der einen – der organischen (würde Popper sagen), bleibt eine gute Familie emotional immer miteinander verbunden. Alle Mitglieder sind eine „organische“ Einheit.

In der offenen Gesellschaft haben sich Kinder so früh wie möglich von ihrer Familie zu lösen – um unabhängig von Mama und Papa ihren eigenen Werdegang zu finden.

Ebenso haben sich die Mütter partiell von ihrer Familie zu lösen, um ihre eigene Karriere zu verfolgen.

Kein Wunder, dass momentan, beim Sieg der Superreichen über die altmoralische Welt, die Bedeutung der Frau wieder ins Mittelalter zurückfällt, die Rate der ermordeten Frauen täglich steigt.

Bei Popper und Hayek gilt als Grunddogma: die Natur muss überwunden werden, damit das Patriarchalische endlich das Weibliche regiert. Einen Musk hält es nicht auf dieser schäbigen Erde, in der die Natur – oder die Frau – noch immer das Sagen hat. Er will das Matriarchat endgültig überwinden, um so schnell wie möglich zum Mars zu sausen.

Popper ist bekannt geworden für seine wissenschaftstheoretische Falsifikation – die strenge Überprüfung aller Hypothesen. Nur, wo bleibt die Falsifikation seiner Überwindung des Organismus, die Überprüfung der Hayek’schen Menschenfeindlichkeiten?

Das muss man sich anhören:

„Obgleich die Gesellschaftsform abstrakt geworden ist, hat sich doch die biologische Struktur des Menschen nicht sehr verändert: die Menschen haben soziale Bedürfnisse, die sie in einer abstrakten Gesellschaft nicht befriedigen können.“

Das ist bereits der Vorentwurf einer „abstrakten KI-Gesellschaft“. So wurde Silicon Valley vorbereitet. Die natürlichen Bedürfnisse der Menschen nach Verbundenheit und Wohlgefühl in einer Familie oder einer sonstwie symbiotischen Gruppe fallen flach. Die Karriere einer erfolgreichen Maschine steht offen.

Popper unterwarf sich seinem alten Freund Hayek und kümmerte sich in der Mont Pèlerin Society (MPS) kaum um die Kalamitäten einer „abstrakten Ökonomie“.

Sollte es in der Zukunft nach diesen Herren aus Wien gehen, landen wir im klirrend-kalten Getöse einer Maschinengesellschaft – ohne Gefühle, ohne soziale Sympathie, ohne Verantwortung für unsere Mitmenschen. Humanität? Kannste vergessen.

Nicht uninteressant zu wissen, dass Hayek gelegentlich der Berater des chilenischen Diktators Pinochet war, des portugiesischen Diktators Salazar und ähnlicher Despoten.

Zum Schluss noch das Zuckerl, wie Hayek die wissenschaftlichen Klimaexperten betrachtete. Wer das gelesen hat, kann sich über die FDP und die WELT nicht mehr wundern:

Gegen die zentrale These des Club-of-Rome-Berichts bezieht er 1983 Stellung: Von der angeblichen Verknappung der Rohstoffe solle man sich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Das sei einfach Unfug und nicht wahr. Vielmehr würden durch die Entdeckung neuer Lagerstätten fast alle bekannten Rohstoffvorkommen stets zunehmen. Die vieldiskutierte Luftverschmutzung in den urbanen Ballungszentren hält er für ein lösbares Problem: „Wenn wir wirklich vor der Kohle so viel Angst haben, können wir uns auf die viel gesünderen und viel weniger gefährlichen Atomkraftwerke verlassen.“

Hayek’sches Fazit der deutschen Politik: Habeck ist an allem schuld. Also weg mit dem lächerlichen Klimagedöns. Die abstrakte Naturfeindlichkeit wird uns retten.

Fortsetzung folgt.