Tagesmail vom 10.03.2025
Die ERDE und wir. LIX,
Jetzt stehen wir erneut am Anfang – und wissen nicht wohin.
Wie wär’s mit Vorbildern?
Vorbilder kann man bewundern – und wegwerfen, wenn ihre Anziehungskraft den Weg alles Irdischen geht.
Da ist etwa das berühmte Manifest Destiny, das alle Elemente des amerikanischen Exzeptionalismus, Nationalismus und Expansionismus in einem übergreifenden Sendungsbewusstsein vereinigt.
Kern dieses Sendungsbewusstseins war: „Die Stadt auf dem Berge werde dem Rest der Welt die Lebensweise einer freien gottgemäßen Gesellschaft demonstrieren.“ Göttlicher Auftrag sei es, die USA über den gesamten nordamerikanischen Kontinent auszudehnen – was damals noch nicht der Fall war.
Deshalb will Trump sich auch Kanada unter den Nagel reißen, um ganz Nordamerika endlich unter seine Kontrolle zu kriegen.
Der amerikanische Exzeptionalismus (exzeptionell = außergewöhnlich) ist „eine nationalistische Ideologie, die auf dem Postulat basiert, dass die Vereinigten Staaten von Amerika eine Sonderstellung gegenüber allen anderen Nationen einnehmen.“
Hier wird Netanjahu aufschreien, denn diese Sonderstellung propagiert auch Israel für sich. Nur ein finaler Wettbewerb kann hier entscheiden, welche Auserwählten die wahren sind.
Eins aber ist klar: weg mit internationalen und gleichmacherischen Gesetzen, die für alle dieselben sind. Es gibt keine gleichen Menschen. Die einen stehen im Licht, die anderen in der Finsternis:
„Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein.“
Momentan müssen Washington und Jerusalem sich die besten Plätze auf dem Berge teilen. Lange wird das nicht gehen.
Das ist der Mythos der Auserwähltheit oder der amerikanisch-jüdische Weg in den Himmel.
Dann gibt’s den konkurrierenden Weg, den mühsamen Pfad der humanen Menschheit,
„der setzte der Spaltung der Welt in zwei feindliche Lager ein Ende und öffnete die Möglichkeit einer echten Zusammenarbeit über die Schranken hinweg. Er steht für die Befreiung der Völker vom Kolonialismus und für die weltweite Verbreitung des Begriffs der Menschenrechte und der Ideen sozialer Gerechtigkeit.“
Amerikanische Auserwähltheit ist bedingungslose Eroberung der Weltschätze, wenn der amerikanische Sonderweg es braucht. Oder wenn die Söhne des Lichts den Söhnen der Finsternis das Lebenslicht auspusten und das biblische Urland für sich erobern.
Pankaj Mishra schreibt in seinem neuen, grandiosen Buch „Die Welt nach Gaza“ den Satz:
„Der tiefe Bruch, den wir heute empfinden, ist ein endgültiger Bruch mit der Moralgeschichte der Welt seit dem Jahre Null 1945 – der Geschichte, in der die Shoah einen universellen Verweis auf einen katastrophalen Zusammenbruch menschlicher Moral darstellte.“
Moral ist für westliche Auserwählte, zu denen inzwischen auch die Deutschen gehören, die Sondermoral für Besondere. Was ihnen nicht nützt, ist absolut keine Moral, sondern Schrott.
Gorbatschow, unerreichbares Vorbild in theoretischer und praktischer Humanität, kennt drei fundamentale Herausforderungen des neuen Jahrhunderts:
1. „Die erste mahnt uns, den Frieden der Welt zu wahren und sämtliche Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft darauf zu richten, dass so genannte lokale Konflikte entschärft werden.
2. Die zweite Herausforderung besteht darin, die Armut auf der Welt zu bekämpfen – die Steinreichen dürfen sich nicht länger teilnahmslos die Leiden der Armen ansehen, die von ein, zwei Dollar pro Tag leben und häufig keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Anlagen haben.
3. Die dritte Herausforderung ist eine ökologische. Heute ist mit bloßem Auge zu erkennen, dass sich auf der Erde Klimaveränderungen vollziehen, dass die Zahl der Naturkatastrophen – Taifune, Stürme, Überschwemmungen und Dürren – wächst, dass viele Pflanzen- und Tierarten aussterben, dass die polaren Eiskappen schmelzen, die Ozeane immer mehr verschmutzt und die Wälder mit zunehmender Geschwindigkeit abgeholzt werden.
Diese Herausforderungen sind eng miteinander verbunden. Denn ohne Einigkeit in der Welt, ohne ein Ende der Kriege und Konflikte wird auch die gemeinsame Zusammenarbeit auf anderen Gebieten unmöglich, einschließlich der Bemühungen zur Rettung der Welt. (alle Zitate in Gorbatschows phänomenalem Buch: Mein Manifest für die Erde)
Die Feinde dieser globalen Menschheitsrettung – die neoliberalen Kapitalisten – hassen jede Form der Klimapolitik. Sie sprechen von einer „wahnwitzigen Doktrin politischer Korrektheit und einem krankhaften, quasireligiösen Klimawahn infantiler sogenannter Klimaschützer, angesichts derer man oft nicht mehr weiß, ob man einfach nur aufheulen und weinen oder aber sich kaputtlachen soll.“ (Hans-Hermann Hoppe, Über den demokratischen Untergang und die Wege aus der Ausweglosigkeit)
Meister Hoppe steigert sich in eine Verwüstungsorgie der Demokratie, denn nur die Ideologie der Schwerreichen könne die Erde vor dem Elend bewahren:
„Steuern sind ungerecht, eine moralische Sauerei. Der ganze demokratische Steuerstaat ist nichts anderes als eine unermessliche Verschwendung knapper sachlicher und menschlicher Ressourcen und eine Brutstätte wirtschaftlichen Parasitentums. Steuerhinterziehung ist darum nicht asozial, wie ein Herr Gauck uns vorzugaukeln versucht, sondern ein positiver, sozialer Beitrag zur Trockenlegung eines riesigen moralischen und wirtschaftlichen Sumpfes. Es sind Herrschaften wie Joachim Gauck und Konsorten, die asozial sind.“
Worauf beziehen sich die moralischen Amoralisten? Auf „sämtliche Hochreligionen“, die es angeblich verbieten, das Eigentum anderer zu begehren. „Die gegenwärtige demokratische Gesellschaftsordnung mag die technisch fortschrittlichste Zivilisation sein, aber sie ist sicherlich nicht die gesellschaftlich fortschrittlichste. Gemessen an biblisch-libertären Maßstäben sozialer Perfektion fällt sie weit hinter das Mittelalter zurück. Gemessen an diesen Standards ist der Übergang in der europäischen Geschichte vom anarchischen Mittelalter zur modernen etatistischen Welt nichts Geringeres als der Übergang von einer gottgefälligen zu einer gottlosen Gesellschaftsordnung.“
Was ist ein Staat? Ein Staat ist nichts als eine „moralische Ungeheuerlichkeit und seine Repräsentanten eine Bande von Rechtsbrechern; Räubern und Günstlingen.“
Kaum anzunehmen, dass die vielen AfD-Wähler solche vergifteten Bücher gelesen haben werden. Dennoch spüren sie, dass die Verteidiger des Bestehenden ein schlechtes Gewissen haben und lieber Hayekianer wären denn biedere SPDler.
Was man sich hierzulande nicht klar macht: Trump attackiert nicht nur die Demokratie, sondern das ganze Rechtssystem, von dem wir leben:
„Verwandelt Donald Trump die USA in eine Autokratie? Es ist noch schlimmer, sagt der US-Politologe Jeffrey Kopstein. Trump legt die Axt an den modernen Staat. Und damit an das Leben in Sicherheit, Gesundheit und Freiheit.“ (SPIEGEL.de)
Die ökonomische Ideologie der Schwerreichen ist religiöser Gehorsam. Zwar soll man den Armen gelegentlich Almosen zuwerfen, aber niemals das ganze System zuungunsten der Erfolgreichen auf den Kopf stellen.
„Die ökologische Krise ist die Folge einer selbstherrlichen Manipulation der Natur mit den effizienten Mitteln der Technik und Naturwissenschaft. Sowohl die Entstehung der modernen Wissenschaft und Technik als auch der Geist, in dem sie angewandt werden, lassen sich auf charakteristische Eigenarten der christlichen Lehre zurückführen.“ (Lynn White jr. in: Gefährdete Zukunft)
„Früher, bei den Heiden, war alles anders: Ehe man einen Baum fällte oder einen Bach staute, war es notwendig, den dafür zuständigen Geist zu besänftigen. Indem das Christentum die heidnische Naturbeseelung zerstörte, schuf es erst die Voraussetzungen für eine Ausbeutung der Natur.“ (ebenda)
Untersuchungen mit Hilfe der Religion sind in Deutschland nicht opportun. Zwar ist man ein bisschen gläubig, aber niemals so fromm, dass man mit Glauben seinen Alltag beschmutzen wollte.
Fragen wir nach bei Gorbi, was wir tun sollen, um die Menschheit und ihre Erde zu retten:
„Die Selbstheilungskräfte der Gemeinschaft allen Lebens und das Wohlergehen der Menschheit hängen davon ab, ob es uns gelingt, eine gesunde Biosphäre zu bewahren mit all ihren ökologischen Systemen, dem Artenreichtum ihrer Pflanzen und Tiere, fruchtbaren Böden, reinen Gewässern und sauberer Luft. Die globale Umwelt mit ihren endlosen Ressourcen ist der gemeinsamen Sorge aller Völker anvertraut. Die Lebensfähigkeit, Vielfalt und Schönheit der Erde zu schützen ist eine heilige Pflicht. Wir haben die Wahl: entweder bilden wir eine globale Partnerschaft, um für die Erde und füreinander zu sorgen, oder wir riskieren, uns selbst und die Vielfalt des Lebens zugrunde zu richten.“ (Mein Manifest für die Erde)
Wahrlich, es gibt viele Vorbilder auf der Welt. Doch von den meisten hört man nichts in der Öffentlichkeit, die von den Reichen gnadenlos beherrscht wird.
Von den Anonymen hört man nur selten, und immer so, dass niemand sich um sie kümmert.
In Amerika gibt es zwei hervorragende Vorbilder, das eine heißt Pepe Mujica und war ein wichtiger Politiker in Uruguay, der andere lebt in Nordamerika und gilt als bedeutendster Intellektueller der Welt: Noam Chomsky. – Saúl Alvídrez erzählt das Treffen dieser beiden in brillanter Form. (Chomsky & Mujica)
Was hält Chomsky, der Amerikaner, vom Russen Gorbatschow?
„Er plädierte für ein, wie er es nannte, gemeinsames europäisches Haus von Lissabon bis Wladiwostok, ohne militärische Allianzen, ohne Sieger und Besiegte, als Gleichberechtigte, die gemeinsam auf eine im Grunde sozialdemokratische Zukunft zusteuern. Ein Wandel in der gesamten Region, ohne Militärbündnisse, durch Kooperation. Dies war eine Erweiterung der gaullistischen Vision eines unabhängigen Europas, als dritte Kraft in internationalen Angelegenheiten. Gorbatschow hat diese Vision weitergetragen, und sie hätte Bestand haben können. Präsident Bush war nicht grundsätzlich gegen dieses Ziel. Clinton demontierte dies, als er entgegen den festen Zusagen gegenüber Gorbatschow die NATO bis zur russischen Grenze ausbaute. Aber das Ideal eines gemeinsamen europäischen Hauses, keine Militärbündnisse, die Arbeit an einer demokratischen Zukunft, das ist eine Vision, die respektiert, gewürdigt und zu erreichen versucht werden sollte.“ (actvism.org)
Wir sehen, dass selbstbewusste, kritische Denker über die ganze Welt verstreut sein und dennoch zum selben politischen Urteil kommen können. Was wäre das Fazit?
Lernt von den Vorbildern. Prüfet, ob sie wirkliche Vorbilder sind. Streitet mit ihnen, bis ihr euch geeinigt habt. Suchet Gleichgesinnte, mit denen ihr eine politische Kraft bilden könnt. Eure Kinder werden euch danken – und nicht nur sie.
Fortsetzung folgt.